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Frauen in der Knotenpalla auf attischen Grabreliefs
Mehr als nur Dienerinnen der Isis?
1Insgesamt haben sich mehr als 70 Grabreliefs mit Frauen im Gewand und mit den Attributen der Isis[1] (Abb. 1) ganz oder in Fragmenten erhalten[2]. Innerhalb der attischen Grabreliefs römischer Zeit bilden sie die größte Untergruppe der Frauendarstellungen; chronologisch verteilen sie sich einigermaßen gleichmäßig von der iulisch-claudischen Zeit bis ins dritte Jh. n. Chr.[3] Die von den Frauen übernommene Ausstattung der Göttin besteht aus der Knotenpalla, Isislocken sowie den auch in ihrem Kult verwendeten Geräten sistrum und situla [4].
2Diese Übernahme ist in Athen kein neues Phänomen: Kultpersonal wurde bereits auf den Grabreliefs klassischer Zeit teilweise mit den Attributen der entsprechenden Gottheit gezeigt[5]. Zwar nennen die Grabreliefs der Frauen im Isiskostüm kein bestimmtes Amt, das sie innehatten. Zahlreiche schriftliche Zeugnisse und andere Hinweise legen jedoch nahe, dass es sich bei ihnen wohl um Eingeweihte in den Kult handelte [6]. Im Rahmen der Einweihung erhielten sie das Gewand, welches auch die Göttin trägt. In der Folge konnten sie verschiedene Aufgaben im Kult übernehmen und sind daher – obgleich keine Priesterinnen – als Kultpersonal anzusprechen[7]. Mit ihrer großen Zahl dominieren sie dabei nicht nur die Frauendarstelllungen im attischen Grabrelief, sondern auch die Bildnisse weiblichen Kultpersonals der Isis[8]. Daher zogen diese Reliefs immer wieder als Zeugnisse des Isiskults das Interesse der Forschung auf sich. Bislang überwiegt jedoch eine eher isolierte Betrachtungsweise, welche zum einen die spezifischen Eigenschaften des Mediums ›attisches Grabrelief römischer Zeit‹ kaum berücksichtigt, zum anderen ihr Verhältnis zu den generischen Darstellungen nicht mit in den Blick nimmt – also solchen Bildern, die keine bestimmte Person, sondern Kultpersonal der Isis an sich zeigen. Hier soll dargelegt werden, dass die Darstellungen der Isiacae nur im Kontext des verwendeten Mediums – insbesondere der übrigen Frauendarstellungen dort – sowie vor dem Hintergrund der generischen Darstellungen verständlich werden.
3Dazu soll im Folgenden zunächst kurz die Situation des Isiskultes in Athen geschildert werden. Anschließend werden die Grabreliefs der Isisanhängerinnen in Beziehung zu den generischen Darstellungen des Kultpersonals des Isiskultes und der in Athen nachweisbaren Kultpraktiken gesetzt. Zuletzt werden die Isiacae auf den attischen Grabreliefs römischer Zeit unter Berücksichtigung der dabei erzielten Erkenntnisse mit den übrigen sich dort präsentierenden Frauen verglichen.
Der Kult der Isis in Athen
4Zahlreiche Zeugnisse belegen die Ausübung des Isiskultes in Athen. Ein Dekret des Jahres 333/332 v. Chr. liefert durch die Nennung eines – bislang archäologisch nicht fassbaren – Tempels im Piräus den Terminus ante quem für Etablierung des Isiskultes in Athen, gleichzeitig ist dies der älteste Beleg für den Kult aus Ägypten stammender Gottheiten außerhalb Ägyptens[9]. Es bestanden noch weitere Tempel: Am südlichen Akropolisabhang, genauer gesagt im Westen der Asklepiosterrasse , befinden sich die Überreste eines kaiserzeitlichen Naiskos, der mit den dort gefundenen Inschriften verbunden wird, die ein Isisheiligtum bezeugen[10]. Literarisch und epigraphisch ist außerdem ein Sarapeion nachgewiesen[11]. Weitere Inschriften weisen auf ein Heiligtum im Bereich der Agora hin[12]. Ergraben wurde zudem ein Isisheiligtum in Marathon[13], das jedoch Teil des Anwesens des Herodes Attikus und wohl nicht öffentlich zugänglich war[14].
