Abteilung Athen
Athen, Griechenland
»Shapes of Ancient Greece«: Ein Projekt zur Digitalisierung der archäologischen Sammlung der Abteilung Athen
Der Beginn der Arbeiten 2021
Einleitung
1Zu Beginn dieses Jahres sind an der Abteilung Athen die Arbeiten am Projekt »Shapes of Ancient Greece« (SAG) aufgenommen worden. »Shapes of Ancient Greece« gehört zu den durch die Förderlinie »eHeritage« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützten Projekten und wird vollumfänglich mit Mitteln des Ministeriums finanziert. Ziel des Projektes ist die vollständige Digitalisierung der etwa 37.000 Objekte umfassenden archäologischen Sammlung des DAI Athen. Zudem wird angestrebt, Artefakte, zu denen keine ausreichenden Fundortinformationen vorliegen, zu rekontextualisieren. Zu diesem Zweck werden auch die umfangreichen Bestände des Archivs der Abteilung ausgewertet. Durch die ständig voranschreitende Digitalisierung des Archivs wird diese Arbeit wesentlich erleichtert. Außerdem werden für sämtliche Sammlungsobjekte Metadaten erarbeitet, zu denen neben der Fundortangabe vor allem Informationen zur Klassifizierung und Datierung gehören. Die Digitalisate werden zusammen mit den zugehörigen Metadaten in iDAI.objects (Arachne) veröffentlicht werden. Dafür geeignete Keramikgattungen sollen auch für die Normdatenansprache genutzt und in iDAI.shapes integriert werden. Zahlreiche Fundgruppen der Sammlung haben deswegen einen besonderen wissenschaftlichen Wert, weil sie von Orten stammen, die sich in den letzten Jahrzehnten durch massive Überbauung stark verändert haben. Die in der archäologischen Sammlung der Abteilung Athen aufbewahrten Objekte sind daher eine wichtige Quelle für die moderne, mit digitalen Methoden arbeitende Landschafts- und Surveyarchäologie.
Die Sammlung und ihre Geschichte
2Bei etwa 30.000 der ca. 37.000 Sammlungsobjekte handelt es sich um von Gefäßen stammende Keramikfragmente. Weitgehend vollständig erhaltene Gefäße gibt es nur wenige. Die zweitgrößte Objektgruppe bilden die ca. 3000 Obsidianabschläge und Obsidianklingen. Weiterhin gibt es ca. 250 figürliche Terrakotten, von denen allerdings nur wenige vollständig erhalten sind, sowie eine geringe Anzahl architektonischer Terrakotten. Dazu kommen ca. 200 kleinere Metallobjekte, wenige Bronzemünzen und weitere Kleinfunde aus verschiedenen Materialien. Auch einige, meist kleinere Wandmalereifragmente gehören zu den Sammlungsbeständen.
3Die Sammlung verfügt über Funde aus allen Epochen der griechischen Geschichte vom Neolithikum bis zur Zeit der osmanischen Herrschaft. Besonders zahlreich sind prähistorische Funde, vor allem aus den früh-, mittel- und spätbronzezeitlichen Phasen des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. Nach gegenwärtigem Bearbeitungsstand kann man davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Objekte als prähistorisch zu klassifizieren sind. In geographischer Hinsicht bilden Attika und die Argolis Sammlungsschwerpunkte. Auch Funde aus Böotien und Thessalien sind in der Sammlung gut vertreten. Unter den Kykladeninseln ragen Thera und Paros als Fundorte heraus. Dazu kommen Artefakte aus vielen weiteren griechischen Landschaften, allerdings in geringerer Anzahl und von weniger Fundorten.
