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62•2021
Ausgrabungen und Prospektionen im Nordbereich der chalkolithischen Siedlung von Valencina de la Concepción bei Sevilla (Andalusien)
Die Kampagne des Jahres 2019
1 Einleitung
1Wenige Kilometer westlich des Stadtzentrums von Sevilla erstreckt sich im Gemeindegebiet von Valencina de la Concepción (im weiteren Valencina) eine bemerkenswerte chalkolithische Großsiedlung (›mega-site‹) mit Gräberfeld. Valencina de la Concepción liegt am nordöstlichen Rande der Hochebene Aljarafe (Abb. 1. 2), die sich um ca. 150 m über das Guadalquivir-Becken erhebt und dieses im Westen begrenzt[1]. Heute mündet der Guadalquivir über 70 km südlich der Aljarafe in den Atlantik (Abb. 1. 2). Wie Bohruntersuchungen ergeben haben, bestand in der Beckenlandschaft des heutigen unteren Guadalquivir in prähistorischer und bis in römische Zeit hinein eine ausgedehnte Meeresbucht. Die Mündung des Guadalquivir befand sich dabei flussaufwärts, 15 km nördlich von Valencina beim heutigen Alcalá del Río[2]. Damit lag das prähistorische Valencina nur etwa 2 km vom Ufer des Meeresarms entfernt. Es gab geschützte Seeverbindungen in Richtung Atlantik; über die nahe gelegene Meerenge von Gibraltar gelangte man zum Mittelmeer und nach Nordafrika und über den Guadalquivir ins Landesinnere, das eine reiche Palette an Rohstoffen bereithielt. So finden sich die nächstgelegenen Kupfererzlagerstätten nur 15–20 km nordwestlich von Valencina bei Aznalcóllar am Rande der Sierra Morena.
2Nach den bisherigen Erkenntnissen umfasst das prähistorische Fundareal im Norden einen Siedlungsbereich von 235,6 ha Ausdehnung und im Süden eine kontemporäre Nekropole, die sich über 233,2 ha erstreckt[3]. Andere Autoren veranschlagen eine geringere Flächenausdehnung von 185 ha bzw. 200 ha für die Siedlung und 162 ha für die Nekropole[4]. Nördlich der städtischen Bebauung von Valencina spannt sich dieses vorgeschichtliche Siedlungsareal über flache Kuppen und Sporne bis zu dem steil abfallenden Rand der Hochebene. Der südlich und östlich angrenzende Nekropolenbereich erstreckt sich überwiegend auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und reicht über die Gemeindegrenzen von Valencina hinaus bis in die benachbarte Ortschaft Castilleja de Guzmán. Mehrere Forscher machten bereits darauf aufmerksam, dass die Auffassung einer strikten räumlichen Trennung von Siedlungs- und Nekropolenbereich unzutreffend ist, denn menschliche Skelettreste werden im gesamten Siedlungsbereich angetroffen[5]. Während die Toten im Süden in Grabbauten von teils megalithischem Charakter (Tholosgräber mit Dromos) beigesetzt wurden, finden sich im nördlichen Bereich menschliche Skelettreste in Siedlungsgruben oder Gräben bestattet. Im Südwesten des Siedlungsgebietes erscheinen zudem Bestattungen in Felskammergräbern.
3Während der sog. Nekropolenbereich bereits seit 1860 bekannt ist und intensiv erforscht, aufgearbeitet und veröffentlicht wurde[6], lieferten die erst in den 1970er Jahren aufgenommenen Untersuchungen im Siedlungsbereich von Valencina bisher nur wenige Erkenntnisse, da die meisten dieser Forschungen bis heute unzureichend publiziert sind[7]. So fand im Jahre 1971 eine erste Rettungsgrabung in der als »La Perrera« benannten Zone am heutigen Nordrand der Kleinstadt statt[8]. In den Jahren 1975–1976 folgten umfangreiche Grabungen am Cerro de la Cabeza, entlang der von Valencina nach Santiponce führenden Landstraße[9]. Der prähistorische Siedlungsbereich liegt zum großen Teil unter der heutigen Wohnbebauung der Kleinstadt Valencina de la Concepción. Dies erschwert einerseits eine planmäßige archäologische Erforschung, andererseits bietet die Überbauung immer wieder Anlass für denkmalpflegerische Aktivitäten[10]. So fanden bis zum Beginn unserer Forschungen in Valencina im Jahr 2014 ca. 130 archäologische Eingriffe in Form von Rettungsgrabungen oder baubegleitenden Maßnahmen statt. Es handelt sich dabei jedoch nahezu ausschließlich um kleinflächige Grabungen und punktuelle Baubeobachtungen, wodurch die insgesamt untersuchte Fläche nach Berechnung von Juan Carlos Mejías nur etwa 1 ha und damit nur etwa 0,24 % der geschätzten Gesamtausdehnung der kupferzeitlichen Fundstätte beträgt[11]. Der größte Teil dieser Unternehmungen ist nur in kurzen Vorberichten publiziert und das Fundmaterial noch weitgehend unbearbeitet[12].
4Zusammenfassend betrachtet beschränken sich die bisher untersuchten Bodenbefunde auf Dutzende von Siedlungsgruben in zahlreichen, über das Stadtgebiet zerstreuten Parzellen. Zumeist werden sie summarisch als Abfall- oder Speichergruben klassifiziert. In wenigen Fällen wurden größere, unregelmäßige und flache Gruben als mögliche Hausstrukturen angesprochen. Dazu treten lineare Grabenwerke von unterschiedlicher Breite, Tiefe und Orientierung, die als Einfassungen von Siedlungsarealen gedeutet werden. Tatsächlich sind die bisher dokumentierten Grabenabschnitte jedoch zu kurz und verteilen sich über ein zu großes Gebiet, als dass ihr Verlauf und ihre Funktionen abgeschätzt werden könnten. Absolute Datierungen fehlen für diese Siedlungsbefunde weitgehend, so dass keine verlässlichen Angaben über die Größe, Struktur, Gliederung und Entwicklung der frühmetallzeitlichen Siedlungsplätze gemacht werden können.
2 Das Forschungsprojekt in Valencina
5Im Jahr 2014 wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen der Universidad Autónoma de Madrid, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU Würzburg) und dem Museum Casa de Cultura von Valencina eine erste geophysikalische und archäologische Prospektion auf der Gemeindeparzelle in der Flur Cerro de la Cabeza in Valencina de la Concepción durchgeführt[13]. Auf dieser Grundlage wurde ab Ende 2016 ein Forschungsprojekt zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut, der JMU Würzburg und der Universidad Autónoma de Madrid unter Mitwirkung des Museo de Valencina – Casa de Cultura konzipiert. Im Jahr 2017 genehmigte die andalusische Denkmalbehörde (Dirección General de Bienes Culturales y Museos, Consejería de Cultura, Junta de Andalucía) ein ›Proyecto General de Investigación‹ über den nördlichen Bereich der Fundstelle mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Dieses Projekt konzentriert sich auf das Studium der historischen Entwicklung der archäologischen Fundstelle von Valencina de la Concepción über Grabungen und Prospektionen auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen des Nordbereichs. Zudem sollen verschiedene Rettungsgrabungen, die in dieser nördlichen Zone nahe der aktuellen Grabungsstelle durchgeführt wurden, gesichtet und ausgewertet werden. Durch archäologische Surveys und geophysikalische Prospektionen soll die Struktur und Ausdehnung der prähistorischen Fundstätte untersucht werden. Daran schließen sich eine Reihe von archäologischen Grabungen mit dem Ziel an, die verschiedenen chalkolithischen Phasen zu untersuchen und zu datieren und somit die Geschichte der Siedlung zu rekonstruieren. Durch die intensive Einbeziehung naturwissenschaftlicher Methoden wie Radiokarbondatierung, Botanik, Zoologie, archäometrische Materialanalysen und Bodenkunde werden insbesondere die räumlichen, zeitlichen, funktionalen und wirtschaftlichen Aspekte der chalkolithischen Siedlung von Valencina de la Concepción erforscht. Hierbei sollen Fragen nach der Kulturabfolge und Siedlungsdynamik, -dichte und -struktur, nach der Rohstoffversorgung, der handwerklichen Produktion und den Fernbeziehungen sowie letztlich der gesellschaftlichen Organisation der Mega-Siedlung beantwortet werden.
6Von 2014 bis 2017 wurde das Vorhaben als Pilotprojekt mit Mitteln des Deutschen Archäologischen Instituts Madrid und der JMU Würzburg finanziert, seit März 2018 wird es als Forschungsprojekt maßgeblich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert sowie mit Mitteln des Deutschen Archäologischen Instituts und des Lehrstuhls für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie der JMU Würzburg unterstützt[14].
3 Die Erdwerke in der Magnetometerprospektion
7Mit der Fortführung der Magnetometerprospektionen in den Jahren 2017 und 2018 konnte die im Rahmen des Projekts untersuchte Fläche auf über 17 ha ausgedehnt werden (Abb. 3)[15]. Diese Arbeiten, kombiniert mit den Ergebnissen verschiedener Rettungsgrabungen und den von Mejías, Helmut Becker und der Universität Granada auf dem im Nordosten der Siedlungsfläche von Valencina gelegenen Cerro de la Cruz durchgeführten Magnetometerprospektionen, erlauben es, eine erste modellhafte Vorstellung über den Verlauf und die Entwicklung der Grabenwerke in Valencina zu entwickeln (Abb. 4)[16]. Neben den Ausgrabungen in den Schnitten 5A und 5B haben Bohruntersuchungen an den Grabenwerken im März 2020 zur Gestalt und Verfüllungsgeschichte einiger Gräben neue Informationen geliefert, die in die Synthese (s. u.) einfließen. Selbstverständlich ist der aktuelle, noch lückenhafte Kenntnisstand durch weitere geophysikalische Prospektionen, Begehungen, Bohrungen und Ausgrabungen zu verifizieren.
8Das am nördlichen Rand der Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza verlaufende und aus bis zu drei parallelen Gräben (1–3) bestehende Erdwerk 1 dürfte die nördliche Begrenzung einer ausgedehnten Siedlungszone bilden und mit der bastionsartigen Ausbuchtung 20 des Jahres 2014 zusammengehen (Abb. 4. 5). Gemäß der von Becker und der Universität Granada durchgeführten Prospektionen setzt sich dieses Grabenwerk nach Osten auf den Cerro de la Cruz fort. Auch hier zeichnet sich im Magnetogramm ein vergleichbares bastionsartig vorgelagertes Zangentor ab. Ähnliche Torkonstruktionen finden sich etwa in den chalkolithischen Grabenwerken von Perdigões (Reguengos de Monsaraz, Portugal) , Alcalar (Portimão, Portugal) und Fuente de La Mora (Leganés, Madrid) , abgesehen davon, dass sie in den Chasséen-zeitlichen Anlagen des atlantischen Frankreichs häufig auftreten[17].
9Obwohl die Magnetometerprospektion 2017 im Bereich Los Pozos-Pozo Bueno durch einen 100–300 m breiten Geländestreifen von den Prospektionsarealen 2014 (Cerro Mármol, Cerro de la Cabeza) getrennt ist, kann der Verlauf der Erdwerke 1–5 über beide Prospektionsflächen hinweg plausibel rekonstruiert werden (Abb. 4. 5). Die leicht gebogenen Grabentrassen der Erdwerke 1 und 2 verlaufen vom Cerro de la Cabeza etwa parallel ca. 500 m in südwestliche Richtung, wo sie auf dem Nordhang des Bachtals von ›Los Pozos-Pozo Bueno‹ enden (Gräben 35–39).
10Das Erdwerk 3 (2014) wird am südlichen Hangfuß des Cerro de la Cabeza durch die Gräben 11 und 12 gebildet (Abb. 5). Ähnlich wie bei Grabenwerk 1 und 2 zeichnet sich im Magnetogramm von 2017 eine Fortsetzung des Erdwerks 3 (Gräben 17 und 18) bis auf den Nordhang des Bachtals Los Pozos - Pozo Bueno (Gräben 33 und 34) ab, wo es nahezu rechtwinklig auf den Talhang trifft. Da das Gruben-Cluster 29 der sog. Hangfußsiedlung in der Parzelle Cerro de Mármol den Graben 17 zu überlagern scheint, liegt die Vermutung nahe, dass das Erdwerk 3 älter ist als diese Siedlung und damit auch als das assoziierte Erdwerk 2.
11Inzwischen ließ sich ebenfalls am südlichen Hangfuß des Cerro de la Cabeza im Magnetogramm von 2014 ein viertes Erdwerk identifizieren, das durch den einzelnen, aber geradezu monumentalen Graben 10 repräsentiert wird (Abb. 4. 5). Die Grabungen der Jahre 2017 und 2018 sowie die Bohrprospektion 2019 konnten wahrscheinlich machen, dass es sich bei Graben 10 (UC 437) um einen chalkolithischen Graben von ca. 10 m Breite und 8,5 m Tiefe handelt. Gemäß zweier 14C-Daten aus Bohrungen wurde dieser Graben im älteren und entwickelten Spätchalkolithikum in seinem unteren Abschnitt verfüllt[18].
