Eurasien-Abteilung/Zentrale
Region Stavropol, Russland/Region Kachetien, Georgien
Umweltarchive und Archäologie im Kaukasus: Neue Methoden in der archäologischen Klimaforschung
Die Arbeiten des Jahres 2020
1Mit der Initiative »Ground Check – Cultural heritage and Climate Change« startete das DAI zu Beginn des Jahres 2020 eine Initiative, in deren Zentrum die Frage steht, wie sich die aktuellen Veränderungen des Klimas auf das archäologische Kulturerbe auswirken und wie vergangene Kulturen auf Klimaänderungen reagiert haben. Die Faktoren, die es prähistorischen und antiken Kulturen erlaubten, mit Veränderungen in der Umwelt, die sie umgab, umzugehen, sind mannigfaltig. Ihre Resilienzstrategien beinhalteten ökonomische Anpassungen – etwa Veränderung in Anbaumethoden oder in den Anteilen von Viehwirtschaft und Ackerbau innerhalb des jeweiligen ökonomischen Systems – aber auch eine soziale Auseinandersetzung mit den sich ändernden Verhältnissen. Innovation etwa in der Landwirtschaft oder der Viehzucht, Siedlungsverdichtung oder -auflockerung bis hin zur Aufgabe von Altsiedelland und der teilweisen oder gänzlichen Abwanderung sind gesellschaftliche Reaktionen, wenn Ökosystem und Lebensraum unter Druck geraten. Die Auswertung von hochauflösenden Klimaarchiven aus archäologischen Kontexten ist ein wichtiger Schritt, um die Verflechtung von Umfeldveränderungen und sozialen Prozessen, wie auch die Resilienzen und Dynamiken prähistorischer und antiker Gesellschaften zu verstehen.
2Das Projekt »Vom Hochgebirge zur Küste – Klima, Umweltarchive und Archäologie entlang des Kubans im nördlichen Kaukasus« führt in eine Region, die vom Gegensatz zwischen extremen Hochgebirgslandschaften und der flachen Steppenzone am Gebirgsfuß lebt (Abb. 1). Große Flussläufe verbinden das Landesinnere mit Küsten des Schwarzen und Kaspischen Meeres. Einer dieser bedeutenden Flüsse ist der Kuban im nördlichen Kaukasus. Der Kuban entspringt in den Gletscherregionen des El’brus, dem höchsten Berg Europas – wenn man die Grenze am Kaukasus zieht – (Abb. 2) und mündet nach über 870 km in das Schwarze Meer (Abb. 3). Die Rolle von vergletscherten Hochgebirgsregionen für die Konsolidierung und Regulierung des globalen Wasserhaushaltes ist inzwischen weitgehend anerkannt. Große Gebirgsflüsse wie der Kuban und die zugehörigen Gewässernetze spielen eine entscheidende Rolle, auch weit über die Bergregionen, durch die sie fließen, hinaus. Mit ihrer Erosionskraft und den Akkumulationsräumen prägen sie Landschaften, in denen sich Menschen seit der Vorgeschichte angesiedelt haben. Dies betrifft Flusstäler, zwischengeschaltete Seen, aber auch die Küsten, wo sie ins Meer münden. Ihr Wasserhaushalt reagiert direkt auf kurz-, aber vor allem auf langzeitige Veränderungen im regionalen und globalen Klima und beeinflusst die Vegetation entlang ihres Verlaufs entscheidend. Im Nordkaukasus ist dies u. a. die Waldvegetation. Während im Hochgebirge Nadelwälder vorherrschen (Abb. 2), sind die Hänge des Kaukasus mit Laubwäldern bestanden (Abb. 4), die sich zu manchen Zeiten auch bis weit in die Vorgebirgszone erstreckten. Die Bäume sind weitere Klimaarchive, mit deren Erforschung nun begonnen wurde.
3In der Quellregion des Kuban hat ein landschaftsarchäologisches Projekt der Eurasien-Abteilung des DAI eine Siedlungssequenz seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. erforscht [1]. An der Mündung forscht ein weiteres Team über die Deltaentwicklung seit dem mittleren Holozän und deren Auswirkungen auf die antike griechische Kolonisation [2]. Ein diachrones bioarchäologisches Projekt widmet sich der Ökonomie von der Bronze- bis in die frühe Eisenzeit [3]. Es erlaubt einen Blick auf Langzeitszenarien in den ökonomischen Systemen von Viehzüchtern und Bauern in diesem Raum.
