Orient-Abteilung
al-Hira, Irak
Feldforschungen. Prospektionen und Ausgrabungen
Die Arbeiten im Jahr 2022
Einleitung
1Das 160 km südlich von Bagdad am Euphrat gelegene urbane Zentrum al-Hira ist ein wichtiger Bezugspunkt für die Geschichte und den Städtebau in der Spätantike und in frühislamischer Zeit. Sein materieller Bestand war bislang allerdings nur ansatzweise bekannt. Daher kommt den laufenden Feldforschungen erhebliche Bedeutung zu. Sie werden von der Orient-Abteilung des DAI, dem Museum für Islamische Kunst Berlin und der Technischen Universität Berlin in Kooperation mit der irakischen Antikenverwaltung (SBAH) und der Universität Leiden durchführt und von der DFG finanziert. Ziel der Ausgrabungen und Prospektionen ist die vertiefte Analyse des Siedlungsgefüges, die Erarbeitung einer stratigraphisch-basierten Keramiksequenz, bauhistorische Untersuchungen und die überregionale Kontextualisierung der Ergebnisse. Aufbauend auf vorbereitende Surveys und Prospektionen wurden im Frühjahr 2022 Ausgrabungen an zwei markanten Siedlungshügeln (TK 3 und HD) sowie Aufnahmen von Oberflächenbefunden und Suszeptibilitätsmessungen vorgenommen, die neue Einblicke in die mehrphasige Siedlungsgeschichte erlauben (Abb. 1). Am Fundplatz HD wurden Baustrukturen einer bislang unbekannten Kirche freigelegt, am Siedlungshügel TK3 an einer bereits bekannten Umfassungsmauer eine weitere Toranlage ergraben. (M. Gussone, M. Müller-Wiener, I. Salman)
Siedlungsstrukturen, Auswertung Magnetometer Prospektion
2Die Analyse der Siedlungsstrukturen von al-Hira erfolgt auf Grundlage von Prospektionsergebnissen, die mit unterschiedlichen, sich ergänzenden Methoden gewonnen werden. Im Rahmen des al-Hira Survey Projektes (2015–2018) wurden Feldbegehungen, eine Magnetische Prospektion innerhalb des Al-Najaf International Airport, UAV-Überfliegungen (unmanned aerial vehicle) und die Aufnahme von Oberflächenbefunden durchgeführt. Im Herbst 2021 erfolgte eine weitere Magnetische Prospektion im Areal südlich des Flughafens. Diese Daten wurden prozessiert und liegen als sog. Magnetogramme vor. Die Auswertung der Luftbilder und die Interpretation der Magnetometer-Daten werden durch weitere Aufnahmen von Oberflächenbefunden und Suszeptibilitätsmessungen unterstützt, die zugleich ihrer Überprüfung vor Ort dienen (Abb. 2).
3Die archäologische Interpretation der magnetischen Daten basiert auf der Zuordnung von sog. Anomalien zu spezifischen Klassen von Befunden anhand ihrer magnetischen Eigenschaften. Das im Jahr 2016 erarbeitete Klassifizierungsschema wurde auf 16 Klassen erweitert. Insgesamt wurden 7074 Anomalien als archäologisch relevant interpretiert und verweisen auf eine sehr dichte Siedlungsstruktur (Abb. 3). Diese durch erfahrene Archäolog:innen manuell erarbeiteten Interpretationen der magnetischen Daten bilden die Grundlage (Trainingsdatensätze) für die zukünftige Anwendung eines Deep Learning Ansatzes für die automatisierte Analyse der beiden Datensätze (2016 und 2021). (A. Schneider, B. Ullrich, M. Gussone)
Aufnahme von Oberflächenbefunden zur Erfassung von Baustrukturen
4Die Dokumentation der Oberflächenbefunde ergänzt die Auswertung der Luftbilder und der Magnetometer-Daten bei der Analyse der historischen Siedlungsstrukturen. Die Ergebnisse der verschiedenen Prospektionsmethoden werden überlagert und verglichen; als komplementäre Verfahren bestätigen und ergänzen sie sich gegenseitig. Die Dokumentation des aktuellen Zustands der Oberfläche und rezenter Bodeneingriffe unterstützt zudem die weitere Interpretation von Luft- und Satellitenbildern sowie Magnetometer-Daten. Dazu dienen auch gezielte Messungen der magnetischen Suszeptibilität an ausgewählten Fundplätzen und während der Ausgrabungen. Für indirekte Prospektionsmethoden und Fernerkundungsverfahren ist die Überprüfung vor Ort (ground truthing) ein wesentlicher Arbeitsschritt. In den Kampagnen Herbst 2021 und Frühjahr 2022 wurden an sieben Fundplätzen z. T. mehrphasige Gebäudekomplexe erfasst (M01–M07) (Abb. 1).