12Ein weiteres Grabenwerk (Erdwerk 5) ließ sich inzwischen als Doppelgraben auf der Parzelle Cerro de la Cruz (Prospektionsareal 7) nachweisen (Abb. 3. 4). Dieses kann wahrscheinlich mit den von Fernando Fernández 1976 untersuchten Gräben auf dem Cerro de la Cabeza in Zusammenhang gebracht werden[19]. Der ganz im Westen (Prospektionsareal 3) befindliche Doppelgraben könnte ebenfalls Teil dieses fünften Erdwerks gewesen sein, womit wir die äußerste westliche, nördliche und östliche Grabenbegrenzung des zentralen Siedlungsgebietes zumindest in Ausschnitten gefasst hätten. Es scheint, als ob dieses Erdwerk 5 die größte erreichte Ausdehnung der grabenumwehrten Großsiedlung von Valencina markiert, die im untersuchten nördlichen Bereich einen Ost-West-Durchmesser von mindestens 1.200 m erreichte. Allerdings dehnte sich die mittelkupferzeitliche Besiedlung noch geringfügig über das Erdwerk 5 hinaus nach Norden aus (Prospektionsareale 6–7). Das monumentale und wohl jüngere Erdwerk 4 (Graben 10) umzog dagegen nur noch einen kleinen Kernbereich der älteren chalkolithischen Siedlungsfläche.
13Neben diesen fünf linearen Grabensystemen wurde im Westen des Cerro Mármol ein sehr viel kleineres Erdwerk 6 dokumentiert (Prospektionsareal 3) (Abb. 3. 4). Die abgerundet rechteckige, nur ca. 95 m × 60 m große Grabeneinfassung besitzt auf ihrer Nord-, Ost- und Südseite in dichter Folge halbkreisförmige, bastionsartige Grabenausbuchtungen. An der westlichen Rückseite befinden sich hingegen gerade Grabenstücke mit einem mutmaßlichen Tordurchlass, die an die Innenseite des großen Grabenwerks 5 grenzen. Einen erstaunlich ähnlichen Vergleichsbefund für diese bemerkenswerte Anlage bietet das spätchalkolithische Grabenwerk von Venta de Rapa (Mancha Real, Jaén) [20]. Als weitere Parallele ließ sich die spätneolithische und wohl das ganze 3. Jahrtausend v. Chr. über genutzte Anlage von Puech Haut (Paulhan, Hérault, Frankreich) nennen[21].
14Diese Parallelen scheinen uns treffender zu sein als der Vergleich mit den im portugiesischen Alentejo nachgewiesenen Erdwerken mit schlangenförmigem Grabenverlauf, wie zum Beispiel die Anlage von Xancra (Cuba, Beja, Portugal) , bei denen es sich zumeist um sehr kleine Anlagen mit einer wohl in erster Linie symbolischen Funktion handelte[22].
4 Die Ausgrabungskampagne des Jahres 2019
Vorgehensweise
15Vom 2. September bis zum 18. Oktober 2019 fand eine dritte Grabungskampagne auf der Gemeindeparzelle (Parcela municipal) in der Flur Cerro de la Cabeza statt[23]. Gleichzeitig setzte Marina Eguíluz Valentini (Universitat Autònoma de Barcelona) die Aufnahme der makrolithischen Geräte fort. Vom 23. bis 27. September analysierte Carmen Gutiérrez Saéz (Universidad Autónoma de Madrid) die Gebrauchs- und Herstellungsspuren der Silexartefakte der Kampagnen 2017–2019. Vom 8. bis 11. Oktober 2019 entnahm José Ángel Afonso Vargas (Universidad de La Laguna, Tenerife) Proben zur Analyse von Phytolithen an makrolithischen Geräten und Erdproben. Außerdem wurden Sedimentproben aus einigen Strukturen für die Pollenanalyse entnommen, welche Sebastián Pérez Díaz (Universidad de Cantabria) und José António López Sáez (Centro Superior de Investigaciones Científicas, Madrid) durchführen werden. Vom 1. bis 10. Oktober entnahmen die Geologen Mustafa Kibaroğlu und Sinem Haciosmanoğlu (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) Proben von Keramik und von Tonlagern aus der näheren und weiteren Umgebung für ein keramologisches Studium über die Rohmaterialbeschaffung und den Herstellungsprozess von Keramik der chalkolithischen Fundstelle.
16Vom 15. bis 21. September wurden bodengeographische Untersuchungen unter der Leitung von Birgit Terhorst (Universität Würzburg) und Elizabeth Solleiro Rebolledo (Universidad Nacional Autónoma de México) durchgeführt[24]. Bei dieser Gelegenheit fanden in den Bereichen Parcela municipal del Cerro de la Cabeza und Los Pozos – Pozo Bueno geoelektrische Prospektionen und Rammkernbohrungen statt, und es wurden Proben aus mehreren Befunden der Ausgrabung auf der Parcela municipal del Cerro de la Cabeza sowie der näheren Umgebung entnommen[25].
17Hinsichtlich der Ausgrabung waren in erster Linie die Fortsetzung und der Abschluss der Arbeiten in den Schnitten 3 und 4 im Grabungsbereich A auf dem Cerro de la Cabeza vorgesehen. Daneben sollte die Ausgrabung im Schnitt 5A (Grabungsbereich B), der 2018 geöffnet worden war, fortgesetzt werden, und es war geplant, die Gräben 2, 3 und 5 mit einem lang-schmalen Schnitt 5B zu schneiden (Abb. 6. 7).
18In den Schnitten 3 und 4 wurden in dichter Folge Grubenbefunde angetroffen, die in großer Zahl Keramikscherben, Tierknochen und Felsgesteinartefakte erbrachten. Manche Befunde boten komplexe Strukturen aus sich überschneidenden Wohn- und Werkstattbereichen, in denen Gefäße, Kleinfundinventare und Tierknochen im anatomischen Verband in situ freipräpariert wurden. Der sorgfältigen Ausgrabungstechnik (s. u.) ist es geschuldet, dass die Grabung in den Schnitten 3 und 4 im Jahr 2019 nicht vollständig abgeschlossen werden konnte.
Ausgrabungstechnik
19Während der Ausgrabung wird bei der Befundnummerierung grundsätzlich unterschieden zwischen konstruktiver Einheit (»unidad constructiva« – UC) und stratigraphischer Einheit (»unidad estratigrafica« – UE). Während die UC bauliche Befundeinheiten in ihren äußeren Grenzen (Pfostenloch, Grube, Graben usw.) bezeichnet, werden mit den UE stratigraphische Teileinheiten wie z. B. einzelne Füllschichten erfasst.
20Die Befunde (UC) werden je nach Struktur einfach oder mehrfach geschnitten. Zunächst wird eine Seite in 10-cm-Abhüben bis auf die Sohle des Befundes ausgegraben, wodurch ein repräsentativer Profilschnitt entsteht. Doch wird beim Abtiefen das archäologische Material nach den natürlichen Schichten, i. d. R. Füllschichten (UE), getrennt geborgen. Die Plana und Profile der Befunde werden fotografiert, bzw. fotogrammetrisch aufgenommen, mit dem Tachymeter dreidimensional eingemessen und beschrieben. Profile werden zusätzlich in kolorierten Handzeichnungen dokumentiert. Es wird möglichst in jedem Abhub von den unterscheidbaren Füllschichten (UE) jeweils eine Probe von möglichst 20 Liter Sediment genommen, die für die botanische Analyse geschlämmt wird. Daneben werden Bodenproben für sedimentologische und Phytolithen-Analysen gewonnen, und an den Befundprofilen werden Proben für Pollenanalysen entnommen. Nach der Profildokumentation wird der noch stehende Teil des Befundes ausgegraben. Der nicht als Probenmaterial gewonnene Aushub wird manuell in einem Sieb von 5 mm Maschenbreite gesiebt, wobei auch kleinteiliges Fundmaterial annähernd vollständig geborgen wird.
Ausgrabungsschnitt 3
21In Schnitt 3 wurden in erster Linie die Arbeiten in den Befunden fortgeführt, deren Untersuchung bereits in der vorherigen Kampagne begonnen worden war; darüber hinaus wurde das Abtiefen in den übrigen angetroffenen Befunden begonnen (Abb. 8. 9).
22Die Ausgrabung der UC 301 wurde fortgesetzt (Abb. 9. 10). Der im Grundriss ovale Befund ist von West nach Ost orientiert und weist Maße von mindestens 3 m × 2,5 m auf. Die exakte Ausdehnung lässt sich bisher nicht bestimmen, da der Befund unter die westliche Schnittgrenze zieht und aus diesem Grund erst mit der Erweiterung des Schnittes vollständig dokumentiert werden kann. Auch in dieser Kampagne wurde der massive Versturz von vergangenen, mit archäologischem Material vermischten Lehmstrukturen freigelegt (Abb. 10). Im Profil wurde eine sterile Schicht zwischen zwei Konzentrationen von kollabiertem Stampflehm oder Lehmziegeln angetroffen, was darauf schließen lässt, dass die Grubenstruktur während ihrer Nutzung zwei zeitlich getrennte Versturzphasen erfuhr. Nach der Auflassung der Grube wurden die anthropogenen Verfüllungen von einer natürlichen Schwemmschicht überlagert.
23Die Struktur weist eine Tiefe von 50 cm ab der Unterkante des Pflughorizontes auf (Planum 2). Auf der Grubensohle wurde ein Fundinventar angetroffen, das von der älteren Versturzschicht bedeckt war. Den untersten Fußboden der Grube (UE 372) bildet ein 1 cm starker Estrich, der sich aus einer Mischung aus Ton, Kalk und zermahlenem Schluffstein zusammensetzt. Ein gleicher Fußbodenbelag wurde auch in den Grubenbefunden UC 315 und UC 316 nachgewiesen. Zudem befand sich in der UC 301 eine auf dem Estrich ansetzende, entlang der Grubenwand verlaufende Bankette von ca. 10 cm Breite und 8 cm Höhe (UE 366). Ihre Zusammensetzung ist ähnlich derjenigen des für den Fußboden verwendeten Estrichs, mit dem Unterschied, dass größere Schluffsteinfragmente als Stütze für die Bankette dienen. Diese Art der Befestigung an der Basis einer Grubenwand wurde bisher nur für die UC 301 festgestellt. Ein sehr ähnlicher umlaufender Sockel wurde etwa auch in als Behausungen angesprochenen Gruben der am Übergang vom 4. zum 3. Jahrtausend v. Chr. stehenden Siedlung Polideportivo de Martos (Jaén) beobachtet[26]. Wahrscheinlich diente diese Bankette hier wie dort als Fundamentsockel für Grubeneinbauten aus vergänglichem Material. Sowohl die umlaufende Bankette als auch der sorgfältig eingebrachte Fußboden sprechen für eine überdachte Konstruktion. Die noch ausstehende Analyse des Fundinventars aus dem Grubenhaus verspricht eine Klärung seiner Funktion als Wohnhaus oder Werkraum.
24Bisher liegen zwei AMS-14C-Daten für die UC 301 vor, die das mutmaßliche Grubenhaus übereinstimmend in das Mittlere Chalkolithikum (»Calcolítico Pleno«) – Mitte des 29. bis Anfang des 26. Jahrhunderts cal. BC – datieren lassen:
MAMS-41087: 4124 ± 26 BP = 2865–2581 cal. BC (2 δ); Struktur UC 301, UE 304; Sus sp.[27].
MAMS-45008: 4093 ± 22 BP = 2854–2573 cal. BC (2 δ); Struktur UC 301, UE 339; Mesofauna.
25Die Ausgrabung der ca. 2,5 m × 3 m großen Grube UC 315 begann ebenfalls bereits in der Kampagne 2018 und wurde nun fortgesetzt, wobei eine Hälfte des Befundes vollständig ausgegraben werden konnte (Abb. 11). Beim Tiefergraben wurde im Westteil rasch die Sohle erreicht, während der Boden des Zentral- und Ostteils 10–12 cm tiefer liegt. Hierdurch entsteht der Eindruck, dass die Grubenkonstruktion von Westen her betreten wurde und vielleicht aus zwei getrennten Kompartimenten bestand. Bemerkenswerterweise fand sich in den tieferen Füllschichten, darunter auch die Grubensohle (UE 338), deutlich weniger archäologisches Fundmaterial als in den darüberliegenden. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Grube planmäßig aufgegeben wurde und der größte Teil des Fundmaterials, vielleicht in Form von Siedlungsabfällen, sich erst nach der Auflassung in der Bodenvertiefung ansammelte.
26Für die UC 315 liegt eine Datierung in das Mittlere Chalkolithikum (Mitte des 29. bis Anfang des 26. Jahrhunderts cal. BC) vor:
MAMS-38871: 4095 ± 20 BP = 2852–2575 cal. BC (2 δ); Struktur UC 0315, UE 0318; Bos [28].
27Bereits in der Kampagne 2018 konnte innerhalb der Grubenstruktur UC 316 neben einer großen Anzahl an makrolithischen Geräten und einigen Keramikfragmenten das Horn eines großen Boviden, möglicherweise eines Auerochsen, freigelegt werden. In der diesjährigen Kampagne wurden direkt auf dem Fußboden zwei weitere große Bovidenhörner zusammen mit weiteren Tierknochen, Keramikfragmenten und Felsgesteinartefakten gefunden (Abb. 12).
28Auch hier wird der Fußboden durch einen etwa 1 cm dicken Belag gebildet, der sich genauso wie derjenige der UC 301 aus Kalk, Ton und zermahlenen Schluffsteinen zusammensetzt. Alles in allem lässt die Fundsituation in der UC 316 daher ebenfalls eine überdachte Grube vermuten, in der sich möglicherweise eine Werkstätte befand. Für die UC 316 liegen drei Datierungen in das Mittlere Chalkolithikum (29.–26. Jahrhundert cal. BC) vor:
MAMS-38872: 4133 ± 22 BP = 2870–2601 cal. BC (2 δ), Struktur UC 316, UE 319; Sus sp. [29];
MAMS-41095: 4143 ± 25 BP = 2872–2629 cal. BC (2 δ), Struktur UC 316, UE 343; Ovis/Capra;
MAMS-45007: 4121 ± 35 BP = 2871–2578 cal. BC (2 δ), Struktur UC 316, UE 343; Ovis/Capra.