4Bei der großen Masse der Sammlungsobjekte handelt es sich um Lesefunde, die bei Geländebegehungen von Institutsmitarbeitern in der Zeit von der Gründung der Abteilung Athen bis zum Zweiten Weltkrieg gemacht wurden. Eine kleine Anzahl von Objekten stammt aus Grabungen des DAI. Es ist auffällig, dass gerade aus den Langzeitgrabungen in Olympia, Tiryns und dem samischen Heraion nur wenige Funde in die Sammlung gelangt sind. Man hat also offenbar zu keinem Zeitpunkt versucht, die Sammlung durch Funde aus den großen Grabungsprojekten massiv auszubauen. Ebenfalls nur eine geringe Anzahl von Objekten ist durch Schenkungen in die Sammlung gelangt. Ein von Paul Wolters zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 27. Juli 1889 angelegtes Inventar belegt, dass in der Frühzeit des Instituts die Sammlungsbestände noch sehr überschaubar waren. Auch durch den im späten 19. Jahrhundert in der landeskundlichen Forschung sehr aktiven Habbo Gerhard Lolling sind offenbar nur vereinzelt Funde der Sammlung zugeführt worden. Hierzu zählt ein wohl geschlossener Grabfund des späten 5. Jahrhunderts v. Chr. aus dem am Nordrand des Korinthischen Golfes gelegenen Galaxidi [1]. Von keinem Archäologen sind die Sammlungsbestände so stark erweitert worden wie von Walther Wrede. Die von ihm gemachten Funde stammen aus Landesbegehungen, die Wrede zwischen den frühen zwanziger und den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Attika und der Argolis durchführte. Landeskundliche Forschungen wurden am DAI Athen zu dieser Zeit zwar schon lange betrieben, hatten jedoch bis dahin nicht den Umfang und die Systematik der Unternehmungen Wredes erreicht, die als Vorläufer moderner Surveyprojekte bezeichnet werden können. Wrede ist allerdings mehr als ranghöchster Funktionär der NSDAP in Griechenland und weniger als Archäologe in Erinnerung geblieben [2]. Sein Interesse an Geländebegehungen und dem Auflesen von Oberflächenfunden lässt sich aber wohl nicht mit seinen politisch-ideologischen Überzeugungen erklären, auch wenn Wrede zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft selbst versucht hat, einen solchen Zusammenhang zu konstruieren [3]. Vermutlich in der Erwartung des baldigen Abzugs der deutschen Truppen aus Griechenland hat Wrede seine Funde ab Oktober 1943 geordnet und beschriftet sowie jeweils eine Fundortliste für Attika und die Argolis angelegt. Diese Listen sind mit geringfügigen Ergänzungen in den siebziger Jahren von Frank Brommer publiziert worden [4]. Auch die Aufarbeitung der hier nur knapp skizzierten Sammlungsgeschichte gehört zu den Tätigkeiten, die im Rahmen des Projektes »Shapes of Ancient Greece« durchgeführt werden.
Methoden der Digitalisierung
5Die digitale Dokumentation der Sammlungsbestände erfolgt mit drei verschiedenen Aufnahmemethoden. Neben der Digitalfotografie sind dies digitale Profilzeichnungen und 3D-Scans. Sämtliche Objekte werden fotografiert, und zwar in der Regel mindestens zweimal. Bei Keramikscherben, die ja die Masse des Materials ausmachen, geschieht dies, um sowohl die Außen- als auch die in traditionellen Publikationen selten abgebildeten Innen- bzw. Unterseiten betrachten zu können. Es kommt hinzu, dass so die auf die Objekte geschriebenen Inventarnummern dokumentiert werden, wodurch mögliche Verwechslungen ausgeschlossen werden können. Für die fotografischen Aufnahmen wird eine Vollformatsensor-Kamera mit einer Auflösung von 42 Megapixeln verwendet. Mit dieser Kamera können Fotografien von einer Qualität angefertigt werden, wie sie im Bereich der archäologischen Dokumentation bisher noch selten anzutreffen ist. Die Fotos können ohne Qualitätsverlust stark vergrößert werden, wodurch teilweise Details sichtbar werden, die mit bloßem Auge kaum erkennbar sind (Abb. 1). Mit der Kamera können auch Obsidianabschläge hervorragend erfasst werden, was mit älteren Kameramodellen in dieser Form nicht möglich war (Abb. 2). Der große technologische Fortschritt, der in den letzten Jahren im Bereich der Digitalfotografie erzielt wurde, lässt sich daran ablesen, dass noch vor ca. 10 Jahren eine Kamera mit einer Auflösung von 12 Megapixeln zu den leistungsstärksten Geräten gehörte. Bisher sind im Rahmen unseres Projektes über 8000 Fotografien von ca. 4500 Objekten angefertigt worden [5].
