Plástica sirio-fenicia en occidente. La sirena de Villaricos y el origen de la plástica ibérica
https://doi.org/10.34780/203a-230d
Abstract
Die ‘Sphinx von Villaricos’ stammt aus der Nekropole von Baria, dem heutigen Villaricos (Prov. Almería), einer phönizischen Gründung des 7. Jhs. v. Chr. Anders als die ägyptisierenden phönizischen Sphingen handelt es sich bei dieser Skulptur um eine Sirene neuhethtischer Tradition nordsyrischer Werkstätten, vielleicht z. B. Arwads. Gleiches gilt für das Grabmonument von Pozo Moro (Prov. Albacete) und den phönizischen Löwen von Puente de Noy (Sexi, Prov. Almuñécar).
Die en face dargestellte Sirene zeichnet sich durch senkrecht fallende, geriffelte, eingedrehte Locken aus, ein in den aramäischen und neuhethistischen Königreichen Nordsyriens verbreitetes Motiv, z. B. der Sphingen aus Zinzirli und Sakçagözü und einigen Elfenbeinen nordsyrische Stils aus Nimrud. Ihre Flügel entspringen hinter den Vorderläufen und werden von fächerartig angeordneten Federn bedeckt, die von einem oberen Begrenzungsstreifen ausgehen. Die ‘Diosa de Galera’, eine syrische Alabasterskulptur aus der Zeit um 700 v. Chr. sowie einige syrische Elfenbeine, Tridacna-Muscheln und Orthostanten aramäischen Stils wie die aus Karatepe bieten dafür die nächsten Vergleiche. Diese hier in den westmittelmeerischen Regionen einzigartig belegte Frisur verweist auf Handwerker nordsyrischer Prägung aus der Umgebung von Zinzirli und Sakçagözü, im Wesentlichen aus der Zeit um 720/10 v. Chr.
Der Stil der ‘Sirene von Villaricos’ lässt sich ins erste Drittel bzw. in die Mitte des 7. Jhs. v. Chr. datieren, d. h. vor die griechischen Grabsphingen und –sirenen. Damit gehört die ‘Sirene von Villaricos’ in eine Epoche, die vor dem griechischen Einfluss auf die iberische Plastik ab Mitte des 6. Jhs. Chr. liegt. Damit ist diese syrisch-phönizische Sirene die bisher älteste bekannt gewordene Tierplastik Hispaniens. Die ‘Sirene von Villaricos’ gehörte wohl zu einem Grabmonument, vermutlich zu einem phönizischen Pfeilergrab, das von einem Architrav mit Hohlkehle wie die Stele aus Arwad und die ältesten attischen Stelen bekrönt war. Sie beschützte die Reste des vergöttlichten Toten, eine Idee, die in den Sirenen und Sphingen der iberischen Pfeilergräber fortdauerte. Der Ursprung der Sirene als mythisches Tier ist weitgehend ungeklärt. In der Region ihrer Herkunft, im Orient, begegnet sie weniger häufig als die Sphinx. Die orientalischen Sirenen waren apotropäische Wesen, die in dieser Bedeutung auf Tridacna-Muscheln, einigen Elfenbeinen, Griffen von Thymiaterien und Henkeln nordsyrischer Bronzekessel, aber auch in Orthostatenreliefs bekannt sind. Sie scheinen eine syrisch-phönizische Schöpfung darzustellen, die über das Phönizische in das Griechische gelangte, obgleich ihrem Ursprung nach mit dem Ba-vogel der ägyptischen Mythologie verbunden.
Auf Grund ihres apotropäischen Charakters galt sie als Beschützerin des Grabes, später besaß sie im Griechischen die Bedeutung eines Psychopompos. Die schon in der Odyssee belegten Sirenen erlangten aber erst in Griechenland ab dem 7. Jh. v. Chr. die Bedeutung eines Grabdaimons. Vergleichbare Verhältnisse sind im Italischen bezeugt, so dokumentieren sardische Bronzen, norditalische Situlen, ferner Bronzen, Schmuck und etruskische Skulpturen aus der Zeit vor 675 v. Chr. die Gegenwart nordsyrischer Handwerker am Ende des 8. bzw. Anfang des 7. Jhs. v. Chr., die unter assyrischen Druck auf diese Region emigriert waren. Der herrschaftliche Charakter dieses Handwerks und einiger seiner Zeugnisse lassen vermuten, dass unter den Immigranten sich auch Vertreter der Eliten dieser kleinen syrisch-phönizischen Königreiche befanden, eine Hypothese, die mit mythischen Elementen der Gründung von Karthago durch Elissa, der Schwester des Königs Pygmalion von Tyros, nach ihrer Flucht auf Grund dynastischer Intrigen vergleichbar ist.