29Die Grube UC 309 konnte zwar noch nicht allzu weit abgetieft werden (Abb. 9), doch weist der Befund ähnliche Charakteristiken wie die Strukturen UC 301, 314, 315 und 316 auf. So zeichnet sich das Füllsediment in erster Linie durch unverbrannt kollabierten bzw. zerflossenen mit zahlreichen chalkolithischen Funden vermischten Hüttenlehm aus. Wir gehen zunächst davon aus, dass es sich um ein ähnliches Grubenhaus wie die oben genannten handelt, auch wenn es von geringerer Dimension zu sein scheint.
30Der Grubenbefund UC 309 wird von den Gruben UC 308 und 310 geschnitten (Abb. 9). Die UC 310 weist dabei die größte Konzentration archäologischen Fundmaterials auf, das sich in erster Linie aus einer großen Vielfalt an Säugetierknochen zusammensetzt, darunter mindestens sieben Unterkieferfragmente von Schwein und Schaf sowie zwei Schädel vom Schaf. Die weitere osteologische Analyse steht noch aus. Das Füllsediment besteht dem gegenwärtigen Kenntnisstand zufolge aus einer einzigen stratigraphischen Einheit (UE 327), die aufgrund eines hohen Anteils an organischem Material von dunkler Erde gebildet wird. Im Moment interpretieren wir diese Struktur als temporäre oder finale Abfallgrube. Da die Tierreste im Gegensatz zu jenen aus der Struktur UC 312 (UE 315) weniger stark fragmentiert sind, wäre eine Interpretation als Zwischenlager von bestimmten Skelettteilen (Schädelknochen) zwecks einer Weiterverarbeitung oder auch als rituelle Deponierung denkbar.
31Zwei an Tierknochen der UE 327 gewonnene AMS-14C-Daten ergaben eine Datierung in das entwickelte Spätchalkolithikum oder sogar die beginnende Frühbronzezeit:
ETH-112148: 3890 ± 32 BP = 2468–2237 cal. BC (2 δ); Ovis/Capra;
ETH-112150: 3695 ± 24 BP = 2195–1984 cal. BC (2 δ); Cervus elaphus [30].
32In der Grabungskampagne 2019 wurde damit begonnen, den in der nordöstlichen Ecke des Schnittes 3 befindlichen und teilweise vom Steg zwischen den Schnitten 3 und 4 überdeckten Befund UC 311 auszugraben. In der Grube UC 311 wurden zwei unterschiedliche Sedimentschichten (UE 314 und 362) festgestellt. Die geborgenen Funde lassen sich überwiegend dem Chalkolithikum zuweisen; darüber hinaus wurde in der Verfüllung UE 314 ein Fragment Kupferschlacke geborgen. Die UE 362 endete nach dem zweiten Abhub bei einer Tiefe von 20 cm, während die UE 314 eine Tiefe von bis zu 55 cm erreichte. An der Grubensohle fanden sich das Negativ einer Baumwurzel und ein Fragment glasierter Keramik. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde demnach eine flache chalkolithische Grube (UE 362) in historischer Zeit von einer tieferen Grube (UE 314) gestört, die vermutlich als Pflanzgrube eines Olivenbaums diente.
33Der flache Grubenbefund UC 312 (UE 315) wurde bereits 2018 zur Hälfte ausgegraben, wobei ein Profilschnitt (Pr. 13) dokumentiert wurde. 2019 wurde auch die andere Grubenhälfte vollständig untersucht, die erwartungsgemäß dasselbe Füllsediment (UE 315) und stark fragmentierte Tierknochen enthielt. Es handelt sich um eine ungewöhnlich flache Grube mit einer erhaltenen Tiefe von nur 5–6 cm unterhalb des Flächenplanums 2 (Abb. 9). Bezüglich der UC 312 hatten wir bereits in einem anderen Beitrag auf die beiden auffällig frühen AMS-14C-Daten hingewiesen, durch die der Grubenbefund in das Endneolithikum und/oder das Frühe Chalkolithikum datiert wird[31]:
MAMS-38870: 4676 ± 54 BP = 3631–3360 cal. BC (2 δ); UE 315; Ovis/Capra [32];
MAMS-41090: 4452 ± 27 BP = 3333–3018 cal. BC (2 δ); UE 315; Makrofauna.
34Das 2018 angelegte Profil der Grube UC 312 konnte die stratigraphische Beziehung zwischen dem Füllsediment UE 315 und einem östlich anschließenden Sediment UE 328 nicht klären. Anhand der Beobachtungen im Jahr 2019 konnte nun wahrscheinlich gemacht werden, dass die Schicht UE 328 ein durch den modernen Ackerbau verzogenes Sediment aus mehreren der hier dokumentierten Strukturen repräsentiert.
352019 wurde mit der Ausgrabung des Bereichs der Grube UC 313 fortgefahren. Unmittelbar unter der 2018 dokumentierten eisenzeitlichen Bestattung (UE 317), die ein Gefäß des Typs ›a chardón‹ sowie Fragmente eines phönizischen Tellers mit roter Engobe enthielt[33], und teilweise überlagert von der UE 328 fanden sich vier unterschiedliche stratigraphische Einheiten (UE 340, 355, 356 und 357). Die Sedimente weisen jedoch nur eine maximale Stärke von 3–5 cm unterhalb der UE 317 auf und sind zudem durch das Anlegen der eisenzeitlichen Bestattung stark gestört, weshalb im Ostprofil des Schnittes 3 nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob sie zu einer oder mehreren Befunden gehören (Abb. 9). Nähere Erkenntnisse dürften sich in diesem Bereich erst beim Abbau des Profilstegs zwischen den Schnitten 3 und 4 mit der Anlage eines erweiterten Planums erzielen lassen.
36Des Weiteren wurden die bereits im Jahr 2018 begonnenen Arbeiten am Grubenbefund UC 314 (UE 316) fortgesetzt (Abb. 9). Diese Struktur besitzt einen Durchmesser von ca. 2 m und lieferte eine große Menge an chalkolithischem Fundmaterial. Insbesondere handelt es sich um Felsgesteinartefakte und Keramikscherben, die bereits an der Oberfläche des Befundes zahlreich angetroffen wurden. Auch wenn bei den Ausgrabungen mit einer Tiefe von 30 cm die Sohle der Grube noch nicht erreicht wurde, so zeigen sich doch schon zum jetzigen Zeitpunkt mehrere Füllschichten. Genauso wie in den Strukturen UC 301, 315 und 316 wird dieser Grubenbefund größtenteils von einem Sediment ausgefüllt, das zu einem hohen Anteil aus verstürztem Baulehm (›adobe‹) besteht (UE 316, UE 373). Dieses Sediment überlagert mehrere Lehmkonzentrationen (UE 358, 372), die vermutlich vom Versturz eines stehenden Lehmmauerwerks herrühren. Im Westen zeigt sich eine Konzentration toniger Erde mit zerschlagenen Schluffsteinfragmenten (UE 364), die noch nicht weiter abgebaut wurde. Hier ließe sich klären, ob es sich um die Versturzschicht einer Hauswand, einer daran angelehnten Lehmkonstruktion oder die Reste eines Verputzes handelt. Dieser Befund kann vielleicht ebenfalls in die Reihe von Grubenhäusern gestellt werden.
37Für UE 373 liegen zwei AMS-14C-Daten vor, die den Befund UC 314 in das Mittlere Chalkolithikum (29.–26. Jahrhundert cal. BC) datieren:
MAMS-45012: 4121 ± 23 BP = 2863–2581 cal. BC (2 δ), Struktur UC 314, UE 373; Ovis aries;
MAMS-45013: 4141 ± 26 BP = 2871–2626 cal. BC (2 δ), Struktur UC 314, UE 373; Cervus elaphus.
38In der Kampagne 2019 konnte die östliche Hälfte des Grubenbefundes UC 317 ausgegraben und der Profilschnitt (Profil 18) dokumentiert werden (Abb. 9. 13). Es bestätigte sich der bei der Untersuchung 2018 gewonnene Eindruck, dass die Grube UC 317 ein einziges Füllsediment aufweist (UE 320), das archäologische Funde des Chalkolithikums enthält, in erster Linie Keramik und eine große Zahl an Felsgesteinartefakten. Die an Tierknochen gewonnenen 14C-Daten weisen auf eine Datierung an das Ende des Neolithikums oder in das Frühe Chalkolithikum (34./31.-30.? Jahrhundert cal. BC). Damit wäre dieser Befund älter als die meisten Strukturen in seiner unmittelbaren Umgebung. Die Existenz einer solch frühen Siedlungsphase in Valencina wird durch die bereits genannten Daten aus der UE 315 sowie einem weiteren Datum aus Schnitt 5A (UE 505) bestätigt[34].
MAMS-45009: 4437 ± 22 BP = 3326–2939 cal. BC (2 δ), UC 317, UE 320; Mesofauna
MAMS-45010: 4365 ± 23 BP = 3079–2911 cal. BC (2 δ), UC 317, UE 320; Sus sp.
39Der Grubenbefund UC 318 setzte sich durch ein intensiv-schwarzes Füllsediment von den übrigen Grubenfüllungen deutlich ab (Abb. 9. 14). 2018 wurde ein erster Abhub innerhalb der nördlichen Grubenhälfte vorgenommen, der bereits die Unterscheidung zweier Füllschichten (UE 322, UE 350) erlaubte. Um die außergewöhnliche Verfüllung bodenkundlich zu untersuchen, wurden 2019 eine Sondage von 30 cm × 30 cm und eine Rammkernbohrung mit dem Pürckhauerbohrstock angelegt. Auf diese Weise wurden Sedimentproben für die geomorphologische und mikromorphologische Analyse gewonnen, dabei wurde die Sohle des Grubenbefundes in ca. 50 cm Tiefe angetroffen.
40Nach dem Abtrag der nördlichen Grubenhälfte wurden der Profilschnitt (Pr. 18) dokumentiert und Proben für die Pollen- und Phytolithenanalysen entnommen. Sowohl die Wände als auch die Sohle der Grube wiesen einen Verputz bzw. Estrich aus einer Mischung aus Ton und Kalk auf. Trotz der tiefschwarzen Färbung fanden sich, zumindest bei der makroskopischen Ansprache, weder Holzkohlereste noch Aschepartikel. Da anzunehmen war, dass die schwarze Färbung auf einen hohen Anteil verkohlter organischer Substanz zurückzuführen sei, wurde das Sediment der Grubenverfüllung vollständig geschlämmt. Die botanische Analyse steht noch aus. Einen bemerkenswerten Fund bildet ein etwa 25 kg schweres Mahlsteinfragment mit konkaver Arbeitsfläche.
41Für die Grube UC 318 liegt ein 14C-Datum aus der UE 350 vor, welches das Verfüllen dieser Struktur in das Mittlere Chalkolithikum (29.–27. Jahrhundert cal. BC) datiert:
MAMS-45011: 4145 ± 23 BP = 2871–2623 cal. BC (2 δ), UC 318, UE 350; Mesofauna.
42Die in der südwestlichen Ecke des Schnittes 3 dokumentierte Struktur UE 329 erwies sich dagegen als mögliche moderne Pflanzgrube. Zwar fanden sich hier u. a. ein Kupferpfriem und einige stark abgerollte Keramikfragmente, doch zeigen die Spuren von Wurzeln eine moderne Entstehung der grubenartigen Vertiefung an, wie es ähnlich bei den Strukturen UC 306 und 308 zu beobachten war.
Ausgrabungsschnitt 4
43Der zentrale Bereich des Schnittes 4 wird von einem ausgedehnten Grubenkomplex aus mehreren sich überschneidenden Grubenbefunden eingenommen (Abb. 15). So war bei der Aufdeckung 2017 zunächst eine L-förmige Verfärbung zu erkennen, die geradlinig von Südosten nach Nordwesten läuft, um nach 4,9 m im rechten Winkel nach Südosten abzubiegen und nach 2,8 m abzubrechen (UC 446). Innerhalb des auf diese Weise vorgegebenen Winkels liegen die Befunde UC 447 und UC 448 als flächige Verfärbungen zwischen der L-förmigen Struktur UC 446 und dem Graben 10 (UC 437). Dieser Bereich war 2018 in sechs Quadranten eingeteilt worden, um mehrere rechtwinklige Profilschnitte zu erhalten. Begonnen wurden die Ausgrabungen in den Quadranten 1, 3 und 6 (Q 1, 3, 6), wobei 2019 in Quadrant 1 die Unterkante der Strukturen erreicht wurde, die Quadranten 3 und 6 wurden jedoch noch nicht vollständig ergraben. Anstatt nun in der Kampagne 2019 mit der Ausgrabung in den Quadranten 3 und 6 fortzufahren wurde entschieden, mit der Ausgrabung in den Quadranten 2, 4 und 5 zu beginnen, um diese zunächst bis auf das in den Quadranten 3 und 6 erreichte Niveau abzutragen. Auf diese Weise sollte der Gesamtgrundriss der Struktur UC 447/448 erfasst werden, mit dem Ziel, die stratigraphischen Bezüge der sich überschneidenden Gruben zu klären. Auch in den Quadranten 4 und 5 erfolgte die Grabung in Abhüben von 10 cm Stärke, wobei die Funde jeweils zusätzlich nach den erkannten stratigraphischen Einheiten getrennt geborgen und die Plana dokumentiert wurden. Während der Kampagne 2019 wurde der Quadrant 2 vollständig ausgegraben und bei einer Tiefe von 50 cm dasselbe Niveau wie im Quadrant 4 erreicht. Im Quadrant 5 gestalteten sich die Arbeiten jedoch aufgrund des großen Fundaufkommens komplizierter, so dass nur eine Tiefe von 40 cm erreicht werden konnte.