4Damit sind die Voraussetzungen ideal, um mit einer klimaarchäologischen Perspektive die in der Ground Check Initiative gestellten Fragen zu beantworten: Wie haben frühere Gesellschaften auf Veränderungen ihrer Umwelt reagiert? Lassen sich prosperierende oder von Krisen geschüttelte Epochen fassen? Agierten Viehzüchter und agro-pastorale Gruppen ähnlich, wenn das Klimaregime trockener oder feuchter wurde? Welchen gelang es, sich besser anzupassen? Sind Zeiten kultureller Brüche mit Klimawandelszenarien zu untermauern oder änderten sich die Kulturen unabhängig von den Bedingungen ihrer jeweiligen Lebenswelten? Und wie adaptierten sich die Griechen ab dem späten 7. Jahrhundert v. Chr. an einen Lebensraum, der sich von ihrer mediterranen Heimat recht stark unterschied?
5Ein Desiderat aller Projekte und der Forschung insgesamt ist das komplette Fehlen hochauflösender Klimaarchive im Nordkaukasus und der anschließenden südrussischen Steppe. Während im Südkaukasus und im Nordiran inzwischen viele Geoarchive editiert sind [4] (Abb. 1), fehlen solche Studien im Norden des Kaukasus nahezu vollständig. Eiskernbohrungen auf dem Elbrus reichen nicht weiter zurück als bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. und ein erstes gut datiertes Pollenprofil aus Dagestan am östlichen Rand des Gebirges ist nicht repräsentativ für den Gesamtraum [5]. Ältere Untersuchungen von begrabenen Böden unter Grabhügeln zeigen zwar erhebliche Veränderungen in der Umwelt, auch katastrophale Dürren, leider ist ihre Datierung aktuell nicht sehr präzise.
6Mit unserem Projekt soll diese Lücke geschlossen werden. Dafür wurden Arbeiten in drei Teilbereichen in 2020 begonnen, andere sind ab 2021 geplant:
• Systematische Bohrungen am Mittel- und Oberlauf des Kuban sowie in Seen und Limanen, um neue Klimaarchive zu erstellen, die die Ergebnisse der bisherigen geoarchäologischen Arbeiten des Taman-Projektes entlang des Flusses ins Landesinnere ergänzen sollen [6].
• Pollenanalysen aus den neuen Bohrkernen und bereits in Arbeit befindlichen Pollenarchiven aus dem kaukasischen Gebirge. Sie werden die Langzeitszenarien der lokalen und überregionalen Umweltveränderungen erschließen, in die die anderen Analysen einzubinden sein werden.
• Jahrringgenaue Messungen stabiler Sauerstoff- und Kohlenstoff-Isotope (18O/16O bzw. δ13C) [7] und Vermessung der Holzzellen [8]. Die dendroklimatologischen Untersuchungen fußen auf einer Sammlung von Holzproben aus bronzezeitlichen, mittelalterlichen und prämodernen Hölzern aus dem Nordkaukasus sowie Proben aus Grabhügeln der Bronzezeit im Südkaukasus. Sie wurde in verschiedenen Kampagnen während der vergangenen Jahre erfasst (Abb. 5. 6). Auf Basis der in Berlin vorhandenen Holzproben, die dendrochronologisch bearbeitet, aber noch nicht veröffentlicht wurden, sind sehr präzise Einblicke in die Vegetations- und Klimageschichte des Kaukasus möglich. Grundlage für Klimarekonstruktionen sind die Arbeiten zur vergleichenden Dendrochronologie der kaukasischen Gebirgstäler des Geographischen Instituts RAW in Moskau.
Die Arbeiten 2020
7Die Einschränkungen des Jahres 2020 war für die Durchführung der geplanten Aktivitäten in verschiedenen Bereichen sehr ungünstig. So konnten keine Reisen nach Russland stattfinden und auch in Russland waren Bohrkampagnen nicht möglich. Treffen zur Projektkoordination und Laborarbeiten waren erst ab dem späten Sommer und auch nur in geringem Umfang möglich. Ein weiteres Hindernis stellte die lange Zeit für die administrative Regelung von Kooperationen mit DAI-fremden Partnerinstituten dar, die auf eine neue formale Basis gestellt werden musste. Dennoch konnte mit ersten Aspekten begonnen werden und insbesondere im methodischen Bereich die Probenentnahme und der Workflow etabliert werden.
