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2021-1
Zentrale
Olympia, Griechenland
Die Rekontextualisierung von Befunden und Funden der Schatzhausterrasse von Olympia – Ein Zwischenbericht
Die Arbeiten der Jahre 2019 und 2020
1Das 2019 begonnene und 2020 fortgeführte Projekt »Die Schatzhausterrasse von Olympia: Rekontextualisierung von Befunden und Funden« versucht, die Dokumentation der früheren Ausgrabungen der Schatzhausterrasse in Olympia, v. a. der Grabungskampagnen von 1875 bis 1881, in iDAI.field 2.0 zusammenzuführen. Ziel des Projektes ist es, die Befunde, die bislang nicht bzw. nur zum Teil publiziert sind, und Funde, die bislang nach Fundgattungen getrennt und in Auswahl publiziert sind, zu rekontextualisieren und in iDAI.field 2.0 digital zu veröffentlichen. Dabei wird auch getestet, inwieweit sich das Dokumentationstool iDAI.field 2.0 zur Aufarbeitung und digitalen Publikation alter Grabungsdaten eignet. Parallel dazu findet die Aufarbeitung der Architektur der Schatzhäuser durch den Bauforscher Markus Wolf (Abt. Rom) statt, der auf den Vorarbeiten des Grabungsarchitekten Klaus Hermann aufbaut [1].
2Das Projekt wird abteilungsübergreifend durch die Präsidentin des DAI sowie durch den stellvertretenden Direktor der Abteilung Athen und Leiter der Olympia-Grabung, Reinhard Senff, unterstützt. 2020 hat Regina Zimmermann als WHK sechs Monate lang im Projekt mitgearbeitet.
Die Terrasse der Schatzhäuser im Heiligtum von Olympia – Grabungsgeschichte
3Das Heiligtum von Olympia liegt im Westen der Peloponnes. Die Schatzhausterrasse befindet sich im nördlichen Bereich des Heiligtums, am Fuß des Kronoshügels und ca. 100 bis 150 m vom zentralen Zeustempel entfernt (Abb. 1).
4Die ersten deutschen Grabungen im Heiligtum von Olympia fanden von 1875 bis 1881 jeweils vom Herbst bis zum Frühsommer in sechs Kampagnen unter der Leitung von Ernst Curtius statt. Die Darstellung (Abb. 2) des Architekten Adolf Boetticher zeigt das Gelände vor Beginn der ersten Kampagne. Die Arbeiten der ersten Kampagne konzentrierten sich auf den Zeustempel. Mit gewaltigem logistischem und personellem Aufwand wurde in den folgenden Kampagnen die meterdicke Schlamm- und Erdschicht, die die Altis nach der Aufgabe Olympias in frühbyzantinischer Zeit bedeckte, abgetragen und das Heiligtum zum großen Teil freigelegt, wie der Situationsplan nach der 6. Kampagne 1880/1881 zeigt (Abb. 3).
5Während der 2. Kampagne wurden, ausgehend vom um den Zeustempel freigelegten Areal, drei Suchgräben nach Norden angelegt, die das Heraion, die Exedra des Herodes Atticus und den zentralen Bereich der Schatzhausterrasse anschnitten (Abb. 4a). Dieses Vorgehen hatte Curtius auf Grundlage der Beschreibung des antiken Heiligtums bei Pausanias bereits 1853 in einer Denkschrift zur Ausgrabung Olympias skizziert: (...) man wird den Anfang damit machen, die Tempelruine abzuräumen und in allen ihren Teilen genau zu untersuchen und zu vermessen (...). Aller Abtrag und Schutt wird nach dem Rande des Alpheios gefördert, um in keiner Weise innerhalb des Bezirks der Ausgrabungen hinderlich zu sein. Vom Tempel aus wird man dann mit Sondierungsgraben nach allen bedeutenden Punkten radienartig vorgehen: so z. B. nach dem Kronion hin, um die Subtruktionen der alten Schatzhäuser aufzudecken. (Zitiert nach: Olympia, Textband 1: Topographie und Geschichte (Berlin 1897), 107)
6Während des Frühjahrs 1877 wurden die Schatzhäuser 4 bis 6 sowie 8 bis 10 (nach heutiger Zählung) freigelegt (Abb. 4a). Von diesen Schatzhäusern ausgehend wurden in der folgenden 3. Kampagne (1877/1878) auch die westlich und östlich davon gelegenen Thesauren aufgedeckt. Gleichzeitig wurde von der Exedra des Herodes Atticus am westlichen Ende der Schatzhausterrasse aus nach Osten gegraben. Die Freilegung der Schatzhausterrasse war 1878 im Wesentlichen abgeschlossen (Abb. 4b), in den folgenden Kampagnen wurde noch der Bereich hinter den Schatzhäusern untersucht und die Stützmauer zum Kronoshügel ergraben (Abb. 3).
7Die Grabungen in Olympia wurden 1881 abgeschlossen und erst 1936 wieder in größerem Umfang aufgenommen.