442019 konnte nun die Struktur UC 446 (UE 468) auch in den Quadranten 2 und 5 vollständig ergraben werden (Abb. 15). Der Befund UC 446 stellt sich ab dem Gesamtplanum 4 als flache, im Querschnitt halbkreisförmige Wanne von max. 0,85 m Breite und 0,30 m Tiefe dar. Wir interpretieren den Befund UC 446 weiterhin als Fundamentgräbchen eines rechteckigen Gebäudes mit einer Länge von mindestens 4,9 m und einer Breite von mehr als 2,8 m. Die Gesamtlänge lässt sich noch nicht bestimmen, da UC 446 unter die westliche Grabungsschnittgrenze und vermutlich bis in den Schnitt 3 hineinzieht. Die südliche Hälfte dieses Gebäudegrundrisses UC 446 dürfte bis unmittelbar an den Rand des spätchalkolithischen Grabens 10 (UC 437) herangereicht haben, der zu dieser Zeit noch als markante Bodenvertiefung bestand. Der rückwärts schreitenden Erosion des Grabenrandes dürfte auch dieser Gebäudeteil zum Opfer gefallen sein. Ein ähnlicher rechteckiger Grundriss mit Resten einer Stampflehmwand in einem Fundamentgräbchen fand sich 1985 bei den Rettungsgrabungen anlässlich des Baus des städtischen Freibades (Polideportivo municipal, P-2)[35]. Eine Bearbeitung des Fundmaterials aus diesem Hausbereich steht noch ebenso aus wie die 14C-Datierung.
45In jedem Fall schneidet der Befund UC 446 die in das Mittlere Chalkolithikum datierende Struktur UC 447/448. Bereits in der Kampagne 2017 war die zur Struktur UC 446 gehörende UC 431 (UE 417) in ihrem obersten erhaltenen Bereich als eine Anhäufung von Brandlehm- und Lehmziegelfragmenten erkannt worden. Der geborgene Lehmversturz deutet darauf hin, dass die Wände entweder aus Lehmziegeln oder Stampflehm aufgebaut waren. In diesem Bereich kam innerhalb der UE 416 bereits 2017 keramisches Fundmaterial zum Vorschein[36], welches wir nach einer ersten Ansprache vorläufig in die frühe Bronzezeit stellten. Es bestehen weitere indirekte Hinweise auf frühbronzezeitliche Siedlungsaktivitäten an dieser Stelle. So wurde für einen Kontext in Schnitt 3 eine Datierung in die Späte Frühbronzezeit erzielt[37]:
MAMS-41099: 3510 ± 32 BP = 1920–1747 cal. BC (2 δ); UE 307, UC 304; Landschnecken.
46Andererseits konnten jüngst AMS-14C-Daten aus verschiedenen Kollagenproben an Tierknochen der Füllschichten UE 416 und UE 439, welche ebenfalls zur UC 446 gehören, gewonnen werden, die in das Späte Chalkolithikum (26.–24. Jahrhundert cal. BC) weisen:
ETH-110703: 3923 ± 29 BP = 2552–2296 cal. BC (2 δ); UE 439, Sus sp.;
ETH-110704: 3933 ± 27 BP = 2560–2304 cal. BC (2 δ); UE 416, Sus sp.;
ETH-110705: 4018 ± 24 BP = 2581–2468 cal. BC (2 δ); UE 416, Ovis/Capra.
47Darüber hinaus datiert auch ein 2019 im Teilbefund UE 469 (Quadrant 5) geborgener Tierknochen in das Spätchalkolithikum (26.–24. Jahrhundert cal. BC):
MAMS-45005: 3964 ± 24 BP = 2569–2351 cal. BC (2 δ), UE 469, Ovis/Capra.
48Der Knochen fand sich unmittelbar unter dem Fundamentgräbchen UC 446 (UE 468), so dass das AMS-14C-Datum einen terminus post quem für das rechteckige Gebäude UC 446 liefert. Hierbei ist zu beachten, dass rechteckige Gebäudegrundrisse für das Chalkolithikum als nicht üblich angesehen werden, sondern erst am Übergang zur frühen Bronzezeit in weiten Teilen der Iberischen Halbinsel zur Regel werden sollen[38].
49Die so erhaltene Datierung (MAMS-45005) entspricht sowohl dem Datum aus der Grubenfüllung UE 439 als auch beiden Daten aus der UE 416. Die UE 416 bezeichnet jedoch ein teilweise vermischtes Sediment, das Materialien sowohl des Pflughorizonts als auch der darunter befindlichen archäologischen Strukturen enthält, weshalb diese Daten mit Vorsicht zu behandeln sind. Angesichts des Datums aus der Grubenfüllung UE 439 als auch der Datierung der Probe MAMS-45005 wird eine Datierung des Fundamentgräbchens UE 468 (UC 446) in das Späte Chalkolithikum wahrscheinlich. Dies erfordert eine Neubewertung des in diesem Kontext geborgenen Keramikmaterials, das typologisch bereits zur Frühbronzezeit überleitet. Zu einer spätchalkolithischen Datierung würde auch das innerhalb der Verfüllung UE 416 gefundene, mit Kammeindrücken verzierte Fragment eines Glockenbechers passen[39].
50Die zunächst getrennt wahrgenommenen Befunde UC 447 und UC 448 bilden tatsächlich einen einzigen Befund (UC 447/448). Dieser weist bei einer Länge von ca. 6,75 m und einer Breite von mehr als 2,8 m einen ovalen Umriss auf (Abb. 15. 16). Die Grubenstruktur ist mehr als 0,5 m in den geologischen Untergrund eingetieft, bis jetzt wurde die Sohle allerdings nur in den Randzonen erreicht. Auch hier zeigen sich entlang der Grubengrenze teils größere Brandlehmstücke oder Lehmziegelfragmente, in den Füllsedimenten UE 469 und UE 470 vor allem zerflossener Baulehm und Brandlehmbrocken. Aufgrund der Größe, Form und der Menge an verziegelten Lehmresten kann die Baustruktur ebenfalls als ein in den Boden eingetieftes Gebäude angesprochen werden. Auch hier gehen wir davon aus, dass die Grubenwand mit Lehm verputzt war und die oberirdisch aufgehende Wand aus Stampflehm oder ziegelartigen Lehmklumpen aufgebaut war.
51Das Grubenhaus UC 447/448 weist im Wesentlichen zwei unterschiedliche Füllsedimente auf, die aus der randlich angefüllten Schicht UE 469 und der eher im Zentrum befindlichen UE 470 bestehen. Die Unterschiede zwischen beiden Füllsedimenten sind jedoch gering. So weisen beide Horizonte Keramik, Tierknochen, Felsgestein- und Feuersteingeräte sowie Bergkristallartefakte auf, wobei das Fundaufkommen geringer ist als in den üblichen, kleineren Gruben. Als besonderer Fund konnte innerhalb der Füllschicht UE 469 im Quadranten 4 das komplette Hinterbein eines Pferdes im anatomischen Verband dokumentiert werden (Abb. 17).
52Im Zentrum der eingetieften Gebäudekonstruktion UC 447/448 wurde eine massive, amorphe ca. 1,0 m × 1,0 m große und 0,4 m hohe Ansammlung von verziegeltem Lehm angetroffen, deren Funktion 2018 fraglich blieb (UC 451). In der Kampagne 2019 wurden größere Lehmplatten und Lehmbrocken freigelegt, darunter ein Fragment mit Abdrücken von Zweigen (UE 497), das von einer kollabierten Dachkonstruktion stammen könnte. Beim Abtiefen fand sich ein größeres Schluffsteinfragment, welches seitlich in die zentrale Lehmansammlung verkeilt war. Beim gegenwärtigen Dokumentationsstand sprechen die Indizien für eine Lehmkonstruktion, die u. a. einem zentralen, dachtragenden Pfosten als Basis diente. Endgültige Klarheit verspricht der Abschluss der Untersuchung an dieser Stelle in der kommenden Grabungskampagne.
53In Quadrant 4 wurde im nordöstlichen Teil der aus einem Gemisch aus Kalkmergel, Kalk und Lehm bestehende Bodenestrich des Grubenhauses UC 447/448 bereits erreicht. Dagegen wurde im südwestlichen Teil des Befundes sowohl in Quadrant 2 als auch 4 der anstehende Untergrund bereits in einer Tiefe von 30 cm angetroffen. Die Sohle des Grubenhauses fällt demnach von Südwesten nach Nordosten ab. Ergänzend hierzu wurde bereits 2018 in den Profilen 3-West und 3-Mitte eine Stufe beobachtet. Aus diesem Grund liegt die Vermutung nahe, dass der Zugang zum Grubenhaus von der südwestlichen Schmalseite her erfolgte.
54Das Füllsediment der mutmaßlichen Hüttenstruktur UC 447/448 konnte bereits mittels der im Rahmen der Kampagne 2018 gewonnenen drei Proben 14C-datiert werden[40]. Wie auch das geborgene Keramikmaterial aus der Verfüllung verweisen die AMS-Daten auf das Mittlere Chalkolithikum (29. bis frühes 25. Jahrhundert cal. BC):
MAMS-38876: 4137 ± 29 BP = 2873–2601 cal. BC (2 δ); UC 447/448, UE 469; Sus sp. [41];
MAMS-40970: 4101 ± 21 BP = 2856–2578 cal. BC (2 δ); UC 447/448, UE 469; Sus sp.;
MAMS-40971: 4073 ± 29 BP = 2852–2493 cal. BC (2 δ); UC 447/448, UE 470; Ovis/Capra.
55Ein weiteres jüngst an einer Kollagenprobe aus Tierknochen gewonnene AMS-14C-Datum lässt sich ebenfalls dem Grubenhauses UC 447/448 zusprechen:
ETH-112149: 4169 ± 25 BP = 2881–2635 cal. BC (2 δ); Ovis/Capra [42].
56Falls das erwähnte Datum MAMS-45005 (s. o.) tatsächlich zum Füllsediment der Struktur UC 447/448 gehört, wäre die Verfüllung dieser Grube erst am Übergang zum Späten Chalkolithikum abgeschlossen gewesen.
57Mit der Grabung in den Quadranten 7, 8 und 9 sollten gleichzeitig die neben dem Befund UC 447/448 festgestellten Verfärbungen untersucht und über ein Profil ihr Bezug zueinander und zum chalkolithischen Graben 10 (UC 437) geklärt werden (Abb. 15. 16). Dieser Grabungsbereich erwies sich als hochkomplex. So wurde in Quadrant 9 zunächst die Grube UC 444 dokumentiert, die, gemessen von dem Flächenplanum 4, etwa 60 cm in den Untergrund eingetieft war. Die Dimension des Befundes lässt sich aufgrund späterer Überlagerungen noch nicht genau bestimmen. Den Beobachtungen in Quadrant 9 zufolge befand sich auf der Grubensohle als Estrich ein Gemisch aus Kalkmergel, Kalk und Hüttenlehm (UE 4-114) (Abb. 18). Damit liegt dieselbe Behandlung des Grubenbodens vor, wie wir sie auch bei den in den Schnitten 3 und 4 dokumentierten Grubenhäusern beobachtet hatten[43]. Entlang ihrer nördlichen Wand läuft über eine Strecke von 1 m ein 19 cm breites Band gleicher Zusammensetzung (UE 4-100), das vermutlich den Verputz der Grubenwand darstellt. Des Weiteren fand sich in gleicher Zusammensetzung eine halbkreisförmige Stufe oder Bank an der Ostwand mit einer Länge von 0,90 m, einer Breite von 0,45 m und einer Höhe von ca. 20 cm (UE 4-101). Auf dem Boden der Grube zeigte sich in der südwestlichen Ecke des Quadranten 9 eine viertelkreisförmige dunkelbraune Verfärbung, die in die Quadranten 7 und 8 hineinreicht und erhitzte Kalk- und Lehmfragmente, Keramikscherben und Holzkohlenpartikel enthielt. Möglicherweise handelt es sich um eine zentrale Herdstelle innerhalb des Grubenhauses UC 444.
58Drei nach der Kampagne 2018 gewonnene AMS-14C-Daten belegen eine Datierung der Grube in das Mittlere Chalkolithikum (29. bis frühes 26. Jahrhundert cal. BC):
MAMS-40966: 4167 ± 21 BP = 2878–2670 cal. BC; UC 444; UE 466[44];
MAMS-40967: 4100 ± 21 BP = 2855–2577 cal. BC; UC 444; UE 466;
MAMS-40974: 4112 ± 26 BP = 2862–2577 cal. BC; UC 444; UE 486.
59Der Grubenbefund UC 444 gehört damit in denselben Zeithorizont wie die benachbarte Struktur UC 447/448. Aufgrund ihrer konstruktiven Merkmale möchten wir die Grube UC 444 ebenfalls als Hütte oder Werkstatt ansprechen.
60Das Grubenhaus UC 444 setzt sich in den Quadranten 7 und 8 fort, wo es jedoch noch nicht freigelegt wurde. Beim gegenwärtigen Stand der Grabung ist noch nicht geklärt, ob die südlich davon im Quadrant 8 beobachtete Verfärbung UE 467 (UC 445) und darunterliegende Schichten zu demselben Befund gehören oder eine andere Struktur repräsentieren, die von der Grube UC 444 überlagert wird oder dieselbe überlagert. Innerhalb der Schicht UE 467 wurde eine Ansammlung von größeren, teils bearbeiteten Basaltstücken angetroffen.