5Bei den Untersuchungen fallen zunächst Feuchtigkeitsmerkmale auf, die sich aufgrund der klimatischen Bedingungen im Irak vor allem im Frühjahr gut abzeichnen (Abb. 4). Da Wände aus Lehm oder ungebrannten Lehmziegeln Feuchtigkeit besser speichern als ihre Umgebung, hat die Oberfläche dort eine etwas dunklere Farbe und weichere Konsistenz. Zudem sind auch bei trockenen Bodenverhältnissen Putzkanten oder Estrichreste zu erkennen (Abb. 5). Diese Befunde werden mit Nägeln und Schnüren abgesteckt und dokumentiert. (M. Gussone)
Magnetische Suszeptibilitätsmessungen
6Im Rahmen der Frühjahrsfeldkampagne 2022 wurden magnetische Suszeptibilitätsmessungen durchgeführt, die Teil einer Doktorarbeit an der Universität Leiden sind (Abb. 1).
7Ziel der Dissertation ist die Entwicklung eines reproduzierbaren Workflows für die automatisierte Analyse der großflächigen Magnetogramme von 2016 und 2021. Magnetometer registrieren Anomalien, die durch den Kontrast in den magnetischen Eigenschaften zwischen Objekten im Boden und dem umgebenden Material entstehen. Der genaue Zusammenhang zwischen dem archäologischen Objekt und der zugehörigen magnetischen Anomalie kann ohne Ausgrabung nicht eindeutig bestimmt werden. Die beobachteten magnetischen Anomalien können sehr komplex sein, da verschiedene Objekte und Materialien überlagert sein können, d. h. sie werden additiv als ein einziges Signal gemischten Ursprungs registriert. Nach dem Äquivalenzprinzip können Objekte, die tiefer liegen und höhere Amplituden aufweisen, ähnlich erscheinen wie Objekte, die näher an oder auf der Oberfläche liegen, aber niedrigere Amplituden erzeugen. Diese Komplexität führt zu einer gewissen Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit auf Daten-, Interpretations- und Analyseebene.
8Um diese Phänomene auf der Datenebene zu klären, ist ein besseres Verständnis dafür erforderlich, wie die in den Magnetogrammen visualisierten Anomalien mit den magnetischen Eigenschaften der tatsächlich im Boden befindlichen archäologischen Objekte zusammenhängen. Die Materialeigenschaften dieser Objekte können durch die Messung ihrer magnetischen Suszeptibilität erfasst werden, sobald sie ausgegraben oder an der Oberfläche sichtbar sind. Diese Methode ist bereits etabliert und wird häufig an Bodenproben, Grabungsprofilen oder horizontal eingesetzt.
9Der Schwerpunkt der Betrachtung richtet sich auf schwach negative lineare Anomalien, die bei der Auswertung der magnetischen Kartierung als Klasse 3, d. h. als in situ Lehmziegelmauern und Fundamente interpretiert werden. Sie stellen 45,5 % aller Anomalien und die wesentliche Siedlungsstruktur dar. Im Rahmen der Frühjahrsfeldkampagne 2022 wurde die Methodik angewandt, um Klasse 3 entsprechende Befunde mit den Ergebnissen magnetischer Suszeptibilitätsmessungen in Zusammenhang zu bringen (Abb. 6).
10Als Grundlage wurde die horizontale magnetische Suszeptibilitätskartierung des Oberbodens mit 25 cm Messabstand genommen und davon ausgehend vier Ansätze erarbeitet (Abb. 7).
