Ein Brief des Kaisers Gallienus an Side. Herrscherliche Hilfe bei einer Versorgungskrise
https://doi.org/10.34780/n9f9-e69d
Abstract
Bei Ausgrabungen in Side ist eine Stele ans Tageslicht gekommen, auf der ein Brief des Kaisers Gallienus an die Verfassungsorgane von Side aufgezeichnet ist. Die Titulatur des Kaisers, seine Rechtsetzung und die dazu gegebenen Erläuterungen sind vollständig erhalten; nur der Schluss des Briefes fehlt. Aufgrund der Nennung der kaiserlichen Titel und Amtsgewalten, insbesondere der tribunicia potestas, ist die Konstitution in das Jahr 267 n. Chr. zu datieren. Das kaiserliche Schreiben ist in einem stark stilisierten, nicht leicht verständlichen Griechisch abgefasst, bei dem nicht zuletzt der nachdrückliche Wille zur Herausstellung der Teilhabe an griechischer παιδεία sichtbar wird. Mit dem Brief reagiert der Kaiser anscheinend auf eine Petition der Sideten, die offenbar unter einem Mangel an Brotgetreide litten. Nachdem der Herrscher seine Überraschung darüber ausgedrückt hat, dass es überhaupt zu einer solchen Notlage kommen konnte, hilft er der Stadt damit, dass er ihr die staatlichen Zölle auf eingeführten Weizen erlässt, sofern er der Versorgung der sidetischen Bevölkerung dient. Offensichtlich geht es bei dieser Abgabe um die Erlegung der quadragesima portuum Asiae, da Side und sein Territorium damals den südöstlichen Rand dieses Zollbezirks bildeten. Wenn die Stadt mit eigenem Aufwand Weizen in der Fremde einkaufte, entstünde ihr nunmehr aus dieser Konstitution ein nicht geringer Gewinn; wenn sie mit Getreideimporteuren einen Vertrag abschlösse, so liefen Getreideschiffe Side gerne an, da die Belastung durch diesen Zoll weggefallen ist. Am Ende des Briefes kommt der Kaiser auf die fides der Stadt (gegenüber Rom) zu sprechen, deren sich Side auf seinen städtischen Münzen titular rühmt. Es bleibt offen, ob Gallienus die Erwähnung der fides mit einer Belobigung der Stadt oder einer Ermahnung, sie auch weiterhin zu wahren, verbindet. Bemerkenswert ist, dass dieses Zollprivileg ohne zeitliche Begrenzung, d. h. bis auf weiteres, gewährt wird, wenn auch nur für Weizen, der für den eigenen Gebrauch bestimmt ist. Es ist denkbar, dass wir solche Privilegien als erste Schritte auf die Abschaffung der Binnenzölle hin verstehen dürfen, die wahrscheinlich einige Jahrzehnte später unter Diokletian ihren Abschluss findet.
Schlagwörter:
Side, 3. Jh., Gallienus, Kaiserbrief, Zollerhebung, quadragesima portuum Asiae, Getreideknappheit, fides