61In dem Bereich zwischen den Grubenhäusern UC 447/448 und UC 444 war bereits 2018 ein rötliches, stark mit Brandlehmfragmenten durchsetztes Sediment (UE 430) festgestellt worden. Im Profil 7 der Sondage des Quadranten 7 konnte während derselben Kampagne in Fortsetzung der Schicht UE 430 eine ähnliche Ablagerung (UE 484) gefasst werden. Auch dieses Sediment ist rötlich verfärbt, weist jedoch kaum Brandlehmfragmente auf. Die Schicht UE 484 scheint gemäß der Profile 7, 29W und 30 die Brandlehmablagerung UE 430 zu schneiden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden Ablagerungen in kurzem Zeitabstand folgten und letztlich zu demselben Befund (UC 462) gehören. Die beiden stratigraphischen Einheiten (UE 430, UE 484) wurden 2019 auch im Planum erfasst. Die Schicht UE 484 schneidet die Grube UC 444 und Schicht UE 430 scheint auf der anderen Seite die UC 447/448 zu schneiden. Unterhalb der UE 430 und 484 wurde im Profil 7 im Jahre 2018 die Ablagerung UE 483 dokumentiert. Auch diese Schicht schneidet die Grube UC 447/448, wie sich im Zwischenplanum 3 des Quadranten 5 zeigte. In diesem Bereich enthielt die Schicht UE 483 eine Vielzahl an Funden, in erster Linie Tierknochen und Brandlehmfragmente, aber auch Steingeräte und Keramikscherben (Abb. 19). Unter anderem wurde ein komplettes Hinterbein eines Pferdes in anatomischem Verband freigelegt.
62Für die Schicht UE 483 liegt ein erstes 14C-Datum aus dem beginnenden Spätchalkolithikum (26. bis frühes 25. Jahrhundert cal. BC) vor:
MAMS-45002: 4002 ± 22 BP = 2572–2473 cal. BC (2 δ); UE 483; Ovis aries.
63Das vorliegende Datum stützt die These, dass an dieser Stelle während des Mittleren Chalkolithikums eine große Hütte (UC 447/448) mit ovalem Grundriss sowie östlich davon ein kleineres Grubenhaus bzw. eine Werkstatt bestand (UC 444). Nach Aufgabe und Verfüllung beider Strukturen wurde zu Beginn des Spätchalkolithikums zwischen den beiden Gebäuden eine neue Grube (UC 462) eingetieft, die wiederum das nordöstliche Ende des Grubenbefundes UC 447/448 sowie den westlichen Teil der Struktur UC 444 störte.
64Mit der Ausgrabung in Quadrant 8 und dem auf diese Weise gewonnenen Profil 25S sollte die stratigraphische Beziehung zwischen den Befunden UC 444, UC 445 und dem chalkolithischen Graben 10 (UC 437) geklärt werden (Abb. 15. 20). Dabei zeigte sich zwischen dem Befund UC 445 und dem Graben eine Ablagerung (UE 4-112), die ein Ausläufer der Grabenfüllung darstellen könnte. Letztlich muss jedoch beim aktuellen Stand die genaue stratigraphische Beziehung zwischen dem Graben 10 (UC 437) und der Grube UC 445 als ungeklärt gelten. Eine zuverlässige Beurteilung ist nach dem Abschluss der Grabungsarbeiten im Quadrant 8 und mit der Auswertung des Profils 25S zu erwarten.
Ausgrabungsschnitt 5A
65Gegen Ende der Kampagne 2018 wurde der 8 m × 3,5 m große Grabungsschnitt 5A über dem durch die Magnetometerprospektion (2014) lokalisierten Graben 1 angelegt und ein erstes Planum an der Unterkante des modernen Pflughorizonts erreicht. In der Kampagne 2019 wurden die Arbeiten in diesem Bereich fortgeführt, der Schnitt wurde hierzu einerseits in die Sektoren K und L und andererseits in Quadranten von 2 m × 2 m unterteilt (Abb. 7. 21). Gleichzeitig wurde der östliche Sektor L um 20 m nach Süden verlängert (Schnitt 5B), so dass Schnitt 5 gegenwärtig eine Länge von 28 m aufweist. Für die Grabungskampagnen der folgenden Jahre ist geplant, den Schnitt 5 weiter nach Süden zu verlängern, um einen durchgängigen, annähernd rechtwinkligen Profilschnitt durch die etwa parallel verlaufenden Gräben 1, 2, 5, 6 und 7 zu erhalten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt liegen aus den Schnitten 5A und 5B Profile für die Gräben 1, 2 und 5 inklusive erster Erkenntnisse zu chronologischer Abfolge und Ablauf der Verfüllungen vor.
66In dem östlichen Sektor L des Schnittes 5A wurde 2019 das Planum 7 ca. 90 cm unter der rezenten Geländeoberfläche erreicht (Abb. 22. 23). Im nördlichen Abschnitt des Schnittes (Quadranten K-203 und L-203) wurde ab dem dritten Planum eine aus Lehm und wenigen Schluffsteinen bestehende plattformartige Struktur festgestellt (UC 514, UE 536), bei der es sich vermutlich um den hoch anstehenden geologischen Untergrund handelt. In diesen fanden sich drei Gruben eingetieft (UC 501, 502 und 503). Die Grube UC 502 (UE 507) wies die geringste Tiefe und Fundmenge auf und konnte bis zum Ende der Kampagne vollständig ausgegraben werden. Bemerkenswerterweise wurde aus der oberen Füllschicht (UE 506, UE 552) der Grube UC 501 in großer Zahl lithisches Schlagmaterial geborgen, darunter Mikroklingen, aber auch Schlagabfälle wie Trümmerstücke und Silexbrocken, denen nur wenige Keramikfragmente und Tierknochen gegenüberstehen. In der darunterliegenden Füllschicht UE 552 nimmt die Zahl der mikrolaminaren Silexindustrie dagegen ab. Auch wenn der Grubenbefund UC 501 noch nicht vollständig ergraben ist, wurde die Sohle bereits nahezu erreicht. Es scheint sich um eine kegelstumpfförmige Grube zu handeln, die primär als Vorratsgrube gedient haben dürfte.
67Für die chronologische Einordnung der Grube UC 503 (UE 505) ist der Fund eines fragmentarischen Keramikgefäßes mit langen horizontalen Knubben (›mamelón de lengüeta‹) von Bedeutung. Knubben dieser Art sind im Südwesten der Iberischen Halbinsel in Kontexten des Endneolithikums oder des Frühen Chalkolithikums häufig[45]. Diese Grube ist ebenfalls in das Sediment UE 536 (UC 514) eingetieft (Abb. 22. 23). Aus der Grubenfüllung UE 505 liegt ein erstes 14C-Datum vor, das die Datierung der Grube UC 503 anhand des Fundmaterials in das Frühe Chalkolithikum im letzten Drittel des 4. Jahrtausend v. Chr. bestätigt:
MAMS-44997: 4471 ± 29 BP = 3337–3028 cal. BC (2 δ); UE 505; Bos Taurus.
68Gleichzeitig wurde damit begonnen, ein erstes Profil durch den Graben 1 (UC 504) anzulegen, der auf dem Oberhang des Cerro de la Cabeza verläuft. Dieser besitzt gemäß der Bohrprospektion im Frühjahr 2020 eine erhaltene Tiefe von etwa 1,20 m. Das Grabenprofil konnte in der Grabungskampagne 2019 bis in 90 cm Tiefe erschlossen werden (Abb. 22. 23). Auch wenn die Sohle des Grabens noch nicht erreicht wurde, kann er bereits als Sohlgraben mit U-förmigem Profil angesprochen werden[46]. Die Füllschichten und Profilkontur deuten dabei auf ein zweiphasiges Grabenwerk. Die bisher ältesten, nur in einem kleinen Teilbereich erfassten Verfüllungen (UE 591 und UE 592) erfolgten vom südlichen Grabenrand in einem allmählichen Sedimentationsprozess. In einer zweiten Bauphase wurde der Graben nach Süden und Norden von ursprünglich etwa 2,70 m auf mehr als 5 m verbreitert. Hierauf lassen im Norden und Süden stufenförmige Absätze an der Unterkante der Grabenkontur (UE 581, UE 509) schließen. Ob der zweite Grabenbau erfolgte, als der ältere Graben bereits verfüllt war oder noch teilweise offenstand, lässt sich bisher nicht beantworten. Schließlich wurde der jüngere Graben mit einer mehr als 60 cm mächtigen Ablagerung (UE 508) vollständig verfüllt.
69Aus 60–70 cm Tiefe, dem unteren Bereich der jüngeren Füllschicht (UE 508) des Grabens 1 (UC 504) liegen zwei AMS-14C-Daten vor, die übereinstimmend in das Späte Chalkolithikum (26.–25. Jahrhundert cal. BC) weisen:
MAMS-44995: 3978 ± 28 BP = 2572–2461 cal. BC (2 δ); UE 508´, Planum 6–7; Cervus elaphus;
MAMS-44996: 3995 ± 28 BP = 2572–2470 cal. BC (2 δ); UE 508, Planum 5–6; Sus sp.
70Aus den Füllschichten des Grabens 1 (UC 504) wurden unter anderem Gefäßfragmente geborgen, die wir typo-chronologisch in ein Frühes Chalkolithikum datieren möchten. Darunter befinden sich Keramikgefäße mit Knubben und auch ein Fragment mit Kannelurverzierung (Abhub 3; VAL18/508-013-001), das auf Kontakte mit dem portugiesischen Kulturraum hindeutet[47]. Die mit Knubben verzierten Töpfe erscheinen ab dem Planum 4 und ihre Zahl nimmt mit der Tiefe zu. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass der Graben 1 bereits im Frühen Chalkolithikum erstmals angelegt worden ist. Anderseits könnte dieses Fundmaterial aus der unteren Grabenfüllung durchaus älter sein als der Grabenbau selbst, denn am nördlichen Grabenrand wurden ältere Siedlungsgruben durch den Grabenbau gestört (s. o.).
71Zu erwähnen ist ferner eine Tierknochendeponierung, die innerhalb der Grabenfüllung angetroffen wurde. Diese bestand aus noch im Skelettverband befindlichen Langknochen eines Canis lupus familiaris, der zusammen mit einem Schweineschädel deponiert worden war.
72Durch die Erweiterung des Grabens 1 in seiner zweiten Bauphase nach Norden wird die Grube UE 554 geschnitten, die wiederum in den geologischen Untergrund eingetieft ist. In deren Mitte scheint sich ein Pfostenstandloch abzuzeichnen (UE 580).
73Ein weiterer markanter Grubenbefund (UC 505, UE 510) setzt sich bis in den Ausgrabungsschnitt 5B fort (Abb. 22. 23. 24). Bereits im ersten Planum gab sich eine kompakte, flächige Schicht aus unzähligen Gehäusen der Divertikelschnecke (Eobania vermiculata) zu erkennen. An den Außengrenzen der Grube konzentrierten sich dagegen Felsgesteinartefakte. Beim Abtiefen wurde sowohl im Schnitt 5A als auch in 5B eine alternierende Abfolge von Schneckenkonzentrationen und schneckenlosen Sedimentschichten festgestellt. Es liegen zwei 14C-Daten für die vorläufig untersten Füllschichten UE 537 und UE 537´ vor. Beide Daten sprechen für eine Datierung der gesamten Struktur in das Mittlere Chalkolithikum:
MAMS-44998: 4075 ± 23 BP = 2847–2496 cal. BC (2 δ); UE 537, Niveau 6–7, Bos taurus;
MAMS-48770: 4177 ± 21 BP = 2882–2670 cal. BC (2 δ); UE 537´, Niveau 5–6, Landschnecken.
74Das stratigraphische Verhältnis der Grube UC 505 zum Graben 1 ließ sich noch nicht zweifelsfrei klären; mit der Weiterführung der Grabungen ist jedoch eine Klärung zu erwarten.
Ausgrabungsschnitt 5B
75Der 2019 geöffnete Schnitt 5B verläuft in der südlichen Verlängerung von Schnitt 5A und ist von diesem durch einen ca. 50 cm breiten Steg getrennt. Das erste Planum wurde unterhalb des Pflughorizontes auf 2 m Breite angelegt, im Anschluss daran wurde auf der Ostseite des Grabungsschnittes (Sektor L) in einem 1 m breiten Streifen weiter gegraben (Abb. 7. 21). Auf diese Weise wird entlang der östlichen Seite von Schnitt 5A und 5B ein gerader, durchgehender Profilschnitt erzielt. Im Bereich von Graben 5 wurde dagegen auf einer Fläche von 2 m × 2 m weiter abgetieft, um den Grabenkopf einer Erdbrücke zu erfassen, die sich in der Magnetometerprospektion (2014) zu erkennen gibt. Grubenbefunde auf dem westlichen Streifen von Planum 1 wurden geschnitten und ausgenommen.
76Direkt unterhalb des Oberbodens zeigte sich der stark von Bioturbation geprägte Übergangshorizont zum anstehenden Molassesediment, in dem sich bereits deutlich Gräben und Gruben abzeichnen. Die stratigraphischen Einheiten bzw. Teilbefunde (UE) in Schnitt 5B verteilen sich auf die konstruktiven Einheiten UC 505–513, die im Folgenden von Norden nach Süden beschrieben werden.
77Der im Süden von Schnitt 5A ebenfalls dokumentierte Grubenkomplex UC 505 aus wechselnden Lagen von Schichten mit Schneckengehäusen und schneckenfreien Sedimenten (s. o.) wird auch im Norden von Schnitt 5B noch erfasst (Abb. 22. 23. 24). Das Nordprofil zeigt eine regelhafte Abfolge von vier kompakten Schneckengehäuseschichten (UE 512, 572, 574, 576), die durch sterile Sedimentablagerungen von einheitlicher Stärke (UE 511, 535, 573, 575, 547) getrennt werden. Aufgrund des massenhaften Auftretens der Divertikelschnecken (Eobania vermiculata) im Mai und Juni werden die ›cabrillas‹ in historischer und moderner Zeit in Andalusien vorzugsweise im Frühsommer in großen Mengen gesammelt und verspeist. Es liegt nun nahe, in den vier bisher nachgewiesenen Gehäuseschichten die Speiseabfälle von vier aufeinanderfolgenden Schneckensaisons zu erblicken. Die dazwischenliegenden fundarmen Sedimentschichten dürften sich dabei jeweils innerhalb eines Jahres durch natürliche Erosion ausgebildet haben, wobei die bestehende Abfallgrube in vier Jahren um etwa 60 cm verfüllt wurde. Der Befund spricht dafür, dass die Schnecken an Ort und Stelle gesammelt und verzehrt wurden. Die Schneckengrube UC schneidet benachbarte chalkolithische Befunde (UE 548, 549, 550) und stellt somit den stratigraphisch jüngsten Grubenbefund an dieser Stelle dar.