Die Grabungsdokumentation
8Die Grabungsdokumentation der Jahre 1875 bis 1881 entstand parallel zum Grabungsgeschehen. Durch wechselndes Personal wurden Archäologentagebücher (Abb. 5) und -berichte sowie Architektentagebücher und -berichte geschrieben. Zusätzlich sind weitere Notizbücher und Skizzen überliefert.
9Die Funde der Jahre 1875 bis 1881 wurden in handschriftlichen Inventarbüchern erfasst, die nach Gattungen getrennt Funddatum, Fundort sowie eine fortlaufende Nummer und Kurzbeschreibung vermerken (Abb. 6). Insgesamt stammen aus diesen Jahren über 14.000 Bronzefunde, mehr als 4500 Terrakotten, etwa 3000 Münzen, knapp 2000 Skulpturfunde sowie mehrere Hundert Inschriften. Die Grabungsdokumentation und die Inventarbücher wurden von der Abteilung Athen als Einzelseitenscans digitalisiert und teilweise transkribiert.
10In den 1890er-Jahren erschien eine umfangreiche Publikation zur Olympia-Grabung, die in verschiedenen Bänden die Topographie, die Baudenkmäler, die Bildwerke, Bronzefunde und Inschriften der Grabung 1875 bis 1881 behandelt.
Die Rekontextualisierung der Befunde und Funde mit iDAI.field 2.0
11Im Projekt wird die Dokumentation der Ausgrabungen der Schatzhausterrasse in iDAI.field 2.0 zusammengeführt. Dazu wurden die Grabungspläne von 1875 bis 1881 georeferenziert und in iDAI.field 2.0 eingelesen. Die Ausgrabungsschnitte können so im Grabungsdokumentationssystem iDAI.field rekonstruiert werden (Abb. 7). Anhand der Beschreibungen, Notizbücher und Skizzen der frühen Ausgräber wird auch versucht, die archäologischen Befunde der Schatzhausterrasse zu rekonstruieren (Abb. 8). Über die Angaben zu Funddatum und -ort in den Inventarlisten werden die zugehörigen Funde verknüpft. Dazu wurden sowohl die in der Filemaker-Funddatenbank der Grabung Olympia angelegten Datensätze (ca. 200 zur Schatzhausterrasse gehörigen Bronzefunde) in iDAI.field 2.0 überführt als auch etwa 900 Funde aus den handschriftlichen Inventarbüchern von 1875 bis 1881 (Steinskulptur, Terrakotten, Münzen, Inschriften und Varia) neu aufgenommen. Zusätzlich wurden Informationen und Abbildungen aus späteren Veröffentlichungen, wie der Publikation aus den 1890er-Jahren sowie der ab 1944 erschienenen Reihe Olympische Forschungen, integriert.
12Am Beispiel einer männlichen Statuette, die 1878 vor den Schatzhäusern gefunden wurde, lässt sich das Vorgehen veranschaulichen: Das Archäologentagebuch der 3. Kampagne berichtet von den Fundumständen der Marmorskulptur im Januar 1878: Sie wurde aus dem Kieselfundament einer römischen Ziegelmauer gezogen, etwa mittig zwischen der Exedra und dem damals freigelegten westlichsten Schatzhaus (nach heutiger Zählung: Schatzhaus 4), wie die Skizze im Tagebuch zeigt (Abb. 9a). Die Folgeseite skizziert die Fundsituation noch genauer (Abb. 9b). Diese Mauer ist auch mit Höhenangaben im Tafelteil der Publikation zu den Baudenkmälern aus den 1890er-Jahren angegeben.
13Mit Hilfe dieser Angaben lässt sich der Fund im georeferenzierten Plan in iDAI.field 2.0 lokalisieren (Abb. 10). Über Funddatum und -ort lassen sich die Einträge aus den Inventarlisten mit dem im Grabungstagebuch geschilderten Grabungsgeschehen korrelieren. Die Angaben zur Statuette aus dem Inventarbuch wurden in iDAI.field 2.0 als Stammdaten übernommen (Abb. 11). Die in der Inventarliste vermerkte Fundnummer 762 wurde, da die verschiedenen Fundgattungen in den Inventarlisten 1875 bis 1881 jeweils von 1 beginnend nummeriert wurden, durch den Vorsatz »S« für Skulptur eindeutig identifizierbar gemacht und auf Fünfstelligkeit zu S00762 ergänzt. Zusätzlich wurde die Abbildung der Statuette aus der Erstpublikation übernommen.
14Insgesamt ist jedoch nur ein kleiner Teil der für die Schatzhausterrasse inventarisierten Funde später in monographischen Untersuchungen vorgelegt worden. Die Information aus diesen Bänden sowie die bibliographischen Angaben wurden auch in iDAI.field übernommen. Dabei war hilfreich, dass zumindest ein Teil der Reihe Olympische Forschungen bereits digitalisiert vorliegt. Das Beispiel des Fundes S00762 zeigt aber auch, dass es durchaus möglich ist, mit Hilfe der Kombination der verschiedenen Angaben Grabungsbefunde zu rekonstruieren und Funde in iDAI.field zu lokalisieren.