Geoarchäologie
8Im Rahmen der Küstenforschung zur Ermittlung der paläogeographischen Veränderungen am Kimmerischen Bosporus, der heutigen Straße von Kerč, wurden zahlreiche, bis zu 17 m tiefe Bohrkerne gezogen [9] (Abb. 7). Sie ermöglichten die Rekonstruktion der antiken Küstenverläufe, die u. a. mit den Veränderungen im Wasserhaushalt des Kuban, aber auch mit anderen Faktoren zusammenhängen. Die neu rekonstruierten Küsten lassen viele der Siedlungsprozesse in einem gänzlich veränderten Licht erscheinen. In den Bohrkernen sind jedoch auch Klimaproxydaten wie Pollen oder Sedimente enthalten. Diese sollen, erweitert durch noch zu entnehmende Bohrkerne entlang des Flussverlaufs, für das Projekt nutzbar gemacht werden. Mehrere Bohrkerne aus früheren Untersuchungen (Abb. 8) sind bereits in Deutschland. Das Team der Universität zu Köln soll hieran zentrale Untersuchungen zu den Sedimenten durchführen und u. a. mit XRF chemische Elemente, Mikrofossilien, TOC, äolische Einträge und ggf. Warven analysieren. Die Bohrkerne werden hochauflösend datiert, um den Anschluss an die anderen Klimaarchive zu ermöglichen. Mit der Datierung erster Radiokohlenstoffserien wurde 2020 begonnen.
Dendroarchäologie
9Trotz der Einschränkungen war es möglich, 2020 mit der Auswertung von dendroarchäologischen Proben zu beginnen. Der Fokus liegt aktuell auf einem Abschnitt von der Mitte des 4. bis zum Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. Aus dieser Zeit sind multiple Proben aus verschiedenen Grabkomplexen des Nordkaukasus in Berlin vorhanden. Zusätzlich konnten Holzfunde von Gräbern aus diesem Zeitraum im Sommer 2020 in Georgien gesichert und nach Deutschland transferiert werden. So ist es möglich, den Südkaukasus in die Studie mit aufzunehmen und die Klimaarchive über das Gebirge hinweg zu beurteilen. Im aktuell bewilligten DFG-ANR Projekt »Von der Kura-Araxes-Kultur zu den frühen Kurganen. Untersuchungen zu den sozialen und kulturellen Veränderungen während des 3. Jahrtausends v. Chr. im Kura-Tal (Georgien und Aserbaidschan). Umwelt, Ernährung, Chronologie im Südkaukasus« [10] ist zudem geplant, weitere Holzartefakte und Bauelemente aus Großgrabhügeln zu erfassen.
10Aus den Klimaproxydaten wissen wir, dass am Ende des 4. Jahrtausends v Chr. eine fast 1000 Jahre dauernde warm-trockene Phase zu Ende geht, für die im Nordkaukasus eine steppenartige Landschaft bis an den Gebirgsfuß postuliert wird. In den südkaukasischen und iranischen Klimaarchiven sind ebenfalls eher aride Verhältnisse mit hohem Staubeintrag belegt. Die Aufsedimentation des Kuban-Deltas beginnt ebenfalls im 4. Jahrtausend v. Chr. Die Jahrtausendwende vom 4. zum 3. Jahrtausend v. Chr. ist in beiden Regionen von einem kulturellen Umbruch gekennzeichnet, der zur Etablierung von überwiegend mobilen Viehzüchtergesellschaften führte und einer Ausweitung der menschlichen Ökumene in die Steppenzonen im Norden wie im Süden mit sich brachte. Der Zeitraum umfasst zudem einen Horizont intensivierter Kontakte, in dem folgenschwere Innovationen wie die Bronzemetallurgie, Rad und Wagen, aber auch Anderes weit über Eurasien verbreitet wurde. Auch das Ende des 3. Jahrtausends ist eine Umbruchszeit, vor allem im Süden. Das deutsch-französische Projekt fokussiert auf einen entscheidenden Umbruch in den archäologischen Kulturen des Südkaukasus und die Frage, ob dies mit Veränderungen in den Umweltbedingungen einherging oder durch solche initiiert wurde, steht im Raum.
