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2021-2
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
Nu’usi und Nggela, Salomonen
Neue archäologische Forschungen auf den Salomonen
Die Ergebnisse der Feldkampagnen 2020 und 2021
1Die archäologischen Forschungen zur Besiedlungsgeschichte auf den Salomonen wurden 2020 und 2021 fortgesetzt. Die Feldarbeiten innerhalb des Kooperationsprojektes zwischen dem National Museum der Salomonen und der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI mussten pandemiebedingt ohne die Anwesenheit des deutschen Partners vor Ort durchgeführt werden.
2Galten die Untersuchungen in den zurückliegenden Jahren 2012 bis 2019 den auf der Insel Malaita gelegenen Fundplätzen Apunirereha, einem Steinzeitatelier und, als zweitem Fundplatz, dem zu Wohnzwecken und als Bestattungsort genutzten Ria Felsdach, so konzentrierten sich die Arbeiten jetzt auf den Fundplatz Nu’usi in der Maramasike-Passage und auf mehrere Fundstellen auf Nggela, einer Inselgruppe zwischen Guadalcanal und Malaita (Abb. 1).
Nu’usi Island
3Der Fundplatz Nu’usi wurde während eines Zwischenstopps 2019 entdeckt und befindet sich auf einer kleinen Insel inmitten der Maramasike-Passage, die Malaita und Kleinmalaita trennt. Die Insel Nu’usi misst etwa 120 x 80 m und ist dem breiten Mangrovengürtel der südöstlichen Küstenlinie von Malaita vorgelagert. Die Höhe der Insel über Meeresspiegelniveau beträgt in Abhängigkeit der Gezeiten knapp 4 bis 5 m.
4Als Umschlagplatz verkehrsstrategisch günstig gelegen, verfügt Nu’usi Island seit 2015 über einen Bootsanlegesteg und wird etwa zweiwöchentlich von einem Frachtschiff der Route Honiara – Are Are – Olomburi (Ostmalaita) angelaufen (Abb. 2). Als Ankerplatz für kleinere Handelsschiffe wurde Nu’usi bereits ab 1968 genutzt, die Ufervegetation im Bereich der Anlegestelle dafür großflächig beseitigt. Diesem Umstand, der teilweisen Rodung des Mangrovenwaldes, ist es zu verdanken, dass der Fundplatz als solcher erkannt wurde. Im freiliegenden Strandbereich um die Anlegestelle konnten clusterartige Feuersteinanhäufungen bemerkt werden. Bei den Feuersteinansammlungen handelt es sich in erster Linie um Rohmaterialknollen, Trümmerstücke und Abschlagmaterial.
5Die Insel ist zu drei Vierteln mit Mangroven bestanden. Überdies ist das Eiland mit Sekundärvegetation und saisonalen Nutzpflanzen wie haupt-sächlich Kokos, Bananen, Taro und Yams bepflanzt. Nach Auskunft der auf Nu’usi lebenden Familie lautet der ursprüngliche Name der Insel »Sihoriasi«, was mit »Platz zum Ausruhen« übersetzt werden kann – eine Raststätte für vorbeireisende Seefahrer. Auch der Originalname »Su’urau« für die Maramasike-Durchfahrt, zu übersetzen mit »Passage, wo Stein gemacht wird«, ist nicht weniger bedeutsam. Tatsächlich ist der südliche Teil der Insel Malaita, wozu auch Kleinmalaita zu zählen ist, reich an lithischen Rohmaterialvorkommen.
6Das Ziel des Besuches im Jahr 2020 auf Nu’usi war es, die Insel hin-sichtlich ihrer geologischen, geografischen und historischen Aspekte näher zu untersuchen. Die Insel wurde vermessen, erkennbare Strukturen zeichnerisch und fotografisch dokumentiert und mittels GPS-Messungen kartiert. Ein wesentlicher Bestandteil der Forschungen war die Befragung der Inselbewohnenden und der Bevölkerung aus der näheren Umgebung zur Geschichte der Insel. Während des einwöchigen Aufenthaltes auf Nu’usi konnten im Bereich der Uferzone sowie im Inneren der Insel bauliche Strukturen und künstliche Geländeveränderungen erkannt werden.