78Zum Liegenden kappt Grube UC 505 die stratigraphisch ältere Grube UC 507 (Abb. 24. 25). Diese setzt sich aus einer dick mit Lehm verputzten Außenwand (UE 550; 571) und Verfüllungsschichten (UE 548–549) im Inneren zusammen. Aufgrund ihrer ausgeprägten Lehmbauweise ist die Grube UC 507 vergleichbar mit dem Grubenkomplex UC 501, 502 und der frühchalkolithischen Silogrube 503 in Schnitt 5A.
79Die Silogrube UC 507 wird von der flachen Grube UC 506 (UE 513–515) geschnitten, die anhand ihres Fundmaterials in die späte Bronze- oder frühe Eisenzeit zu stellen ist. So stammt aus dem Bereich knapp unterhalb des ersten Planums aus der Verfüllung ein in großen Fragmenten weitgehend erhaltenes Gefäß dieser Zeitstellung, zudem konnte das Fragment einer Bronzenadel geborgen werden. Bemerkenswert ist der Umstand, dass die Grube UC 506 direkt in die Verfüllung der älteren Grube UC 507 eingetieft wurde; möglicherweise, weil sich dort der Untergrund leichter abgraben ließ.
80Der nächste Befund in Richtung Süden ist die Grube UC 508, deren Außenwände – wie jene der Grube UC 507 – aus einer Adobewand (UE 541; 567) aufgebaut sind und deren Konturen sowohl in den Plana als auch im Profil auf eine bienenkorbförmige Grube schließen lassen (Abb. 25). Die im Ostprofils des Schnittes klar hervortretenden Füllschichten (UE 517, 564–570) lassen bereits erste Aussagen zu den Verfüllungsvorgängen zu. So ist mit den Schichten UE 566, 568 und 570 zunächst ein mittiger Einfüllkegel dokumentiert, bevor mit den Schichten UE 517, 564–565, 567 und 569 weiteres Füllmaterial von den Seiten her eingekippt wurde. Aufbau und Form legen auch bei der UC 508 eine Funktion und Datierung als chalkolithische Silogrube nahe; das Fundmaterial ist mit wenigen Lithikfunden und Wandungsscherben bislang allerdings wenig diagnostisch. Da die Grube den älteren Graben 2 (UC 509) schneidet, repräsentiert sie wohl eine jüngere Siedlungsphase innerhalb des Chalkolithikums.
81Der von Norden aus gesehen zweite in Schnitt 5 erfasste Graben (UC 509) entspricht Graben 2 in der Geomagnetik (2014) und weist im Bereich von Schnitt 5B eine maximale Breite von annähernd 6 m auf (Abb. 25). Eine maschinelle Rammkernsondierung des Teams der Physischen Geographie der JMU Würzburg in der Mitte des Grabens, aber 2 m östlich des Grabungsschnittes versetzt, ergab, dass mit einer maximalen Tiefe von etwa 2,30 m zu rechnen ist. In der Grabungskampagne 2019 konnte der Graben 2 auf seiner gesamten Breite bis in rund 70 cm Tiefe untersucht werden. Im Ostprofil wird der Befund, wie erwähnt, von der jüngeren Grube UC 508 geschnitten. Das in den tertiären Molasseuntergrund abgetiefte Grabenwerk präsentiert sich im Westprofil weitgehend ungestört mit beidseitig steil abfallender Grabenwand. Die Profile und Plana bieten auch erste Erkenntnisse zu den Verfüllungsvorgängen. So scheint der Graben in zwei Phasen verfüllt worden zu sein. Am nördlichen, äußeren Grabenrand wurde eine ältere Verfüllungsphase angetroffen. Diese besteht aus hellen und fundarmen Schluffschichten (UE 519, 540, 542–543); die Ablagerung UE 540 bildet dabei die älteste erfasste Verfüllungsschicht. Die im zentralen und südlichen Grabenbereich angetroffenen stratigraphisch jüngeren Einfüllungen bestehen hingegen aus dunklen, mit Kulturmaterial durchsetzten Lagen (UE 520–521, 555–558). Gemäß der noch ausschnitthaften Dokumentation könnte die ältere Verfüllungsphase als gezielte Teilverfüllung des Grabens von seinem äußeren Rand her interpretiert werden. Möglicherweise wurde bei der Anlage des unmittelbar vorgelagerten Grabens 1 der Grabenaushub aus umgelagertem Molassesediment in den älteren Graben 2 eingeschüttet, womit dieser außer Funktion gesetzt wurde. Die fundreichen Schichten der Verfüllungsphase 2 sind dagegen von beiden Grabenrändern her eingeflossen oder eingeschüttet worden und haben im Laufe der Zeit eine vollständige Verfüllung der Grabenstruktur bewirkt. So belegen in den Zwischenplana dokumentierte Konzentrationen von Fundmaterial (Keramikscherben, Tierknochen, zerbrochene Alltagsgegenstände und lithisches Gerät), dass hier ganze Chargen mit Siedlungsabfällen gezielt in dem Graben entsorgt wurden. Es liegt ein AMS-14C-Datum für die oberste Verfüllung des Grabens vor, die bereits in das entwickelte Spätchalkolithikum weist.
MAMS-44994: 3895 ± 22 BP = 2465–2301 cal. BC (2 δ); UE 521, Niveau 4, Sus sp.
82Das bedeutet, in dieser Zeit dürfte der Graben nicht vollständig, aber weitgehend verfüllt gewesen sein.
83Im Süden wird Graben 2 von einem undeutlichen, von Ost nach West verlaufenden und vermutlich durch landwirtschaftliche Tätigkeiten der jüngsten Vergangenheit hervorgerufenen Gräbchen UC 510 (UE 534) begrenzt (Abb. 25). Für das etwa 3 m weiter südlich folgende, etwa parallel verlaufende Gräbchen UC 511 (UE 525) ist ein ähnlicher Ursprung anzunehmen.
84Etwa 5,5 m südlich des Grabens 2 wurde der benachbarte Graben 5 (UC 512) angetroffen und bis zu einer Tiefe von rund 60 cm untersucht (Abb. 7. 25). Im Magnetogramm der geophysikalischen Prospektionen (2014) ist in diesem Bereich eine etwa 2 m breite Unterbrechung des Grabens erkennbar. Dieser Magnetikbefund konnte durch die Ausgrabung verifiziert werden. So setzt sich bereits in Planum 1 ein Grabenkopf als dunkelbraune Verfärbung mit verwaschenen Konturen von dem hellen Anstehenden ab. Es wurde begonnen, den Grabenkopf auf 2 m × 2 m Fläche zu untersuchen, wobei der Graben in Ost-West-Richtung geschnitten wurde. Mit dem Abgraben des Nordteils der Untersuchungsfläche wurde ein Profilschnitt durch den Grabenkopf erzielt, in den unteren Zwischenplana traten die Grabenkonturen deutlicher hervor. Im Vergleich zu Graben 2 (UC 509) ist die Verfüllung von Graben 5 (UC 512) weniger differenziert. So wird nach gegenwärtigem Dokumentationsstand der obere Bereich von Graben 5 von nur einem mächtigen Schichtpaket (UE 533) gebildet.
85Im Südprofil konnte mit dem Befund UC 513 am westlichen Ende des Grabens 5, aber noch innerhalb der Grabenverfüllung, eine Grube ausgemacht werden, die einen Durchmesser von 85 cm aufweist und als Pfostengrube (UE 561) mit zugehöriger Standspur (UE 546) anzusprechen ist (Abb. 26). Diese Pfostenstandspur lässt auf einen senkrechten Holzpfosten von 30 cm Durchmesser schließen. Eine Pfostenkonstruktion am Rande der Erdbrücke untermauert die Deutung als Grabendurchlass im Sinne einer verschließbaren Nebenpforte. In jedem Fall erscheint für zukünftige Kampagnen eine Erweiterung des Grabungsschnittes ratsam, um den gesamten Torbereich zu dokumentieren. An einem innerhalb der Pfostenstandspur aufgefundenen Tierknochen wurde eine AMS-14C-Datierung vorgenommen, die eine endgültige Verfüllung des Grabens im beginnenden Spätchalkolithikum wahrscheinlich macht:
MAMS-44999: 3971 ± 23 BP = 2569–2460 cal. BC (2 δ); UE 546, Niveau 2–3, Bos taurus.
5 Synthese
86Mit der Fortführung der Magnetometerprospektionen in den Jahren 2017 und 2018 wurde die gemessene Fläche auf über 17 ha ausgedehnt[48]. Auf diese Weise konnten im nördlichen Siedlungsbereich fünf lineare Grabensysteme sowie im Westen des Cerro Mármol ein kleines Erdwerk 6 ganz anderer Art dokumentiert werden (Abb. 3. 4). Diese Arbeiten, kombiniert mit den Ergebnissen verschiedener Rettungsgrabungen und den von Mejías, Becker und der Universität Granada auf dem Cerro de la Cruz durchgeführten Magnetometerprospektionen, erlauben es, eine erste Modellvorstellung von dem Verlauf und der Entwicklung der Grabenwerke in Valencina zu entwerfen[49]. Nach diesem Modell ist im Laufe des Chalkolithikums die grabenumwehrte Siedlungsfläche sukzessive und konzentrisch angewachsen. Demnach sollten die linearen Erdwerke 3, 2, 1 und 5 nacheinander und in zwiebelschalenförmiger Abfolge entstanden sein. Eine weitere Arbeitshypothese besteht darin, dass die verschiedenen Erdwerke zunächst aus einzelnen Gräben bestanden, die nach einer Weile durch vorgesetzte weitere Gräben in ihrer Funktion als Umwehrung abgelöst wurden.
87Über geoelektrische Prospektionen, manuelle Bohrungen sowie maschinelle Rammkernsondagen konnten 2019 und im Frühjahr 2020 zusätzliche Informationen zu den neu entdeckten Gräben gewonnen werden. Mit den Grabungsschnitten 5A und 5B wurde ein Profilschnitt durch die Gräben 1, 2 und 5 gelegt, der aufschlussreiche neue Erkenntnisse zur chronologischen Abfolge und dem Ablauf der Grabenverfüllungen erbrachte. Hinsichtlich der bei den Ausgrabungen und Bohrungen gewonnenen 14C-Daten ist zu beachten, dass der Verfüllungsprozess der Gräben sich über geraume Zeit, teils über Jahrhunderte erstreckt haben konnte. Die aus einer Grabenfüllung gewonnenen Daten stellen grundsätzlich termini ante quos für den Bau des Grabens dar, wobei die Daten aus den unteren Schichten tendenziell der Errichtungszeit des Grabens, diejenigen aus oberen Füllschichten seiner endgültigen Verfüllung nahestehen.
88Bisher lagen aus Valencina de la Concepción für das Frühchalkolithikum (»Calcolítico Antiguo« oder »Calcolítico inicial«) nur Nachweise aus den künstlichen Bestattungshöhlen La Huera und Calle Dinamarca 3–5 im Südosten bzw. Südwesten der Fundstätte vor. Die ersten Bestattungen wurden dort noch im älteren Frühchalkolithikum, ab 3260–3100 cal. BC (La Huera) bzw. 3545–3020 cal. BC eingebracht[50]. Mejías hatte, auf allerdings unzureichender Datengrundlage und noch ohne ihm hierfür vorliegenden Datierungen, die Existenz mehrerer endneolithischer kleinflächiger Dörfer postuliert, welche die Grundlage für die von Gräben umwehrte ›Megasiedlung‹ von Valencina gewesen sein sollten[51].
89Die aktuellen Untersuchungen liefern erstmals gesicherte Siedlungsnachweise für das Endneolithikum und Frühchalkolithikum (Abb. 27). Die ältesten Siedlungshinweise fanden sich bisher in der Siedlungsgrube UC 312 (36.–33. Jahrhundert cal. BC und 33.–31. Jahrhundert cal. BC) am Unterhang des Cerro de la Cabeza (Schnitt 3). Ebenfalls aus dem älteren Frühchalkolithikum stammt die Silogrube UC 503 (33.–31. Jahrhundert cal. BC) auf dem Oberhang der Parcela municipal (Schnitt 5A).
90Den 14C-Daten aus Bohrungen nach zu urteilen, bestand in der älteren Phase der frühchalkolithischen Besiedlung bereits das Grabenwerk 3 mit den beiden parallel verlaufenden Gräben 11 und 12. So datieren zwei Proben aus der unteren Verfüllung des ganz im Süden der Gemeindeparzelle am Cerro de la Cabeza angetroffenen Grabens 12 auf das 33.–30. Jahrhundert cal. BC[52] (Abb. 5. 6. 27). Der Graben 12 dürfte dabei tendenziell jünger sein als die genannten Siedlungsgruben UC 312 und 503. Eine weitere frühchalkolithische Grube UC 317 (Schnitt 3) könnte mit dem Graben 12 gleichzeitig bestanden haben, sie liegt dabei jedoch außerhalb des umwehrten Areals. Diese 14C-datierten Siedlungsgruben, denen wahrscheinlich weitere an die Seite gestellt werden können, streuen über den oberen und unteren Südhang des Cerro de la Cabeza, und sie markieren zusammen mit dem Graben 12 die früheste chalkolithische Besiedlung an diesem Platz. Zwei weitere Siedlungsgruben UC 403 und UC 441 (Schnitt 4) datieren um das 29. Jahrhundert cal. BC und stehen damit am Ende der frühchalkolithischen Besiedlung (jüngeres Frühchalkolithikum).
