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129•2023
Die procuratores marmorum Numidicorum als kaiserliche Funktionäre und städtische Euergeten
Einleitung und Forschungsstand
1Die Erforschung des Marmorhandels in der Antike ist in den Altertumswissenschaften eng mit der Untersuchung von Sklaven und Freigelassenen in Wirtschaftssystemen verbunden. Bereits im 19. Jh. studierte Luigi Bruzza anhand von Marmorrohlingen, die bei den Ausgrabungen unter Pietro Ercole Visconti am Emporium in Rom zutage kamen, die in den Inschriften genannten Ämter und Personen im Hinblick auf deren Beteiligung am Marmorhandel[1]. Weitere Untersuchungen von Jules Toutain, Otto Hirschfeld und Charles Dubois erweiterten den Bestand um die damals bekannten Inschriften aus einigen Steinbrüchen[2]. Ferner waren die Kompetenzen kaiserlicher Sklaven und Freigelassener im Marmorhandel zentraler Bestandteil in den kontrovers diskutierten Modellen zum kaiserzeitlichen Marmorhandel von John B. Ward-Perkins und J. Clayton Fant. Für Ward-Perkins stellten sie Eckpunkte seines Handelsmodells zur „Nationalisierung“ von Steinbrüchen durch den Kaiser dar, indem sie als Mittelsmänner mit Aufträgen eines zentralen Marmorbüros in Rom an den Steinbrüchen agierten[3]. Fant interpretierte sie zwar als „important markers of imperial oversight“, jedoch lag seiner Meinung nach die Organisation beim Kaiser, der durch die Monopolisierung des Marktes viel eher das mit den Marmoren verbundene Prestige zur Schau stellen als finanzielle Gewinne erzielen wollte[4]. Diese Theorien zum kaiser(zeit)lichen Marmorhandel basierten weitgehend auf der epigraphischen Evidenz der Lagerstätten in Rom, Ostia und Portus sowie einer in den 1980er Jahren noch dünnen Befundlage an wenigen Steinbruchorten. Als sich dies durch Aufarbeitungen in den Steinbrüchen im Laufe der späten 1980er und -90er Jahre änderte und eine breitere archäologische und epigraphische Materialbasis vorlag, schlussfolgerten die jeweiligen Autoren, beeinflusst von diesen Theorien und Modellen, die frühkaiserzeitliche , meist sogar augusteische oder tiberische , Übernahme der Marmorbrüche und deren Betrieb mittels Vertretern in Abhängigkeitsverhältnissen zum Kaiserhaus[5]. Neben einzelnen Schriftquellen wurden die in den Inschriften in Luni seit caesarischer und in einigen Steinbrüchen des Mittelmeerraumes seit neronischer und flavischer Zeit genannten kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen als Bestätigung dafür gesehen, dass eine Marmorbehörde – meist als statio marmorum bezeichnet – von Rom aus die Organisation des kaiserlichen Bedarfs und die Ausbeutung von kaiserlichen rationes administrierte[6]. Demzufolge wurden rationarii an den Bruchorten in sog. ex-ratione-Inschriften zumeist als kaiserliche Bauunternehmer gedeutet, die im Interesse des Kaisers handelten[7]. Durch sukzessive Detailuntersuchungen an den Steinbruchorten und Lagerstätten sowie den Einfluss von Theorien aus der Neuen Institutionenökonomik[8] auf diese Fragen, erfolgte eine Neubewertung des kaiserlichen Einflusses auf die Marmorgewinnung, Distribution und beteiligten Akteure im vergangenen Jahrzehnt[9]. Auf Grundlage der archäologischen und epigraphischen Evidenz an den Steinbruchorten und anhand der reichsweiten Distribution nur weniger Marmore im Mittelmeerraum wird nicht mehr einheitlich von einer frühkaiserzeitlichen Übernahme durch den Kaiser ausgegangen, sondern von einer Vielzahl lokaler Verwaltungen durch städtische Eliten und Unternehmer in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, die von Ort zu Ort divergieren konnten[10]. Bei Bedarf setzte der Kaiser in der frühen Kaiserzeit Mittelsmänner zur Materialbeschaffung ein, die in den Inschriften als rationarii erscheinen, jedoch nicht an den Steinbrüchen selbst, sondern viel eher in Rom und an Sammelstellen saßen[11]. Auf die örtliche Administration und Prozessierung von Werkstücken war der kaiserliche Einfluss daher gering und der Kaiser zudem einer von vielen Interessenten[12]. Dieses System erfuhr an wenigen Orten in der Regierungszeit Hadrians eine einschneidende Veränderung durch das Einsetzen von örtlichen Steinbruchprokuratoren, die überwiegend in persönlicher Abhängigkeit zum Kaiser standen[13]. Neben den Marmorbrüchen von Dokimeion in Kleinasien und Karystos auf Euböa ist diese Veränderung in späthadrianischer Zeit in den Steinbrüchen des marmor Numidicum [14] in Simitthus /Chimtou [15], im heutigen Nordwesten Tunesiens gelegen, anhand der Inschriften evident (Abb. 1). Ab dem Jahr 137 n. Chr. bis in severische Zeit bezeugen Inschriften das Amt eines procurator marmorum Numidicorum [16], dessen regelmäßig wechselnde Amtsinhaber als Freigelassene der familia Caesaris in Abhängigkeit zum Kaiser standen und fortan das Rückgrat der Bruchverwaltung in Simitthus bildeten[17]. Zuvor wurde die Steinbruchadministration von der frühen Kaiserzeit an wohl durch die augusteische Colonia Iulia Augusta Numidica Simitthensium [18] übernommen und der Marmorabbau auf Grundlage von locatio-conductio-Verträgen zwischen Werkstätten und rationarii organisiert[19]. Unter den in Simitthus und auf Giallo Antico-Werkstücken in den Marmorlagern inschriftlich belegten rationarii sind kaiserliche Sklaven erstmals ab 64 n. Chr. und häufiger ab trajanischer Zeit belegt[20]. Mit der Etablierung der procuratores marmorum Numidicorum verschwanden die rationarii jedoch aus den Inschriften in Simitthus, sodass sich das Pacht- und Betriebssystem veränderte und damit die Beschaffungsstruktur gewandelt hatte. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass sowohl der Kaiser ab 137 auf beinahe allen Werkstücken als Inhaber des gebrochenen Materials als auch sein Marmorprokurator mit der Formulierung sub cura in den Inschriften erscheinen[21]. Eine weitere Veränderung ist zudem, dass die Marmorprokuratoren wohl vor Ort waren, wie mehrere Weihungen in Heiligtümern, Reparaturen und Stiftungen von Gebäuden belegen. Daher bietet sich in Simitthus aufgrund der räumlichen Wechselwirkungen zwischen der Stadt und den Steinbrüchen und der reichen archäologischen und epigraphischen Evidenz der römischen Kaiserzeit die Möglichkeit, sowohl die Aktionsräume der Marmorprokuratoren zu untersuchen als auch die Stiftertätigkeiten und Repräsentationsorte in einem konkreten Fallbeispiel zu eruieren. Diesbezüglich standen die Marmorprokuratoren in der bisherigen Forschung kaum im Fokus, was sich auch auf fehlende oder nur sporadische Quellen an anderen Steinbruchorten zurückführen lässt[22]. Für die procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus sind folgende Fragen zu untersuchen: Welche Amtsgeschäfte sind über das vorhandene Quellenmaterial und Vergleiche zu den anderen Prokuratoren erschließbar? In welchen Räumen repräsentierten sie sich und welche Ziele wurden damit verfolgt? Welche Rolle spielte das marmor Numidicum dabei?
