Hadrian mit dem Titel ›proconsul‹ als Bauherr in Rom
Zur Neuinterpretation von CIL VI 40518, einer stadtrömischen Bauinschrift
1Augustus hat zwischen 27 v. Chr. und 2 n. Chr. Schritt für Schritt in Verbindung mit seinem Namen die Titulatur entwickelt, deren Struktur seine Nachfolger im Wesentlichen beibehalten haben. Dennoch hat es im Laufe der Jahrhunderte innerhalb dieser Grundstruktur gewisse neue Elemente gegeben. Sieht man einmal von den Siegernamen ab, die manche Herrscher angenommen haben, dann war die Aufnahme der Bezeichnung proconsul vielleicht das auffälligste dieser nachaugusteischen titularen Elemente[1]. Denn dieses Wort hatte eine sehr bedeutsame staatsrechtliche Bedeutung, nicht nur eine symbolisch-propagandistische. Lange Zeit hatte man angenommen, der Einschluss in die kaiserliche Titulatur habe bereits mit Claudius eingesetzt[2]. Das aber trifft nicht zu, vielmehr hat damit erst Traian in seinen letzten Jahren begonnen, als er im Osten des Reiches weilte; das zeigen seit dem Jahr 116 seine Bürgerrechtskonstitutionen, die als offizielle Selbstaussagen eine klare Zielrichtung hatten[3]. Es war seine Antwort auf die Verleihung des Siegertitels Parthicus durch den Senat. Seine Nachfolger haben diese Erweiterung der Titulatur übernommen, jedoch peinlich darauf geachtet, dass proconsul, wie es Traian sehr dezidiert begonnen hatte, nur dann innerhalb der Titulatur erschien, wenn der Kaiser Rom und Italien verlassen hatte und sich auf Provinzterritorium, also auf römischem Herrschaftsgebiet, aufhielt[4]. Schon das augusteische Edikt von El Bierzo aus dem Jahr 15 v. Chr. hatte mit dem Einschluss von proconsule sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, wie die Rechtsgrundlage beim kaiserlichen Handeln in Rom sowie Italien und andererseits im Provinzterritorium formuliert werden musste[5]. Die Präzision konnte so weit gehen, dass die Bezeichnung nicht geführt wurde, wenn der Herrscher sich in einer civitas libera, also rechtlich nicht auf Provinzterritorium, aufhielt, wie es bei Hadrian der Fall war, als er seit Ende 128 bis in das Frühjahr 129 in Athen Station machte[6]. Gerade bei ihm kann man wegen seiner zahlreichen Reisen sehr genau beobachten, dass das Prinzip, die Bezeichnung proconsul nur in den Provinzen zu führen, durchgehend beachtet wurde[7].
2Wie peinlich genau unter Hadrian das Prinzip eingehalten wurde, sieht man mit besonderer Deutlichkeit am Inschriftentext unter einer Statue, die sein Adoptivsohn Lucius Aelius Caesar in Arrabona in Pannonia superior errichten ließ[8]. Hadrian, der damals längst aus dem Osten nach Italien zurückgekehrt war, wird dort mit seiner gesamten Titulatur genannt: p(atri) p(atriae), trib(unicia) pot(estate) XXI, co(n)s(uli) III, imp(eratori) II; so lautete sie im Jahr 137, selbstverständlich ohne proconsul. Doch bei seinem Adoptivsohn erscheint eben dieses Element in der Titulatur: trib(unicia) potes(tate), co(n)s(ul) II, proco(n)s(ul), XVvir sacris faciund(is). Das war zutreffend und notwendig; denn er, der bereits alle für die Herrschaft notwendigen Rechte erhalten hatte, darunter auch das imperium consulare, hielt sich damals in Pannonien auf, wo er das imperium konsequenterweise als prokonsulares führte[9]. Dass umgekehrt sich der Titel für Antoninus Pius nie findet, ist ebenfalls konsistent, weil er Rom und Italien nach seiner Herrschaftsübernahme nie verlassen hat.