5Es lassen sich für Athen und Attika jedoch nicht nur Tempel, sondern auch ein stark ausdifferenziertes Kultpersonal, vom Priester bis zur Lampenanzünderin oder -trägerin, belegen[15]. Wie eine jüngere Untersuchung nahelegt, gewannen dabei die Ämter im Kult der Isis in Athen in der Kaiserzeit ein erhöhtes soziales Ansehen[16]. Die Benennung der Ämter lässt außerdem Rückschlüsse auf vielfältige Kultpraktiken zu: Ein στολιστής wird mit der täglichen Bekleidung der Kultstatue in Verbindungen gebracht[17], die λυχνάπτρια weist auf nächtliche Rituale hin[18] und die ὀνειροκρίτις war für die Traumdeutung zuständig. Aus der hellenistischen Zeit ist ein Kultverein von Sarapiasten unter dem Vorsitz einer προερανίστρια bekannt, der wahrscheinlich 50–80 Mitglieder zählte und Opfer und Agone ausrichtete [19]. Die starke Ausdifferenzierung der Ämter und die Vielfalt der Kultpraktiken findet offensichtlich keinen Niederschlag in den Grabreliefs, die stets das gleiche Attributset mit nur geringen Variationen zeigen.
Das Kultpersonal der Isis in generischen Darstellungen
6Wodurch zeichnet sich das Kultpersonal auf generischen Darstellungen aus? Als Beispiel soll ein Fresko aus Herculaneum [20] betrachtet werden, dessen ursprünglicher Kontext unbekannt ist, sowie der Dekor der reliefierten Säulen des Isisheiligtums auf dem Marsfeld in Rom [21], da aus Griechenland selbst bislang keine generischen Darstellungen des Isiskultes bekannt geworden sind. Auf dem Fresko ist ein Tempel auf einem Podium zu sehen, davor unterhalb der Treppe ein Altar. Zahlreiche Figuren sind abgebildet, die sich in mehrere Gruppen einteilen. Zunächst befindet sich direkt vor der Tür des Tempels ein Priester, eingehüllt in einen weißen Mantel, der in seinen verhüllten Händen einen sog. canopus hält. Er wird von zwei weiteren Figuren, männlich und weiblich, flankiert, beide sind mit sistrum und situla ausgestattet. Vor der Treppe hat sich eine in zwei Gruppen geteilte Menge von Figuren ohne Kultgewänder eingefunden; lediglich eine dieser Figuren trägt ein sistrum. Sie sind wohl als Laiinnen und Laien anzusprechen. Um den Altar gruppieren sich weitere Figuren mit spezifischer Kultkleidung und Kultattributen. Zumindest eine Frau trägt Isislocken sowie eine palla contabulata, ein weiteres mit der Göttin selbst verbundenes Gewand[22]. Ein Priester fächelt dem Feuer auf dem Altar Luft zu und am Boden sitzt ein Diaulosspieler. Insgesamt wird das Kultpersonal durch Kleidung, Attribute und Position als hierarchisch gegliedert und spezialisiert gezeigt, wie dies auch die oben erwähnten Funktionsbezeichnungen des Kultpersonals erwarten lassen[23]. Die Kombination aus situla und sistrum steht dabei der untersten Hierarchiestufe anscheinend nicht zu. Ähnliches zeigt sich auch bei den generischen Darstellungen von Kultpersonal auf den Reliefsäulen des Iseum Campense: Zwar wird hier keine Hierarchie deutlich, aber zahlreiche verschiedene Kultgeräte wie Musikinstrumente und Standarten mit Götterbildern weisen auf eine stark ausdifferenzierte Kultpraxis und spezialisiertes Kultpersonal hin.