Epigraphisch belegte procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus/Chimtou
2Die Erforschung der Inschriften auf marmor Numidicum und damit auch der procuratores marmorum Numidicorum begann unter Luigi Bruzza, der in Rom auf Marmorrohlinge mit inschriftlicher Nennung von Prokuratoren stieß[23]. Durch Untersuchungen in den Lagerstätten Roms, Ostias und Portus‘ vergrößerte sich die Anzahl an bekannten Prokuratoren sukzessive im Laufe des 20. Jhs.[24]. Ab Mitte der 1960er Jahre begann ein tunesisch-deutsches Team in Simitthus/Chimtou beinahe durchgehend mit der Untersuchung der Steinbrüche und der Siedlung, sodass seit diesem Zeitpunkt die Inschriften aus dem Steinbruchgebiet weitgehend parallel zu den Aufarbeitungen in den Marmorlagern erfolgten und bis heute durch Neufunde erweitert werden[25].
3Zur Identifizierung der procuratores marmorum Numidicorum und der Erfassung ihrer Amtszeiten sind alle verfügbaren Inschriften der jeweiligen Amtsinhaber aus Simitthus und teilweise auch den umliegenden Orten zu kombinieren. Das Gros der Belege stammt von formalisierten Verwaltungsinschriften der Steinbrüche in Simitthus und der Marmorlager in Rom, Ostia und Portus, sodass oft nur der Name des jeweiligen Prokurators im Genitiv in Verbindung mit der sub cura für einen Abbau- oder Produktionsprozess, respektive ein Werkstück, genannt ist. Dagegen treten die Prokuratoren außerhalb dieser Verwaltungsinschriften in Dedikationen stets mit vollem Titel auf, um sowohl ihr Amt als auch den Status mit Verbindung zum Kaiser darzulegen. Diese methodisch notwendige Kombination der Inschriften kann am bislang ersten bekannten Marmorprokurator Agatha aufgezeigt werden:
4Auf einer Blockinschrift, die östlich des Amphitheaters (Abb. 2) entdeckt wurde, sind die Nennung des Agatha und seine Beteiligung an der Produktion des Blockes erschließbar:
Hadriani Aug(usti) | Aelio Caesare II co(n)s(ule) | sub cura Agathae lib(erti Augusti)[26]
[Eigentum] des Hadrianus Augustus, unter dem zweiten Konsulat des Aelius Caesar, unter Aufsicht des kaiserlichen Freigelassenen Agatha[27].
5Die Inschrift zeichnet den Marmorblock als Eigentum Hadrians aus und kann über die Angabe der Konsuln in das Jahr 137 n. Chr. datiert werden, in welchem der Block entweder durch die Beteiligung des Freigelassenen Agatha gebrochen oder in einer Abrechnung registriert wurde. Weitere Blockinschriften mit Nennung der Aufsicht des Agatha kamen im Areal des Amphitheaters zutage und können ins Jahr 138 datiert werden[28], während aus dem Jahr 141, bis auf eine Ausnahme mit Fundort südöstlich des Tempelberges[29], alle anderen vom Stadtberg stammen und von der officina Certi gebrochen und wohl auch beschriftet wurden[30]. Weder das Amt des procurator marmorum Numidicorum noch die Tatsache, dass es sich bei Agatha um einen Freigelassenen des Kaisers handelt, werden aus den Blockinschriften ersichtlich. Diese Informationen liefert eine Weihung eines Altars aus marmor Numidicum im Saturn-Heiligtum auf dem Gipfel des Tempelberges in Simitthus:
[Deo sancto] | [aet]erno augusto | [---]stia Phil[e] | [Ag]athae Aug(usti) lib(erti) pro[c](uratoris) | m(armorum) N(umidicorum)[31].
6In dieser Inschrift wird Agatha zum einen als kaiserlicher Freigelassener[32] bezeichnet und zum anderen die Amtsbezeichnung genannt, für die bereits von Toutain und Dubois die Rekonstruktionsvorschläge procurator m(etallorum) N(umidicorum) und m(armorum) N(umidicorum) vorgelegt und diskutiert wurden[33]. Durch die antiken Schriftquellen ist gesichert, dass der in Simitthus abgebaute Marmor spätestens in der frühen Kaiserzeit als marmor Numidicum bezeichnet wurde[34] und allgemein ist seit den Untersuchungen von Josef Röder, Moustapha Khanoussi und Theodor Kraus die Ergänzung m(armorum) N(umidicorum) in der Forschung akzeptiert[35]. Der kaiserliche Freigelassene Agatha ist damit der erste belegte procurator marmorum Numidicorum in Simitthus und ging seinen Amtsgeschäften mindestens im Zeitraum von 137–138 und im Jahre 141 n. Chr. nach. Ob die Bekleidung des Amtes kontinuierlich erfolgte, ist aufgrund der Lücke in den Jahren 139 und 140 sowie durch zwei Inschriften des Jahres 138 n. Chr. mit der Formulierung sub cura Iul(ii) Gall(i) bereits mehrfach in Frage gestellt worden[36]. Die Verwendung der gleichen Formel mit Kennzeichnung des kaiserlichen Eigentums und der sub cura erlauben die Deutung, dass es sich bei Iulius Gallus ebenfalls um einen Prokurator handelte, wenngleich nicht zu entscheiden ist, ob sich die beiden Prokuratoren damit überschnitten oder gleichzeitig geteilte Aufgabengebiete hatten[37]. Laut Kraus und Hirt spräche dies am ehesten dafür, dass Iulius Gallus für eine kurze Zeit im Jahr 138 Agatha ersetzt haben könnte[38], obgleich dies nicht sicher festzustellen ist. Abgesehen von Agatha und Iulius Gallus amtierte auf Grundlage der weiteren Inschriften je nur ein Prokurator meist für einen Zeitraum von einem bis drei Jahren[39], was sich für eine Zeitspanne von 137 bis zu einem terminus post quem im Jahr 211 n. Chr. mit Lücken belegen lässt[40]. Über die Inschriften sind folgende Prokuratoren mit Amtszeiten (alle n. Chr.) erschließbar (vgl. Tabelle 1, Abb. 12)[41]:
Agatha(s) 137–138; 141
Iulius Gallus138
Iulianus 172
Pientius 176
[---]toriszwischen 180 und 191
Maximus 199
Athenodorus 199/200
Amyrus 209–212
Tertullus tpq. 211
7Für zwei weitere Prokuratoren namens Alceta und Primus sind bislang keine Datierungen der Amtszeiten möglich. Ferner sind die Prokuratoren Iulianus, Maximus und Athenodorus in den Steinbruchinschriften als procuratores Augusti bezeichnet, wobei die Formeln „caesura Maximi procuratoris“ und „caesura Athenodori procuratoris“ zuletzt überzeugend in der Forschung als Äquivalente zur Formulierung sub cura interpretiert wurden[42]. Es bleibt aber offen, ob dies auf eine Abkürzung in den Inschriftenformularen zurückzuführen ist, oder ob es zwischenzeitlich oder parallel eine doppelte Verwaltung von procuratores Augusti und procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus gab[43]. Zudem fallen zwei Aspekte bei der Betrachtung der Inschriften aus Simitthus und den Marmorlagern in Rom, Ostia und Portus auf: erstens treten bereits ab 133 n. Chr. Inschriften mit Nennung des Kaisers als Eigentümer der Werkstücke auf[44] und ab 137 n. Chr. sind auf allen Steinbruchinschriften in Simitthus bis ins Jahr 201 n. Chr. entweder der Kaiser, der zuständige Prokurator oder beide genannt[45]. Zweitens gibt es eine auffallend große Lücke der überlieferten Marmorprokuratoren nach Agatha im Jahre 141 bis zu Iulianus im Jahre 172 n. Chr., wobei letzterer als procurator Augusti belegt ist. Außerdem wurden nur in dieser Zwischenzeit jeweils am Ende der Werkstückinschriften eine Reihe bisher nicht identifizierter Kürzel verwendet[46]. Sie lauten: „RO“, besonders häufig „FCP“ von 149 bis 161 sowie „BAB“, „P C“ und „TAVT“[47]. Diese Abkürzungen ähneln den verwendeten Kürzeln in den Steinbruchinschriften Lunis, bei denen damit lokale gentes, Kollegien, städtische Amtsträger und wohl auch einzelne Unternehmer angegeben wurden, während ähnliche Kürzel in Dokimeion von Pensabene als Konsuldatierungen und interne Abrechnungen interpretiert werden[48]. Alle Inschriften mit Abkürzungen nennen den regierenden Kaiser als Eigentümer des Werkstücks und die für den Abbau zuständige Werkstatt (officina), teilweise Rechnungsnummer und Konsuln, womit sie sich im Formular nicht unterscheiden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kennzeichnung „FPC“ sich über 12 Jahre nachvollziehen lässt, wäre es interessant zu wissen, um welche Bezeichnung oder Person(en) es sich handelt. Da sowohl vor dem Auftreten der Kürzel als auch danach Marmorprokuratoren genannt sind, bleibt zu fragen, inwiefern diese Kennzeichnungen auf Parallel- oder Sonderverwaltungen hindeuten, die entweder von städtischer Seite, Kollegien oder Prokuratoren etabliert wurden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Prokuratoren oder Militärs, die in anderen Steinbrüchen zur Verwaltung eingesetzt wurden[49], angesichts ihrer Ämter ohne Verweis darauf in den Inschriften geblieben wären.