11Aufschlussreiche Ergebnisse liefert Ansatz 3 für den Gebäudekomplex M06 (Abb. 8), der die Charakterisierung magnetischer Eigenschaften archäologischer Objekte auf dem Boden durch gezielte magnetische Suszeptibilitätskartierung des Oberbodens vorsieht. Der Messabstand wird im Bereich von Baubefunden auf dem Boden verdichtet.
12Die Dynamik der magnetischen Suszeptibilitätswerte hebt sich vom umgebenden Material ab und bildet so die Lage der Wandstrukturen deutlich ab (Abb. 9). Die gezielte Kartierung der magnetischen Suszeptibilität des Oberbodens von Mauerstrukturen ist also ein effektives Mittel, um die magnetischen Eigenschaften von Mauerzügen zu kartieren, die wiederum mit dem Magnetogramm in Zusammenhang gebracht werden können. Dies kann bei der Interpretation von Anomalien helfen, die in den Daten eher unklar erscheinen. (A. Schneider)
Die Grabung am Hügel HD. Entdeckung einer neuen Kirche
13Im Mittelpunkt des am DAI angesiedelten Teilprojektes steht die Untersuchung christlicher Baustrukturen in al-Hira. Die Forschungen haben sich zunächst auf zwei von der irakischen Antikenverwaltung freigelegte Gebäudestrukturen (HB und HC) konzentriert (Abb. 10).
14Während der Kampagne im Herbst 2021 wurden beide Gebäudestrukturen baulich exakt dokumentiert und eine Oberflächenuntersuchung des Hügels HD durchgeführt. Dieser Hügel liegt am südlichen Ende des Untersuchungsgebiets und grenzt an eine moderne Siedlung (Abb. 1). Oberflächlich war hier, besonders durch die Bodennässe an Regentagen, der Grundriss eines Gebäudes zu erkennen. Die Aufnahme von Feuchtemerkmalen und Putzkanten zeigte eine längsrechteckige Gebäudestruktur, die eine Kirche vermuten ließ (Abb. 11). Der Vergleich mit bereits bekannten Kirchenbauten (HA, HB und HC) stützte diese Hypothese.
15Im Zuge der Vorbereitungen am Hügel HD wurden zwei Quadranten (T1 und T2) von je 10 × 10 m abgesteckt und jeder Quadrant in vier Bereiche unterteilt (a, b, c, d). Die Grabungsarbeiten wurden schließlich in kleineren, diagonal zueinander gelegenen Schnitten (T1b, T1d, T2b und T2d) aufgenommen (Abb. 12).
16In den beiden Schnitten des südlichen Quadranten T1 wurden Hinweise auf möglichen Raubgrabung und Störung der Ablagerung festgestellt. Im Schnitt T1b wurden in unterschiedlicher Tiefe (1 m und 2,4 m) zwei Böden aus Backsteinen erreicht. In diesem Schnitt wurde ein 3,95 x 7,75 m großer südöstlicher Nebenraum des Gebäudes freigelegt, dessen Mauern aus Lehmsteinen gesetzt waren. Im Schnitt T1d trat ein Fußboden aus Gipestrich auf zwei Niveaus (0,7 m und 1,25 m) in Erscheinung. Fragmente eines Paneels mit der Darstellung eines in rot gefärbten Kreuzes (Abb. 14: c) sowie Stuckdekorfragmente wurden direkt auf dem tieferen Gipsestrich vorgefunden (Abb. 14: a. b).
17Einander ähnliche Stratigraphien mit je drei markanten Schichten wiesen die Schnitte im Quadranten T2 auf (Abb. 12). Im Schnitt T2b wurde ebenfalls ein tief liegender Fußboden aus Backstein erreicht und es konnte ein Rundpfeiler mit einem Durchmesser von 1,8 m untersucht werden. Im Schnitt T2d verläuft der unterste Fußboden auf dem gleichen Niveau wie im Schnitt T1b, in einer Tiefe von 2,4 m. Hier befand sich auch eine Eingangskammer von 2,40 × 2 m, deren Fußboden um weitere 35 cm unter dem tiefsten der gefundenen Gebäudeböden liegt.
