Käse, Licht oder Rauch? Zur Funktion der siebartig durchlöcherten Keramikgefäße ohne Boden der Kupfer- bis Eisenzeit auf der Iberischen Halbinsel aus komparativer, archäometrischer und experimentalarchäologischer Sicht
https://doi.org/10.34780/mm.v57i0.1002
Abstract
An kupfer- bis eisenzeitlichen Fundplätzen auf der Iberischen Halbinsel kommen immer wieder siebartig durchlöcherte Keramikgefäße ohne Boden zu Tage, die traditionell als Utensilien zur Käseherstellung interpretiert und deshalb in der spanischen Forschung meist als »queseras« (von »queso«/Käse) bzw. in der portugiesischen Forschung als »queijeiras« (von »queijo«/Käse) bezeichnet werden. Dabei stützt man sich vor allem auf ethnographische Analogien, die daher im vorliegenden Aufsatz Gegenstand einer ausführlichen Betrachtung und Diskussion sind. Es zeigt sich, dass es keine exakte ethnographische Analogie zu den bodenlosen Siebgefäßen der Kupfer- bis Eisenzeit der Iberischen Halbinsel gibt und dass zur Käseherstellung theoretisch auch ein einfaches Tuch reichen würde. Die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Analysen an Siebgefäßscherben von der Iberischen Halbinsel und aus anderen Teilen Europas sprechen leider ebenfalls keine eindeutige Sprache: An manchen Fragmenten wurden Milchreste festgestellt, während andere Fragmente stattdessen Rückstände von Fetten ölreicher Samen oder von Bienenwachs aufwiesen. Bei Öl und Bienenwachs könnte es sich um Brennstoffe für eine kleine Flamme handeln, die durch ein Siebgefäß vor Wind geschützt worden sein könnte, um so immer eine sichere und auch transportable Feuer- bzw. Lichtquelle zur Verfügung zu haben – eine Hypothese, die einem experimentalarchäologischen Praxistest standgehalten hat. Daneben ist in Analogie zu antiken Räuchergefäßen auch eine Funktion als Aufsätze oder Abdeckungen von Räuchergefäßen vorstellbar.
Schlagwörter:
Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Iberische Halbinsel, Keramik, bodenlose Siebgefäße, Ethnographie, Archäometrie, Experimentelle Archäologie