8Am Ende des 2. und zu Beginn des 3. Jhs. sind mehrere procuratores marmorum Numidicorum nicht in Steinbruchinschriften, sondern nur in Dedikationen nachgewiesen, sodass zwar ein Zeitpunkt, aber nicht die Dauer ihrer jeweiligen Amtszeit zu bestimmen ist. Die Reihe der Marmorprokuratoren in Simitthus endet nach aktuellem Forschungsstand mit dem kaiserlichen Freigelassenen Tertullus, dessen Inschrift mit einem terminus post quem 211 n. Chr. datiert werden kann (Abb. 3):
[[Divo Aug(usto) Seve]]ro | Ter[[tullus lib(ertus) proc(urator)]] | m(armorum) N(umidicorum)[50].
Rechtlicher Status und Aufgaben der procuratores marmorum Numidicorum
9Die Inschriften mit Erwähnung der procuratores marmorum Numidicorum belegen, dass die bekannten Amtsträger aus Simitthus kaiserliche Freigelassene waren. Einzig für Iulius Gallus ist dies umstritten[51]. Für die drei procuratores Augusti Iulianus, Maximus und Athenodorus fehlt jeweils die explizite Nennung libertus Augusti zwar in den Steinbruchinschriften, jedoch spricht die Erwähnung lediglich eines Namens eher für den Status eines Sklaven oder Freigelassenen, die ab antoninischer Zeit häufig in diesen Ämtern in den nordafrikanischen Provinzen nachgewiesen sind[52]. Generell stellen die Marmorprokuratoren eine für die hohe Kaiserzeit in der Africa Proconsularis typische Verschmelzung aus Regionalprokurator und privatem kaiserlichen Prokurator dar. Sie waren womöglich als „Pseudokollegen“ zum procurator Augusti mit der Domänen- und Vermögensverwaltung beauftragt, sodass sie „der Sphäre der privaten Vermögensverwaltung des Kaisers, nicht der kaiserlichen Reichsverwaltung“ angehörten[53]. Das Einsetzen von lokalen Direktverwaltern im Rang von procuratores ist in der hohen Kaiserzeit in den senatorischen Provinzen Africa Proconsularis und Asia mit weitreichenden Besitztümern der Kaiser ein gängiges Mittel gewesen[54]. Die zunehmende Segmentierung der Aufgabengebiete in der Provinz- und Domänenverwaltung durch Spezialisierung einzelner Amtsträger führte so zu einzelnen Posten in bestimmten Wirtschaftszweigen[55]. Da nicht nur in Simitthus, sondern auch in den Steinbrüchen von Karystos und Dokimeion Marmorprokuratoren eingesetzt wurden, scheint eben jene örtliche Präsenz zur Kontrolle und Organisation ein Ziel der Maßnahmen in diesen Wirtschaftssektoren gewesen zu sein. Die Aufgaben werden daher die Finanzverwaltung und Organisation der Brüche und lokalen rationes umfasst haben[56]. Inwiefern die procuratores marmorum Numidicorum wiederum innerhalb der Africa Proconsularis oder auch der kaiserlichen Domänenverwaltung einem übergeordneten Prokurator unterstanden oder ob sie zentral von einer Marmorbehörde in Rom gesteuert wurden, ist nach gegenwärtiger Quellenlage nicht zu entscheiden[57]. Über die Belege zu den Besoldungsklassen der Prokuratoren in antoninischer Zeit lässt sich zumindest erschließen, dass die Marmorprokuratoren am ehesten als sexagenare eingruppiert waren und damit finanziell unter den Provinzprokuratoren standen[58]. Die Subordination der Prokuratoren libertinen Standes unter die meist ritterlichen Provinzprokuratoren erscheint daher möglich. Bislang sind nur aus Karystos Inschriften vorhanden, welche die Subordination des dortigen Marmorprokurators unter den Finanzprokurator der Provinz Achaia für das 2. Jh. n. Chr. belegen[59].
10Einen kontrovers diskutierten Bestandteil der kaiserlichen Administration insgesamt und damit auch der Marmorprokuratoren als Bestandteil davon stellt die in der Forschung oft als zentrale Marmorbehörde bezeichnete statio marmorum dar. Nachdem M. Maischberger plausibel gegen eine Existenz dieses „Büros“ in der frühen Kaiserzeit argumentierte, ist eine statio in hochkaiserzeitlichen Inschriften in Rom erwähnt, wenngleich ein Amtsgebäude nicht zweifelsfrei zu lokalisieren ist[60]. Zumindest ist mit M. Ulpius Restutus ein praepositus ex statione marmorum in trajanischer Zeit in Rom inschriftlich überliefert[61]. In Rom ist ferner für T. Flavius Successus aufgrund des Amtes eines tabularius (rationis) marmorum Lunensium eine Zuordnung zu und Verantwortung für einen Marmor belegt, die wohl mit dem Import und der Lagerung des lunensischen Marmors in der Hauptstadt in Verbindung zu bringen ist[62]. Zuletzt resümierte Hirt, dass nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht zu entscheiden sei, ob ein zentrales Marmorbüro die Abbauprozesse in den jeweiligen Steinbrüchen beeinflusste, oder ob dies allgemein eine Verwaltungs- und Sammelstelle für kaiserliche und nicht-kaiserliche Marmorimporte in der Hauptstadt war[63].
11Hinsichtlich der Amtsaufgaben der Prokuratoren sind aus den Inschriften nur wenige Informationen zu gewinnen, worüber die vergleichbar gute epigraphische Evidenz in mehreren Steinbrüchen nicht hinwegtäuschen kann. Generell werden sie in Simitthus für die Organisation von Verträgen, Pachtsystemen und Abbaukonzessionen zuständig gewesen sein, um den kontinuierlichen Abbaubetrieb zu gewährleisten. Da die Steinbruchinschriften mit Erwähnung von Werkstätten von späthadrianischer bis in severische Zeit weitgehend an allen antiken Abbauzonen entdeckt wurden, liegt die Vermutung nahe, dass auch in allen Abbauzonen unter Anweisung und Aufsicht der Marmorprokuratoren gearbeitet wurde[64]. Das konstante Auftreten der Prokuratoren belegt die kontinuierliche Bewirtschaftung des gesamten Steinbruchgebiets, die fortan ihrer Rechnungsführung unterstand[65]. Mangels epigraphischer Evidenz lässt sich in Simitthus nicht entscheiden, ob einzelne Brucharme oder Areale auch von Seiten der Colonia oder durch private Unternehmer gepachtet und bearbeitet werden konnten, was aber aufgrund der großen Mengen an in der Stadt verwendetem marmor Numidicum wahrscheinlich ist[66]. Die Zuständigkeit der Prokuratoren wird primär in der Finanzverwaltung gelegen haben, da es sich bei ihnen nicht zwingend um Fachmänner im technischen Bereich gehandelt haben dürfte, was auch in der hohen Fluktuation und kurzen Amtszeit begründet ist[67]. Obgleich einige Autoren die direkte Beteiligung an einzelnen Bruchvorgängen postulierten und dies in den Erwähnungen der „caesurae procuratoris“ in den Inschriften bestätigt sahen, dürfte es sich dabei eher um Gebietsangaben handeln, da diese gelegentlich durch zusätzliche Erwähnungen wie bracchium und Zahlen spezifiziert sind[68]. Die Kombination von caesura als Abbaubezirk, bracchium als detaillierte Lokalisierung innerhalb dieses Bezirks und die Zusammenarbeit mit einer officina oder mehreren officinae zeigt die jeweilige Beschaffung und Abrechnung eines Werkstückes und weist in dieser Art und Weise Parallelen zur Materialgewinnung in den Minen auf[69].
