Der lange Schatten der Palastzeit. Die nördliche Unterstadt von Tiryns: ein Großbauprojekt palast- und nachpalastzeitlicher Entscheidungsträger
https://doi.org/10.34780/v26c-v2o5
Résumé
Die mit den Kampagnen 2017 und 2018 abgeschlossene deutsch-griechische Ausgrabung in der nordwestlichen Unterstadt von Tiryns hat neue Erkenntnisse zum Wandel von Kultur und Umwelt in der mykenischen Palast- und Nachpalastzeit erbracht. Geoarchäologisch-sedimentologische Untersuchungen widerlegen die These einer Überschwemmungskatastrophe als Auslöser der bekannten Flussumleitung der späten mykenischen Palastzeit. Die nördlich der Akropolis vorliegenden fluvialen Sedimente wurden nicht auf einmal, sondern bei bis zu 150 Hochwasserereignissen zwischen der Mitte des 14. Jhs. v. Chr. und dem Ende des 13. Jhs. v. Chr. allmählich akkumuliert. Der Nachweis einer ausgedehnten Planierschicht lässt den Wunsch zur Bebauung des Areals als wichtiges Motiv für die Flussumleitung erscheinen, eine Planung, die aber während der Palastzeit nicht mehr verwirklicht werden konnte. In dem unbebauten Areal ließen sich vorübergehend Kunsthandwerker nieder, die für den Palast Möbel aus Holz und Elfenbein sowie andere Luxusgüter herstellten. Die am Beginn von Späthelladisch IIIC Früh einsetzende Bebauung folgte einem in beiden Bauhorizonten des 12. Jhs. beibehaltenen Bebauungsschema aus rechteckigen Modulen mit gleich ausgerichteten Höfen und Häusern. Der sorgfältig konzipierte Charakter der so geschaffenen ›Planstadt‹ erweist diese als ein Vermächtnis endpalastzeitlicher Bauplanungen und als das wohl einzige Großbauprojekt, das in SH IIIC in Griechenland verwirklicht wurde. Die Besiedlung der nordwestlichen Unterstadt geriet indes schon nach wenigen Generationen ins Stocken und wurde lange vor dem Ende der mykenischen Zeit aufgegeben.