The biological reconstruction of the population of the Late Neolithic Lengyel culture of Alsónyék-Bátaszék
https://doi.org/10.34780/fl7w-7135
Liste der Beiträger/innen
- Kitti Köhler [Kapitelautor/in]
Über dieses Buch
Bei den zwischen 2006 und 2009 durchgeführten Ausgrabungen im Vorfeld des Baus der Autobahn M6 wurden am Fundplatz Alsónyék-Bátaszék in Südost-Transdanubien eine ausgedehnte Siedlung und fast 2400 Bestattungen der spätneolithisch-frühkupferzeitlichen Lengyel-Kultur gefunden. Die Größe des Fundplatzes war zu Beginn der Ausgrabung und zum Zeitpunkt meiner Bewerbung an der Doktorandenschule und der Wahl des Themas für die Dissertation nicht bekannt. Auch stellte sich erst viel später heraus, dass die verschiedenen Grabungsareale mit unterschiedlichen Namen zu ein und demselben Ort und Gräberfeld gehörten. Die anthropologische Bearbeitung des gesamten Materials hätte daher den zeitlichen und räumlichen Rahmen einer Dissertation deutlich gesprengt. Daher stelle ich von den ausgegrabenen Bestattungen die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung von 862 Gräbern vor, die im nördlichen Grabungsareal 010/B gefunden wurden. Nach der derzeit akzeptierten archäologischen Auffassung spielten die Menschen der vorangegangenen mitteleuropäischen Linearbandkeramischen Kultur (LBK) eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Lengyel-Kultur in Transdanubien, aber auch die Möglichkeit des Zuzugs neuer ethnischer Gruppen (aus dem Süden) wurde angesprochen. Im Rahmen meiner Arbeit suchte ich die Antwort auf diese grundlegende Frage in erster Linie durch morphometrische, taxonomische und kraniometrische Vergleiche der anthropologischen Funde des Gräberfeldes von Alsónyék. Darüber hinaus habe ich eine detaillierte Analyse der Demographie der hier Bestatteten durchgeführt und jede pathologische Läsion und Zahnerkrankung in Verbindung mit Daten zur Häufigkeit untersucht. Nach der demographischen Analyse weist die Bevölkerung von Alsónyék eine günstige Sterblichkeitsrate auf: Der Anteil der 0–1-Jährigen und der Kinder liegt unter den erwarteten Werten, die Zahl der Individuen der Altersklassen Adultus und Maturus ist gleich groß, und der Anteil der Frauen ist höher. Die archäologisch abgrenzbaren Grabgruppen im Gräberfeld decken sich nicht mit Verwandtschaftseinheiten auf Basis ihrer demographischen Indikatoren, deren Analyse ich durch die Untersuchung der vererbten anatomischen Variationen ergänzt habe. Auf dieser Grundlage kann in einigen Fällen das Auftreten dieser Merkmale an den Schädeln von nebeneinander bestatteten Individuen als eine auf Verwandtschaft basierende Bestattungsordnung interpretiert werden, aber in vielen Fällen ist dies aufgrund der demographischen Unverhältnismäßigkeit nicht zu rechtfertigen. Nach den Ergebnissen der taxonomischen Analyse kann die bisher angenommene Vorherrschaft des atlantisch-mediterranen und des nordischen Typs innerhalb der Kultur nach der Bearbeitung der Funde von Alsónyék nicht mehr aufrechterhalten werden, da hier, in einem Gräberfeld mit einer großen Anzahl von Fällen, die Dominanz der grazilen mediterranen Variante zu beobachten ist. Nach biologischen Distanzberechnungsmethoden, die auf dem Durchschnitt der Schädelgrößen beruhen,
zeigen nur Frauen eine signifikante Verwandtschaft mit der Mórágy-Serie der Lengyel-Kultur, dem Gräberfeld von Bruchstedt und der kombinierten tschechischen Serie der mitteleuropäischen LBK. Dies bestätigt die bisherigen Ergebnisse von Zoffmann (1984; 2004a), wonach die biologische Herkunft der Menschen der Lengyel-Kultur auf die lokale mitteleuropäische LBK-Population zurückgeführt werden kann. Nach den Ergebnissen der pathologischen und oralpathologischen Untersuchungen ist die Zahl der traumatischen Läsionen, der unspezifischen Entzündungen sowie der degenerativen Gelenkveränderungen gering. Im Gegensatz dazu waren mangelernährungsbedingte Cribra orbitalia und Schmelzhypoplasie sowie eine erhöhte stressbedingte Enthesopathie häufiger. Bei der Bearbeitung wurden auch einige seltenere Läsionen beobachtet, von denen die wichtigste das Auftreten von Tuberkulose in dieser spätneolithischen Bevölkerung war.