Dendrochronologie
11Der erste Schritt in der Analyse der Hölzer aus den bronzezeitlichen Grabkomplexen (Abb. 9. 10) ist die Vermessung der Jahrringe. Für beide Regionen wurden aus einzelnen Jahrringen Proben entnommen, die mittels der Radiokohlenstoffmethode datiert sind. Sie erlauben mit dem sog. Wiggle-Matching des Kalibrationsprogramms OxCal eine chronologische Absicherung der Messergebnisse. In Europa ließen sich die gemessenen Proben mit einer nahtlos von heute bis an den Beginn des Holozäns zurückreichenden Jahrringkurve jahrgenau datieren [11]. Im Kaukasus ist noch keine durchgehende Kurve vorhanden, sodass die Datierungen der nord- und südkaukasischen Hölzer zwischen der Mitte des 4. und des 3. Jahrtausends v. Chr. nur mit einer Genauigkeit von etwa ± 20 Jahren vorgenommen werden können. Dennoch erlauben Überlappungen aus verschiedenen Gräbern, eine in sich geschlossene Sequenz von mehreren Hundert Jahren zu untersuchen.
Isotopenanalysen
12Eine vielversprechende Methode zur Untersuchung klimatischer Veränderungen sind die als physikalisch-chemische Eigenschaften in prähistorischen Hölzern gespeicherten Umweltinformationen. Dazu zählen, je nach Standort, Niederschläge, deren Intensität und Einbindung in die globalen Wettersysteme sowie variierende Luftfeuchtebedingungen und wechselnde Temperaturen. Um die Klimainformationen der prähistorischen Hölzer zu erschließen, haben wir die verschiedenen stabilen Isotope des Kohlenstoffs und des Sauerstoffs in den Jahrringen untersucht.
13Die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs im Holz der Bäume hängt von der interzellulären CO2-Konzentration fotosynthetisierender Blätter ab, weil die entscheidende Fraktionierung bei der enzymatischen Umsetzung des Kohlendioxids auftritt. Das CO2-aufnehmende Enzym kann zwischen 13CO2 und 12CO2 jedoch nur selektieren, wenn eine bestimmte Menge an CO2 in seiner unmittelbaren Umgebung vorhanden ist, d. h. wenn CO2 nicht der limitierende Faktor der fotosynthetischen CO2-Fixierung ist. Dann kommt es zu einer hohen Fraktionierung und der δ13C-Wert ist niedrig. Bei niedrigen interzellulären CO2-Konzentrationen steht nur wenig Kohlendioxid zur Isotopenselektion zur Verfügung – das Enzym muss unabhängig von der Isotopenzusammensetzung des Kohlendioxids umsetzen, was an CO2 zur Verfügung steht – die Fraktionierung ist gering, der δ13C-Wert entsprechend hoch [12].
14Pflanzen können die interzelluläre CO2-Konzentration beeinflussen, indem sie die Spaltöffnungen ihrer Blätter, z. B. bei hohen Temperaturen bzw. niedrigen Feuchten, nur wenig öffnen, um Wasserverluste zu minimieren. Andererseits muss die Öffnung jedoch so groß sein, dass ausreichend Kohlendioxid für die Fotosynthese zur Verfügung steht. Die Weite der Spaltöffnungen ist maßgebend für das Verhältnis der Kohlenstoffisotope im aufgebauten organischen Material verantwortlich. Vereinfacht und auf witterungsbedingte Faktoren reduziert heißt dies: Geringe Öffnungsweiten stehen meist für niedrige Feuchten bzw. hohe Temperaturen und wegen der damit einhergehenden geringen internen CO2-Konzentration für geringe Isotopenverschiebungen (hohe Isotopenwerte). Hohe Feuchten bzw. niedrige Temperaturen führen dagegen meist zu großer Öffnungsweite mit hohen internen CO2-Konzentrationen und entsprechend starker Isotopenverschiebung bzw. Fraktionierung [13].
15Neben den Kohlenstoffisotopen zeigen auch die Sauerstoffisotope des organischen Materials Variationen, die mit Veränderungen von Umwelteinflüssen korreliert sind. Da der Sauerstoff des organischen Materials nicht aus dem atmosphärischen CO2 stammt, sondern bei der fotosynthetischen Wasserspaltung freigesetzt wird, ist die 18O/16O-Signatur maßgebend durch das Quellwasser geprägt, das über die Wurzeln aufgenommen wird. Dieses Wasser kann einerseits aus dem Niederschlag (als Regen oder Schnee) stammen, andererseits aber auch durch die Wurzeln aus dem Grundwasser entnommen werden. Weil das Isotopenverhältnis des Sauerstoffs im Niederschlag von der Temperatur beeinflusst wird, steht damit ein Paläothermometer zur Verfügung, falls Änderungen der 18O/16O-Signatur des organischen Materials durch Änderungen des 18O/16O-Verhältnisses des Bodenwassers dominiert werden. Allerdings kann das 18O/16O-Verhältnis des organischen Materials auch durch Veränderungen, die im Blattwasser durch Verdunstung von Wasser an der Blattoberfläche auftreten, geprägt sein, was dann zu einer Verknüpfung der 18O/16O-Isotopensignatur mit der Luftfeuchte führt.
