Cuatrovitas (Bollullos de la Mitación, Sevilla, Spanien). Neue Untersuchungen zur almohadenzeitlichen Moschee und Wüstung. Ein Beitrag zur Geschichte der Siedlungskammer Aljarafe in islamischer Zeit
https://doi.org/10.34780/mm.v57i0.1012
Abstract
In einem zweijährigen Forschungsprojekt untersuchten Forscher aus den Universitäten Bamberg und Sevilla die Moschee/Kirche und deren dazugehörige almohadenzeitlichen Wüstung ›Ermita de Cuatrovitas‹ (Gemeinde Bollullos de la Mitación, Provinz Sevilla). Dabei kamen auf breiter Basis prospektorische, archäologische und naturwissenschaftliche Methoden zum Einsatz, kombiniert mit traditionellen und modernen Mitteln der Baudokumentation und -forschung. Als wichtiges Ergebnis lässt sich festhalten, dass das historische Cuatrovitas, dessen arabischen Siedlungsnamen wir bislang nicht kennen, nun erstmals flächenmäßig und chronologisch fassbar geworden ist: Das geistlich-kultische Zentrum einer ehemaligen 3-schiffigen Moschee mit Minarett und östlichem Hofbereich versorgte in seiner Blütezeit im ausgehenden 12. Jh. und in der ersten Hälfte des 13. Jhs. mindestens zwei getrennte Siedlungen, die mit ihrer Ausdehnung von jeweils bis zu 10 ha eine zu Beginn der Untersuchung völlig unerwartete Größe einnahmen. Bisher ist die nördliche Dorfstruktur im Geomagnetikbild in Ansätzen erschließbar und wurde mit archäologischen Einzelaufschlüssen im Umfeld der Moschee konkretisiert: Eingeschossige Hofhäuser aus Stampflehm mit Ziegeldächern gruppieren sich zu einem ausgedehnten, deutlich rasterartig während der späten Almohadenzeit angelegtem Siedlungsgrundriss, in dem sich zwei Hauptorientierungen, nämlich die Nord-Süd-Richtung und die hiesige Qibla-Richtung (157°) nachweisen lassen. Anhand des geborgenen Fundmateriales lässt sich der Beginn von Cuatrovitas nun erstmals gesichert vor die almohadische Aufsiedlung setzen: An mehreren Stellen wurden ältere Grubenverfüllungen geborgen oder voralmohadisches Fundmaterial in Auffüllhorizonten – mit dem reichlich vorliegenden Material der entwickelten Almohadenzeit vermengt – dokumentiert. Hierzu zählen Keramiken des 10. und 11. Jhs. sowie Einzelfunde aus der Emiratszeit. Phasen einer vorhergehenden Siedlungsphase sind somit durch die Materialkultur eindeutig belegbar, auch wenn bislang die zugehörigen Befunde fehlen. Auch eine jüngere Besiedlung über den Hiatus der christlichen Machtübernahme hinaus (1248) zeichnet sich an Hand der islamischen Keramik der zweiten Hälfte des 13. Jhs. und besonders der spätmittelalterlichen Keramik – zumindest im direkten Umfeld des dann christlich genutzten Sakralbaues – ab: Dessen Kirchhof diente dann auch als Begräbnisplatz für im christlichen Ritus angelegte Bestattungen. Aus der schriftlichen Überlieferung und materiellen Befunden kann die nachfolgende Nutzung der Kirche und die Geschichte der Bruderschaft von Cuatrovitas ab dem späten 16. Jh. in Ansätzen rekonstruiert werden. Die architektonischen Befunde lassen sich in das geläufige System der Ziegelmaße und Maßverhältnissen in der almohadischen Architektur einordnen.