Die Ausgrabungen in Boğazköy-Ḫattuša 2023
https://doi.org/10.34780/fa2t-66da
Abstract
Die Fortsetzung der Forschungen auf dem Büyükkale- Nordwesthang (BK-NWH), auf der Büyükkale und auf dem Westhang der Oberstadt haben für die Erforschung der hethitischen Epoche wesentliche neue Ergebnisse erbracht. Die Entwicklung der Oberstadt stellt sich nunmehr als fließender Prozess dar, der sehr wahrscheinlich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jhs. v. Chr. begann (Beitrag M. Gruber § 129–153). Weitere Einblicke in die hethitische Zeit konnten wir auf dem Büyükkale- Nordwesthang (Beitrag A. Schachner § 2–96), in der Poterne von Yerkapı (Beiträge M. Marazzi – N. Bolatti-Guzzo, L. Repola – V. Morra § 159–194) und auf der Büyükkale (Beitrag J. Becker § 97–128) gewinnen. Die Grabungen auf dem Westhang der Oberstadt bestätigen nicht nur, dass dieser Teil der Stadt im 16. Jh. v. Chr. aufgesiedelt wurde, sondern liefern auch starke Indizien dafür, dass dieser Prozess früher begann als bisher vermutet und sich dynamisch über das gesamte Jahrhundert hinzog. Auf der Büyükkale zeichnen sich immer deutlicher substantielle Reste der hethitischen Großreichszeit ab, die das Aussehen der hethitischen Königsburg tiefgreifend verändern. In der Poterne von Yerkapı konnten offene Fragen bezüglich der gemalten anatolischen Hieroglyphen geklärt werden, die insbesondere Hinweise auf das hethitische Verständnis der Stadttopographie seit dem 16. Jh. v. Chr. liefern. Die Erforschung des BK-NWH hat erstmals seit mehreren Jahrzehnten wieder gut datierbare Kontexte des 13. Jhs. v. Chr. mit dem Fund einer spektakulären Einlegearbeit erbracht, die über die Entwicklung in Ḫattuša hinaus seltene Einblicke in die überregionalen Beziehungen dieser Zeit ermöglichen. Ebenfalls auf dem BKNWH wurde im Zusammenhang eines Gebäudes der späten hethitischen Großreichszeit ein Text gefunden, durch den die bisher unbekannte indoeuropäische Sprache von Kalaşma nachgewiesen werden konnte. Einen zweiten Schwerpunkt der Arbeiten bilden Forschungen in Schichten des 1. Jts. v. Chr. auf der Büyükkale und dem BK-NWH. Auf der Büyükkale erlaubt eine feinstratigraphisch untersuchte Abfolge der Bauschichten der mittleren und der späten Eisenzeit die Kontrolle der vor mehreren Jahrzehnten vorgeschlagenen Abfolge. Auf dem BK-NWH konnte nicht nur erstmals außerhalb von Büyükkaya eine Besiedlung der frühen Eisenzeit dokumentiert werden, sondern es zeichnet sich auch eine Verschiebung der Siedlung von der mittleren zur späten Eisenzeit den Hang hinauf ab. Diese ist umso bemerkenswerter, als in der nachfolgenden hellenistisch-galatischen Zeit die Siedlung wieder im Bereich der mittleren Eisenzeit liegt. Anhand dieser Veränderungen in der Wahl des Siedlungsplatzes innerhalb eines definierten geographischen Raums, die strukturell mit ähnlichen Entwicklungen in der Bronzezeit korrespondieren, ist es erstmals möglich, solche Prozesse für die Antike exemplarisch zu erfassen, die sonst in Zentralanatolien nur für die osmanische Zeit belegt sind.