Stephanos von Byzantion über Alabanda. Zum Gründungsmythos der nordkarischen Stadt

Abstract

Die beiden ersten Bände der neuen Ausgabe des Stephanos von Byzantion von der Hand M. Billerbecks haben erneut den Blick auf die Bedeutung dieses justinianischen Autors für unser Wissen von dem Selbstverständnis der Städte Kleinasiens gelenkt. In seinen Ethnica findet sich ein umfangreiches Lemma über die karische Stadt Alabanda, das allerdings im Laufe seiner Textgeschichte so malträtiert wurde, dass am Ende ein verwirrter, in sich widersprüchlicher und mit der tatsächlichen Geographie Kariens nicht in Einklang zu bringender Text entstand, der die Existenz von zwei Städten namens Alabanda konstatiert. Der Autor des Beitrags plädiert dafür, eine Passage dieses Lemmas als späte Einfügung zu erkennen und aus dem Text zu streichen. Auf diese Weise entsteht ein in sich schlüssiger Lexikonartikel, der nur ein einziges Alabanda erwähnt, dessen mythische Gründungsgeschichte unter Rückgriff auf Charax von Pergamon erzählt wird. Gründer der Stadt war demnach der eponyme Heros Kariens, Kar, der die Stadt nicht nach sich, sondern nach seinem Sohn Alabandos benannte. Dieser war dem Kar von einer Tochter des Flussgottes Mäander nach einem Sieg in einer Reiterschlacht geboren worden und deshalb ‹Reitersieg(er)› genannt worden. In den alabandiakischen Patriatraditionen machte Alabandos seinem Namen alle Ehre, da er ihnen zufolge gut mit Pferden umgehen konnte und ein Vorbild an Tapferkeit war, von dem sogar Cicero von seinem alabandiakischen Lehrer Apollonios Molon erfahren hat und der auf kaiserzeitlichen Münzen der Stadt zusammen mit einem Pferd dargestellt ist. Wenn auch die Verehrung bzw. der Kult des Alabandos schon im 4. Jhdt. v.Chr. nachzuweisen ist, kann diese Patriatradition wegen der falschen Etymologisierung des Namens und des Missverstehens der in ihm verwendeten karischen Wörter erst mit dem Aussterben der karischen Sprache aufgekommen sein.