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Nachruf
1In Trauer nehmen wir Abschied von Sabine Werner, die am 28. Oktober 2023 in Bonn verstarb.
2Sabine Werner (魏沙彬) war Sinologin, Archäologin, Historikerin und eine vortreffliche Kennerin der chinesischen Fachliteratur. An der 1979 in Bonn gegründeten Kommission für Allgemeine und Vergleichende Archäologie (KAVA) des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), heute Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK), hielt sie über 20 Jahre das Referat für China inne. Hier wirkte sie in „diplomatischer Mission“ als eine Wegbereiterin, indem sie von Anfang an einen intensiven Austausch zwischen Fachinstitutionen beider Länder förderte und junge WissenschaftlerInnen beim Einstieg in dieses Fachgebiet unterstützte.
3Geboren am 22. Juli 1935 in Stettin, dem heutigen Szczecin , begann Sabine Werner nach dem Abitur ein Jura-Studium in Göttingen, wo die internationalen Kontakte und Programme für StudentInnen ihr Interesse an der Sinologie weckten. Über das Studium der Sinologie bei Prof. Alfred Hoffmann und prähistorischen Archäologie bei Prof. Kurt Bittel, Ausgräber der hethitischen Königsstadt Ḫattuša in der Türkei und Präsident des DAI, führte ihr Weg nach Berlin und später nach München. Bei Herbert Franke, Professor für ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaften, wurde sie 1977/78 mit einer Dissertation zum Thema „Die Belagerung von K‘ai-feng im Winter 1126/27 nach Kapitel 64–69 des San-ch‘ao Pei-meng Hui-pien, kompiliert von Hsü Meng-hsin“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert.
4Nach beruflichen Anfängen an der Prähistorischen Staatssammlung in München erfolgte schon bald der Wechsel zum DAI. Über ihre Beweggründe, 1979 nach Bonn an die neu gegründete DAI-Kommission zu gehen, berichtete Sabine Werner rückblickend: „[...] ich hatte in Berlin bei Bittel studiert und dessen Arbeiten in der Türkei überwältigend gefunden, außerdem hatte ich später bei Mitarbeitern der DAI-Abteilung Teheran [...] studiert [...] und war überhaupt eine große Anhängerin des DAI [...], und die Möglichkeit in China zu arbeiten, hätte man sonst gar nicht geboten bekommen“.
5Die ersten Jahre der KAVA waren für jeden der wenigen MitarbeiterInnen für die „Weltarchäologie“ – zusammen mit dem Direktor waren es fünf – von Aufbauarbeit und Weichenstellungen für zukünftige Forschungsfelder geprägt. Dazu gehörte auch, eine zentrale Fachbibliothek aufzubauen, die vornehmlich mit der Literatur zur Archäologie außereuropäischer Kontinente auszustatten war, so lautete von oberster Stelle der Auftrag des DAI-Präsidenten Prof. Edmund Buchner. Er bezeichnete dies als „Voraussetzung für alles weitere“ (Buchner 1981: 158). Dass heute die Bibliothek der KAAK auch in ihren Abteilungen zu China und Ostasien so hervorragend aufgestellt ist, muss als eines der großen Verdienste von Sabine Werner gelten, die neben dem Bucherwerb für diese Region auch über viele Jahre für den internationalen Schriftentausch verantwortlich war.
6Von Beginn an hat sie sich für die Intensivierung der Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen, aber auch zu japanischen und koreanischen KollegInnen und Institutionen eingesetzt. Ihre guten Kontakte zu den chinesischen AchäologInnen – durch Besuche und Gegenbesuche intensiv gepflegt – bildeten die Basis für die Jahrzehnte währenden hervorragenden Beziehungen zum Archäologischen Institut der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, Beijing , sowie zu anderen archäologischen Instituten in China.
71980 war Sabine Werner organisatorisch beteiligt an der China-Reise einer Wissenschaftsdelegation mit Vertretern des DAI, des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, der Max-Planck-Gesellschaft und der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft, an der auch der Direktor der KAVA, Prof. Hermann Müller-Karpe, teilnahm. Allerdings förderte die KAVA in den folgenden 1980er-Jahren vorrangig Projekte auf Kontinenten, die wissenschaftspolitisch vielversprechender erschienen. Aus diesen und anderen Gründen konnte Sabine Werner erstmals 1986 selbst nach China reisen, nachdem sie im Jahr zuvor Prof. An Zhimin, damals stellvertretender Leiter des Archäologischen Instituts der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, bei seinem Besuch in der BRD betreut hatte. Auf Einladung der Akademie besuchte sie Fundplätze in verschiedenen zentralchinesischen Provinzen. Es folgten weitere Reisen in den Jahren 1988, 1994, 1995 und 1998 auf Einladung der Akademie und anderer Institutionen, u.a. mit Feldbegehung der Ruinenstadt Chang’an der Han-Dynastie. In Chengdu hatten die chinesischen KollegInnen sie in ihre Arbeitseinheit integriert und mehrfach zur Teilnahme an Feldforschungen eingeladen. 1997 bereitete sie einen offiziellen Besuch des damaligen DAI-Präsidenten Prof. Helmut Kyrieleis in China vor. Auf ihrer letzten Reise nach China nahm sie 2011 auf Einladung des Archäologischen Instituts der Stadt Chengdu am Internationalen Symposium zum 90-jährigen Jubiläum der Ausgrabungen der Fundstätte Yangshao in der Stadt Sanmenxia teil.