12Die Werkstückinschriften mit Erwähnung des Kaisers als Eigentümer und der officinae, die unter der Aufsicht (sub cura) des Prokurators als Abrechnungen von Vertragsinhalten zu verstehen sind, veränderten durch die Nennung der caesura nicht ihre Funktion, sondern wurden womöglich nur in ihren Abrechnungsbezirken anders verteilt, weshalb eine prononcierte Aufgliederung notwendig war[70]. Die Zugehörigkeit dieser Areale zum Rechnungsbereich des Prokurators ist durch die Angabe z. B. der caesura Athenodori procuratoris evident, ebenso wie der Kaiser als Eigentümer des Werkstücks und die officinae als produzierende Werkstätten[71]. Die Unterteilung stellte bei den Abrechnungen eine wichtige Referenz dar, da manche officinae gleichzeitig in mehreren bracchia und Bereichen arbeiteten[72]. Dies gleicht laut Kraus der Situation vor der Etablierung der Marmorprokuratoren in Simitthus, als die jeweiligen rationarii für ihre Beschaffung mit den örtlichen Werkstätten zusammenarbeiteten, die oft in mehreren Abbaubereichen tätig waren[73]. Im Zusammenhang mit der Frage nach der direkten Beteiligung der Marmorprokuratoren am Marmorabbau stand seit den Forschungen von Röder die Frage, ob die procuratores marmorum Numidicorum nur für die Steinbrüche in Simitthus oder für ein größeres administratives Gebiet zuständig waren[74]. Im Zuge seiner Untersuchungen im Steinbruchgebiet stellte er in mehreren Bereichen im Steinbruchschutt die Verarbeitungsreste von Fremdgesteinen fest, die allerdings nicht stratifiziert wurden[75]. Bei den Fremdgesteinen handelt es sich um einen schwarzen Kalkstein, der in den ca. 3 km entfernten und nordöstlich von Simitthus liegenden Steinbrüchen von Ain-el-Ksair[76] abgebaut wurde sowie um einen grün-bläulichen Schiefer aus dem ca. 4 km östlich lokalisierbaren Bordj Hellal , bei dem die antike Stadt Thunusuda lag[77]. Beide Gesteine wurden in großen Mengen in Simitthus verbaut, sodass anzunehmen ist, dass die Werkstätten in den Brüchen auch in der Weiterverarbeitung tätig waren und potenziell eine Beteiligung des Prokurators grundsätzlich möglich ist. Im Umland von Simitthus sind noch weitere Steinbrüche am Djebel el Hairech[78] und nahe Thuburnica im Nordwesten zu lokalisieren (Abb. 4). Bislang fehlen jedoch inschriftliche Belege für die Beteiligung der Prokuratoren am Betrieb in diesen Steinbrüchen und darüber hinaus für den Export dieser hauptsächlich lokal verwendeten Gesteine[79].
13In Kleinasien und den ägyptischen Steinbrüchen waren Prokuratoren häufiger mit infrastrukturellen Maßnahmen beschäftigt, wie beispielsweise die Errichtung und Beaufsichtigung mehrerer Straßen durch Chresimus, einem procurator a marmoribus, bezeugt[80]. Laut Hirt fielen die Instandhaltung und Transportaufgaben innerhalb der Steinbrüche am ehesten in den Zuständigkeitsbereich der Prokuratoren, wobei diesbezüglich die Evidenz für Simitthus fehlt[81]. Obgleich der hadrianische Ausbau der Straße von Simitthus nach Tabarka des Öfteren mit dem Transport von marmor Numidicum an die Küste erklärt wurde, liegen keine Meilensteine aus Giallo Antico mit Nennung der Beteiligung des Prokurators vor, sondern lediglich die Erwähnungen von Kaisern oder Provinzstatthaltern[82].
14Die Präsenz des Marmorprokurators vor Ort setzt die Existenz eines Amtssitzes voraus. Seit der Entdeckung des sog. Arbeits- und Steinbruchlagers wurde dieser Gebäudekomplex als Sitz der von einem procurator marmorum Numidicorum geleiteten kaiserlichen Steinbruchverwaltung diskutiert[83]. Die Errichtung des Gründungsbaus mit zentraler sechsschiffiger Halle und mindestens einem westlich davon liegenden Gebäudetrakt wurde zuletzt von M. Mackensen aufgrund der Fundkeramik und zweier verbauter Blöcke mit Konsuldatierungen in die Zeit von 154 bis in die 170er Jahre datiert[84]. Für den Amtssitz der ersten epigraphisch belegten Prokuratoren entfällt diese Option damit. Darüber hinaus können aber auch mangels epigraphischer Evidenz für die Periode der zeitlichen Überschneidung kaum Aussagen zur Verbindung zwischen den Marmorprokuratoren und dem sog. Arbeits- und Steinbruchlager getätigt werden. Geophysikalische Untersuchungen zeigen in den Gebäuden westlich des Zentralbaus, die von Mackensen in Periode 1 der Lagernutzung datiert werden, sowohl einen in der Grundstruktur einem Militärlager ähnelnden Bau mit aedes für eine kleine, möglicherweise legionare Vexillation, als auch eine Reihe an östlich davon liegenden Räumen, die noch nicht zusammenhängend erschlossen werden konnten (Abb. 5)[85]. Könnten hier die Amtsräume des Marmorprokurators und seines Stabes gelegen haben? Denkbar ist auch, dass im Tresorraum (aedes) sowohl die Kasse der stationierten Einheit als auch des Prokurators verwahrt wurden. Die Präsenz von Militär in Simitthus wurde in der Forschung bislang vor allem von Khanoussi und Mackensen diskutiert[86]. Während Khanoussi anhand von frühkaiserzeitlichen Grabinschriften in mehreren Nekropolen der Stadt die Präsenz von militärischen Einheiten und angesiedelten Veteranen in Simitthus vermutete, entkräftete Mackensen dessen Argumente[87]. Für die hohe Kaiserzeit sind dagegen anhand der Legionärslisten aus Lambaesis , dem Stammlager der legio III Augusta, zweifelsfrei nach Simitthus abgestellte Soldaten bezeugt, deren Präsenz vor Ort auch zeitlich mit der Existenz des sog. Arbeits- und Steinbruchlagers korreliert werden kann[88]. Indizien für ihre Beteiligung an Bruchvorgängen oder Materialtransporten, wie sie in den ägyptischen Steinbrüchen bezeugt sind, fehlen jedoch in Simitthus, sodass die Hauptfunktion am ehesten in der Überwachung der einkasernierten Sklaven und Gefangenen sowie der Arbeitsprozesse lag[89].
