Kapitelle vom Kyma recta-Typus (›tuskanische‹ Kapitelle?) im hellenistischen Pergamon und in Kleinasien
https://doi.org/10.34780/5cs6-ob14
Abstract
Aus dem hellenistischen Pergamon sind nach der hier vorgelegten Materialübersicht etwa 60 Kapitelle bzw. -fragmente eines besonderen Typus erhalten, die sich auf ca. 30 verschiedene Architekturen verteilen. Die Kapitellvariante ähnelt äußerlich dem dorischen Normalkapitell, dem Echinus ist hier aber die Form eines – unterschiedlich stark ausbauchenden – Kyma recta gegeben. Die Serie beginnt im späten 3. Jh. v. Chr., vermutlich mit dem extravaganten Zeus-Tempel der Oberen Agora, und wurde prägend für die stadtpergamenische Architektur vor allem des 2. Jhs. v. Chr., namentlich im großen Gymnasion. Lediglich eine kleine Gruppe ähnlicher Kapitelle läßt sich aus dem westlichen Kleinasien anschließen. Ein konkretes Vorbild für diesen Kapitelltypus kann nicht namhaft gemacht werden; er ist vielleicht als eine dorisierende Neuerung aufzufassen, die Anregung von einer älteren Tradition des Kyma recta in der griechische Architektur erfahren haben könnte. Skeptisch ist dagegen nach Meinung des Verf. die bislang in der Forschung mitunter vertretene These zu bewerten, der Kapitelltyp sei als ›tuskanisch‹ anzusprechen und ein Import aus dem italischen Raum. Nach der chronologischen Evidenz ist, neben einer denkbaren Entwicklung unabhängig voneinander, vielmehr die Alternative in Betracht zu ziehen, daß hier umgekehrt eine pergamenische Innovation Eingang in das spätrepublikanisch-italische Formenrepertoire gefunden hat. Besonderes Gewicht erhält diese kontrovers diskutierte Frage vor dem Hintergrund, daß von der italischen Befundgruppe ausgehend Kyma recta Kapitelle in der Kaiserzeit zu einer vor allem in der westlichen Reichshälfte verbreiteten Typenvariante des ›tuskanischen‹ Kapitells avancierten.
Schlagwörter:
Pergamon, Kapitell, Kyma, Säule, tuskanisch