Der Südbau im Heraion von Samos - Das Odeion des Heiligtums?
https://doi.org/10.34780/k48d7y32
Abstract
Zu kürzen!
Zu Beginn des 6. Jhs. v. Chr. hat das Heraion von Samos eine großangelegte Erweiterung des Temenos erfahren, die eine tiefgreifende Neuordnung des Kultbetriebs mit sich brachte. Der gesamte bisherige bauliche Bestand wurde vollständig abgetragen, offensichtlich auch der Großteil der monumentalen Votive. Der offizielle Zugang zum Heiligtum erfolgte fortan über die Heilige Straße, die maßgebenden Bauten waren der Dipteros und der ihm vorgelagerte Altar. Zusammen mit der neuen Erschließung gaben diese beiden Großbauten der Stätte ein monumentales Gepräge ungeahnten Ausmaßes. Repräsentative Weihgeschenke, ehemals im Bereich südlich des Tempels aufgestellt, wurden nun entlang der Heiligen Straße errichtet. Der nördliche Teil des Temenos gewann an Bedeutung, der südliche lag nun abseits und wurde einer neuen Funktion zugeführt.
Die wenigen Hinweise, anhand derer die Datierung des Südbaus eingegrenzt werden kann, sprechen dafür, dass er von Beginn an Bestandteil dieser grundlegenden Planung und Neuordnung war. Er dürfte unmittelbar nach der Fertigstellung des Dipteros in Angriff genommen worden sein und es ist durchaus denkbar, dass von dort aussortiertes und überschüssiges Material für seine Errichtung verwendet wurde. Die Fundamente, in die offensichtlich auch Werkstücke von Säulenvotiven verbaut wurden, zeigen, dass man bemüht war, das Gebäude aus dem Gelände herauszuheben. An allen Stellen, an denen einschlägige Beobachtungen möglich sind, ist zu sehen, dass die Fundamente oberirdisch gesetzt wurden. Leider gibt es keine Auskunft über die Aufhöhung des Begehungsniveaus, die dadurch erforderlich war.
Über die Architektur des Südbaus ist nur wenig in Erfahrung zu bringen, sicher ist jedoch, dass sich das Schema seiner Fundamentstränge mit einem Peripteros nicht vereinbaren lässt. Der Bau ist vielmehr als Oikos zu rekonstruieren, der sich nach Osten zum Alsos hin in seiner ganzen Breite öffnete. Ob sein Innenraum mit zweckdienlichen Installationen versehen war, ist unbekannt; sicher ist, dass ihn drei Stützenreihen der Länge nach durchzogen. Anzunehmen ist, dass die Außenwände aus Lehmziegeln bestanden, die Stützen aus Holz. Bedeckt war dieser Oikos wohl von einem Satteldach mit einem Giebel an der Vorder- und einem Walm an der Rückseite. Ein Fundamentzug vor dem Bau macht wahrscheinlich, dass vor der Front ein Podest angeordnet war.
Über die Nutzung des Südbaus haben die Ausgrabungen keine weiterführenden Hinweise erbracht. Die erschlossene Form des Gebäudes, seine beachtliche Größe, seine Position innerhalb des Temenos und nicht zuletzt die konkrete Nennung eines Odeion im Schatzverzeichnis der Göttin legen den Schluss nahe, dass mit dem Südbau ebendieses Odeion des Heiligtums gemeint ist. Diese Deutung wäre nicht nur eine wichtige Information zur Topographie des Heraion, der Südbau wäre damit auch das früheste Gebäude mit einer solchen Funktion, von dem wir eine Vorstellung haben.