Dedikationen der procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus
15Mit der bereits oben als Beispiel angeführten Altar-Weihung des Agatha liegt in Simitthus die älteste bekannte Dedikation eines Marmorprokurators vor[90]. Der marmorne Altar weist nicht nur durch seinen Fundort, sondern auch durch die Weihung und die Epitheta aeterno und augusto auf Saturn hin, der im Heiligtum auf dem Gipfel des Tempelberges wohl spätestens seit der frühen Kaiserzeit verehrt wurde[91]. Über die Steinbruchinschriften mit Erwähnung des Agatha lässt sich für die Datierung dieser Stiftung der Zeitraum von 137–141 n. Chr. vermuten[92]. Da die Weihung zusammen mit einer [---]stia Phile erfolgte, schlussfolgerte Khanoussi, dass es sich hierbei um die Ehefrau des Agatha handeln könnte[93]. Eine weitere Altar-Weihung eines Marmorprokurators kam ebenfalls im Höhenheiligtum zum Vorschein, kann aber aufgrund der starken Beschädigungen weder einem namentlich bekannten Prokurator zugewiesen noch datiert werden[94].
16Eine wahrscheinlich ins Jahr 176 n. Chr. datierbare Inschrift wurde vom Marmorprokurator Pientius nach der Rückkehr von Marcus Aurelius von einer Reise in den Nahen Osten auf die Fassung eines Zisterneneinstiegslochs aus marmor Numidicum gesetzt und in der Nähe des Caelestis-Heiligtums am Westhang des Tempelberges entdeckt (Abb. 6)[95]:
Pro salute et reditu Imp(eratoris) M(arci) Aureli(i) Antonini | voto suscepto Pientius Aug(usti) lib(ertus) proc(urator) m(armorum) N(umidicorum) por|ticum cum cella sacerdae et cisterna(m) perfecit ea | que populo Simitthuense praebenda dedicavit[96].
17Die Stiftung des Pientius umfasste eine Portikus mit einer cella als Raum für eine Priesterin und eine Zisterne, also jene, zu der das Einstiegsloch, der Träger der Inschrift, führte. Khanoussi vermutete überzeugend sowohl aufgrund der Nennung einer Priesterin als auch wegen des Fundorts am Westhang des Tempelberges eine Zuordnung zum dort situierten Heiligtum der Caelestis (Abb. 7)[97]. Diese Weihung in antoninischer Zeit ist somit wahrscheinlich mit beobachteten Baufugen einer Erweiterung im archäologischen Befund zu verbinden, sodass Rakob und Khanoussi auf Grundlage des Grundrisses und Erhaltungszustandes sowohl die Portikus als auch die darin liegende, mögliche cella der Priesterin und die Zisterne lokalisierten[98]. Die frühkaiserzeitliche, wohl flavische, Gründungsphase des Heiligtums ist dagegen durch eine Weihung auf einem marmor Numidicum-Block durch Primigenius, einen kaiserlichen Freigelassenen aus dem 1. Jh. n. Chr.[99], und indirekt durch eine Grabinschrift für die „sacerda Caelestae“ Veturia Martha aus dem 1. Jh. n. Chr. datierbar[100]. Anhand des archäologischen Befundes umfasste die Gründungsphase wohl „einen kleinen Podiumstempel mit Pronaos und Freitreppe“[101]. Besonders interessant ist die Formulierung am Ende der Inschrift, in der Pientius seine Stiftung dem „populo Simitthuense“ widmete, sodass sowohl die Gründung des Heiligtums im 1. Jh. als auch die Erweiterungen im 2. Jh. auf kaiserliche Freigelassene zurückgehen.
18Auch im dritten größeren kaiserzeitlichen Heiligtum auf dem Tempelberg in Simitthus ist die Beteiligung eines Marmorprokurators inschriftlich überliefert. Auf einem verstürzt am Osthang des Tempelberges gefundenen Altar für das Götterkollektiv der Dii Mauri tritt ein Marmorprokurator als Stifter auf, von dessen Namen sich nur die Endung [---]toris erhalten hat (Abb. 8)[102].
Diis Mauris Aug(ustis) s(acrum) | pro salute Aug(usti) Caesaris | M(arci) Aureli [[Commodi An]]toni[ni | ---]toris | [---proc(urator)] m(armorum) n(umidicorum) | [---] io [---][103].
19Die Altarstiftung unter Commodus erfolgte vor oder spätestens im Jahr 191 n. Chr.[104] und lässt sich mit den Baubefunden, der Fundkeramik, einem in situ erhaltenen Kultbild und dem Einsetzen der Votive im späten 2. Jh. n. Chr. verbinden, sodass davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Dedikation um den zentralen Altar des Heiligtums handelt[105].
20Das Heiligtum für Saturn auf dem Gipfel des Tempelberges erfuhr im Zeitraum von der 2. Hälfte des 2. Jhs. bis ins 1. Viertel des 3. Jhs. n. Chr. mindestens eine bauliche Erweiterungsphase (Abb. 9): Auf zwei dorischen Architravblöcken haben sich Reste der severischen Restitutionsinschrift erhalten, die den procurator marmorum Numidicorum Amyrus als Stifter nennen (Abb. 10)[106]. Diese in mehreren Fragmenten erhaltene Restitutionsinschrift bezieht sich wohl auf die Ausbesserungen von einzelnen beschädigten Baugliedern am zentralen Baukörper[107]. Die hochkaiserzeitlichen Bauglieder sind stilistisch von den älteren des numidischen Baus klar zu unterscheiden. An den ausgebesserten Säulen sind roh eingeschlagene Kanneluren gegenüber den glatten Säulen am numidischen Ursprungsbau zu erkennen und zudem wurden die eher grob gearbeiteten Ersatzkapitelle dorischer Ordnung den römischen Umbauten zugeordnet[108]. Mit den Reparaturen lässt sich das „restituit“ auf einem der Inschriftenfragmente erklären. Die baulichen Maßnahmen datiert die Weihung an „totiusq(ue) domus / divinae“ in die Jahre 209–211n. Chr. der severischen Dynastie, in denen Geta als Augustus an der Regierung beteiligt war[109]. Es ist bislang nicht geklärt, ob zu diesen Reparaturmaßnahmen auch die baulichen Erweiterungen durch zwei flankierende Säulenhallen am Saturn-Heiligtum zu rechnen sind, die anhand ihrer Gründungsdepots in die 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datiert werden und damit zumindest grob in dieselbe Zeit fallen[110]. Es erscheint möglich, dass entweder beim Bau der Hallen Beschädigungen am zentralen Baukörper entstanden sind, die den Anlass zu einer größeren Reparaturmaßnahme darstellten, oder eine Erweiterung des Heiligtums aufgrund notwendiger Installationen vorgenommen wurde. Dagegen sah Rakob von augusteischer bis spätantoninischer Zeit keine Veränderungen im Baubestand, dem nachfolgend ein langer Bauprozess in severischer Zeit gefolgt wäre, der mit den Stiftungen des Amyrus zu verbinden sei[111]. Spätestens im frühen 3. Jh. n. Chr. umfasste die Anlage des Saturn-Heiligtums damit den zentralen Quaderbau mit zwei flankierenden Hallenbauten nach dem Schema einer porticus triplex, zwei Zisternen und zwei Zugänge, je einen aus östlicher und westlicher Richtung (Abb. 9)[112]. Neben Saturn wurden auch Sol und wahrscheinlich Luna an dieser Stelle verehrt, wie über Inschriften an den ägyptisierenden Hohlkehlen des Baus und der Nennung „Soli a(ugusto) sac(rum) [--- Lunae?] aug(ustae) sacr(um)“ bezeugt ist[113]. Zumindest auf Grundlage dieser nur fragmentarisch erhaltenen Inschriften lässt sich festhalten, dass sich für die Reparatur des wohl regional wichtigsten Saturn-Heiligtums in Simitthus in severischer Zeit der kaiserliche Marmorprokurator Amyrus verantwortlich zeigte. Eben jener Amyrus ist auch aus einer fragmentarisch erhaltenen Votivinschrift aus den Thermen bekannt, welche die gleiche Dedikationsformel „Augusti totiusq(ue) domus divinae“ aufweist und mit einer Rasur versehen ist. Wie Kraus ausführt, lässt sich die Datierung damit in die Zeit nach der Ermordung und damnatio memoriae des Geta setzen, was wiederum die Datierung der Reparaturinschrift am Saturn-Heiligtum bestätigt[114].