7Interessant sind architektonische Überprägungen der natürlichen Inseltopographie in Form von umlaufenden Uferbefestigungen, künstlichen Hügeln und einem Wegesystem, die alle aus Feuersteinknollen und Korallenstöcken angelegt wurden (Abb. 3). Verschiedene Areale auf der Insel sind durch unterschiedlich starke Anhäufungen lithischen Materials markiert. Mehrere Feuersteinbeile, Beilrohlinge und Steinabschläge weisen die Zonen als Werkstätten zur Produktion steinerner Gerätschaften aus (Abb. 4). Das Rohmaterialspektrum setzt sich aus verschiedenen Silexvarietäten unterschiedlicher Farbe und Transparenz zusammen und entspricht den lokalen Spektren aus den Silexvorkommen aus dem nahen Umfeld der bekannten Fundstellen Apunirereha und Ria. Dient die ringförmig um die Insel angelegte Uferbefestigung dem Schutz vor Unterspülung und Erosion durch Wellenschlag, so ist die Bedeutung der mit kopfgroßen Steinknollen eingefassten, ovalen, kreisrunden und viereckigen, künstlichen Erhebungen noch ungeklärt. Möglicherweise handelt es sich hierbei um frühe, beetartige Gartenbauanlagen. Weitergehende Untersuchungen vor Ort, insbesondere auch zur Klärung der Zeitstellung, sind erforderlich.
Nggela-Inselgruppe
8Die Nggela-Inselgruppe, auch als Florida Islands bezeichnet, liegt zwischen den Inseln Guadalcanal und Malaita und setzt sich, neben vielen kleineren Inseln, aus den Hauptinseln Nggela Sule, Nggela Pile, der Sandfly Insel (Mbokonumbeta) und Vatilau zusammen (Abb. 5).
9Das Ziel des archäologischen Geländesurveys im Frühjahr 2021 war die Suche nach potenziellen prähistorischen Fundstellen auf den Nggela-Inseln. Zu Zeiten mariner Regression im Pleistozän war Nggela südöstlichster Teil von »Greater Bougainville« oder »Greater Bukida«, jener Großinsel, die auf Grund der erweiterten Landmasse Buka, Bougainville, Choiseul, Isabel und Nggella verband. Am nordwestlichen Ende dieser langgestreckten Großinsel befindet sich auf der heute zu Papua Neuguinea gehörenden Insel Buka der Fundplatz Kilu Cave, eine paläolithische Höhlenstation, die auf 28.000 BP bis 20.000 BP datiert ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Menschen während des Paläolithikums sich trockenen Fußes bis zum letztmöglichen Außenposten Nggela ausgebreitet haben.
10Insgesamt konnten während der Feldbegehungen acht Höhlenfundorte und zehn Felsüberhänge entdeckt und kartiert werden. In der Gemeinde-gemarkung Leitongo befinden sich die Felsüberhänge Takorove (Vatuluma Korove), Ghaidavora, Vatulumanaporusu und Vatulumana Taisi sowie die Höhlenstation Ghaidavora (Abb. 6. 7. 8). Innerhalb des Gebietes Rara wurden der Felsüberhang Pitulala und die Höhlen Baregho Cave 1 und Cave 2 kartiert. Im Gebiet Ghole liegen die Felsüberhänge Vatuluma Tanatulia (Abb. 9), Tanavala und Tanarorope (Abb. 10) sowie die Höhle Vatuluma (Abb. 11). Der Felsüberhang Tanavala wurde 1988 und 1989 von Archäologen des National Museum der Salomonen auf kleiner Fläche sondiert und untersucht. Der Felsüberhang Tanarorope ist hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse gegenwärtig streitgegenständlich und konnte nicht näher dokumentiert werden. Die Höhle Vatuluma diente während des Zweiten Weltkrieges japanischen Soldaten als Versteck und wurde von einem amerikanischen Jagdbomber bombardiert und weitestgehend zerstört. Im Distrikt Vutura konnte eine Höhle besichtigt werden, die aber von einheimischen Dorfbewohnern stark frequentiert wird und deren Ab-lagerungen stark gestört zu sein scheinen. Zur Ortschaft Lango gehören der Felsüberhang Rota und die Höhlen Suku Cave 1 und Cave 2. Der Felsüberhang Rota wird heute von mehreren Familien gelegentlich als Rastplatz und Kochstelle genutzt. Eine Nutzung dieses Felsdaches in prähistorischer Zeit ist denkbar. Bei den Höhlen Suku Cave 1 und 2 handelt es sich um aktive Wasserhöhlen, die von einem Fluss durchflossen werden und daher zu Wohnzwecken ungeeignet sind. Zum Dorf Dede gehört eine gleichnamige Höhle, die womöglich ungestört ist, aber auf Grund der geringen lichten Höhe für permanente Aufenthalte nur bedingt zweckmäßig erscheint.