91Die überwiegende Zahl der Siedlungsbefunde kann dem Mittleren Chalkolithikum (»Calcolítico Pleno«) zugewiesen werden. Die mittelchalkolithischen Radiokarbondaten bilden einen Block von bisher 26 Daten, der vom 29. bis zum 27. Jahrhundert cal. BC reicht (Abb. 27). Innerhalb dieses auf den ersten Blick einheitlich erscheinenden Datenblocks lassen sich Daten mit tendenziell älteren, mittleren und jüngeren Datierungsschwerpunkten unterscheiden. Mit der fortschreitenden chrono-stratigraphischen Auswertung der Grabungsbefunde könnte es deshalb in Zukunft möglich werden, Siedlungsaktivitäten des 29., 28. und 27. Jahrhunderts cal. BC zu differenzieren. Hiervon scharf abgesetzt ist ein kleinerer Block von zehn 14C-Daten, der sich über das 26. und die erste Hälfte des 25. Jahrhunderts cal. BC erstreckt und ein älteres Spätchalkolithikum umreißt.
92Aus dem mächtigen mittleren Graben 6 des Erdwerks 2 wurde bei Bohrungen ein 14C-Datum gewonnen, das seine Verfüllung in das mittlere Chalkolithikum (29.–27. Jahrhundert cal. BC) datiert, mit einem Schwerpunkt im älteren Abschnitt dieser Zeitspanne (Abb. 27). Der deutlich schmalere, äußere Graben 5 von Erdwerk 2 wurde in Schnitt 5B gefasst, wo eine ca. 2 m breite Erdbrücke auf einer Teilfläche untersucht werden konnte. Am östlichen Grabenkopf konnte eine Pfostengrube ausgemacht werden. Diese Pfostenkonstruktion am Rande der Erdbrücke untermauert die Deutung als Grabendurchlass im Sinne einer Nebenpforte. Nach gegenwärtigem Dokumentationsstand wird der obere Verfüllungsbereich von Graben 5 von nur einer mächtigen Schicht gebildet. Eine 14C-Datierung macht die endgültige Verfüllung des Grabens im älteren Spätchalkolithikum (26.–25. Jahrhunderts cal. BC) wahrscheinlich. Auch wenn die Datenlage noch dünn ist, darf davon ausgegangen werden, dass das Erdwerk 2 mit seinen drei Gräben 7, 6, und 5 im Mittleren Chalkolithikum über geraume Zeit bestand.
93Das von Erdwerk 2 umgrenzte Siedlungsareal wurde in den Grabungsschnitten 3 und 4 untersucht. Hier konnten sechs Grubenhäuser (UC 444, UC 447/448, UC 301, UC 309, UC 314 und UC 315) freigelegt werden[53], die gemäß ihrer Dimensionen wohl als Wohnbehausungen anzusprechen sind. Wie schon an anderer Stelle angesprochen wurden auch in den Rettungsgrabungen von 1976 auf dem Cerro de la Cabeza sowie in El Algarrobillo und der Calle Alamillo vergleichbare Befunde dokumentiert[54]. Alle diese Strukturen waren bis zu 1 m in den Untergrund eingetieft, sie weisen große Mengen an zerflossenem Hüttenlehm in den Füllsedimenten auf sowie amorphe Brandlehmstücke oder Lehmziegelfragmente entlang der Grubenränder. Pfostenspuren und Brandlehmfragmente mit Flechtwerkabdrücken fehlen dagegen in den von uns untersuchten Strukturen auffällig. Deshalb dürfte der in den Untergrund eingegrabene Teil der Wände mit einem dicken Lehmverstrich verstärkt gewesen sein, während die aufgehenden Wände aus Stampflehm, Lehmbatzen oder Lehmziegeln aufgebaut waren. Die etwas kleinere Struktur UC 316 mit ihrer Ansammlung von Felsgesteingeräten und drei Rinderhörnern könnte dagegen einen Werkstattbereich repräsentieren. Eine vergleichbare, in den Boden eingetiefte Hüttenstruktur, die ein Band aus gebranntem Lehm entlang ihrer Außenkontur aufwies, fand sich auch z. B. in La Capoulière II (Mauguio, Hérault, Frankreich) [55]. Die Grubenhäuser, Vorrats- und Materialentnahmegruben dienten nach ihrer Auflassung in ihrer jeweils letzten Nutzungsphase zumeist der Entsorgung von Siedlungsabfällen, während manche wohl auch rituelle Deponierungen aufnahmen.
94Alle sechs Grubenhäuser datieren ebenso wie der mutmaßliche Werkstattbereich UC 316 sowie die Grube UC 318 in das Mittlere Chalkolithikum (29.–27. Jahrhundert cal. BC), wobei die gleichmäßige Verteilung der 14C-Daten dafür spricht, dass das von dem Grabenwerk 2 umschlossene Areal über drei Jahrhunderte hinweg kontinuierlich besiedelt wurde (Abb. 27).
95Der Grubenbefund UC 318 (Schnitt 3) setzte sich indessen durch ein intensiv-schwarzes Füllsediment von den Verfüllungen anderer Gruben deutlich ab. Die fundarme Grube enthielt dabei ein ungewöhnlich großes Mahlsteinfragment. Es ist mit einem hohen Anteil an organischer Substanz in der Grubenfüllung zu rechnen, die auf eine besondere Funktion, vielleicht als Verarbeitungsstätte tierischer oder pflanzlicher Materialien hindeutet. Die laufenden naturwissenschaftlichen Analysen versprechen hierüber näheren Aufschluss.
96Bemerkenswert ist auch die mittelchalkolithische Grube UC 505 (Schnitt 5), die möglicherweise außerhalb des eigentlichen Siedlungsbereiches im bewachsenen Brachland angelegt wurde. Die Abfallgrube enthält mindestens vier kompakte Schichten aus Schneckengehäusen, die einen periodischen massenhaften Genuss von Landschnecken bezeugen. Hiermit ist bereits für das frühe 3. Jahrtausend v. Chr. das Brauchtum eines saisonalen Verzehrs der Divertikelschnecke belegt, wie es noch heute in Andalusien gepflegt wird.
97Gemäß der genannten Modellvorstellung wäre zu erwarten, dass im Laufe des Mittleren Chalkolithikums nach dem Erdwerk 2 (Gräben 7, 6 und 5) zunächst das Erdwerk 1 (Gräben 3, 2 und 1) und schließlich das äußere Erdwerk 5 angelegt wurden.
98Der im Schnitt 5B erfasste innere Graben 2 von Erdwerk 1 besaß eine Breite von annähernd 6 m und, gemäß Rammkernsondage, eine Tiefe von etwa 2,30 m. Der Graben scheint in zwei Phasen verfüllt worden zu sein. Möglicherweise wurde beim Bau des unmittelbar vorgelagerten Grabens 1 der Grabenaushub aus umgelagertem Molassesediment in den älteren Graben 2 eingeschüttet, womit dieser außer Funktion gesetzt und teilverfüllt wurde.
99Graben 1 (UC 504) lässt sich in Übereinstimmung mit den Bohruntersuchungen als Sohlgraben mit U-förmigem Profil klassifizieren[56]. Die in Schnitt 5A dokumentierten Füllschichten und Profilkontur deuten auf ein zweiphasiges Grabenwerk. Nach den vorhandenen 14C-Daten zu urteilen, wird spätestens im Mittleren Chalkolithikum der Graben 1 mit ca. 2,7 m Breite und 1,2 m Tiefe erstmalig angelegt, wobei er wahrscheinlich den südlich benachbarten Graben 2 in seiner Funktion ablöste.
100Von dem äußeren und mit Abstand größten linearen Grabensystem 5 konnten aktuell noch keine validen 14C-Daten gewonnen werden[57]. Erdwerk 5 endet im Westen auf dem Nordhang des Bachtals Los Pozos – Pozo Bueno. Südlich davon, im Bereich der modernen Wohnbebauung von Valencina, findet Erdwerk 5 eine direkte Entsprechung in einem Graben, der 2019 auf einem Baugrundstück in der Calle Buleria 5 entdeckt und prospektiert wurde. Ein 14C-Datum aus der unteren Grabenfüllung (Bohrung) ergab eine Datierung in das Mittlere Chalkolithikum mit einem Datierungsschwerpunkt um das 27. Jahrhundert cal. BC[58] (Abb. 27). Bis konkretere Zeitansätze vorliegen, deuten wir dieses Datum als erstes Indiz für eine Datierung auch des Erdwerks 5 in einen fortgeschrittenen Abschnitt des Mittleren Chalkolithikums. Ein weiterer Graben innerhalb der Ortschaft Valencina, in der Calle Trajano 6, lieferte zwei 14C-Daten, die aus einem noch etwas jüngeren Abschnitt des mittleren Chalkolithikums (27.–26. Jahrhundert cal. BC) stammen könnten[59], doch bleibt der Verlauf dieses Grabens ungewiss.
101Im beginnenden Spätchalkolithikum (26.–25. Jahrhundert cal. BC) wurde im Bereich des älteren Grabens 1 (Erdwerk 1) ein neuer Graben von nur ca. 1 m Tiefe, aber über 5 m Breite ausgehoben (Abb. 23. 27). In welchem zeitlichen Verhältnis diese jüngere Phase des Grabens 1 zu dem äußeren Erdwerk 5 steht, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise verkörpert der auf einer alten Grabentrasse neu angelegte Graben 1 eine Etappe der schrittweisen Verkleinerung der Siedlungsfläche, nachdem die kupferzeitliche ›Mega-Siedlung‹ mit dem Erdwerk 5 ihre größte Ausdehnung erlebt hatte. Zu dieser Zeit hatte der benachbarte Graben 2 als Grabenruine noch teilweise offen gelegen. In dieser Zeit erfolgt wohl auch die Verstärkung der Umwehrung im Verlauf des Erdwerkes 1 mit bastionsartig verlaufenden Gräben.
102Die postulierte schrittweise Reduzierung der Siedlungsfläche nach einer durch das Erdwerk 5 markierten maximalen Ausdehnung der kupferzeitlichen Siedlung wird durch den Bohrbefund zum Erdwerk 4 (Graben 10) gestützt[60]. Der monumentale Graben von rund 10 m Breite und 8 m Tiefe kreuzt das frühchalkolithische Erdwerk 3 und umgrenzte in ähnlicher Weise nur noch einen Kernbereich der mittelchalkolithischen Großsiedlung, wobei er das obere Ende des Bachtals Los Pozos mit seinem Quellbereich einbezog. Die unterste Füllschicht von Graben 10 aus der Zeit seiner Auflassung datiert in das ältere Spätchalkolithikum (26.–25. Jahrhundert cal. BC.) (Abb. 5. 6. 27). Aus diesem Zeitintervall sind im unmittelbaren Vorfeld des Grabens (Schnitt 4) noch Siedlungsaktivitäten (UE 416, UC 445, UE 483, UC 319, UC 447/448, UE 329) greifbar, wobei nicht geklärt ist, ob diese vor oder nach Errichtung des Grabens stattfanden. Bemerkenswerterweise fanden sich in einer dieser Gruben (UE 483) der Skelettrest eines Pferdes, in einer anderen ein Rinderschädel auf einem Scherbenpflaster (UC 319, UE 323), in einer weiteren eine Anhäufung von Tierschädeln (UC 310, UE 327) und in einem datierten, aber leider gestörten Fundkomplex (UC 329) ein kupferner Pfriem. In der ebenfalls um 2500 cal. BC datierten Grubenfüllung UE 416 konnte erstmals am Cerro de la Cabeza Siedlungskeramik von spätchalkolithischem Gepräge gefasst werden, die ein typologisches Bindeglied zwischen der mittelchalkolithischen und frühbronzezeitlichen Keramik bietet[61].
103Stratigraphisch jünger ist ein Grubenhaus mit abgerundet rechteckigem Grundriss (UC 446, UE 468, UE 416, UE 439), das bereits in das entwickelte Spätchalkolithikum (25.–24. Jahrhundert cal. BC) datiert werden kann und das Einsetzen des rechteckigen Gestaltungsprinzips beim Hausbau zu markieren scheint (Abb. 15. 27). Das Haus wurde unmittelbar am nördlichen Rand und damit im Schutz des monumentalen Grabens 10 (Erdwerk 4) angelegt, der zu dieser Zeit bereits aufgelassen war. Auch dieser Hausbefund ist durch das Auftreten spätchalkolithischer Keramik charakterisiert. Das Fragment eines Glockenbechers stammt aus unmittelbarer Nähe, kann aber leider keinem konkreten Befund zugewiesen werden. Auch die jüngste Verfüllungsphase des mittelchalkolithischen Grabens 2 (Erdwerk 1) kann in das fortgeschrittene Spätchalkolithikum datiert werden.
104Als der große Graben 10 (Erdwerk 4) im Laufe des 25.–22. Jahrhunderts cal. BC. allmählich zusedimentierte (Abb. 27), war die chalkolithische Besiedlung an dieser Stelle wohl bereits zum Erliegen gekommen.
105Nur geringe Hinweise finden sich auf eine punktuelle frühbronzezeitliche Nachbesiedlung im Südteil des Cerro de la Cabeza (UC 304; 19./18. Jahrhundert cal. BC), die scheinbar in keiner direkten Kontinuität zur spätkupferzeitlichen Besiedlung stand[62].