6Mit dem »Laser Aided Profiler« (LAP) (Abb. 3) werden zweidimensionale Profilzeichnungen erzeugt (Abb. 4), die anschließend als Svg-, Tiff- und Png-Datei zur Verfügung stehen. Das Gerät verfügt über eine eigenständige Datenbank, in der die Maße der gezeichneten Objekte und weitere Metadaten gespeichert werden können. Der LAP bietet sich insbesondere für die Digitalisierung von Keramikfragmenten und Gefäßen an. Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass sich etwa dreiviertel der in der Sammlung befindlichen Keramikscherben für eine Digitalisierung mit dem LAP eignen. Bei den restlichen Fragmenten handelt es sich um kleine Wandscherben, deren Digitalisierung nicht lohnend wäre. Mittlerweile sind bereits fast 10.000 digitale Profilzeichnungen angefertigt worden. Um sich mit den Grundfunktionen des LAP vertraut zu machen, ist nur eine recht kurze Einarbeitungszeit nötig. Für die Zeichnung einfacher Randfragmente werden zwei bis fünf Minuten benötigt. Um komplexere Objekte aufzunehmen, ist es sehr hilfreich, schon über einige Erfahrung im Umgang mit dem Gerät und seiner Software zu verfügen. In manchen Fällen sind mehrere Arbeitsschritte zur digitalen Erfassung eines Fragments nötig. Zu den komplexeren Objekten zählen bestimmte Boden- und Henkelfragmente. Ihre Aufnahme gestaltet sich mitunter zeitintensiv, im Einzelfall kann der Zeitaufwand bis zu 20 oder sogar bis zu 30 Minuten betragen. Die bei unseren Arbeiten erkannten Schwächen des Geräts werden mit den Entwicklern, dem Archäologen Peter Demján und dem Ingenieur Vladimir Držík, besprochen, wodurch unser Projekt auch einen Beitrag zur Optimierung des LAP leistet. Unsere Erfahrungen im Umgang mit dem LAP werden außerdem Eingang in den Leitfaden des DAI finden, der zurzeit von verschiedenen Arbeitsgruppen unter Federführung der RGK erarbeitet wird. Im Leitfaden sollen u. a. anhand von ausgewählten Beispielen konkrete Probleme dargestellt und Lösungswege beschrieben werden.
7Ausgewählte Objekte, wie weitgehend vollständig erhaltene Gefäße, Terrakotten, Lampen sowie verschiedene Stein- und Metallobjekte, werden über das Structure from Motion-Verfahren auch als 3D-Modelle aufgenommen. Hierfür wird der »Go!SCAN 3D-Scanner« verwendet, welcher eine schnelle und unkomplizierte Aufnahme der Objekte erlaubt. Die so generierten 3D-Modelle können u. a. für Untersuchungen zur Serienproduktion und zur Formenerkennung verwendet werden. 3D-Modelle sind besonders wichtig für die Untersuchung von mit Matrizen hergestellten Tonobjekten, wie architektonischen Terrakotten, Terrakottafiguren, Reliefkeramik und Lampen.