Zusammenfassung
18Die archäologischen Grabungsarbeiten konnten mindestens drei relative Bauphasen verschiedener Niveaus nachweisen. Die freigelegten architektonischen Kontexte des südöstlichen Bereichs zeigen in der jüngsten Bauphase einen Mittelraum mit einem um drei Stufen erhöhten Gipsestrichboden (Altarraum?), in dessen Zentrum sich ein Podest (Altar?) befand. Diese Befunde konnten die Hypothese, dass es sich bei der Gebäudestruktur um eine Kirche handelt, erhärten. In der zweiten Bauphase kam es zu einer sekundären Nutzung, die sich allerdings lediglich anhand eines Fußbodens in Schnitt T1b erkennen lässt. Für die älteste Bauphase konnte ein längsrechteckiger Grundriss rekonstruiert werden (Abb. 13). Der in Schnitt T2b freigelegte Rundpfeiler gehört höchstwahrscheinlich zu einer Rundpfeilerreihe. Es kann vermutet werden, dass parallel hierzu und symmetrisch zur Hauptachse des Gebäudes eine zweite Rundpfeilerreihe verlief. Dieses architektonische Element würde das Innere des Gebäudes in drei Schiffe unterteilen. In den Schnitten T1b und T2d freigelegte Außenmauern mit einer Stärke von 2,25 m ergeben eine Gesamtbreite des Gebäudeinneren von 16,2 m (Abb. 13).
19Der rekonstruierte Grundriss des Gebäudes ist mit dem der Kirche auf dem Hügel Qasr bint al-Qadhi in Veh Ardašīr/Irak und der Kirche al-Qusur in Failaka/Kuwait zu vergleichen. Auch eine Kirche auf der Insel Kharg im Persischen Golf (Iran) weist einen ähnlichen Grundriss, hier mit dreiviertelrunden Ecktürmen, auf. Auch Stuckdekor mit der Darstellung eines Widderkopfes und eines Granatapfels (Abb. 14: a. b) erinnert an sassanidische Stuckarbeiten wie beispielsweise in Ktesiphon. Die Menge der gefundenen Keramik war entsprechend der angenommenen Funktion des Gebäudes als Kirche sehr gering. Das Spektrum der Keramikfunde unterscheidet sich teilweise von dem im TK3 vorgefundenen und deutet auch auf eine Nutzung des Gebäudes in frühislamischer Zeit hin.
20Auf einer Fläche von 4 km2 konnte nun also nach den schon freigelegten Kirchenbauten (HA, HB, und HC) eine weitere Kirche auf dem Hügel HD identifiziert werden. Bautypologisch gleicht sie allerdings weniger den lokalen, als den Kirchenbauten anderer Kirchenprovinzen. (I. Salman)
Die Grabung am TK3. Entdeckung einer neuen Toranlage
21Die Grabung am TK3 (Abb. 15) schnitt als lange, schmale Sondage (3 × 27 m) in die Hangflanke des prominenten Tells ein, an dem Muhammad Ali Mustafa im Jahr 1956 das ›main building‹ ausgegraben hatte. Wesentliche Ziele waren die Etablierung einer stratigraphischen Abfolge zur Keramiksequenzierung sowie die Klärung der Situation zwischen jenem Hauptgebäude und der weitläufigen Umfassungsmauer (›great enclosure‹).
22Gegraben wurde bis zum gewachsenen Boden, der aufgrund der Hangsituation in Tiefen zwischen 2,6 m bis knapp 5 m erreicht wurde. Die Suche nach der großen Umfassungsmauer und einen der halbrunden Türme am Hangfuß (Abb. 16), deren Lage aufgrund vorheriger Prospektionen gesichert zu sein schien, gestaltete sich zunächst schwierig, weil der Bereich durch eine der unzähligen Fahrpisten in seinen oberen Schichten stark gestört ist. Die Gleichförmigkeit der oberen Materialschichten ist jedoch auch in der Machart der Mauer begründet: Diese ist nicht in anhand von Fugen erkennbaren Lehmziegeln gemauert, sondern in Lehmschichttechnik errichtet (›Tauf‹, eine Nasslehmbauart, die nicht zu verwechseln ist mit Stampflehm). Im Verfallsprozess ›verschmilzt‹ der Mauerlehm mit dem ihn umgebenden Material eingestürzter Mauerteile zu einer undifferenzierbaren Masse. Die schließlich doch aus ihrer Erosionshülle befreite Kurtine ist durchschnittlich 1,7 m stark und der halbrund abschließende Turm (Durchmesser 4,6 m) stößt mit einem geraden Anlauf von gut 70 cm an diese an. Die intra muros Seite der Umfassung ist verputzt und weist im ausgegrabenen Ausschnitt zwei Nischen auf. Beides spricht für eine Raumsituation. Entdeckt wurde darüber hinaus ein bisher unbekanntes Tor (Abb. 17), das in seiner Anordnung, mittig in der Nordmauer, gut zu den anderen drei bisher bekannten Toranlagen passt.
23In seiner lichten Breite misst der Tordurchgang 2,53 m. Der weitgehend ungestörte Boden ist mit gebrannten gelben Ziegeln im am Ort gängigen Format 18 × 18 × 4 cm belegt. Zwei Räume (Wachkammern?) flankieren den Durchgang und sind durch Türen mit der Torpassage verbunden.
24Der südliche Teilschnitt, nahe der Hanganhöhe mit dem ›main building‹ barg in halber Tiefe eine dicke Brandschicht mit starken Asche-Bändern (Abb. 18: Schicht 4). Diese enthielt große Mengen an Keramik und Glas. Das Konvolut (wahrscheinlich spätes 8. bis 9. Jh.) gehört nach Stand der Analyse eher zu Tafelgeschirr als zu Küchenutensilien (s. nachfolgendes Kapitel). Dies und die Tatsache, dass die Ascheschichten von Südosten nach Nordwesten stark abfallen, zeigen, dass die Gefäße hier nicht an Ort und Stelle benutzt wurden, sondern, nach einem Brandereignis, von weiter oben herabgestürzt sind.
25Unter dem Aschepaket folgt eine kompakte Schicht aus Bauschutt (Abb. 18: Schicht 3) mit zahllosen kaum beschädigten Brandziegeln und Resten von verkohltem Schilfrohr (wahrscheinlich einer Dachdeckung). Dieser Versturz liegt auf teils schluffigem Material (Abb. 18: Schicht 2), welches von einer Phase der Vernachlässigung des hier liegenden Raums spricht. Vom Bau und der Nutzung der Anlage zeugen schließlich zwei im Abstand von gut 15 cm eingebrachten Gipsestrichböden (Abb. 18: Schicht 1).
26Erst gegen Ende der Kampagne wurde in der Südostecke des Schnitts (Abb. 18: links) eine weitgehend im Profil steckende Mauer entdeckt. Bislang ist es noch zu früh, diese Mauer als zum ›main building‹ gehörig zu identifizieren. Die stratigraphischen Zusammenhänge zeigen zumindest, dass alle Mauern in diesem Bereich zeitgleich errichtet wurden.
27Völlig unerwartet (da offenbar im Kontext profaner Nutzbauten) wurden über alle Teilschnitte verstreut mehrere Fragmente von insgesamt fünf Stucktafeln mit christlichen Kreuzmotiven gefunden (beispielhaft Abb. 18: Detail). Sie passen in Stil und Machart zu einer bereits 2015 während der Surveys entdeckten Tafel. (C. Hof)
Keramikfunde und -bearbeitung
28Auch wenn die Auswertung der Keramikfunde noch nicht abgeschlossen ist, lassen sich erste Ergebnisse formulieren. So ist die vergleichende Untersuchung der beiden Areale TK3 und HD aufschlussreich, da diese neben Parallelen auch deutliche Unterscheide zueinander aufweisen. Die Auswertung der Quantifizierung zeigt bemerkenswerte Unterschiede im Umfang des Fundaufkommens, das nicht nur durch die unterschiedliche Tiefe und Umfang der Schnitte zu erklären ist. In Areal TK3 wurden 5245 Scherben geborgen, in HD dagegen nur 1204. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei HD um eine Kirche handelt, mit TK3 hingegen ein Wohn- oder Palastbau angeschnitten wurde, ist dieses Ergebnis schlüssig und bestätigt die Architekturbefunde. Auch der prozentuale Anteil der Warengruppen zeigt deutliche Unterschiede (Abb. 19). Vorratsgefäße, u. a. die wegen ihrer Form sog. Torpedo jars, bilden in Areal HD die zahlenmäßig größte Gruppe. In Areal TK3 hingegen ist dies die unglasierte Gebrauchsware (Common ware) (Abb. 20). Bemerkenswert ist, dass die Menge der glasierten Keramik in beiden Arealen fast gleich war (4 % in HD und 5 % in TK3), unabhängig vom Unterschied in der Hauptmenge der Keramik. Innerhalb der beiden Schnitte zeigen sich ebenfalls Unterschiede der prozentualen Anteile der Warengruppen. So erbrachte der Bereich des Tores in TK3 zahlreiche Vorratsgefäße (Torpedo jars), während im Bereich des Tiefschnitts vor allem Trinkkrüge und Krüge mit Henkel und Ritzverzierungen zutage traten. Dies könnte auf unterschiedliche Funktionen der Räume hinweisen.