3Aus diesen Voraussetzungen ist es erklärlich, dass der Titel auch in den stadtrömischen Inschriften nur dann erscheint, wenn der Kaiser selbst nicht mehr in Rom war, sondern sich schon auf Provinzboden befand. Vielleicht ist dieses Prinzip unter Septimius Severus zeitweise nicht mehr absolut streng beachtet worden; allerdings müsste dies an den zahlreichen stadtrömischen Inschriften seiner Zeit nochmals im Detail überprüft werden[10]. Unter einem seiner Nachfolger, unter Severus Alexander, kann man erneut wieder sehr genau feststellen, dass dieses titulare Element jeweils sehr bewusst verwendet wurde. Vor dem Jahr 231 wird es in offiziellen Verlautbarungen nie angeführt, sondern erst ab etwa April 231, als er Italien zum Feldzug gegen die Neuperser verließ. Auch der Senat, die Arvalen sowie senatorische Amtsträger waren in Rom sehr darauf bedacht, die Titulatur der Kaiser in ihren eigenen Aussagen exakt so zu gestalten, wie das auch die kaiserliche Kanzlei in ihren Konstitutionen vorgegeben hat, was sich, wie schon betont, noch heute bei Hadrian besonders genau verfolgen lässt.
4Gerade bei ihm finden sich aber aus Rom zwei epigraphische Texte, in denen proconsul angeführt wird, einmal innerhalb eines vollständigen Textes, das andere Mal ist der Titel Teil der Titular, die allerdings nur unvollständig erhalten ist. Der Text, in dem proconsul direkt genannt ist, lautet[11]:
Ex s(enatus) c(onsulto) collegium augurum auctore Imp(eratore) Caesare divi Traiani Parthici f(ilio) divi Nervae nepote Traiano Hadriano Aug(usto) pont(ifice) max(imo), trib(unicia) pot(estate) V, co(n)s(ule) III, proco(n)s(ule) terminos pomerii restituendos curavit.
5Dieser Inschriftentext ist in vier Kopien erhalten[12]. Die tribunicia potestas datiert den Text in den Zeitraum vom 10. Dezember 120 bis 9. Dezember 121. Da der Senatsbeschluss aufgrund eines Antrags des Kaisers gefasst wurde, könnte es sein, dass Hadrian dabei persönlich noch in Rom war, was allerdings keineswegs zwingend ist; denn er konnte einen solchen Antrag auch auf schriftlichem Weg an den Senat gelangen lassen[13]. Hadrian hat jedenfalls die Stadt zwischen dem 5. April und dem 19. August 121 verlassen und seine Rundreise durch die westlichen Provinzen angetreten. Die Bürgerrechtskonstitutionen des Jahres 121 zeigen dies sehr klar. Denn während in Diplomen mit Datum 19. August bereits der Titel proconsul erscheint[14] und damit anzeigt, dass Hadrian sich schon außerhalb Italiens befand, führt er ihn in Diplomen mit Datum 5. April nicht[15], hielt sich also noch nicht in den Provinzen auf. In Übereinstimmung mit der konsequenten Verwendung des Titels proconsul durch die kaiserliche Kanzlei, muss man davon ausgehen, dass auch das collegium der Auguren, die als Senatoren von den formalen Grundlagen der kaiserlichen Macht wussten, in dem Text die richtige Titulatur verwendete. Dass es einige Zeit dauerte, bis die Termini, die auf Senatsbeschluss errichtet wurden, hergestellt waren, liegt in der Natur der Sache. Hadrian befand sich jedenfalls zum Zeitpunkt der Aufstellung bereits in der Provinz.
6Neben diesen Terminationsinschriften erscheint aber proconsul noch in einer weiteren fragmentarischen Inschrift, die in rekonstruierter Form vor nicht langer Zeit als entscheidendes Argument für die Behauptung verwendet wurde, im Jahr 137 sei in Rom ein Bogen für Hadrian errichtet worden. Bevor jedoch darauf eingegangen wird, ist zu fragen, ob denn die bisherige Rekonstruktion der Inschrift zutrifft.