11Im Hinblick auf zukünftige Untersuchungen und Ausgrabungen wurden die Fundplätze nach verschiedenen Kriterien klassifiziert und hierarchisiert. Dazu wurde ein Katalog erstellt, der zum einen logistische Besonderheiten wie Erreichbarkeit des Fundplatzes, dessen Zugänglichkeit und die allgemeine Infrastruktur vor Ort und im Umfeld, aber auch Besitzverhältnisse berücksichtigt, zum anderen die Charakteristik und das archäologische Potenzial der Fundstellen beurteilt. Gesichtspunkte sind z. B. die Lage über dem Meeresspiegelniveau, die Nähe zu Wasserquellen, die Dimensionen der Fundplätze, beobachtbare rezente oder subrezente Störungen des Begehhorizontes und der Kulturschichten, erkennbare Befundstrukturen und oberflächennahes Fundmaterial: Aspekte, die für eine Nutzung der Höhlen und Felsüberhänge in prähistorischer Zeit sprechen können. Einer näheren Untersuchung wert scheinen letztlich die zur Gemarkung Leitongo gehörenden Felsüberhänge Takorove, Ghaidavora, Vatulumanaporusu und die Höhlenfundstelle Ghaidavora. Aus Rara sind es die Höhlen Baregho Cave 1 und 2 sowie eine Höhle aus Vuturua, die sich für weitere Forschungsaktivitäten eignen. Sichtbare Anzeichen für menschliche Aktivitäten aus lang vergangener Zeit sind Feuersteinabschläge, Steinwerkzeuge, eingebrachte Meeresmuscheln, Muschelgeld (Abb. 12) sowie vereinzelte Ambosssteine für das Knacken von Ngali-Nüssen (Canarium). Nach Auskunft der verschiedenen Gemeinden und der Landeigentümer sind die meisten der besuchten Fundplätze mit mündlich überlieferten Geschichten assoziiert, die aus der Zeit der Christianisierung stammen. In einigen Fällen handelt es sich um alte Siedlungsplätze, temporäre Aufenthaltsorte, Kontrollstationen oder heilige Plätze der Krieger ihrer Ahnen. Die Nggela-Inselgruppe hat sich als Region mit interessanten und reichen kulturellen und archäologischen Ressourcen bestätigt. Weitere Geländebegehungen sind geplant und in Vorbereitung.
12Das Forschungsprojekt wird wissenschaftlich vom National Museum der Salomonen begleitet und administrativ vom Ministry of Culture and Tourism unterstützt.
13Das Projekt erfährt logistische Hilfestellung von der Deutschen Botschaft in Canberra, Australien und von der Deutschen Honorarkonsulin in Honiara, Jessica Bradford sowie vom ehemaligen Honorarkonsul, Gerald Stenzel.
Kooperationen
DAI, Referat Naturwissenschaften und prähistorische Anthropologie (J. Gresky); Ministry of Culture and Tourism Solomon Islands (D. Marita, Director of Culture); Solomon Islands National Museum (T. Heorake, Director und L. Kiko, Deputy Director); Universität Liège, Traceolab (S. Tomasso).
Leitung des Projektes
L. Kiko, J. Moser.
Team
G. Ale’eke Bemama, R. Gegeu, J. Gresky, S. Manebosa. S. Tomasso.
Abstracts
Zusammenfassung
Nu’usi und Nggela, Salomonen. Neue archäologische Forschungen auf den Salomonen. Die Ergebnisse der Feldkampagnen 2020 und 2021
Grinta Bemama, Reubenson Gegeu, Lawrence Kiko, Stephen Manebosa und Johannes Moser
In den Jahren 2020 und 2021 wurden zwei neue Forschungsprogramme auf der Insel Nu’usi und der Nggela-Inselgruppe angefacht. Der archäologische Survey auf Nu’usi führte zur Entdeckung eines Fundplatzes mit verschie-denen Befundstrukturen und sichtbaren Hinweisen auf eine lithische Produktionsstätte. Die Begehungen auf Nggela erbrachten Hinweise auf die Nutzung von Höhlen und Felsüberhängen durch den Menschen bereits in prähistorischer Zeit.
Abstract
Nu'usi and Nggela, Solomon Islands. New archaeological research in the Solomon Islands
Grinta Bemama, Reubenson Gegeu, Lawrence Kiko, Stephen Manebosa and Johannes Moser
The current research project is designed to focus on archaeological investigations on the pre- and protohistory of the Solomon Islands. In 2020 and 2021, two new research programs were initialized and field work was conducted on the island of Nu’usi in the Maramasike Passage and on the Nggela Island group in Central Province. The archaeological survey on Nu’usi yielded various features in terms of deposited flint nodules, zones of waste flakes and lithic core adzes as indications of knapping activities from the tool production and also architectural structures such as artificial heaps and footpaths. The archaeological survey on Nggela Island resulted in the discovery of eight caves and ten rock shelters. A great number of these sites are showing evidences of human presence in prehistoric times.
Nu’usi Island
Nggela-Inselgruppe
Kooperationen
Leitung des Projektes
Team
Abstracts
2021-2