Einbindung der Digitalisate in iDAI.world
8Sämtliche Digitalisate sowie die erarbeiteten Metadaten zu den Sammlungsobjekten werden nach den FAIR-Prinzipien in die zentrale Objektdatenbank iDAI.objects (Arachne) eingefügt und damit veröffentlicht. Für jedes Objekt wird ein Datensatz angelegt, der eine eigene, wissenschaftlich zitierbare URL besitzt. Dem Konzept der vernetzten iDAI.world entsprechend sind die in iDAI.objects (Arachne) eingestellten Datensätze mit anderen Datenbanken verknüpft. So kann für Angaben zu Fund-, Herstellungs- und Aufbewahrungsort auf iDAI.gazetteer zugegriffen werden. Eine Verknüpfung der Sammlungsobjekte mit relevantem Archivmaterial erfolgt über iDAI.archives. Über die getaggte URL der Datensätze können publizierte Sammlungsobjekte von iDAI.bibliography (zenon) aus in iDAI.objects aufgerufen werden. Natürlich ist in diesen Fällen auch umgekehrt der Zugriff von iDAi.objects auf iDAI.bibliography möglich. Wie bereits eingangs erwähnt, ist auch eine Integration dafür geeigneter Keramikgattungen in iDAI.shapes vorgesehen, wo die Digitalisate für automatisierte Formenerkennungsverfahren und Ähnlichkeitsanalysen verwendet werden können. Es ist außerdem geplant, in einer späteren Phase der Projektlaufzeit Karten mit Fundorten der Sammlungsobjekte als Hilfsmittel für landeskundliche Forschungen auf der Plattform iDAI.geoserver zur Verfügung zu stellen.
Förderung
Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Leitung des Projektes
K. Sporn.
Team
J. Ritter, F. Ruppenstein, A. Skolik.
Abstracts
Zusammenfassung
Athen, Griechenland. »Shapes of Ancient Greece«: Ein Projekt zur Digitalisierung der archäologischen Sammlung der Abteilung Athen. Der Beginn der Arbeiten 2021
Im Rahmen des vom Bundeministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes »Shapes of Ancient Greece« werden die Bestände der archäologischen Sammlung der Abteilung Athen des DAI vollständig digitalisiert, rekontextualisiert und mit Metadaten versehen. Die etwa 37.000 Objekte umfassende Sammlung besteht großenteils aus Keramikfragmenten. Die Sammlungsobjekte werden sowohl fotografiert als auch gescannt. Zum Erzeugen zweidimensionaler Profilzeichnungen wird der »Laser Aided Profiler« verwendet. Von ausgewählten Objekten werden 3D-Modelle mit dem »Go!SCAN 3D-Scanner« generiert. Die Digitalisate werden zusammen mit den zugehörigen Metadaten in iDAI.objects (Arachne) veröffentlicht und innerhalb der iDAI.world mit anderen Datenbanken verknüpft.
Schlagworte
Forschungsgeschichte, Museen, Sammlungen, Topographie
Abstract
Athen, Griechenland. »Shapes of Ancient Greece«: Ein Projekt zur Digitalisierung der archäologischen Sammlung der Abteilung Athen. Der Beginn der Arbeiten 2021
The project »Shapes of Ancient Greece« is funded by the Federal Ministry of Education and Research and aims at digitizing and re-contextualizing the complete archaeological collection of the Athens branch of the German Archaeological Institute. Furthermore, all the approximately 37.000 objects will be provided with metadata. Most of these objects are pottery sherds. The items will be both photographed and scanned. The »Laser Aided Profiler« is used for generating two-dimensional profil drawings. The »Go!SCAN 3D-Scanner« for creating 3D models of selected objects. The digital images and the metadata will be published in iDAI.objects and linked to other databases under the umbrella of the iDAI.world portal.

Einleitung
Die Sammlung und ihre Geschichte
Methoden der Digitalisierung
Einbindung der Digitalisate in iDAI.world
Förderung
Leitung des Projektes
Team
Abstracts