[Traiano H]ạdrị[ano Augusto] [pontif(ici) max(imo) t]ribụ[nic(ia) pot(estate) --] [co(n)s(uli) III] pr[oco(n)s(uli) p(atri) p(atriae)].
8Die Buchstaben sind recht hoch: In Zeile 1 beträgt die Höhe 24 cm, in den beiden folgenden je 21 cm, was anzeigt, dass die Inschrift an einem größeren Bauwerk angebracht war, und zwar relativ hoch. Deshalb waren große Buchstaben nötig, um den Text lesbar zu machen. Setzt man den rekonstruierten Text in Kapitälchen um, dann präsentiert er sich in folgender Form. Dabei sind in der ersten Zeile die Buchstaben etwas größer geschrieben, um die Größenverhältnisse deutlich zu machen, vor allem aber um zu zeigen, wieviel Platz die rekonstruierte Version in den einzelnen Zeilen erforderte (Abb. 2).
9Verschiedene Fragen stellen sich bei der Rekonstruktion dieses Fragments. Zum einen ist es mehr als unwahrscheinlich, dass in der ersten erhaltenen Zeile Augusto ausgeschrieben war. Das findet sich in keiner der zahlreichen Inschriften mit dem Namen Hadrians in Rom, die übliche Abkürzung ist überall AVG, auch im Zentrum, in Rom. Zudem müsste diese Zeile dann notwendigerweise breiter gewesen sein, als es die folgende wohl zulässt. Mit dem wie üblich abgekürzten AVG würde aber eine passende Breite erreicht werden.
10Die zweite Frage betrifft die Ergänzung p(atri) p(atriae). Sie wurde von Géza Alföldy nach pr[oco(n)s(uli)] eingesetzt. Dies wäre freilich die einzige lateinische Inschrift, in der diese Reihenfolge bei Hadrian bezeugt wäre. Denn in allen lateinischen epigraphischen Denkmälern dieses Kaisers, in denen beide Titel erhalten sind, lautet die Reihenfolge ohne Ausnahme umgekehrt: patri patriae proconsuli [17]. Besonders wichtig sind dabei die diplomata militaria, also Abschriften von Konstitutionen aus der kaiserlichen Kanzlei, in denen diese Reihenfolge stets eingehalten wird[18]. Da sie Abschriften von offiziellen kaiserlichen Urkunden darstellen, zeigen sie, wie nach der kaiserlichen Zentrale die Titel aufeinander folgen sollten; es sind mehrere Dutzend Dokumente, die diese Reihenfolge zeigen. Die Abfolge pater patriae und erst danach proconsul ist im Übrigen nicht willkürlich, sie hat vielmehr eine sachliche Logik; denn pater patriae war permanenter Teil der Titulatur, sobald Hadrian die Bezeichnung im Jahr 128 angenommen hatte; proconsul aber war sozusagen ein okkasioneller Titel, der nur dann erschien, wenn der Kaiser sich außerhalb Italiens aufhielt. Dass dieser ans Ende gesetzt wurde, ist also nicht überraschend. Da diese Reihenfolge somit offizieller Praxis entsprach, darf man nicht ausgerechnet in einer stadtrömischen Inschrift eine andere Abfolge, zumal in einer Lücke, rekonstruieren, vielmehr das erwartbar Normale[19]. Wenn somit die Bezeichnung als pater patriae in der Inschrift vorhanden war, dann muss sie vor dem Element proconsul gestanden haben, nach cos. III. Damit aber entsteht nach pr[rocos --] in der rechten Hälfte von Zeile 3 eine Lücke, die in anderer Weise gefüllt werden muss. Dazu im Folgenden.
