Typesetting
2021-1
Zentrale
Berlin, Deutschland
Fernpraktika am DAI – ein neues Format zur Nachwuchsförderung
Die Fernpraktika des Jahres 2020 und der ersten Jahreshälfte von 2021
1Die Pandemie, die vor knapp eineinhalb Jahren begann, hat auch im DAI zu raschen und tiefgreifenden Veränderungen im Arbeitsalltag geführt. Während man als Mitarbeiter*in eines Forschungsinstituts relativ privilegiert war, was z. B. die Nutzung von Forschungsinfrastrukturen angeht, so stellte sich die Situation von Studierenden weitaus schwieriger dar. An den Universitäten gab es keine Präsenzveranstaltungen mehr und auch die Nutzung von Bibliotheken war stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Das DAI reagierte darauf mit der Einführung eines neuen Formates zur Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Innerhalb von wenigen Wochen wurden mehrere Fernpraktika angeboten, deren Themenschwerpunkte sich aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Forschungsprojekten des DAI speisten. Die Praktika richteten sich an Studierende in den altertumswissenschaftlichen Fächern und ihrer Nachbardisziplinen.
2Bei diesem neuen Format handelt sich um bezahlte Praktika, die jeweils 6 bis 8 Wochen dauern und in denen max. 10 Teilnehmenden in Form von regelmäßigen online-Veranstaltungen Kenntnisse und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen des DAI vermittelt werden. Parallel dazu bearbeiten die Studierenden individuelle Aufgaben, in denen sie das Erlernte anwenden. Insgesamt fanden bislang neun solcher Fernpraktika am DAI statt. Das Format wird auf Grund der anhaltenden Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie bis heute fortgesetzt. Unter den bereits angebotenen Themen befindet sich ein Praktikum zur Öffentlichkeitsarbeit (Mai/Juni 2020), zum Forschungsdatenmanagement (Mai/Juni 2020), zum Archiv der Abteilung Athen (Mai/Juni 2020) und zur antiken Baukeramik (Oktober–Dezember 2020). Von der Verfasserin, die sich einerseits um den Bereich der Nachwuchsförderung am DAI kümmert und andererseits ein Projekt zur Forschungsgeschichte des Palatins in Rom durchführt, wurden bislang zwei aufeinander aufbauende Praktika organisiert und durchgeführt. Auf beide Veranstaltungen, ein Fernpraktikum zu den Arbeitstechniken in den Altertumswissenschaften (Oktober/November 2020) und ein Fernpraktikum zur Aufbereitung und Strukturierung von Forschungsdaten zum Aufbau eines Geoinformationssystems zum Palatin (April bis Juni 2021) wird im Folgenden näher eingegangen und ihr Konzept erläutert.
3Das Praktikum zu den Arbeitstechniken in den Altertumswissenschaften fand von Oktober bis Mitte November 2020 unter der Leitung der Verfasserin statt und verfolgte das Ziel einerseits grundlegende Arbeitstechniken wie das Formulieren einer wissenschaftlichen Fragestellung, die Materialrecherche und die Gliederung einer wissenschaftlichen Arbeit zu vermitteln und andererseits die in der Archäologie allgegenwärtigen Visualisierungen, ihre Entstehung und Verwendung, kritisch zu reflektieren (Abb. 1). Das Thema wurde anhand der Visualisierungen des Palatins in Rom näher besprochen, da sie Teil eines größeren Forschungsprojektes der Verfasserin zum Palatin als Ort der Wissensgenerierung sind. Neu war, dass in diesem Praktikum auch drei externe Gäste ihr Expertenwissen eingebracht haben. Dank der