29Glasierte Keramik macht nur ca. 5 % des gesamten entdeckten Korpus aus, belegt sind monochrom türkis- oder grünglasierte Fragmente, solche mit blauer oder grüner Bemalung auf opak-weißer Glasur und lüsterbemalte Fragmente. Bei den unglasierten Keramiken dominiert Gebrauchsware mit unterschiedlichen Dekorationen, hauptsächlich Ritzdekoren. Basierend auf Parallelen mit vergleichbaren Keramikwaren und Typen aus anderen Fundplätzen kann die in al-Hira gefundene Keramik in das 8. bis 9. Jahrhundert datiert werden. Eine frühere Datierung einiger Funde, insbesondere aus dem Gebiet HD, wo sich die Kirche befindet, ist möglich, aber dies bedarf weiterer Überprüfung und Untersuchung. (M. Müller-Wiener, M. Ahmad)
Kooperationen
Museum für Islamische Kunst Berlin; Technische Universität Berlin; Universität Leiden, Karsten Lambers; Eastern Atlas (EA); State Board of Antiquities and Heritage, Irak (SBAH).
Förderung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
Leitung des Projektes
M. van Ess, M. Müller-Wiener, M. Gussone.
Team
M. Ahmad, S. Ashur, J. Dorrestein, M. Gussone, A. Haddad, A. Hameed, S. Hameed, F. Hassan Rammahi, C. Hof, H. Hyssien, R. Kniess, S. Kniess, Y. Nassif, M. Nema Hadi, I. Salman, A. Schneider, N. Thuy Dung, B. Ullrich.
Abstracts
Abstract
Al-Hira, Iraq. Fieldwork: Prospection and Excavation. The works of the year 2022
The late antique capital of the Lakhmid kingdom of al-Hira, located in Mesopotamia, today in southern Iraq, was continuously settled from the Late-Antique to the Early Islamic period. Whereas its history is known through literary sources, its material existence is only little studied. The goal of the current cooperation project is to gain more information about the city based on archaeological evidence. This report presents the preliminary results of the fieldwork during the year 2022. Magnetometer prospection and a study of the surface features at selected find sites have revealed different types of building complexes. Susceptibility measurements were undertaken being part of a subproject to generate a reproducible work-flow for the automated analysis of magnetometer-data. Excavations carried out at two selected areas revealed a further church and the gate of a large compound respectively. They provide also stratigraphic sequences and three building phases. Quantitative evaluation of pottery indicates differences between the two excavated areas. Studying and analysis of the results of the interdisciplinary research are still in process and aim to provide an interregional contextualization.

Einleitung
Siedlungsstrukturen, Auswertung Magnetometer Prospektion
Aufnahme von Oberflächenbefunden zur Erfassung von Baustrukturen
Magnetische Suszeptibilitätsmessungen
Die Grabung am Hügel HD. Entdeckung einer neuen Kirche
Zusammenfassung
Die Grabung am TK3. Entdeckung einer neuen Toranlage
Keramikfunde und -bearbeitung
Kooperationen
Förderung
Leitung des Projektes
Team
Abstracts