21Der nach aktuellem Forschungsstand letzte inschriftlich belegte procurator marmorum Numidicorum namens Tertullus ist über eine sicher dislozierte, östlich des Grabungshauses gefundene Altar-Dedikation an den Divus Septimius Severus bezeugt und seine Amtszeit lediglich mit einem terminus post quem des Jahres 211 n. Chr. zu datieren (Abb. 3)[115].
22Zwei weitere potenzielle Prokuratoren sind über fragmentierte Steinbruchinschriften bekannt. An einem Block im Steinbruchgebiet ist nur die Inschrift „caesura Hymenaei“ eingraviert worden und dieser bietet somit in Analogie zu anderen caesurae die Möglichkeit, einen weiteren Prokurator zu erschließen[116]. Zudem ist eine „caes(ura) N(---)“ auf einem Marmorblock aus dem Gebäudeschutt des Arbeitslagers genannt[117]. Kraus ergänzte die caesura mit Nova(tius) durch einen Vergleich mit einer Inschrift auf einer Fassung eines Zisterneneinstiegsloches, das sich heute im Musée Bardo in Tunis befindet und eine „[caes]ura Nova(ti)“ nennt[118].
23Bevor die Dedikationen der Marmorprokuratoren außerhalb von Simitthus diskutiert werden, ist auf eine Stiftung eines weiteren Amtsträgers in Verbindung mit der Steinbruchverwaltung einzugehen. In einer Grabinschrift, die sekundär in einer wohl spätkaiserzeitlichen Instandsetzung der trajanischen Brücke (Abb. 2) verbaut aufgefunden wurde, tritt der kaiserliche verna (Haussklave) Galata im Amt eines dispensator marmorum Numidicorum als Stifter eines Grabbaus für die verstorbene Sklavin Alexandria auf[119]. Laut Khanoussi umfasste die Kassenführung und Buchhaltung das Aufgabengebiet des dispensator, der zumindest aufgrund des Sklavenstandes den Freigelassenen Marmorprokuratoren unterstanden hätte[120]. In einer übergreifenden Studie zu den dispensatores in Nordafrika wies J. Carlsen nach, dass das Amt eines dispensator oder oikonomos in der kaiserlichen Familie oft im Zusammenhang mit einer finanziellen Verwaltungseinheit stand[121]. In mehreren Steinbrüchen liegen Vergleiche für die Nennung von dispensatores vor, sodass diese wohl als reguläres Amt innerhalb der Ressourcenverwaltung der Kaiserzeit gelten können[122].
24Aus den Weihungen der Prokuratoren außerhalb des Stadtraums von Simitthus ragt ein massiver Weihaltar an die Lares Aug(usti) heraus, der ca. 1 km östlich von Chimtou in Sidi Assem in Richtung Bordj Helal sekundär verbaut zum Vorschein kam und eine Stiftung des bislang aus keiner Steinbruchinschrift bekannten procurator marmorum Numidicorum Primus darstellt (Abb. 11)[123]. Die Datierung der Dedikation ist lediglich grob mit dem Zeitraum des Auftretens der Marmorprokuratoren anzugeben[124]. Die Amtszeit eines weiteren Prokurators namens Alceta ist ebenfalls nicht näher einzugrenzen, obwohl insgesamt drei Inschriften erhalten sind[125]. Auf einer nur fragmentarisch erhaltenen Weihinschrift aus dem Thermenareal von Simitthus im Nordwesten der Stadt dankte Alceta den Göttern für den Beginn seines Lebens, womöglich den Moment der Freilassung und tritt sowohl als Augusti libertus als auch als Marmorprokurator auf[126]. In Henchir Frouri, ca. 5 km südöstlich von Simitthus gelegen, wurde eine Inschriftentafel aus marmor Numidicum wohl in einem Sakralbezirk gefunden, die ihn im Amt des Marmorprokurators als Dedikanten eines unbekannten Gebäudes und dessen Ausschmückung auszeichnet[127]. Die dritte Inschrift des Alceta befindet sich auf einem in Utica gefundenen Kantharos[128]. Dabei wurde die Inschrift in zwei Zeilen auf die Lippe des Gefäßes gesetzt. Dieser Fund stellt die einzige Inschrift eines Marmorprokurators auf einem wohl in Simitthus produzierten Gefäß dar, entzieht sich aber einer detaillierten Datierung.
25Es ist festzuhalten, dass das Gros der Dedikationen der Marmorprokuratoren räumlich auf Simitthus begrenzt ist und durch wenige Inschriften im direkten Umland erweitert wird. Dabei fällt die Ausrichtung der Dedikationen auf den Sakralbereich auf, da in allen Heiligtümern auf dem Tempelberg unterschiedliche Marmorprokuratoren als Euergeten und Dedikanten in Aktion getreten sind, bestehende Strukturen reparierten und Neubauten und Votive stifteten.
Dedikationen der Marmorprokuratoren im Spiegel der epigraphischen Zeugnisse in Simitthus
26Mit der Einführung des Amtes der procuratores marmorum Numidicorum kamen in regelmäßigen Abständen neue Amtsträger mit kaiserlichen Aufträgen in Simitthus zum Einsatz, die jeweils sowohl in Konkurrenz zu ihren Amtsvorgängern als auch zu den lokalen Eliten und städtischen Amtsträgern standen. Unter diesem Aspekt sind die Stiftungen und Weihungen der Marmorprokuratoren in Relation zu den weiteren am Ort erhaltenen kaiserzeitlichen Inschriften von anderen Akteuren zu setzen, um deren Aussagekraft im Gesamtbild einordnen zu können[129]. Insgesamt umfasst der Inschriftenbestand in Simitthus mehr als 150 publizierte kaiserzeitliche Inschriften und unter Berücksichtigung der epigraphischen Zeugnisse aus einzelnen Orten des näheren Umlandes ca. 170 Inschriften[130]. Hierunter stellen 124 Grabinschriften und Grabaltäre die Mehrheit dar, die in den Nekropolen von Simitthus oder sekundär verbaut gefunden wurden. Unter den Bestatteten ist, wenig überraschend, kein Marmorprokurator vertreten, da diese wohl stets nur kurze Amtszeiten in Simitthus hatten und im Anschluss andernorts agierten. Einzig zu nennen sind die bereits erwähnte Grabinschrift und der Grabbau in Simitthus, für den der dispensator marmorum Numidicorum Galata aufkam, dessen Zuordnung zum Stab des Marmorprokurators als wahrscheinlich gelten kann[131]. Im Hinblick auf den Anteil an Dedikationen der Marmorprokuratoren sind daher die erhaltenen sechzehn Weihinschriften, neun Ehreninschriften und acht Bauinschriften aussagekräftiger. Von den sechzehn Weihinschriften sind acht auf die Stiftung von Marmorprokuratoren zurückzuführen (Tabelle 2, Abb. 13). Bis auf eine Altarstiftung des Alceta in den Thermen, deren Stein nicht bestimmt ist, bestehen alle Altäre aus marmor Numidicum und die Weihung des Amyrus an Sol und Luna im Zuge der Reparatur- und Erweiterungsmaßnahmen am Höhenmonument wurde an den aus diesem Marmor gearbeiteten ägyptisierenden Hohlkehlen angebracht. Bei den anderen acht Weihungen handelt es sich um Stifter aus den Reihen des Militärs[132], aus lokalen Werkstätten[133] und womöglich aus der Bürgerschaft[134]. Unter den neun Ehreninschriften, die an Kaiser, Patrone und Vertreter der Provinzverwaltung adressiert waren und in sechs von neun Fällen vom Stadtrat deduziert wurden, ist dagegen kein Marmorprokurator vertreten, sodass erkennbar wird, dass die Prokuratoren in diesem Feld nicht euergetisch aktiv waren[135]. Von den acht Bauinschriften sind drei auf die Stiftung sowohl der Inschriften als auch der Gebäude von Marmorprokuratoren zurückzuführen und sind allesamt dem Sakralbereich zuzuordnen[136].