16Bei der Interpretation von Sauerstoffisotopendaten aus Jahrringen ist also die Herkunft des bei der Fotosynthese der Bäume genutzten Wassers entscheidend. Wird das Bodenwasser vom Niederschlag dominiert und haben die Wurzeln praktisch keinen Zugriff auf das Grundwasser, spiegeln die Sauerstoffisotopenwerte die kurzfristigen Temperaturschwankungen auf Jahresbasis wider. Findet die Wasseraufnahme im Wesentlichen aus dem Grundwasser statt, werden eher langfristige Temperaturschwankungen aufgezeichnet (Abb. 11).
Computertomographie und Zellvermessung
17Eine weitere Möglichkeit, die Wuchsbedingungen von Bäumen zu rekonstruieren – und damit die Umweltbedingungen, die während eines Jahres herrschten, in dem der Baum einen Jahrring angelegt hat – ist die Vermessung der Holzzellen [14]. Diese Methode wurde bislang auf der Basis von Dünnschnitten zweidimensional durchgeführt.
18Im aktuell angestoßenen Projekt konnte mit der Beuth-Hochschule für Technik Berlin [15] ein weiterer, hochkarätiger Partner gewonnen werden, der es ermöglicht, den Teilbereich der Zellvermessung auf eine neue methodische Ebene zu heben. Dafür wurden einzelne Holzproben verschiedener Größen mit einem µ-CT vermessen (Abb. 12). Die erreichbare Bildauflösung liegt dabei, je nach Probengröße, im ein- bis zweistelligen µm-Bereich. Die dreidimensionalen CT-Bilder ermöglichen es, beliebig viele virtuelle Schnitte durch eine Holzstruktur zu legen. Daran können einerseits Jahrringbreiten exakt vermessen werden (Abb. 13). Zum anderen können anhand von hochaufgelösten CT-Bildern auch einzelne Holzzellen gut sichtbar gemacht werden, was es erlaubt, deren Zellgrößenverteilung dreidimensional und mit hoher Statistik in jedem einzelnen Jahrring zu ermitteln (Abb. 14). Dabei hilft zusätzlich, dass die CT-Bilder im Kontrast und der Bildschärfe nachbearbeitet werden können, sodass eine Vermessung deutlich einfacher wird als an einer weniger kontrastreichen Originalprobe. Insbesondere für sehr brüchige oder gar verkohlte Holzproben eignet sich die CT als zerstörungsfreie Methode der Datenerfassung sehr gut.
19Die Methode der hochauflösenden Computertomographie als bildgebendes Verfahren ist für die Dendrochronologie ein wichtiger Schritt, weil erstmals Holzanalysen ohne vorherige Probenpräparation, also nicht-invasiv, werden können. Bisherige Verfahren mussten entweder Dünnschnittpräparate [16] oder fein geschnittene Holzblöcke [17] nutzen. Die optische Auflösung der Computertomographiebilder wird den jeweiligen Anwendungen angepasst. Größere Ausschnitte für die Jahrringmessungen benötigen geringere Auflösungen (Abb. 13), wohingegen hochaufgelöste Detailaufnahmen (Abb. 14. 15) für die Zellvermessungen wichtig sind. Die digitalen Bilder werden mit Spezialsoftware analysiert, die Jahrringbreiten mit WinDENDRO [18] und die Zellstrukturen mit dem Bildanalyseprogramm ROXAS [19]. Zellstrukturmessungen sind zeitlich hochauflösender als Jahrringbreiten, die, wie der Name schon sagt, nur einen Wert pro Jahr liefern können. Ein Jahrring besteht hingegen aus vielen Zellreihen (Abb. 16), die jeweils in einer Zeitspanne von ein bis zwei Wochen angelegt werden. Dadurch besitzen Zellstrukturmessungen ein hohes Potential für saisonale Paläoklimasignale im Bereich von wenigen Wochen. Anschließende statistische Verfahren werden genutzt, um aus dem Gesamtdatensatz weitere Messreihen, wie z. B. Mittelwerte der jeweils fünf größten oder kleinsten Zellen im Frühholz (Abb. 15) abzuleiten, die potentiell für Klimarekonstruktionen verschiedener saisonaler Klimaparameter genutzt werden [20].
