Amtlich angeordnete ärztliche Untersuchungen im römischen Ägypten
https://doi.org/10.34780/4ncc-6c9a
Abstract
Im römischen Ägypten konnte nach gewalttätigen Auseinandersetzungen, aber auch nach Unfällen und unter besonderen Umständen bei ungeklärten Todesfällen bei dem zuständigen Gaustrategen, ab dem 4. Jh. bei dem Logistes (curator civitatis) oder einem sonstigen hochrangigen Amtsträger eine offizielle Untersuchung der Verletzten bzw. eine Inaugenscheinnahme der Toten vor ihrer Beisetzung beantragt werden. Diese erfolgte im Allgemeinen durch einen ‹öffentlichen Arzt›, in Ausnahmefällen auch durch weitere hierfür qualifiziert erscheinende Personen. Das Procedere wird auf der Basis der einschlägigen Dokumente, die einen Zeitraum vom Ende des 1. bis zur Mitte des 5. Jh.s abdecken, soweit wie möglich geklärt. Mit dem schriftlichen Bericht (προσφώνησις) über die Verletzungen der Opfer, den der Demosios Iatros nach der im Beisein eines Amtsdieners durchgeführten Untersuchung abfasste und den beide durch ihre Unterschrift bestätigten, wurde ein gerichtsverwertbares Dokument erstellt. Erst im Anschluss daran erfolgte die ärztliche Versorgung der Verletzungen. In der Schlussbemerkung werden weitere offene Fragen etwa nach der Häufigkeit und dem praktischen Nutzen dieses Vorgehens bei Forderungen nach Wiedergutmachung entstandener Schäden angesprochen. Schließlich wird noch die Verwendung des Begriffs ‹forensische Medizin› in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellt.