Typesetting
2022-1
Eurasien-Abteilung
Pietrele, Rumänien
Măgura Gorgana. Ein kupferzeitlicher Siedlungshügel
Die Arbeiten der Jahre 2019 und 2021
Einleitung
1Der kupferzeitliche Siedlungshügel Măgura Gorgana (Abb. 1. 2) wenige Kilometer östlich des Dorfes Pietrele, jud. Giurgiu in der großen Walachei, besitzt eine leicht ovale Form mit einem Umfang von ca. 255 m. Der Durchmesser in Ost-West-Richtung beträgt knapp 97 m und in Nord-Süd-Richtung 90 m. Der Hügel war in seiner letzten Phase 11 m hoch und ragt heute ca. 9 m über der Umgebung auf. Vor allem in der letzten Siedlungsphase war er weithin sichtbar [1]
2Măgura Gorgana wurde 1857 erstmals auf einer Karte der Franziszeischen Landesaufnahme verzeichnet. Es dürfte sich um die älteste kartographische Darstellung des Tells von Pietrele (in der Karte noch als »Petreli« verzeichnet) handeln [2]. Zu dieser Zeit war noch nicht klar, dass es sich um einen prähistorischen Siedlungshügel handelt. Bis zu dieser Einsicht brauchte es Ausgrabungen in solchen Hügeln, die in der südrumänischen Walachei während und nach dem Ersten Weltkrieg begannen [3].
3Nach der deutschen Besatzung Rumäniens im Ersten Weltkrieg Ende 1916 wurden im Frühjahr 1917 unter Leitung des Ethnologen Leo Frobenius ca. 2000 aus Afrika und Indien stammende Kriegsgefangene aus dem Lager Wünsdorf im Süden Berlins in die große Walachei verlegt, um dort Lebensmittel für die deutsche Bevölkerung zu produzieren. Die Lager wurden in Mărculeşti und Mănăstirea, zwei königlichen Domänen bei Slobozia, jud. Ialomița, errichtet [4].
4Nebenbei setzte Frobenius Gefangene auch für Ausgrabungen in zwei kupferzeitlichen Siedlungshügeln ein [5]. Der Siedlungshügel Cunești (Abb. 3) liegt 11 km von der Donau entfernt und ist nach späteren Eingriffen mit einem Bagger heute in einem ruinösen Zustand. Die Grabungen von Frobenius fanden im Jahr 1917 statt, das Fundmaterial befindet sich heute im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Mehrere spätere Rettungsgrabungen dokumentierten 11 verschiedene Siedlungshorizonte [6]. Der Siedlungshügel von Chiselet (Abb. 4) liegt heute ca. 2 km von der Donau entfernt in der breiten, trockenen Aue. Hortensia Dumitrescu erkannte später bei ihren Grabungen 1925 zwei Wohnhorizonte [7]. Auch Carl Schuchardt, damals Leiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, nutzte die Gelegenheit für verschiedene Grabungen in Rumänien, u. a. in Cernavodă [8].
5Ein erster Grabungsboom in der Walachei setzte durch die damals junge Archäologie Rumäniens Anfang der 1920er Jahre ein, als mehr oder minder gleichzeitig in den Siedlungshügeln von Sultana, Gumelniţa, Chiselet und Căscioarele Grabungen begonnen wurden. In Pietrele wurde erst spät, nämlich in zwei Kampagnen 1943 und 1948, durch Dumitru Berciu ein Teil des Siedlungshügels ausgegraben [9]. Nach einer langen Pause begannen dort 2004 neue Ausgrabungen in Form einer Kooperation der Eurasien-Abteilung mit dem Archäologischen Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Physische Geographie der Goethe-Universität Frankfurt.
Siedlung am See
6Eines der wichtigsten Ergebnisse der neuen Forschungen ist die Umweltrekonstruktion durch Jürgen Wunderlich und Dirk Nowacki [10]. Die heute etwa 8 km südlich vom Tell entfernte Donau floss im 5. Jahrtausend v. u. Z. durch einen großen See. Der gesamte Bereich des Talbodens, auch auf bulgarischer Seite und in unmittelbarer Nähe des Tells, wurde von einem ausgedehnten, recht flachen Paläosee eingenommen. Dieser Paläosee wird jetzt in Anlehnung an den Siedlungshügel Măgura Gorgana als »Lacul Gorgana« bezeichnet. Er dürfte bereits im 8. Jahrtausend v. u. Z. entstanden sein und verlandete nach dem 1. Jahrtausend v. u. Z. Im Zuge der Verlandung entstand ein Gerinnesystem, das die ehemalige Seefläche in kleinere Seen fragmentierte. Dieser Zustand hielt bis zu Beginn der Trockenlegung in den 1960er Jahren an [11].
7Die kupferzeitlichen Siedlungen lagen auf der Terrassenkante zum einstigen Uferbereich des Paläosees. Pietrele und viele andere kupferzeitliche Siedlungen dürften demnach einen direkten Zugang zum Wasser bzw. zur Donau besessen haben. Auch Siedlungshügel wie Sultana, die heute abseits im ›Hinterland‹ liegen, waren wahrscheinlich an das Seensystem angeschlossen.
Der Siedlungshügel
8Den Angaben von Dumitru Berciu zufolge sollte die Schichtmächtigkeit von Pietrele 7 m betragen. Doch stellte sich im Laufe der Ausgrabungen heraus, dass diese tatsächlich einige Meter mehr umfasste. Dies machte umfangreiche Erweiterungen der Fläche F notwendig, in der die komplette Stratigraphie erfasst werden sollte (Abb. 5).
9Im Jahre 2019 konnte mit dem »Pionierhaus« in Fläche F endlich die mehr als 11 m mächtige Siedlungssequenz des Hügels erfasst werden. Damit ist erstmals die gesamte Siedlungsabfolge in einem kupferzeitlichen Siedlungshügel mit modernen Grabungsmethoden und in einem breiten, naturwissenschaftlich-interdisziplinären Forschungsrahmen dokumentiert worden.
10Mit 11 m kupferzeitlicher Schichtbildung ist Măgura Gorgana heute der größte bekannte Tell der Kupferzeit in Südosteuropa. Die kupferzeitliche Schicht im eponymen Hügel von Karanovo in Thrakien beträgt hingegen nur knapp 4 m. Der Siedlungshügel von Pietrele wuchs rasch auf, weil alle verbrannten und unverbrannten Häuser mit einer ca. 1 m starken Packung aus Lehm und Sand bedeckt wurden, bevor man ein neues Haus errichtete. Diese massiven Packungen dienten dazu, sowohl die alten Siedlungsschichten zu verschließen, als auch der Konstruktion des neuen Hauses die notwendige Fundamentierung zu verleihen. Die Pfosten des neuen Hauses wurden in dieser Aufschüttung eingegraben [12]. Das Wohnen auf dem Siedlungshügel war nicht nur mit der Mühe des Auf- und Absteigens sowie wiederholten Siedlungsbränden und damit einhergehenden Katastrophen verbunden, sondern auch mit der Instabilität des Tells. Denn innerhalb des Siedlungshügels wuchs im Verlauf des Aufwohnens die Gefahr von Rutschungen und Einbrüchen von Hohlräumen. Selbst nach dem Absturz von Teilen des Tells wurde in Pietrele immer wieder mit großem Aufwand neues Material aufgefüllt, um weitere Häuser zu errichten.
Radiokarbondatierungen
11Durch die Untersuchung der frühesten kupferzeitlichen Siedlungsreste und das Erreichen des anstehenden Bodens am Ende der Kampagne 2019 kann die gesamte Dauer der kupferzeitlichen Siedlung auf dem Hügel nun versuchsweise zwischen 4673 und 4457 cal BC (MAMS-19665, 95,4 % Wahrscheinlichkeit) oder zwischen 4672 und 4456 cal BC (MAMS-27452, 95,4 % Wahrscheinlichkeit) und zwischen 4359 und 4241 cal BC (Bln-5721, 95,4 % Wahrscheinlichkeit), d. h. höchstwahrscheinlich zwischen dem 47. und 43. Jahrhundert v. u. Z. eingeordnet werden. Obwohl einige wenige Daten in das 42. und 41. Jahrhundert v. u. Z. reichen, glauben wir, dass diese Diskrepanz auf das relativ flache Plateau auf der 14C-Kalibrationskurve am Ende des 5. Jahrtausends v. u. Z. zurückzuführen ist. Die spätneolithischen Überreste unterhalb des Siedlungshügels können nun zwischen das 53. und 51. Jahrhundert v. u. Z. datiert werden, d. h. sie sind etwa ein halbes Jahrtausend älter als die frühesten kupferzeitlichen Befunde darüber (Abb. 6).
12Die 14C-Daten weisen auch darauf hin, dass die nähere Umgebung des Siedlungshügels nicht nur während des Spätneolithikums und der Kupferzeit besiedelt war, sondern die Hochterrasse nördlich der Siedlung während der Mittel-/Spätbronzezeit im 14. Jahrhundert v. u. Z. mit einer Befestigungsanlage erneut besiedelt wurde (Abb. 7) [13].
13Die Datierung der menschlichen Knochen aus Pietrele mittels AMS-14C zeigt, dass die Bestattungen in der näheren Umgebung des Siedlungshügels hauptsächlich in die Kupferzeit gehören. Es gibt ein Individuum, das sicher in das späte Neolithikum oder in das 53. Jahrhundert v. u. Z. datiert werden kann. Ein Individuum ist in das 37. bis 36. Jahrhundert v. u. Z. zu datieren und ein anderes zwischen das 33. bis 30. Jahrhundert v. u. Z. Das ältere Datum passt gut zum Cernavodă I-Horizont anderer Fundorte im Gebiet der Unteren Donau. Aus diesem Zeitabschnitt existieren in Pietrele jedoch (noch) keine Siedlungsbefunde. Schließlich müssen zwei Individuen am Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit, also zeitgleich mit der Befestigung auf der Hochterrasse, bestattet worden sein (Abb. 8).
Das Pionierhaus
14Eine der leitenden Forschungsfragen der letzten Grabungskampagnen war, wann die kupferzeitliche Besiedlung einsetzte und ob sie als eine Neugründung gewertet werden muss oder aus einer älteren Siedlungskontinuität erwachsen ist.
15Das Haus F39 ist die bisher älteste kupferzeitliche Struktur, die im Siedlungshügel gefunden wurde und gehört höchstwahrscheinlich zur ersten Generation der kupferzeitlichen Haushalte in Pietrele. Trotz des schlechten Erhaltungsgrades interpretieren wir es als Wohnhaus. Das Gebäude scheint teilweise von seinem eigenen, eingestürzten Bauschutt bedeckt zu sein (P18/F/717-718), der aus einer dünnen Schicht hellgelben, lehmigen Baumaterials besteht, das mit dem Bauschutt anderer, nicht verbrannter Strukturen in Pietrele übereinstimmt. Der Schutt wird auf der Nordseite von einer Reihe von Steinen begrenzt, die möglicherweise auf die Ausdehnung der Struktur in dieser Richtung hinweisen. Der westliche Teil des Gebäudes wird von einer sandigen Aufschüttung durchschnitten, die nach der Aufgabe des Gebäudes und vor dem Bau von F17 (P18/F/736-737) entstand. Innerhalb der Struktur erhebt sich ein relativ gut erhaltener, rechteckiger Ofen leicht über den umgebenden Bauschutt (P18/F/729-739-740-749). Der Verputz des Ofens scheint mindestens zweimal erneuert worden zu sein. Eine Reihe von kleinen Pfostenlöchern an der Südseite des Ofens könnte auf eine Kuppel oder einen ähnlichen Überbau hindeuten. Wir sind auf zahlreiche Holzspuren gestoßen, manchmal in Form von flachen Planken, die in Häusern als Bauelemente und Fußbodenbretter üblich sind. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes ist es jedoch gegenwärtig nicht möglich, die Funktion dieser Holzreste genauer zu interpretieren (Abb. 9. 10).
16Ähnlich wie bei den kulturellen Praktiken in Pietrele, die wir in den letzten Kampagnen beobachtet haben, scheint das Gebäude F39 vor seiner Aufgabe bzw. seinem letztendlichen Einsturz größtenteils von seinem tragbaren Inhalt befreit worden zu sein. Bei der Abtragung des Schutts und der Ausgrabung der Hausfüllung sind wir nur auf eine minimale Menge an Kleinfunden gestoßen. Darunter befand sich ein ovales Webstuhlgewicht aus Ton, das in dem eingestürzten Schutt auf der Oberseite des Gebäudes gefunden wurde. Ein Tonlöffel, ein Mahlstein und ein kleines Stück Kupfer wurden in den Schuttmassen westlich des Ofens gefunden. In der Nähe des Ofens fand sich eine Knochenahle (Abb. 11, 4) und direkt auf dem Ofen lag ein Steinpolierer. Darüber hinaus wurden ein Kupferhaken, eine Tonfigur, das Fragment eines Spondylus-Armreifens (Abb. 11, 3), eine Knochenspitze, eine Geweihhacke (Abb. 11, 1) sowie einige Knochen- und Keramikperlen und ein Knochenanhänger (Abb. 11, 2) direkt über dem Schutt in der Füll- und Abfallschicht, die die Häuser F17 und F39 trennt, gefunden.
17Trotz der Tatsache, dass es sich bei F39 um die frühste Gebäudestruktur handelt, die bisher auf dem Gelände des Siedlungshügels freigelegt wurde, wurde sie nicht direkt auf dem anstehenden Boden errichtet. Stattdessen wurde das Haus in eine schwärzliche, natürliche Schicht hineingebaut, die sich als ca. 1 m dicke Schicht über dem gelben, lehmigen anstehenden Boden gebildet hatte. Nach dem Abtragen dieser dunklen, kompakten und homogenen Schicht wurden der gelbe, anstehende Boden und die Umrisse mehrerer in diesen eingetiefte Gruben erkannt.
18Aus dem Hausareal F39 stammen etwa 2800 überwiegend nicht sekundär verbrannte Scherben mit einem Gesamtgewicht von 77 kg. Die kleinen Scherben mit einer maximalen Ausdehnung bis zu 6 cm nehmen aus diesem Grund mit rund 75 % den größten Anteil der Keramikmasse ein. Fragmente grobkeramischer Gefäße mit Barbotineauftrag bilden gegenüber solchen der vornehmlich mittleren und feinen Waren eine leichte Mehrheit. Lediglich eine von zehn Scherben mit glatter Oberfläche weist eine Verzierung auf. Dabei handelt es sich um Graphitbemalung, Ritzverzierung und Dekore aus teils großflächigem Kerbschnitt, der sowohl für die späten Phasen der Boian- als auch für die frühe Phase der Gumelniţa-Kultur als charakteristisch gilt [14]. Trotz des hohen Fragmentierungsgrades des keramischen Fundmaterials war es möglich, fünf Gefäße zu restaurieren (Abb. 12, 1–5). Zwei von ihnen stechen aus dem Ensemble hervor. Der dünnwandige Topf (Abb. 12, 2) mit verengtem Unterteil ist mit diagonalen Ritzlinien auf dem ausladenden Oberteil und einer horizontalen Fingertupfenleiste unter dem kurzen, glatten Rand verziert. Varianten dieser Gefäßform treten innerhalb des Keramikinventars von Pietrele verhältnismäßig selten auf. Parallelen finden sich auch im Formenspektrum benachbarter Kulturerscheinungen, wie der Präcucuteni-Kultur. Kontakte zur Präcucuteni-Kultur deuten auch 15 Einzelscherben mit spezifischem Dekor aus dem Haus F39 an, darunter eine ritzverzierte Wandscherbe mit horizontal durchbohrtem Buckel (Abb. 13) [15]. Generell stellt das Auftreten von Funden der späten Präcucuteni-Kultur in den kupferzeitlichen Tellsiedlungen Munteniens trotz des Verbreitungsschwerpunktes der Kultur im Nordosten Rumäniens keine Seltenheit dar.
19Ein weiteres Gefäß (Abb. 12, 4) trägt vertikal verlaufende Barbotinegrate auf dem Körper und unter dem gut geglätteten Rand ebenfalls eine horizontal umlaufende Fingertupfenleiste. Verglichen mit der Barbotinekeramik der übrigen, jüngeren Hausinventare heben sich hier die Form, der feine Schlickerauftrag (Barbotine) sowie die geringe Wandungsstärke ab.
20Neben diesen beiden Gefäßen, die in ihrer Form und Gestaltung Parallelen zu anderen Kulturäußerungen zeigen und sich vom gängigen Material des Siedlungshügels in ihrer Merkmalsausprägung unterscheiden, finden sich im Inventar des Pionierhauses auch Gefäße, die sich gut in das Keramikrepertoire der ebenso älter datierten Hausbefunde der kupferzeitlichen Siedlung einfügen.