202020 war es möglich, einen Workflow für die dendroarchäologischen Arbeiten zu entwickeln, der im kommenden Jahr für den genannten Zeitraum weitergeführt werden soll. Aktuell wurden bereits sechs Holzproben für Überblicksbilder gescannt und aus einer Probe wurde ein Detailausschnitt für eine höchstauflösende Analyse entnommen.
Zusammenfassung
21Ein erster Schritt zur Erschließung präziser Klimadaten für den Nordkaukasus konnte 2020 begonnen werden. Es wurden die Weichen für eine Kooperation verschiedener Partner gestellt, die auch methodisch grundlegend neue Komponenten in der Klimaforschung der Region einbringen. Bislang stützen sich die Rekonstruktionen von Umweltveränderungen im Kaukasus vor allem auf Geoarchive. Für den Süden sind hochauflösende Pollen- und Geostratigraphien aus dem Kleinen Kaukasus editiert, doch für den Nordkaukasus fehlen sie weitgehend. Auch an der Südflanke des Großen Kaukasus gibt es noch wenig Informationen zu Umweltveränderungen. Geoarchive sollen in Zukunft auch im Nordkaukasus erschlossen werden und damit die grundlegenden Erkenntnisse zur Landschaftsentwicklung an der Kuban-Mündung ins Landesinnere hinein verfolgt werden.
22Mit der systematischen dendroklimatologischen Untersuchung von Hölzern aus bronzezeitlichen Grabkammern in Kooperation mit dem GFZ Potsdam wird aber methodisches Neuland erschlossen, umso mehr als durch die Kooperation mit der Beuth-Hochschule ein Messinstrumentarium zur Verfügung steht, das neue Zugänge zu bis auf das Zellniveau aufgelösten Bildern ermöglicht. Das Projekt soll, um die südkaukasische Komponente erweitert, 2021 fortgesetzt werden.
Kooperationen
Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ, G. Helle); Beuth-Hochschule für Technik Berlin, Fachbereich Mathematik, Physik, Chemie (A. Haibel, R. Schneider); Universität zu Köln (D. Kelterbaum); Staatliches Historisches Museum, Moskau (D. V. Zhuravlev); Institut für Archäologie RAW, Moskau (S. Ol’khovskiy); CNRS Laboratoire CEPAM Nice (G. Palumbi).
Förderung
Sonderinitiative »Ground Check – Cultural heritage and Climate Change«.
Leitung des Projektes
S. Reinhold, U. Schlotzhauer, S. Hansen, I. Heinrich.
Team
D. Balanzategui, K. Bastert-Lamprich, K.-U. Heussner, A. Janus, M. Venzke.
Abstracts
Abstract
From the High Mountains to the Coast. Climate, Environmental Archives and Archaeology in the Caucasus: New Methodological Approaches in Archaeological Climate Research
In 2020, a pioneering step was taken towards the development of high-precision climate data in the Northern Caucasus. Groundwork was laid for a cooperation of various partners, which also methodologically contributes fundamentally new components to climate research in the region. Up to now, reconstructions of environmental changes in the Caucasus have been based primarily on geoarchives. However, the systematic dendroclimatological investigation of wood from Bronze Age burial chambers in cooperation with the GFZ Potsdam will open up new methodological territory, all the more so as the cooperation with the Beuth University of Applied Sciences provides a measuring instrument that allows new access to images resolved down to the cell level.
Schlagworte
Bronzezeit, Dendrochronologie, Klimaforschung
Резюме
С Высоких гор до побережья. Климат, экологические архивы и археология на Кавказе: новые методологические подходы
Первый шаг к разработке высокоточных климатических исследований по Северному Кавказу был сделан в 2020 году. Проект был разработан в рамках сотрудничества различных партнеров, которые также вносят методологический вклад в фундаментально новые компоненты климатических исследований в регионе. До сих пор реконструкция экологических изменений на Кавказе базировалась, прежде всего, на гео-архивах. Однако систематическое дендроклиматологическое исследование древесины из погребальных камер бронзового века в сотрудничестве с GFZ Потсдам открывает новую методологическую территорию, тем более, что сотрудничество с университетом Бейтa прикладных наук предоставляет измерительный прибор, позволяющий получить новый доступ к изображениям, разрешенным вплоть до клеточного уровня.

Die Arbeiten 2020
Geoarchäologie
Dendroarchäologie
Dendrochronologie
Isotopenanalysen
Computertomographie und Zellvermessung
Zusammenfassung
Kooperationen
Förderung
Leitung des Projektes
Team
Abstracts