Der schlaffe Thyrsos. Zur Plinthe des Farnesischen Stiers und zur Frage der expliziten künstlerischen Selbstreferenz in kaiserzeitlichen Marmorbildwerken
https://doi.org/10.34780/aa.v0i1.1016
Abstract
Die Darstellung der dramatischen Szene um die Bestrafung der Dirke, die in der kolossalen marmornen Skulpturengruppe des ›Farnesischen Stiers‹ aus den Caracalla-Thermen erhalten ist, umfasst neben den Hauptfiguren zahlreiche weitere Bildelemente an der Felsenplinthe. In inhaltlicher Hinsicht bereichern diese das gezeigte Geschehen durch eine detaillierte Angabe des Geschehensortes oder sie sind einzelnen Figuren als Attribute beigegeben. Dies gilt auch für den Thyrsosstab der Dirke, dessen Schaft jedoch durch einen zweifachen Richtungswechsel auffällt. Damit erscheint das dionysische Attribut hier entgegen der geläufigen Vorstellung und Darstellungsweise nicht unversehrt, sondern deformiert, wobei das eine Ende schlaff über die Felsenkante nach unten zu hängen scheint. Der Beitrag erörtert unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten für diesen sperrigen Bildbefund ohne direkte Parallelen und diskutiert dessen Aussagegehalt sowohl innerhalb des dargestellten Geschehens als ein Mittel der Bilderzählung bzw. der metaphorischen Charakterisierung als auch mit Blick auf den exzeptionellen künstlerisch-technischen Anspruch des Bildwerks, dessen gelungene Umsetzung komplementär zum Inhalt ein eigenständiges Thema des ›Farnesischen Stiers‹ bildet.
Schlagwörter:
römische Idealplastik, Plinthenschmuck, ex uno/eodem lapide, künstlerische Meisterschaft, regelkonforme Darstellung/Mimesis