Die Isiacae auf den attischen Grabreliefs römischer Zeit
7Schon ein kurzer Blick auf die vollständig bzw. weitgehend komplett erhaltenen Exemplare attischer Grabreliefs römischer Zeit mit Isisanhängerinnen zeigt – wie bereits erwähnt –, dass sich dort nicht diese Vielfalt an Kultgeräten wiederfindet, auch wird nur eines der im Kult verwendeten Gewänder getragen. An dieser Stelle könnte eingewendet werden, dass dies möglicherweise lokalen Bräuchen geschuldet war. Allerdings ist aus Athen die Statue einer Isisanhängerin in der kontabulierten palla erhalten, die dort also nicht unbekannt war [24]. Die für den kultischen Gebrauch in Athen nachgewiesenen Lampen oder Fackeln sind ebenfalls nicht zur Darstellung gebracht[25]. Wenn die Kultpraxis nicht allein ausschlaggebend für die Gestaltung der Grabmäler war, muss analysiert werden, welchen Mehrwert die gewählten Attribute in der Selbstdarstellung boten.
8Formal besteht das Gewand der Isiacae aus denselben Bestandteilen wie auch die Gewänder der übrigen Frauen auf den attischen Grabreliefs: Untergewand und Mantel. Die Drapierung setzt es jedoch visuell stark von den Gewändern anderer Frauen ab[26]: Ein Zipfel des Mantels wird von hinten über die linke Schulter geführt, der Mantel unterhalb des Busens einmal um den Körper gelegt und dann über die rechte Schulter wieder nach vorn gebracht. Dort wird der rechte Zipfel zwischen den Brüsten kunstvoll mit dem Mantelsaum verschlungen. So entsteht jener Knoten, nach dem die Forschung das Gewand benennt. In Athen entstand eine Sonderform der Drapierung: Hier wurden beide Zipfel mit dem Saum verknotet[27]. Es handelt sich dabei um ein Gewand aus dem Ägypten der Ptolemäerzeit, das vor allem im zeremoniellen Kontext genutzt wurde und in besonderem Maße mit den ptolemäischen Königinnen verbunden war[28]. Nach Sabine Albersmeier ging es nicht, wie man lange glaubte, von der Göttin auf die Königinnen, sondern umgekehrt im Rahmen der visuellen Angleichung von Königin und Göttin von den Ptolemäerinnen im 2. Jh. v. Chr. auf Isis über[29]. Die literarischen Zeugnisse informieren uns zudem darüber, dass die Gewänder im Isiskult aus Leinen bestanden[30]. Nach Ausweis des Diokletianischen Preisediktes war Gewebe aus Leinen bis zu viermal teurer als solches aus Wolle[31]. Tatsächlich wird in den Bildern häufig auch auf die hohe Qualität des Stoffes hingewiesen: Die Mäntel sind mit einer Fransenkante verziert, deren feine Fransen detailreich ausgearbeitet werden, wie etwa die hier abgebildete Grabstele der Alexandra (Abb. 2) zeigt[32]. Zusammenfassend handelt es sich also um ein Gewand, das als exotisch, teuer und auffällig gelten darf.
9Das sistrum wird von Apuleius in der Prozession zum navigium Isidis als Attribut der Eingeweihten beschrieben, welches sogar aus Gold gefertigt sein kann, darüber hinaus trägt auch der Oberpriester dieses Gerät[33]. Auch auf den generischen Darstellungen ist das Kultpersonal häufig mit sistrum ausgestattet, beispielsweise auf dem bereits besprochenen Fresko aus Herculaneum. Dort halten es die dargestellten Personen wie auf den Grabreliefs in der erhobenen rechten Hand. Da dort explizit Kulthandlungen gezeigt werden, kann davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um eine bloße Geste der Präsentation handelt, sondern auf die tatsächliche rituelle Verwendung Bezug genommen wird. Die Frauen zeigen also, dass sie am Kult und seinen Ritualen aktiv mitwirken[34]. Selbiges kann auch für das zweite maßgebliche Attribut der Göttin und der Isiacae gelten, die situla. Sie wird in den schriftlichen Zeugnissen jedoch höchstens indirekt erwähnt. In der von Apuleius beschriebenen Isisprozession verwendet ein Teilnehmer ein goldenes Gefäß zur Libation von Milch – seine Form ist der einer Brust nachempfunden[35]. Es könnte sich also um eine situla handeln[36]. Wie auch beim sistrum wird der Gebrauch der situla in den generischen Darstellungen gezeigt.