Zwischenbilanz
15Die Aufarbeitung von Altdaten bringt mit sich, dass die Benennung von Ausgrabungsschnitten, Befunden und Funden nicht der heutigen Konvention entspricht. Die ›Übersetzung‹ der Altdaten in eindeutige identifier für iDAI.field 2.0, ohne dass die gebräuchlichen Rufnamen verloren gingen, war eine der Herausforderungen des Projektes.
16Eine weitere Herausforderung bei dieser Art von Rekontextualisierung von Altgrabungen ist, dass ›Dateninseln‹ zusammengeführt und in akribischer Arbeit miteinander in Verbindung gesetzt werden müssen. Für die Schatzhausterrasse in Olympia sind das vor allem die Grabungstagebücher der Jahre 1875 bis 1881, die handschriftlichen Inventarlisten sowie spätere Publikationen. Zahlreiche Objekte und Bildbestände der Grabung sind bereits in iDAI.objects erfasst, so dass eine Schnittstelle zwischen den beiden Systemen wünschenswert wäre. Die gegenwärtige Lösung ist die Angabe der iDAI.objects-Entity-ID zur jeweiligen Ressource in iDAI.field 2.0. Von Vorteil wäre ebenfalls eine Implementierung der digitalisierten Grabungsdokumentation in eine Plattform wie iDAI.archives samt Verknüpfungsmöglichkeit, z. B. einzelner Seiten zu iDAI.field 2.0, so dass die Dokumentation besser in ihrer Gesamtheit erfasst werden kann und beispielsweise Transkripte und Annotationen angefügt werden können. Als Zwischenlösung werden im Projekt relevante Abschnitte der Archivalien als jpg-Dateien in iDAI.field 2.0 eingelesen.
17Auch wenn die Rekontextualisierung der Befunde und Funde der Schatzhausterrasse von Olympia noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich ein positives Zwischenfazit ziehen: iDAI.field 2.0 eignet sich als Werkzeug zur Rekontextualisierung der Befunde und Funde der Schatzhausterrasse von Olympia. Das Vorgehen lässt sich paradigmatisch auch auf andere Areale des Heiligtums ausweiten, die z. B. in Form von Qualifikationsarbeiten in iDAI.field 2.0 aufgearbeitet werden könnten. Übertragbarkeit besteht ebenso für ähnlich gelagerte Projekte zur Aufarbeitung von Altdaten, wobei idealerweise vor der Rekontextualisierung in iDAI.field 2.0 die vollständige Digitalisierung und ggf. Transkribierung der Grabungsdokumentation stehen sollte.
18Zuletzt entstehen bei der intensiven Auseinandersetzung mit der Grabungsdokumentation auch Fragen zu chronologischen, transformativen und forschungsgeschichtlichen Aspekten, die das Potential für die weitergehende Erforschung der Schatzhausterrasse bieten.
Kooperationen
DAI Athen, DAI Rom.
Leitung des Projektes
F. Fless.
Abstracts
Zusammenfassung
Olympia, Griechenland. Die Rekontextualisierung von Befunden und Funden der Schatzhausterrasse von Olympia – Ein Zwischenbericht. Die Arbeiten der Jahre 2019 und 2020
Velia Boecker, Regina Zimmermann
Das Projekt »Die Schatzhausterrasse von Olympia: Rekontextualisierung von Befunden und Funden« versucht, die Dokumentation der früheren Ausgrabungen der Schatzhausterrasse im Heiligtum von Olympia im Grabungsdokumentationssystem iDAI.field 2.0 zusammenzuführen. Ziel des Projektes ist es, die bislang nur teilweise publizierten Befunde und Funde zu rekontextualisieren und in iDAI.field 2.0 digital zu veröffentlichen.
Abstract
Olympia, Griechenland. Die Rekontextualisierung von Befunden und Funden der Schatzhausterrasse von Olympia – Ein Zwischenbericht. Die Arbeiten der Jahre 2019 und 2020
Velia Boecker, Regina Zimmermann
The digital documentation system iDAI.field 2.0 provides the basis to evaluate excavation data and publish them online. »Die Schatzhausterrasse von Olympia: Rekontextualisierung von Befunden und Funden« is one of the projects in which the retrospective processing and publication of earlier excavations is being tested. The treasuries at Olympia have been excavated in the early campaigns in Olympia between 1875 and 1881. The documentation consists of site notebooks, handwritten reports, sketches, registers as well as the publication of the excavation results and part of the finds. The project aims to combine these data sets and recontextualize them in iDAI.field 2.0 to publish the archaeological contexts and the related finds online.
Die Terrasse der Schatzhäuser im Heiligtum von Olympia – Grabungsgeschichte
Die Grabungsdokumentation
Die Rekontextualisierung der Befunde und Funde mit iDAI.field 2.0
Zwischenbilanz
Kooperationen
Leitung des Projektes
Abstracts