106Nach einem langen Hiatus erfolgte eine erneute Nutzung am Ende der Bronze- und Beginn der Eisenzeit (8.–5. Jahrhundert cal. BC). Die beiden angetroffenen Befunde (UE 317, UC 506) stellen vermutlich Reste von Bestattungen dar. Weitere Befunde dieser Zeit wurden auch bei den Rettungsgrabungen anlässlich des Baus des südlich vom Cerro de la Cabeza gelegenen ›Pabellón Cubierto‹ dokumentiert[63].
107Die archäologische Aufarbeitung des Keramikmaterials, der Silex- und der Felsgesteinartefakte findet u. a. im Rahmen von Dokumentationskampagnen und von universitären Abschlussarbeiten statt. Darüber hinaus wurden vielfältige naturwissenschaftliche Untersuchungen an Funden und Probenmaterial begonnen. Laufende Untersuchungen zur Lithik befassen sich mit der Materialherkunft und den Gebrauchsspuren der Silex- und Felsgesteinartefakte, keramologische Analysen sollen die Tonherkunft und Herstellungstechnik der Keramikgefäße klären, archäometallurgische Analysen sind der Herkunft und Verarbeitungstechnik von Kupfererz und Metallartefakten gewidmet. Die bioarchäologischen Untersuchungen umfassen Lipidanalysen von Gefäßinhalten, archäobotanische Arbeiten wie Großrestanalysen, Pollen- und Phytolithenanalysen, osteologische Untersuchungen von Tierknochen, paläogenetische Untersuchungen am Knochenmaterial sowie stabile und Strontiumisotopie an Faunenresten. Ergänzend zu den Ausgrabungen und archäologischen Prospektionen werden bodengeographische, bzw. geoarchäologische Untersuchungen des Umfelds durchgeführt[64]. Erste Ergebnisse sollen baldmöglichst veröffentlicht werden.
108Mit den aktuellen Forschungen konnte nachgewiesen werden, dass der Bereich nördlich des heutigen Stadtkerns von Valencina und insbesondere die Zone rund um den Quellbereich des Bachtals Los Pozos seit dem späten 4. Jahrtausend v. Chr. besiedelt war. Bereits seit dem älteren Frühchalkolithikum (33.–31. Jahrhundert v. Chr.) war das Siedlungsareal durch ein Grabenwerk befestigt. Mit dem Beginn des Mittelchalkolithikums (29.–27. Jahrhundert v. Chr.) entfaltete sich eine intensive und dynamische Besiedlung des Gebietes nördlich der heutigen Stadt, erkennbar an der Errichtung und Auflassung von mindestens vier konzentrischen Erdwerken mit zahlreichen Wehrgräben. Hierbei zeichnet sich der Entwicklungszyklus eines Anwachsens der Siedlungsfläche zu einer ›Mega Site‹ während des Mittelchalkolithikums ab, gefolgt von einem raschen Niedergang im älteren Spätchalkolithikum (26./25. Jahrhundert v. Chr.). Innerhalb der Erdwerke befanden sich dicht besiedelte Areale mit Gebäuden in Form von ovalen Grubenhäusern und Werkplätze. Um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. bildet sich auf Grundlage des autochthonen Kultursubstrates eine spätchalkolithische Siedlungskeramik heraus und erste Gebäude mit rechteckigem Grundriss treten in Erscheinung. Doch noch während der Spätkupferzeit, um ca. 2300 v. Chr., scheint das untersuchte Siedlungsareal verlassen worden zu sein.
109Wie die bisherigen Feldforschungen gezeigt haben, bietet gerade die Kombination von Ausgrabungen, Magnetometerprospektionen, Oberflächensurvey, Bohrungen und Serien von 14C-Daten facettenreiche Informationen zur Siedlungsentwicklung im Nordbereich von Valencina de la Concepción.
Danksagung
110Wir danken der Consejería de Cultura y Patrimonio Histórico der Junta de Andalucía (Ministerium für Kultur und Historisches Erbe der Autonomen Region Andalusiens), insbesondere Carmen Pizarro, José Manuel Rodríguez Hidalgo und Pablo Garrido für die Bewilligung des Proyecto General de Investigación (PGI, Generalforschungsprojekt) und der Grabungsgenehmigung, der Gemeinde von Valencina de la Concepción und insbesondere ihrem Bürgermeister António M. Suárez Sánchez, sowie der Stadträtin für Kulturgüter Sonia Arellano González für die Genehmigung die Arbeiten auf den Gemeindeparzellen durchführen zu dürfen und für alle Unterstützung und Hilfe, sowie der Direktorin der Casa de Cultura Maribel Sagrera und dem Direktor des Museo de Valencina Juan Manuel Vargas Jiménez für alle Hilfe und die Nutzung der dortigen Infrastruktur.
111Insbesondere danken wir auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem Deutschen Archäologischen Institut Madrid für die finanzielle, logistische und wissenschaftliche Unterstützung.
Abstracts
ZUSAMMENFASSUNG
Ausgrabungen und Prospektionen im Nordbereich der chalkolithischen Siedlung von Valencina de la Concepción bei Sevilla (Andalusien). Die Kampagne des Jahres 2019
Thomas X. Schuhmacher – Alfredo Mederos – Frank Falkenstein – Nils Ostermeier – Charles Bashore – Natalie El Dana – Lorena Garvin
Die chalkolithische Großsiedlung von Valencina de la Concepción erstreckt sich auf dem Nordostrand der Hochebene Aljarafe, 6 km westlich von Sevilla in Südspanien. Sie lag in prähistorischer Zeit an einem Meeresarm des Atlantiks, der die Mündung des Flusses Guadalquivir aufnahm. Durch Magnetometermessungen auf über 17 ha Fläche im Nordbereich des chalkolithischen Siedlungsplatzes konnten Teilabschnitte eines konzentrischen Systems von mindestens fünf, letzlich kreisförmigen, Erdwerken und eine kleinflächige Grabeneinfassung dokumentiert werden. Daneben lieferte die Magnetik Hinweise auf eine Vielzahl von Siedlungsgruben, Grubenhäuser und mögliche Hypogäen. Parallel hierzu erbrachten intensive Feldbegehungen in drei dicht besiedelten Arealen vielfältige Lesefunde mit präzisem Flächenbezug. Im vorliegenden Artikel werden die Ergebnisse der Grabungskampagne des Jahres 2019 im nördlichen Siedlungsbereich der Fundstätte sowie die über manuelle Bohrungen gewonnenen absoluten Datierungen der Gräben vorgestellt. Die in der Flur Parcela Municipal del Cerro de la Cabeza durchgeführten Ausgrabungen (Schnitte 3, 4, 5A und 5B) lieferten eine dichte Folge von frühmetallzeitlichen Siedlungsgruben und von mindestens sechs Grubenhäusern am Rande eines chalkolithischen Grabenwerks. Die typo-chronologische Ansprache der Keramikfunde und die Serie von AMS-14C-Daten lassen den Besiedlungsablauf in den Grundzügen hervortreten. Die Besiedlung begann im Spätneolithikum/Frühchalkolithikum (spätes 4. Jahrtausend v. Chr.) und erlebt ihren Höhepunkt im Mittleren Chalkolithikum (erste Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.). Den 14C-Daten aus Bohrungen nach zu urteilen, bestand in der älteren Phase der frühchalkolithischen Besiedlung bereits das Grabenwerk 3. Gemäß der genannten Modellvorstellung wurde im Laufe des Mittleren Chalkolithikums nach dem Erdwerk 2 zunächst das Erdwerk 1 und schließlich das äußere Erdwerk 5 angelegt wurden. Am Übergang zum Spätchalkolithikum (Mitte 3. Jahrtausend v. Chr.) kommt es zu einem einschneidenden Siedlungsrückgang, in dessen Verlaufe die Besiedlung (zweite Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.) sich auf den Kernbereich im heutigen Stadtgebiet von Valencina konzentrierte. In der Frühbronzezeit (frühes 2. Jahrtausend v. Chr.) scheint eine lockere, kurzlebige Neubesiedlung des Cerro de la Cabeza stattgefunden zu haben.
Schlagwörter
Chalkolithikum, Guadalquivir-Mündungsgebiet, Grabenwerke, Hüttenstrukturen, Magnetometer-Prospektion, Manuelle Bohrungen, Archäologische Grabungen
ABSTRACT
Excavations and Surveys in the Northern Part of the Chalcolithic Settlement of Valencina de la Concepción Near Seville (Andalusia). The Campaign of the Year 2019
Thomas X. Schuhmacher – Alfredo Mederos – Frank Falkenstein – Nils Ostermeier – Charles Bashore – Natalie El Dana – Lorena Garvin
The ›mega-site‹ of Valencina de la Concepción extends along the northeast border of the Aljarafe Plateau, 6 km to the west of modern-day Seville in the south of Spain. During prehistoric times it was located next to an inlet of the Atlantic Ocean, which covered most of the estuary of the Guadalquivir River. By means of geomagnetic survey of a surface of over more than 17 ha. we were able to document a concentric system of at least 5 ditched enclosures and another smaller area that is also defined by ditches. Geomagnetic survey also revealed a large number of pits, semi-circular huts excavated in the ground as well as possible hypogea. Archaeological surveys were carried out in three different areas and yielded a large amount of material. In this paper we present the first results of the excavation campaigns carried out during 2019 as well as the absolute datings obtained by manual drilling in the documented ditches. During the excavations carried out in the municipal plot of Cerro de la Cabeza (sectors 3 and 4) we were able to document a dense sequence of Chalcolithic pits and at least six semi-excavated huts, located near the edge of one of the ditches. The chrono-typological definition of the ceramics, as well as a series of 14C-dates obtained by AMS begin to reveal the sequence of the settlement. Beginning in the late Neolithic/ Early Chalcolithic (end of the 4th millennium BC) it experiences its peak occupation during the Middle Chalcolithic (first half of the 3rd millennium BC). According to the AMS-C14-datings from the drillings in the ditches enclosure 3 existed already in the older Chalcolithic phase. In the same way the datings suggest that during the Middle Chalcolithic enclosure 2 was followed by enclosure 1 and finally by the most extensive enclosure 5. During its transition to the Late Chalcolithic (mid 3rd millennium BC) there seems to be a reduction in the size of the settlement, decreasing even more to the central area of modern day Valencina, during the Late Chalcolithic (second half of the 3rd millennium BC). We also present some evidence that seems to indicate a short and not very intense occupation of the Cerro de la Cabeza area during the Early Bronze Age (beginning of the 2nd millennium BC).
Keywords
Chalcolithic, Guadalquivir estuary, ditched enclosures, hut structures, geomagnetic surveys, manual drillings, archaeological excavations
Resumen
Excavaciones y prospecciones en el área Norte del poblado calcolítico de Valencina de la Concepción cerca de Sevilla (Andalucía). La campaña del año 2019
Thomas X. Schuhmacher – Alfredo Mederos – Frank Falkenstein – Nils Ostermeier – Charles Bashore – Natalie El Dana – Lorena Garvin
El ›mega-site‹ de Valencina de la Concepción se extiende en el límite nordeste de la plataforma del Aljarafe, 6 km al Oeste de la actual Sevilla en el Sur de España. Durante la prehistoria se encontraba al lado de un brazo del mar Atlántico, que acogía la desembocadura del río Guadalquivir. A través de prospecciones geomagnéticas sobre una superficie de más de 17 ha en la parte Norte del yacimiento calcolítico, se pudieron documentar partes de un sistema concéntrico de un mínimo de cinco recintos de fosos, así como otra área, más pequeña, igualmente delimitada por un foso. La geomagnética nos proporcionó, además, indicos de una gran cantidad de hoyos, fondos de cabañas semi-excavadas en el subsuelo y posibles hipogeos. Asimismo, las intensivas prospecciones arqueológicos proporcionaron, en tres áreas densamente pobladas, una gran diversidad de hallazgos georeferenciados. En este artículo presentamos los resultados de la campana de excavación de 2019 en el sector Norte del yacimiento calcolítico, así como las dataciones absolutas, obtenidas mediante perforaciones manuales, de los fosos prehistóricos. En las excavaciones en la parcela municipal del Cerro de la Cabeza (cortes 3, 4, 5A y 5B) se documentó una densa sucesión de hoyos de la primera edad de los metales y de, al menos, seis fondos de cabaña, situados al borde de uno de los recintos de fosos calcolíticos. La definición tipo-cronológica de la cerámica, así como una serie de dataciones de carbono-14 por AMS revelan las características del proceso de asentamiento. Éste se inició en el Neolítico final/ Calcolítico inicial (final del 4° milenio AC) y vivió su apogeo en el Calcolítico pleno (primera mitad del 3er milenio AC). Según las dataciones AMS de carbono-14 obtenidas, el recinto 3 ya existía en la fase más antigua del asentamiento del Calcolítico inicial. Según el modelo antes mencionado, en el transcurso del Calcolítico Pleno al recinto 2, le siguieron el recinto 1 y, finalmente, el recinto 5, el de mayor extensión. En la transición al Calcolítico final (mediados del 3er milenio AC) se produjo una reducción del asentamiento, concentrándose el poblamiento en el área que ocupa actualmente el casco urbano de Valencina. En la Edad del Bronce antiguo (principios del 2° milenio AC) parece que tuvo lugar una repoblación escasa y efímera del Cerro de la Cabeza.
Palabras clave
Calcolítico, desembocadura del Guadalquivir, recintos de fosos, estructuras de cabañas, prospecciones geomagnéticas, perforaciones manuales, excavaciones arqueológicas
1 Einleitung
2 Das Forschungsprojekt in Valencina
3 Die Erdwerke in der Magnetometerprospektion
4 Die Ausgrabungskampagne des Jahres 2019
Vorgehensweise
Ausgrabungstechnik
Ausgrabungsschnitt 3
Ausgrabungsschnitt 4
Ausgrabungsschnitt 5A
Ausgrabungsschnitt 5B
5 Synthese
Danksagung
Abstracts
62•2021