10Ähnlich wie die sorgfältig ausgearbeiteten Gewandfransen sind auch einige situlae und sistra, wie das hier (Abb. 3) gezeigte[37], detailreich dargestellt und können als Zeichen von Wohlstand gelesen werden, wenn man in Betracht zieht, dass sie wie bei Apuleius geschildert aus kostbaren Metallen hergestellt waren. Als weiteres, aber optionales Attribut können Girlanden auftreten, die die Göttin und die sterblichen Frauen um den Körper tragen[38]. Die Ausführung der Girlanden reicht dabei von sehr summarisch bis hin zu einer detaillierten Angabe der verwendeten Pflanzen [39]. Girlanden können ganz allgemein als festlicher Schmuck gelten, der auch im sakralen Bereich häufig verwendet wurde[40], der Altar auf dem oben beschriebenen Fresco aus Herculaneum ist mit einer üppigen Girlande geschmückt. Damit sind auch bei den Girlanden ähnliche Tendenzen fassbar, wie bei den zuvor genannten Attributen: Einerseits richten sich die Isiacae am Erscheinungsbild ihrer Gottheit aus, andererseits verweisen sie auf kultische Handlungen. Auch auf den materiellen Aufwand, der im Rahmen dieser Handlungen betrieben wird, kann mit einer besonders prächtigen Girlande angespielt werden[41].
11Einige Grabmäler zeigen zusätzlich noch die cista mystica, die sich sowohl mit der Isiaca im Bildfeld befinden als auch im Giebel (Abb. 4) wiedergegeben werden kann[42]. Von der Forschung wird die cista mystica in der Regel als Verweis auf den Mysteriencharakter des Isiskultes interpretiert und bildet damit einen zusätzlichen Hinweis auf die Mystenschaft der Verstorbenen[43].
12Zusammenfassend erbringt die Analyse, dass die Attribute, welche die Isismystinnen als solche kennzeichnen, durch ihr Material oder ihre detailreiche Ausgestaltung als teuer und kostbar dargestellt werden konnten. Die cista mystica verweist auf die Einweihung in den Kult, die ebenfalls mit einigem finanziellen Aufwand verbunden war[44]. Die ungewöhnliche Drapierung der Knotenpalla hebt ihre Trägerinnen außerdem visuell heraus und generiert dadurch Aufmerksamkeit für das Monument.
13Zudem kann noch eine weitere Bedeutung transportiert werden: Anja Klöckner hat für smyrnäische Grabstelen mit Frauen im Habitus der Demeter (Abb. 5) gezeigt, dass diese aufgrund eines spezifischen Kultgefäßes mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglieder eines bestimmten Kultvereins meinen[45]. So konnten gesellschaftliche Beziehungen zu den anderen Mitgliedern des Vereins visualisiert werden. Für das kaiserzeitliche Attika sind Kultvereine der Isis nachgewiesen, so dass dort durch die Kennzeichnung als Eingeweihte in den Isiskult ebenfalls soziale Beziehungen sichtbar gemacht werden konnten, wenngleich auf ein spezifisches Vereinsattribut verzichtet wurde[46].