Gastvorträge von Dominik Lengyel (BTU Cottbus, Lehrstuhl Architektur und Visualisierung), Sebastian Hageneuer (Universität zu Köln, Institut für Archäologie, Bereich Archäoinformatik) und Sylva van der Heyden (TU Berlin, Doktorandin am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik) wurden mit einem Schwerpunkt auf der Stadt Rom unterschiedliche Visualisierungstechniken (vom Rompanorama von Josef Bühlmann von 1888 bis zu 3D-Modellen) thematisiert, ihre spezifischen Eigenschaften herausgearbeitet und der Umgang mit ihnen innerhalb der altertumswissenschaftlichen Disziplinen reflektiert. Die primär in der ersten Hälfte des Praktikums vermittelten Inhalte zu den Arbeitstechniken ermöglichten wiederum den Teilnehmenden ihre Arbeitsaufgaben zu erledigen. Sie konnten hier unter verschiedenen Aufgabentypen frei wählen und entschieden sich entweder für den Vergleich von zwei Bilddatenbanken und die Erstellung eines dazugehörigen Handouts, die Recherche von Literatur- oder Bildmaterial zum Palatin oder die Erstellung eines Exposés für eine geplante Abschlussarbeit. Auffällig war, dass sich rund ein Drittel für die Erstellung eines Exposés entschieden, um die im Praktikum vermittelten Kenntnisse sogleich auf ein eigenes Projekt anzuwenden. Die Rückmeldungen aus der Gruppe der Praktikant*innen war insgesamt sehr positiv, insbesondere was die Vermittlung von Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens betrifft, die in Seminaren an der Universität häufig nur am Rande thematisiert oder stillschweigend vorausgesetzt werden.
4Das Praktikum zur Aufbereitung und Strukturierung von Forschungsdaten zum Aufbau eines Geoinformationssystems (GIS) zum Palatin fand von Mitte April bis Mitte Juni 2021 statt und wurde in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte Bibliotheca Hertziana in Rom durchgeführt. Inhaltlich schloss das Praktikum an das Erste an, in dem Grundlagen zur Entstehung und zum Einsatz von Visualisierungen in der Archäologie gelegt worden sind. Im zweiten Praktikum widmeten sich die Teilnehmenden der Aufbereitung und Analyse von Abbildungen des Palatins von der Frühen Neuzeit bis heute. Insgesamt wurden so rund 600 Abbildungen des Palatins aus der Sammlung von Klaus Werner (Bibliotheca Hertziana, Digitalisierung) mit Metadaten angereichert und für die Aufnahme in ein GIS innerhalb der iDAI.world vorbereitet. Die Studierenden profitierten dabei von dem umfangreichen Wissen von Klaus Werner zu den Visualisierungen des Palatins und zur Erstellung von interaktiven Karten. Parallel vermittelte die Verfasserin grundlegende Kenntnisse zur Geschichte des Palatins in der Antike, seiner Erforschung in der Frühen Neuzeit und zu den Forschungsinfrastrukturen in Rom. Die Studierenden erhielten außerdem in Form von Kurzvorträgen Einführungen zum Forschungsdatenmanagement (Juliane Watson, DAI, FDM) und zum Urheberrecht in den Geisteswissenschaften (Peter Baumeister, DAI, Redaktion Zentrale). Durch die Vorträge zu PalmyraGIS (Benjamin Ducke, DAI, Wiss. IT) und zum Esquilin in der Frühen Neuzeit (Marco Brunetti, Bibliotheca Hertziana, Abteilung Michalsky) gewann das Praktikum zusätzlich an Qualität, da man anhand von zwei vergleichbaren Projekten die Struktur des GIS schärfen und die historische Einordnung von bestimmten Phasen in der Erforschung des Palatins konkretisieren konnte.