21Auch aus der darüber liegenden Struktur F17 (Abb. 12, 6–9) stammen aus dem Bereich der Holzbohlen im nördlichen Teil des Hausareals Gefäße, die geläufige Formen und Merkmale der Gumelnița-Kultur widerspiegeln [16]. Für den bikonischen Topf (Abb. 12, 9) mit alternierend diagonal aufgesetzten, plastischen Zierleisten, die auf dem Oberteil zusätzlich mit Fingertupfen versehen sind (Alveolarband), finden sich ferner Vergleichsobjekte im keramischen Fundspektrum anderer kupferzeitlicher Siedlungshügel [17]. Die differenzierte Auswertung des Keramikmaterials dieser beiden ältesten Gebäude des Tells von Pietrele wird im Fokus zukünftiger Arbeiten stehen.
Keramikstudien
22Die Ausgrabung 2019 sowie die kurze Kampagne 2021 erlaubten es, die beschreibende Aufnahme sowie die zeichnerische und fotografische Dokumentation von jungstein- und kupferzeitlichem Keramikmaterial aus sieben unterschiedlichen Schnitten der vergangenen sechs Jahre fortzuführen und abzuschließen.
23Daneben konnte der Restaurierungsprozess eines kupferzeitlichen Vorratsgefäßes abgeschlossen werden [18]. Der Pithos wurde bereits 2018 geborgen und stammt aus dem südwestlich vom Tell gelegenen Areal Yb (vgl. Abb. 2). Dort wurde aufgrund eines starken Signals in der Geomagnetik eine Fläche von 4 x 4 m geöffnet. Gebäudereste wurden leider nicht angetroffen, jedoch traten zahlreiche großformatige Fragmente eines Vorratsgefäßes zu Tage. Die Fragmente sind stark sekundär verbrannt und zeigen in Folge der Feuereinwirkung deutliche Deformierungen.
24Mit einer Gefäßhöhe von 97 cm und einem Randdurchmesser von etwa 60 cm stellt dieser Pithos ein Vorratsgefäß enormer Dimension dar (Abb. 14). Das leicht konische Unterteil ist mit diagonal umlaufenden Barbotinegraten versehen, das gerade Oberteil trägt vertikale Grate. Auf Höhe des annähernd mittig sitzenden Umbruches befinden sich vier massive Doppelgriffknubben. Neben dem flächigen Barbotinedekor, welches sowohl als funktionales als auch dekoratives Element zu werten ist, finden sich auf dem Oberteil Zierelemente in Form von Fingertupfenleisten vertikaler Orientierung sowie eines umlaufenden Bandes unterhalb des polierten Randbereiches. In seiner Gestaltung entspricht das Gefäß dem gängigen Gumelnița-Repertoire und findet auch siedlungsübergreifend zahlreiche Parallelen im keramischen Inventar [19].
25Bemerkenswert sind jedoch die Gefäßerhaltung und Dimensionen dieses Objektes. Gefäßfragmente mit Randerhaltung, die eine ähnliche Gestaltung und vergleichbare Randdurchmesser aufweisen (Abb. 15), sind in größerer Zahl aus nahezu allen Siedlungsbereichen von Pietrele bekannt. Allerdings musste in den meisten Fällen bisher auf eine zeichnerische Rekonstruktion dieser Gefäße zurückgegriffen werden, eine Restaurierung war aufgrund der starken Fragmentierung des Gefäßkörpers selten umsetzbar. Der in diesem Jahr erfolgreich aufgebaute Pithos vermittelt nun einen Eindruck über die Dimensionen, die diese Gefäße ursprünglich aufwiesen und ermöglicht neue Erkenntnisse zur Herstellung und Nutzung kupferzeitlicher Vorratsgefäße.
Botanische Untersuchungen
26Seit 2004 ermöglicht die systematische Beprobung verkohlter Pflanzenreste eine tiefgreifende und hochauflösende Analyse. Die Kampagnen von 2019 und 2021 waren besonders reich an Funden: Im Jahr 2019 wurden insgesamt 1542 Liter geschlämmt, im Jahr 2021 konnten wir in nur zwölf Arbeitstagen 1032 Liter schlämmen, was diese Kampagne zu einer erfolgreichen Rückkehr an die Arbeit nach der Zwangspause des Vorjahres machte. Aus dem unverbrannten Haus F41 (F-Ost) stammen sogar 25 Proben, verteilt auf 5 Befunde. Im Befund P21/F/156 konnten 11 unterschiedliche Proben gesammelt werden für eine Gesamtmenge von mehr als 7 kg geschlämmten Materials. Er ist damit ein repräsentatives Beispiel (Abb. 16) dieses Hausareales. Während die meisten Proben eine typische Verteilung von Taxa zeigen (Gerste, Ampfer-Knöterich, Windenknöterich, Himbeere, Labkräuter), weist die Probe 23 (Abb. 16, c) auch Konzentrationen von Steinobst auf; die vollständigen und die am wenigsten fragmentierten Endokarpe lassen sich als Prunus cerasifera bestimmen. Die Geschichte der Pflaumendomestikation ist noch wenig erforscht. Die frühesten Nachweise von Prunus-Arten aus dieser Region stammen aus der frühbronzezeitlichen Siedlung von Galabovo (Süd-Bulgarien) [20]. Unsere früheren Reste füllen daher eine wichtige Forschungslücke, außerdem ergänzt diese Probe eine Reihe von Prunus-Resten in Pietrele. Sie ermöglichen es, die Beziehung der Bewohner nicht nur zu Beeren und Kulturpflanzen, sondern auch zu Wildpflaumen zu rekonstruieren.
Ausblick
27Ende des Jahres 2019 wurde die Ausgrabung mit einem Field Award auf dem Shanghai Archaeological Forum ausgezeichnet (Abb. 17). Im Sommer 2020 musste die Grabung dann wegen der COVID-19-Pandemie ausfallen. Im Sommer 2021 konnte nun auf einem sehr begrenzten Areal in Fläche F weitergearbeitet werden, wo die Reste eines unverbrannten Hauses dokumentiert wurden. Zugleich wurde mit dem Zuschütten der Grabungsfläche B begonnen. Das Ziel ist, den Siedlungshügel in etwa dem Zustand zu verlassen, in dem wir ihn 2004 vorgefunden haben und damit die Voraussetzung dafür herzustellen, ihn langfristig als markantes Bodendenkmal zu bewahren.
Kooperationen
Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (R. Băjenaru, M. Toderaş); Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Physische Geographie (J. Wunderlich).
Förderung
Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Leitung des Projektes
S. Hansen.
Team
J. Abuladze, S. Akhaladze, A. Aquaro, N. Benecke, K. Beutler, R. Boroffka, M. Both, A. Dittus, R. Dobrogeanu, I. Gatsov, E. Ghinea, H. Gilb, A. Hering, S. Jokhadze, M. Karaucak, J. Martin, L. Michaelis, M. Müller, P. Nedelcheva, D. Nowacki, H. Wrobel Nørgaard, V. Pârvu, K. Ritchie, M. Richter, K. Scheele, N. van der Straeten, M. Toderaş, T. Vachta, J. Wunderlich, R. Yordanova, D. Zhvania.
Abstracts
Abstract
Pietrele, Rumänien. Măgura Gorgana. Ein kupferzeitlicher Siedlungshügel. Die Arbeiten der Jahre 2019 und 2021
Antonella Aquaro, Katrin Beutler, Rodica Boroffka, Svend Hansen, Mehmet Karaucak, Janine Martin, Konstantin Scheele and Meda Toderaş
During the ongoing archaeological work in Pietrele, Măgura Gorgana (jud. Giurgiu) in Romania, the lower layers of the Copper Age settlement mound were reached during the campaigns of the last years. The recorded features belong to the earliest occupation phase and represent the oldest remains of the settlement. Reaching these layers now makes it possible to record the development of the settlement without gaps and also to comprehensively assess the relationship between the tell settlement itself and the surrounding flat settlement. The integration of scientific studies on the reconstruction of the environment as well as archaeobotanical analyses of material from different areas of the settlement also provide information on the appearance of the landscape and shed light on the interactions between humans and the environment in the 5th millennium BCE.
Einleitung
Siedlung am See
Der Siedlungshügel
Radiokarbondatierungen
Das Pionierhaus
Keramikstudien
Botanische Untersuchungen
Ausblick
Kooperationen
Förderung
Leitung des Projektes
Team
Abstracts