Die ›Isiacae‹ im Kontext der attischen Grabreliefs römischer Zeit
14Wie verhalten sich die Darstellungen der Isiacae nun zu den übrigen Bildnissen auf den attischen Grabreliefs römischer Zeit? Zunächst ist festzuhalten, dass die Darstellung von Personen dort an die Verwendung bestimmter Typen gebunden ist[47]. Der Isishabitus ist der am häufigsten für Frauen gewählte Typus[48]. Die anderen Frauen sind im Typus der großen und kleinen Herculanerin[49] (Abb. 6), dem sog. Normaltypus[50] und dem Typus Puteal Albani dargestellt[51]. Letzterer, der die Frau an eine zweite Figur angelehnt zeigt, verdeutlicht familiäre Verbundenheit[52]. Betrachtet man die Darstellungen der Frauen im Isishabitus in diesem Kontext, zeigt sich, dass sie sich durch die Drapierung des Gewands und ihre Haltung deutlich von den Frauen im bürgerlichen Habitus abheben und durch die Attribute stärker auf ihren Wohlstand anspielen als sonst in diesem Medium üblich. Gleichwohl wird in dem typengebundenen Medium zugunsten eines einprägsamen Schemas darauf verzichtet, die ausdifferenzierte Kultpraxis abzubilden.
15Ein Punkt aber verbindet die unbürgerlich gekleideten Isisanhängerinnen mit den anderen Frauen: Frauen werden dabei häufig nicht allein, sondern zusammen mit Familienmitgliedern gezeigt. Tatsächlich bilden von 26 Stelen, die ganz oder soweit erhalten sind, dass das ursprüngliche Format noch erschlossen werden kann, 18 die Isiaca nicht allein ab, sondern in Begleitung ihres Mannes (Abb. 4), Sohnes oder von weiteren Verwandten (Abb. 7 und die tabellarische Übersicht in Abb. 8). Die Isiaca war also in der Mehrheit der Fälle nicht ausschließlich als solche konzipiert, sondern neben ihrer sozialen Rolle als Kultausübende wurde noch mindestens eine weitere als Gattin, Mutter, Tochter oder Schwester gezeigt. So werden sie zumeist nicht auf ihr Kultamt reduziert, sondern wie viele andere Frauen zusätzlich über ihre familiäre Rolle definiert. Dabei wird das fremde und unbürgerliche Gewand mit dem bürgerlichen Frauenideal kombiniert.
16Bezogen auf die Darstellung des jeweiligen Paares bzw. der jeweiligen Familie, der das Grabmal galt, ist die durch das Gewand und die Attribute visualisierte Kultteilnahme also lediglich ein Aspekt. Mit einer Ausnahme beziehen sich die anderen dargestellten Familienmitglieder selbst nicht auf den Kult: Nur der im Vordergrund stehende Mann auf der Grabstele des Sohns der Zosimos[53] (Abb. 7) trägt wie die Frau ein sistrum, jedoch statt einer situla eine patera. Bei der Betonung der verschiedenen Aspekte wird außerdem sehr genau abgewogen. Dies ist an der Grabstele der Methe ersichtlich: Statt das sistrum in ihrer Hand zu halten, hat sie den rechten Arm um die Schultern ihres Ehemanns gelegt und betont so die eheliche Verbundenheit der beiden. Das Kultgerät, auf das man dennoch nicht verzichten wollte, ist in den Giebel gerutscht, wo es auf ihrer Seite neben der cista mystica liegt. Die Grabstele des Neikias und der Aristo[54] hingegen zeigt statt der häufig im Giebel zu sehenden cista mystica an dieser Stelle ein Schiff, das möglicherweise auf den Beruf des Mannes verweist[55]. Ammia Vibullia[56] wiederum ist nicht zusammen mit einem Familienmitglied zu sehen, doch wird sie von einer kleinen Dienerin mit Schmuckkästchen begleitet, nimmt also die Rolle einer Herrin ein, die über Bedienstete verfügen kann.
17Zuletzt ist noch darauf zurückzukommen, dass die Übernahme des Kostüms der Göttin durch Kleidung, Frisur und Attribute die Frauen zudem visuell an Isis angleicht. Diesem Aspekt wird von der Forschung zumeist inhaltlich wenig Bedeutung beigemessen, da er durch die Kultpraxis an sich erklärt wird[57]. Tatsächlich wirkt der Verweis auf Isis und damit auf ihre Eigenschaften als herausragende Ehefrau und Mutter besonders bei den Darstellungen der Isisanhängerinnen mit ihren Familienmitgliedern passend[58].