5Resümierend kann festgehalten werden, dass bei allen bislang angebotenen Praktika für Studierende altertumswissenschaftlicher Fächer und ihrer Nachbardisziplinen die Resonanz sehr groß war. Dabei stellte sich heraus, dass dieses gewissermaßen aus der Not heraus entstandene Format eine attraktive Möglichkeit ist, Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet zu erreichen und weiterzubilden. Die Teilnehmenden wiederum nutzten das Praktikum dazu sich untereinander zu vernetzen und über aktuelle Forschungen (Abschlussarbeiten etc.) auszutauschen. Es würde nicht verwundern, wenn sich im Anschluss an ein Fernpraktikum der*die ein oder andere Student*in zu einem Studienortwechsel entschließt oder sich um die Mitarbeit bei einem DAI-Projekt bewirbt. Die Praktikant*innen betonten außerdem, dass sie durch die Veranstaltung einen interessanten Einblick in die Struktur und Arbeit des DAI erhalten haben, der ihnen ohne eine derartige Veranstaltung verwehrt geblieben wäre. Die mit den Fernpraktika intendierte Nachwuchsförderung erfolgt sogar in doppelter Hinsicht: Das Format sprach sowohl den wissenschaftlichen Nachwuchs in Form von Studierenden an als auch in Form von PostDocs am DAI, die auf diese Weise die Möglichkeit bekamen Lehrerfahrung zu sammeln, unabhängig davon, an welcher Abteilung im In- und Ausland sie arbeiten. Das digitale Format bietet hier eindeutig Vorteile für Studierende und Lehrende. Insgesamt ist es gelungen, mit den Fernpraktika einen sinnvollen Baustein in Ergänzung zum Studium zu schaffen.
Fernpraktikum »Arbeitstechniken in den Altertumswissenschaften«
B. Sielhorst (Organisation und Leitung), D. Lengyel (Vortrag zur Entwicklung von Stadtmodellen), S. van der Heyden (Vortrag zu Visualisierungen des antiken Rom), S. Hageneuer (Vortrag zu 3D-Rekonstruktionen).
Fernpraktikum »Aufbereitung und Strukturierung von Forschungsdaten für ein Geoinformationssystem zur Forschungsgeschichte des Palatins«
B. Sielhorst (Organisation und Leitung), K. Werner (Co-Leitung), J. Watson (Vortrag zum Forschungsdatenmanagment), P. Baumeister (Vortrag zum Urheberrecht in den Geisteswissenschaften), B. Ducke (Vortrag zu PalmyraGIS), M. Brunetti (Vortrag zum Esquilin in der Frühen Neuzeit).
Abstracts
Zusammenfassung
Berlin, Deutschland. Fernpraktika am DAI – ein neues Format zur Nachwuchsförderung. Die Fernpraktika des Jahres 2020 und der ersten Jahreshälfte von 2021
Barbara Sielhorst
Das zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 am DAI neu eingeführte Format der Fernpraktika hat sich als Instrument der Nachwuchsförderung in mehrfacher Hinsicht bewährt. Aus Perspektive der Studierenden bietet es neben der Möglichkeit ein in vielen Lehrplänen vorgesehenes Pflichtpraktikum zu absolvieren auch die Chance einen Einblick in aktuelle Forschungen des DAI zu bekommen und damit wichtige Impulse und Kontakte für die zukünftige Karriere zu erhalten. Für die Wissenschaftler*innen des DAI wiederum bieten die Praktika einen Rahmen ihre laufenden Projekte zu vermitteln, aktuelle Forschungsfragen mit den Studierenden zu diskutieren und Erfahrungen in der digitalen Lehre zu sammeln.
Schlagworte
Altertumswissenschaften, Heiligtümer, Rekonstruktionen, Retrodigitalisierung
Abstract
Berlin, Deutschland. Fernpraktika am DAI – ein neues Format zur Nachwuchsförderung. Die Fernpraktika des Jahres 2020 und der ersten Jahreshälfte von 2021
Barbara Sielhorst
At the beginning of the pandemic in spring 2020 the DAI relaunched a new format of online internships which established itself as an effective instrument for the development of junior researchers. Despite the possibility to complete an often required internship from the student’s point of view the format offers also the chance to get a deeper look inside current research of the DAI and thus getting important inspirations and contacts for their future career. In turn for the researchers at the DAI the internships offer the possibility to present their projects in progress, to discuss current research issues with the students and to gather experience in digital teaching.
Fernpraktikum »Arbeitstechniken in den Altertumswissenschaften«
Fernpraktikum »Aufbereitung und Strukturierung von Forschungsdaten für ein Geoinformationssystem zur Forschungsgeschichte des Palatins«
Abstracts
2021-1