27Es lässt sich anhand der Inschriften zeigen, dass die Marmorprokuratoren in Simitthus die Sakralarchitektur nutzten, um über die Sphäre der Religion ihren sozialen Aufstieg darzustellen, und sich gezielt durch Stiftungen für das Volk der nahen Colonia als Euergeten zeigten. Das Repräsentationsbedürfnis der Freigelassenen umfasst diejenigen Bereiche, in denen sie durch Votive, Weihaltäre und den Ausbau oder die Errichtung von Heiligtümern agieren konnten, während städtische Ehreninschriften und Ehrenstatuen durch den Stadtrat beschlossen und aufgestellt wurden. Bislang ist keine Inschrift mit Nennung der Stiftung oder Reparatur eines öffentlichen Gebäudes oder Unterhaltungsbaus durch einen Marmorprokurator in Simitthus erhalten. Die Verwendung und Zurschaustellung des lokalen Marmors für die Weihungen und Gebäudestiftungen steigerte den Prestigewert darüber hinaus, wobei der Einsatz nicht exklusiv auf die Dedikationen der Marmorprokuratoren beschränkt blieb, sondern auch von städtischen Bürgern sowie Magistraten verwendet wurde. In der Grabarchitektur sind bislang keine in Simitthus bestatteten Marmorprokuratoren belegt, jedoch sind ab der frühen Kaiserzeit durchaus Grabstelen aus marmor Numidicum mehrerer Freigelassener mit und ohne direkten Bezug zum Kaiserhaus oder der Steinbruchverwaltung bekannt, die belegen, dass der lokale Marmor zur Grabrepräsentation genutzt wurde[137]. Durch die finanziellen Möglichkeiten des Amtes und das kaiserliche Prestige kreierten die Marmorprokuratoren mit der Umgestaltung und dem Neubau der Heiligtümer auf dem Tempelberg einerseits eigene und dauerhafte städtische Repräsentationsorte und andererseits erschufen sie sowohl für die in den Steinbrüchen arbeitenden Akteure aus den Werkstätten und dem sog. Arbeits- und Steinbruchlager als auch für die Bürger der Stadt neue Repräsentationsdynamiken.
Marmorprokuratoren in weiteren Steinbrüchen des Mittelmeerraumes
28Wenngleich sich die Präsenz von Marmorprokuratoren nur in wenigen Steinbrüchen des Mittelmeerraumes epigraphisch nachweisen lässt, können zumindest zu denjenigen Orten mit belegten kaiserlichen Marmorprokuratoren einige vergleichende Betrachtungen hinsichtlich der Dedikationstätigkeiten tangiert werden[138].
29Die ägyptischen Steinbrüche in Mons Claudianus , Mons Porphyrites und Mons Ophiates wurden gemäß mehrerer schriftlicher Quellen wohl ab trajanischer Zeit durch einen epítropos tōn metállōn / procurator metallorum verwaltet[139]. Einer dieser Prokuratoren war der kaiserliche Freigelassene M. Ulpius Chresimus, der zusammen mit dem kaiserlichen Sklaven und μισθωτής των μετάλλων Epaphroditos Sigerianos, dem ägyptischen Provinzpräfekten Rammius Martialis (117–119 n. Chr.) und lokalen Zenturionen wohl je einen Tempel für Zeus Helios / Serapis in den Arbeitersiedlungen von Mons Claudianus und Mons Porphyrites stiftete[140]. Durch weitere Weihungen sowie Briefe und Ostraka ist zumindest für das 2. Jh. belegt, dass ein procurator metallorum in Ägypten mehrere und teils sehr große Steinbrüche zu beaufsichtigen hatte[141]. Einige der Prokuratoren sind wie ihre Kollegen in Simitthus kaiserliche Freigelassene gewesen und durch Votive an den Steinbruchorten[142] fassbar, jedoch ist bisher kein Amtssitz bei den Steinbrüchen identifiziert worden, der anhand von Briefen und Ostraka nur im Niltal vermutet werden kann[143].
30In der senatorischen Provinz Asia sind die parallelen Entwicklungen zu Simitthus in späthadrianischer Zeit im Beschriftungssystem der Steinbrüche von Dokimeion und der Etablierung von Marmorprokuratoren evident[144]. Die bekannten Marmorprokuratoren trugen in offiziellen Inschriften die Amtsbezeichnungen procuratores provinciae Frygiae, womit laut Hirt ein wahrscheinlich kaiserlicher Domänenbezirk innerhalb der Provinz Asia zur Verwaltung umrissen wurde, dessen Zentrum in Synnada lag[145]. Weder aus den Steinbrüchen in Dokimeion noch aus Synnada sind bisher vergleichbare Weihungen von Gebäuden der Marmorprokuratoren bekannt, sondern lediglich eine Vielzahl von Werkstücken mit Steinbruchinschriften erhalten[146]. Womöglich saßen die Marmorprokuratoren hier nicht am Steinbruchort in Dokimeion, sondern sammelten zentral in Synnada das Material aus unterschiedlichen Steinbrüchen eines größeren Bereichs[147]. Einzig der kaiserliche Freigelassene Chresimus war als procurator a marmoribus nicht nur für den Bau einer Straße in Kleinasien in domitianischer Zeit zuständig, sondern ist in Ephesos , Mylasa und in Tralles ebenfalls inschriftlich bezeugt, wo er in letzterem Beispiel Buntmarmor für eine cella caldaria eines Gymnasiums stiftete[148]. All diese Orte liegen indes an der von Hirt vermuteten Transportroute der abgebauten Marmore aus Dokimeion zu den Mittelmeerhäfen der Provinz[149]. Eine exakte Zuordnung des Arbeitsbereichs von Chresimus in Kleinasien ist auf Grundlage der erhaltenen Zeugnisse bisher nicht möglich, weshalb Hirt zuletzt einen übergeordneten Posten an den Häfen von Milet und Ephesos und die Beteiligung am Transport vermutete[150]. Möglicherweise gingen die Zuständigkeiten des Chresimus in domitianischer Zeit in den Reformen der späthadrianischen Zeit auf die procuratores marmorum Frygiae über oder wurden weiter aufgeteilt[151].
31Insgesamt gesehen sind die Stiftungen von Marmorprokuratoren in Ägypten und Kleinasien in geringer Zahl überliefert, überwiegend den Bereichen Infrastruktur und Religion zuzuordnen und dabei meist auf mehrere Orte verteilt. Dagegen hat in Simitthus keine der Weihungen einen Bezug zur Infrastruktur oder zu technischen Aspekten. Die Repräsentationsmöglichkeiten standen in Simitthus durch die vorhandene Stadt und innerhalb eines dicht besiedelten Umlandes unter gänzlich anderen Voraussetzungen als in den Wüsten Ägyptens und dem Hinterland Dokimeions, wo überwiegend die Arbeiter und Tiere an den Steinbruchorten lebten[152]. An den Steinbruchorten sind zwar ebenfalls Tempelstiftungen belegt, wie z. B. in Mons Claudianus und Mons Porphyrites, jedoch nicht in vergleichbarer Dichte zu Simitthus. In Simitthus waren die räumlichen Wechselwirkungen zwischen der Stadt und den Steinbrüchen entscheidend und die Marmorprokuratoren fanden Möglichkeiten vor oder erschufen sie, insbesondere in der Sakralarchitektur, um am Wettbewerb innerhalb der lokalen Elite um Ansehen durch Euergetismus zu partizipieren.