18Die attischen Grabreliefs mit Frauen im Kostüm der Isis sind also nicht als dokumentarische Zeugnisse des Kultes zu verstehen, da sich die Darstellungen in die Konventionen des typengebundenen Mediums fügen. Die zum Typus der Isiaca gehörenden Attribute erzeugen durch ihre Abweichung von der bürgerlichen Norm Aufmerksamkeit und bieten die Möglichkeit, Wohlstand über die sonst geltenden strengen Grenzen – Schmuck etwa wird in der Regel nicht gezeigt – hinaus zu visualisieren. Auch soziale Kontakte konnten sichtbar gemacht werden. Der visuelle Bezug auf Isis, den die von der Göttin übernommene Kulttracht herstellt, ist zudem geeignet, die der Göttin zugeschriebenen Eigenschaften als gute Mutter und Gattin auch auf die Verstorbene zu übertragen. Soweit nachweisbar prägt in der Mehrheit der Fälle die Rolle als aktive Teilnehmerin am Kult der Isis nicht allein das Bild der Dargestellten: Gemeinsam mit ihrem Gatten oder Sohn dargestellt, wird neben den distinktiven Tendenzen die Erfüllung des bürgerlichen Frauenideals betont.
Abstracts
Zusammenfassung
Frauen in der Knotenpalla auf attischen Grabreliefs
Mehr als nur Dienerinnen der Isis?
Annemarie Schantor
Attische Grabreliefs römischer Zeit mit Frauen im Isiskostüm prägen unser Bild des Isiskultes und seiner Anhängerinnen. Der Abgleich der Reliefs mit den inschriftlich überlieferten Informationen über die Heiligtümer und die Kultpraxis in Athen zeigt jedoch, dass diese keine Spuren in den Bildnissen hinterlassen hat. Auch von den bekannten generischen Darstellungen des Isiskultes weichen sie ab. Statt spezifische Praktiken oder die ausdifferenzierte Ämterhierarchie des Kultes wiederzugeben, fügen sich die Darstellungen der Isiacae auf den Grabreliefs alle in einen Typus ein, wie es in diesem Medium üblich ist. Betrachtet man die Isisanhängerinnen im Kontext der anderen dort dargestellten Frauen, zeigen sich Gemeinsamkeiten: Während ihr exotisches Gewand Aufmerksamkeit erzeugt und Wohlstand visualisieren kann, ordnen sie sich durch ihre Charakterisierung als Gattin oder Mutter wieder in die bürgerliche Norm ein. Es sind also nicht ausschließlich kultische Gegebenheiten, die die Gestaltung bedingten, sondern auch das Repräsentationsinteresse der Verstorbenen bzw. ihrer Angehörigen.
Schlagwörter
Athen, Grabreliefs, Kultpersonal, Isis
Abstract
Women with ›Knotenpalla‹ on Attic Grave Reliefs
More Than Just Devotees of Isis?
Annemarie Schantor
Attic grave stelai of the Roman era showing women in the dress of Isis shape our understanding of the cult of Isis and her devotees. Comparison of the reliefs with the epigraphical evidence of how the cult was practiced in Athens makes clear that these practices left no trace in the grave stelai. The pictures on the stelai also deviate from generic images of the cult. Instead of depicting specifically Attic practices or the nuanced hierarchy of the personnel of cult, the portraits of the Isiacae fit into a type, following the conventions of this medium. A closer look at the Isiacae in the context of the other women portrayed on the Attic stelai of the Roman era reveals shared qualities: While the exotic garment helps to attract attention and signals affluence, their characterization as wife and mother integrates them within the civic norm. Hence, their images are not only a result of the customs of the cult, but are also shaped by the wish to create a representative image of the deceased (and in some cases their family members).
Keywords
Athens, grave reliefs, cult personnel, Isis
Der Kult der Isis in Athen
Das Kultpersonal der Isis in generischen Darstellungen
Die auf den attischen Grabreliefs römischer Zeit
Die ›Isiacae‹ im Kontext der attischen Grabreliefs römischer Zeit
Abstracts
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