8Im Rahmen des Forschungsprojekts „Alte Hauptstädte in China“ befasste sich Sabine Werner mit Fragen der Stadtentwicklung in Chang’an, der hanzeitlichen Hauptstadt des Kaiserreiches, in Nähe des heutigen Xi’an in der Provinz Shaanxi . Die Ausgrabungen hatte sie mehrfach besucht und sich mit dem Material vertraut gemacht. Neben der repräsentativen Architektur interessierten sie auch Fragen zum Hofzeremoniell. Im Besonderen beschäftigte sie sich mit den an der Peripherie gelegenen Kaisergräbern der Han-Dynastie und deren Bezüge zu den Palastbauten sowie auch mit den Münzbeigaben. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten ihre Untersuchungen über die frühe Bronzezeit in China mit den Ausgrabungen städtischer Siedlungen der Shangzeit und ihren zentral errichteten Palastbauten in der Provinz Henan . Auch hier konnte sie die Stadtgrabungen von Yanshi, Zhengzhou und Anyang in Autopsie kennenlernen. In Anknüpfung an ihr Dissertationsthema schließlich untersuchte sie die Verbreitung des Kaiserbildnisses der Nördlichen Song-Dynastie.
9Trotz schwieriger Umstände gelang es Sabine Werner, die Ostasienarchäologie an der KAVA/KAAK zu etablieren und Deutschland durch ihre Reisen nach China, Korea und Japan ins Blickfeld der dortigen Fachwelt zu bringen. Dank ihrer Initiative sind einige chinesische ArchäologInnen zu Korrespondierenden Mitgliedern des DAI ernannt geworden. Engagiert förderte sie den wissenschaftlichen Nachwuchs auf deutscher wie chinesischer Seite, indem sie Stipendien vermittelte und auf verschiedene Weise die eingeschlagenen Laufbahnen positiv beeinflusste. Über mehrere Jahrzehnte war sie Ansprechpartnerin für chinesische und andere ostasiatische ArchäologInnen und unterstützte mit ihren guten Kontakten die erfolgreiche Durchführung von wissenschaftlichen Tagungen und Forschungsreisen in beide Richtungen. Ihre Expertise und Beratung blieb bis zuletzt bei Mitarbeitenden im Südostasien-Referat der KAAK gefragt. Bewundernswert war auch ihr fast 20 Jahre währender ehrenamtlicher Einsatz für die KAAK-Bibliothek nach ihrer Pensionierung bis zum Jahr 2020, als ihre Kräfte schwanden.
10Möge ihr weitsichtiger Einsatz für die China-Archäologie eine fruchtbare Fortsetzung finden und ihre überaus liebenswürdige, empathische Persönlichkeit in Erinnerung bleiben.
Schriftenverzeichnis
11Bibliographie Sabine Werners:
Abstracts
Abstract
Sabine Werner (1935–2023)
Andreas Reinecke – An Jiayao – Baoquan Song – Maria Shinoto – Ursula Damm-Meinhardt – Carmen Hölzemann
In Trauer nehmen wir Abschied von Sabine Werner, die am 28. Oktober 2023 in Bonn verstarb. Sabine Werner (魏沙彬) war Sinologin, Archäologin, Historikerin und eine vortreffliche Kennerin der chinesischen Fachliteratur. An der 1979 in Bonn gegründeten Kommission für Allgemeine und Vergleichende Archäologie (KAVA) des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), heute Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK), hielt sie über 20 Jahre das Referat für China inne. Hier wirkte sie in „diplomatischer Mission“ als eine Wegbereiterin, indem sie von Anfang an einen intensiven Austausch zwischen Fachinstitutionen beider Länder förderte und junge WissenschaftlerInnen beim Einstieg in dieses Fachgebiet unterstützte.
Keywords
Sabine Werner, Nachruf, China, Archäologie, KAAK
Nachruf
Schriftenverzeichnis
Abstracts