Forschungen in der Unterburg von Tiryns 2000–2003

https://doi.org/10.34780/6h6j-6271

Autor/innen

  • Joseph Maran

Abstract

Neue Ausgrabungen haben zu der überraschenden Erkenntnis einer grundlegenden Neukonzeption des Siedlungsplanes des nördlichsten Teils der Unterburg in den letzten Jahr-zehnten der mykenischen Palastzeit geführt. Die N-Pforte und auch die Gebäude an ihrer Innenseite gehören erst einer späten Umbauphase in SH IIIB Ende an, während zur Zeit der Erbauung der ›kyklopischen‹ Mauer der neu entdeckte N-Gang zunächst als einzige direkte Verbindung zwischen der nördlichen Unterburg und dem Stadtgebiet vorgesehen war. Die baugeschichtliche Analyse des N-Ganges differenziert zwischen den verschiedenen Phasen des Gewölbebaus und verdeutlicht die Unterschiede zwischen diesem Gewölbe und den in der Unterburgmauer integrierten Kanalbauten. Ferner wird gezeigt, dass es sich bei dem Gewölbe um eine Ausfallpforte gehandelt hat, die ihre beste Entsprechung in der sog. N-Galerie der NO-Erweiterung von Mykene findet. Der durch die Aufgabe des N-Ganges markierte Planungswechsel wird als Teil einer weitreichenden Neukonzeption interpretiert, zu der auch der Damm von Kophini und die hierdurch vorgenommene Flussumleitung gerechnet werden. Der ambitionierte, ja geradezu visionäre Charakter der Planungen deutet darauf hin, dass kurz vor dem Ende der Palastzeit die Machthaber die politischen Verhältnisse als stabil empfunden haben dürften. Gegen die Annahme, es habe am Vorabend der Katastrophe eine Krise im Fernhandel gegeben, spricht der erstaunlich hohe Anteil von Objekten mit Bezug zu Zypern und der Levante im Zerstörungsschutt von SH IIIB Ende, darunter auch das Fragment eines beinernen Stabes mit Keilschriftzeichen und eines Fayencerhytons wahrscheinlich in der Form eines Affenkopfes. Eine Gruppe beigabenloser Bestattungen wird als Teil eines Bestattungsplatzes der frühen Nachpalastzeit (SH IIIC) im Norden der Unterburg angesehen, der mit der Katastrophe am Ende von SH IIIB in Verbindung gebracht wird. Entweder handelt es sich um beigesetzte Opfer oder das Ereignis hat die bis dahin verbindlichen Regeln der Raumnutzung und die religiösen Überzeugungen der Menschen derart erschüttert, dass man vorübergehend Tote auf eine Weise bestattete, die mit älteren Traditionen brach. Die verspätete Wiederbebauung der nördlichen Unterburg in SH IIIC wird auf das Wissen um die Existenz dieses Bestattungsplatzes zurückgeführt.

Schlagworte:

Tiryns, Unterburg, Palastzeit, Nachpalastzeit, Architektonischer Wandel

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Veröffentlicht

2017-07-18

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Maran, J. (2017) „Forschungen in der Unterburg von Tiryns 2000–2003“, Archäologischer Anzeiger, 1, S. 35–111. doi: 10.34780/6h6j-6271.