Zusammenfassung
32Die epigraphische Evidenz und deren Zuordnung zu archäologischen Befunden in Simitthus ermöglichen Rückschlüsse auf die Dedikationstätigkeiten und das Repräsentationsverhalten der Marmorprokuratoren. Das Gros der Dedikationen weist in den Sakralbereich und belegt, dass die procuratores marmorum Numidicorum wesentlich zu Reparaturen, Ausbauten und Monumentalisierungen von Heiligtümern in Simitthus in antoninischer und severischer Zeit beigetragen haben und damit neue Repräsentationsorte schufen oder an bestehenden Monumenten die Repräsentationsdynamiken veränderten. Insbesondere am Tempelberg der Stadt sind unterschiedliche Marmorprokuratoren durch Votive und Gebäudestiftungen in allen drei großen Heiligtümern der Kaiserzeit nachgewiesen. Die explizite Erwähnung einer Stiftung für das Volk von Simitthus in einer Inschrift am Caelestis-Heiligtum belegt direkt den Bezug zu den Bürgern der Stadt. Zudem müssen die Reparatur und der Ausbau des Saturn-Heiligtums generell als Wohltat für die urbane, lokale und womöglich regionale Bevölkerung gesehen werden, da dieses Heiligtum möglicherweise als regionales Kultzentrum anzusprechen ist[153]. Das Beispiel des Dii Mauri-Heiligtums zeigt, dass die Beteiligung der Prokuratoren wahrscheinlich auch konkret auf die Bedürfnisse der Steinbrucharbeiter zugeschnitten sein konnte, da die enge Verbindung von Heiligtum und Steinbruchareal womöglich auf die Besänftigung der im Berge wohnenden Genien und Götter abzielte[154]. Erhaltene Weihaltäre aus dem Gebiet des sog. Kaiserkulttempels im Nordwesten der Stadt bezeugen ebenso die Dedikationstätigkeiten der Prokuratoren in diesem städtischen Heiligtum. Die Weihungen legen daher nahe, dass die Marmorprokuratoren unmittelbar mit der städtischen Oberschicht konkurrierten und an den populärsten Kultorten der Stadt mit Dedikationen präsent waren. Dieses Konkurrenzdenken war sicherlich auch gegenüber den Amtsvorgängern der Fall, sodass sich die Heiligtümer vor Ort zu festen Repräsentationsorten entwickelten und die Sichtbarkeit der Marmorprokuratoren als Euergeten unterstrichen wurde. Die Marmorprokuratoren verwendeten für beinahe alle Weihungen das marmor Numidicum und dabei oftmals, gerade im Hinblick auf die Altar-Weihungen, in größeren Mengen, sodass der eingesetzte Materialwert bereits für sich sprach. Auch wenn die Colonia selbst wahrscheinlich kontinuierlich über einen Zugang zu den Marmorbrüchen sowie Bau- und Dekorationsmaterial verfügte, konnten die Prokuratoren sich mit der Stiftung von Marmor aus den Steinbrüchen an städtischen Bauprozessen beteiligen oder Werkstätten zum Marmorabbau und der Weiterverarbeitung zur Verfügung stellen, wenngleich Nachweise hierfür bisher fehlen. Da die Marmorprokuratoren an der Schnittstelle zwischen kaiserlichen und privaten Abbau- und Handelsvorgängen saßen, dürfte es ihnen möglich gewesen sein, durch entsprechende Verträge und eigenes Kapital Profit zu ziehen und weitgehend selbstständig die Stiftungen aus eigenem Vermögen und ohne finanzielle Beteiligung des Kaisers vorzunehmen.
33Die Dedikationen der Marmorprokuratoren sind räumlich auf das Stadtgebiet und das direkte Umland beschränkt. Im Gegensatz zu einigen Beispielen aus Kleinasien und Ägypten sind somit keine Stiftungen außerhalb des Abbaugebietes und womöglich damit auch Zuständigkeitsbereichs vorhanden, respektive bislang nicht nachgewiesen. Es liegen zwar einige unverbaute Blöcke und Säulenrohlinge aus Giallo Antico mit Werkstückinschriften und Nennung des Kaisers und des zuständigen Marmorprokurators in Bulla Regia , Karthago und weiteren Städten Nordafrikas vor, jedoch sind anhand dieser in keinem Fall direkte Stiftungen von Prokuratoren für Gebäude innerhalb der Provinz oder anderen Städten belegbar[155].
34Durch Vergleiche zu den Marmorprokuratoren in Ägypten und Kleinasien konnten ein mögliches Aufgabenspektrum sowie die rechtliche und hierarchische Stellung der Marmorprokuratoren erarbeitet werden, wenngleich aufgrund fehlender Quellen einige der Überlegungen hypothetisch bleiben müssen. So lässt sich zwar für Simitthus aufgrund der Verbreitung der Steinbruchinschriften in beinahe allen Abbauzonen des Steinbruchgebiets vermuten, dass die Steinbrüche in diesem Zeitraum entweder ganz zum Besitz des Kaisers gehörten oder zu weiten Teilen von ihm okkupiert wurden und die Prokuratoren damit das gesamte Bruchareal verwalteten[156], jedoch ist nicht zu klären, ob einige der nahe liegenden Steinbrüche ebenfalls zum Verantwortungsbereich zählten. Zumindest für die Bruchaktivitäten scheint es wahrscheinlich, dass spätestens mit Errichtung des sog. Arbeits- und Steinbruchlagers Sklaven und Gefangene in den Steinbrüchen eingesetzt wurden, die als Arbeitseinheiten vom Prokurator mit Unterstützung einer kleinen militärischen Einheit befehligt wurden, jedoch ohne auf die örtlichen Werkstätten zu verzichten. Diese waren in Simitthus wohl zu allen Zeiten für den Marmorabbau und die Prozessierung der Werkstücke verantwortlich. Generell lassen sich die Etablierung der Marmorprokuratoren in Simitthus, Dokimeion, Karystos und damit allesamt in senatorischen Provinzen mit weiteren Reformen Hadrians zur Steigerung der Produktivität in der Ausbeutung von Land und Ressourcen in Verbindung bringen[157]. Abschließend ist mit der These von Hirt festzuhalten, dass die gleichzeitige Einführung der Marmorprokuratoren in einigen wenigen Steinbrüchen des Mittelmeerraumes zwar an jenen Orten jeweils vergleichbare Parallelen aufweist, die Umsetzungen und Auswirkungen jedoch von Ort zu Ort divergierten[158].
Abstracts
Abstract
The procuratores marmorum Numidicorum as Imperial Officials and Municipal Benefactors
Dennis Beck
This paper focuses on the evidence concerning the imperial marble procurators at Simitthus/Chimtou in Tunisia. After a reform in Hadrianic times, imperial freedmen in the office of procurator marmorum Numidicorum appear at Simitthus until the Severan period. Currently, thirteen procuratores m. N. can be deduced from the combination of inscriptions and archaeological evidence in Simitthus. This evidence throws light on the tasks of the procurators in the administration of the quarries. Unlike their fellows in Asia Minor, Greek, and Egyptian quarries, the spatial proximity and interaction with the Roman colony here allows analysis of their representational behaviour and comparison with their "colleagues" from other quarries. Simitthus therefore offers a unique situation, where the donor activities of these procurators are embedded in the development of a prosperous city. Through numerous dedications and the use of marmor Numidicum for the monumentalization of sanctuaries, the procurators competed with the urban elite and were thus a component both of urban life and of imperial domain administration.
Keywords
Marmor Numidicum / Giallo Antico, Simitthus / Chimtou, marble procurators, Slaves / Freedmen, Roman Marble Trade
Einleitung und Forschungsstand
Epigraphisch belegte procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus/Chimtou
Rechtlicher Status und Aufgaben der procuratores marmorum Numidicorum
Dedikationen der procuratores marmorum Numidicorum in Simitthus
Dedikationen der Marmorprokuratoren im Spiegel der epigraphischen Zeugnisse in Simitthus
Marmorprokuratoren in weiteren Steinbrüchen des Mittelmeerraumes
Zusammenfassung
Abstracts
129•2023