Ein nackter Mann ist schwer zu finden
Zur Entwicklung einer spätpalatialen mykenischen Ikonographie einer männlichen Gottheit
https://doi.org/10.34780/jkn7ns04
Abstract
Originaltitel: A nude man is hard to find. Tracing the development of Mycenaean late palatial iconography for a male deity
In der Ikonographie der spätbronzezeitlichen Ägäis spielen Darstellungen des menschlichen Körpers eine wichtige Rolle, auf die Angabe primärer Geschlechtsmerkmale wird jedoch verzichtet. Von dieser ikonographischen Konvention weicht das Fragment eines großen scheibengedrehten Terrakottaphallus aus Tiryns deutlich ab. Die kontextuelle und vergleichende Untersuchung des Fundes sowie seine Einbettung in die historischen Rahmenbedingungen des Fundortes verdeutlichen sein außergewöhnliches performatives Potenzial innerhalb von Libationspraktiken und verweisen auf levantinische Einflüsse in der Konzeption dieser männlichen Figur. In Hinblick auf zunehmende archäologische Belege für größerformatige männliche Figuren der mykenischen Spätpalastzeit wird die These aufgestellt, dass das Tirynther Exemplar als Kultbild gedient haben könnte. So scheinen derartige Figuren eine Ikonographie männlicher Gottheiten einzuleiten, die zuvor in der mykenischen Bildwelt nicht zu fassen war. Mit Blick auf den soziopolitischen Hintergrund der Argolis des späten 13. Jahrhunderts v. u. Z. könnte diese ikonographische Neuerung eng mit einer verstärkten Ausformung absolutistischer Herrschaft verbunden sein.
Schlagwörter:
Mykenische Terrakottafigur, Nacktheit, ithyphallische Darstellungen, Tiryns, männliche Gottheiten