El sarcófago romano con musas de la capilla de Junterón de la Catedral de Cartagena, en Murcia: un palimpsesto del siglo XVI

https://doi.org/10.34780/x36m-dltg

Autor/innen

  • José Miguel Noguera Celdrán (Universidad de Murcia)

Abstract

Als im Oktober 1998 archäologische Arbeiten dem Einbau einer Belüftungskammer in die Capilla de Junterón vorausgingen, entdeckte man einen Musensarkophag. Dieser war als Grablege von Gil Rodríguez Junterón wiederbenutzt worden, der für die Nutzung bzw. Anlage von Oratorien als persönliche Mausoleen eingetreten war. Dieser Stifter war apostolischer Protonotarius und Pfalzgraf (conde palatino) am päpstlichen Hof des Julius II. della Rovere sowie Erzdiakon für Lorca am Domkapitel der Diözese von Cartagena. Das Exemplar zeigt auf der alten Vorderseite ein Fries von neun Musen in Hochrelief und ist von zweifachem Interesse: Es erweitert einerseits den Bestand der Musensarkophage, deren Produktion im 3. Jh. ihren Höhepunkt erreicht hatte. Da es wahrscheinlich aus einer stadtrömischen Werkstatt stammt, ist seine Wiederverwendung in Murcia im 16. Jh. von historischer Bedeutung. Wie alle anderen Wiederverwendungen von Antiken lenkt sie den Blick auf eines der wichtigsten Themen der abendländischen Kunstgeschichte, nämlich auf die Verbindung der Klassischen Antike mit den verschiedenen Formen ihres Fortlebens und ihrer Renaissancen. Eine Detailanalyse der Attribute und der Bewegungsmotive der Musen bestimmt die typologischen und ikonographischen Fragen. So ist es möglich, von rechts nach links Polyhymnia, Klio, Erato bzw. Terpsichore, Euterpe, Kalliope, Thalia, Terpsichore bzw. Erato, Urania und Melpomene zu identifizieren. Der Fries wird von insgesamt fünf Achsen gegliedert, von denen eine mittlere Achse in Kalliope zentriert ist, an die vier Nebenachsen in den mittleren und seitlichen Bereichen des Reliefs anschließen. Sie geben dem Relief einen deutlich vertikalen Akzent, die Grundlage für seine rhythmische und harmonische Gestaltung. Technik und Stil stützen die Datierung dieses Werkes in das Ende des 3. Jhs., wahrscheinlich in die zweite Hälfte der Tetrachie (ca. 285/290–310).
Der Sarkophag wurde entweder aus einer nahe gelegenen Nekropole oder aus der Stadt Rom selbst nach Murcia transportiert, und zwar mit Sicherheit vor 1528, wie dem Epitaph des Gil Rodríguez auf der Rückseite des Sarkophages, welche durch diese Bestattung zur neuen Vorderseite wurde, zu entnehmen ist. Das antike Relief der rechten Nebenseite wurde abgearbeitet, bevor man die Waffen des Verstorbenen einmeißelte. Auf der gegenüberliegenden Seite blieben die Arbeiten der Wiederverwendung unvollendet. In dem einzigen bekannten Testament des Erzdiakons aus dem Jahr 1543 wird verfügt, daß der Sarkophag »alto en la recapilla [des Oratoriums], delante del altar« (frei sichtbar vor dem Altar der Nebenkapelle) aufgestellt werden soll, d. h. er sollte die Mitte des Mausoleums einnehmen. Alles weist darauf hin, daß dieses Vorhaben ursprünglich den monumentalen italienischen Grabanlagen dieser Epoche ähnelte, wie dem 1505 von Michelangelo Buonarroti für Papst Julius II. geschaffenen Entwurf, den er aber niemals ausführte und von dem wir durch die Beschreibung von Vasari unterrichtet sind. Dieser berichtete von einem zentralen Sarkophag, der für die Bestattung des Pontifex bestimmt war.
Der Aufenthalt des Gil Rodríguez de Junterón in der Urbs Sancta (1505–1510) fällt tatsächlich in diese Epoche, und es ist nicht abwegig anzunehmen, daß das Projekt Michelangelos ihm als Anregung für seine Grabkapelle, die zwischen 1525 und 1543 errichtet wurde, gedient haben mag, und zwar in dem Wunsch, eine Sarkophagbestattung zu besitzen, die an den päpstlichen Höfen des 10.–15. Jhs. Päpsten, Bischöfen und höchsten Würdenträgern vorbehalten war. Die Wiederverwendung des antiken Sarkophags in Murcia setzt auch eine profunde Kenntnis der Antike voraus, wie sie einem in der Welt des italienischen Humanismus versierten Renaissancegelehrten eigen war. Dennoch gibt es kein Dokument darüber, daß die Wahl des Musenthemas durch den Erzdiakon beabsichtigt gewesen wäre, obgleich die klassizistischen Konnotationen des – von ihm selbst entworfenen – gesamten ornamentalen Programms der Begräbniskapelle dem nicht widersprechen würden.
So wie der Sarkophag auf uns überkommen ist, scheinen allerdings die genannten testamentarischen Bestimmungen niemals erfüllt worden zu sein. Nach Auswertung der verschiedenen uns zur Verfügung stehenden Daten ist es offensichtlich, daß entweder auf Wunsch des Protonotarius selbst oder wegen des Widerstandes des Domkapitels gegen sein Vorhaben oder aus irgendeinem anderen uns bisher unbekannten Grund die Bestattung in der Form erfolgte, in der sie jetzt vorgefunden wurde. Die unvollständig gebliebene Ausführung der linken Nebenseite ist von höchstem Interesse, um schließlich den Prozeß der Wiederbenutzung begreifen zu können. Die Unterbrechung der Steinmetzarbeiten für einen neuen Schild, vielleicht den des Papstes Julius II., könnte der Punkt gewesen sein, an dem es zu einem Sinneswandel hinsichtlich des Aufstellungortes kam, was ganz sicher zwischen 1543 und 1552 geschah. Durch solche die Aufstellung betreffenden Geschehnisse verkam die ‘humanistische’ Wiederbenutzung des antiken Sarkophages zu einer bloßen funktionellen Wiederverwendung im Untergrund der Nebenkapelle, womit die Wünsche des apostolischen Protonotarius nach Größe und Selbstdarstellung teilweise vereitelt wurden.

Schlagworte:

lala

Veröffentlicht

2020-12-01

Bibliographische Daten & Rezensionen

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Noguera Celdrán, J. M. (2020) „El sarcófago romano con musas de la capilla de Junterón de la Catedral de Cartagena, en Murcia: un palimpsesto del siglo XVI“, Madrider Mitteilungen, 42, S. 209–242. doi: 10.34780/x36m-dltg.