11Am wichtigsten ist aber in der Inschrift das sehr auffallende Faktum, dass überhaupt das titulare Element proconsul in der Titulatur Hadrians erscheint[20]. Denn das heißt wie bei den oben angeführten Terminationsinschriften, dass das Bauwerk, an dem die Inschrift einst angebracht war, zu einem Zeitpunkt fertig geworden sein muss, als Hadrian sich nicht in Rom und Italien befand. Dies trifft auf die Zeiträume vom Sommer 121 bis mindestens Sommer 125 und nochmals vom Herbst 128 bis mindestens Ende 132, vielleicht eher Frühjahr 133 (vor dem 8. April) zu[21]. Dann aber muss man fragen, welche Funktion die Inschrift hatte. Nach der bisherigen Rekonstruktion sollte vermutlich Hadrian geehrt werden, weshalb sein Name auch im Dativ ergänzt wurde; dass der Name im Dativ stand, ist aber aus dem Fragment nirgendwo zu sehen. Das Ehrenmonument müsste auch, wie die Buchstaben zeigen, recht groß und die Inschrift recht hoch angebracht gewesen sein. Wenn dies zuträfe, ist jedoch zu fragen, ob es vorstellbar ist, dass in Rom für Hadrian ein so gewaltiges Ehrenmonument errichtet wurde, obwohl er selbst abwesend war? Zumindest müsste man annehmen, dass Hadrian zum Zeitpunkt der Fertigstellung, mit dem der Text der Inschrift sachlich harmoniert haben sollte, zurückgekehrt war. Denn bei der offiziellen ›Präsentation‹ eines monumentalen Bogens in Rom sollte man seine Anwesenheit wohl voraussetzen. Setzt man aber dies voraus, dann ist es zwingend, dass der Titel procos. nicht in der Inschrift vorhanden wäre, was jedoch der Fall ist. Die Zugehörigkeit der Inschrift zu einem Ehrenmonument Hadrians ist somit höchst unwahrscheinlich oder eher ausgeschlossen. Dann aber muss man schließen, dass der Name des Kaisers im Nominativ gestanden hat, was wiederum zusammen mit dem Titel pr[ocos.] zu der Konsequenz führt, dass Hadrian selbst in Rom irgendein Bauwerk errichten ließ, das aber erst nach seiner Abreise in die Provinzen vollendet wurde. Dann gibt es jedoch keinen Grund mehr, in die Inschrift, die solches dokumentierte, nicht die aktuelle kaiserliche Titulatur aufzunehmen, die Hadrian damals außerhalb Italiens führte, also einschließlich des Titels proconsul, wie es auch in den Inschriften des collegium augurum zu sehen ist.
12Geht man deshalb von der Errichtung eines Bauwerks durch Hadrian aus, dann sollte im Allgemeinen im Text neben dem Namen des Kaisers im Nominativ auch ein Verbum gestanden haben, etwa fecit oder restituit wie z. B. in einer Bauinschrift Nervas für einen Tempel der Minerva[22]:
Imp(erator) Nerva Caesar Augustus [Germanicus] pont(ifex) max(imus) trib(unicia) potest(ate) II imp(erator) II co(n)s(ul) III p(ater) [p(atriae) aedem Mi]nervae fecit.
13Gleiches findet man auch in der Architravinschrift des Pantheons[23]:
M(arcus) Agrippa L(uci) f(ilius) co(n)s(ul) tertium fecit. Imp(erator) Caes(ar) L(ucius) Septimius Severus Pius Pertinax Aug(ustus) Arabicus Adiabenicus Parthicus maximus pontif(ex) max(imus) trib(unicia) potest(ate) X imp(erator) XI co(n)s(ul) III p(ater) p(atriae) proco(n)s(ul) et Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aurelius Antoninus Pius Felix Aug(ustus) trib(unicia) potestat(e) V co(n)s(ul) proco(n)s(ul) Pantheum vetustate corruptum cum omni cultu restituerunt.
14Auf einer Brücke, die über den Tiber führte, wurde 133/134 folgender Text eingemeißelt, natürlich mit pater patriae in der Titulatur Hadrians, aber ohne proconsul [24]:
Imp(erator) Caesar Divi Traiani Parthici filius Divi Nervae nepos Traianus Hadrianus Augustus, pontif(ex) maxim(us), tribunic(ia) potest(ate) XVIII, co(n)s(ul) III, p(ater) p(atriae), fecit.
[Imp(erator) Caes(ar) divi Traiani Par/thici fil(ius) divi Nervae nep(os) / Traianus H]ạdrị[anus Aug(ustus) / pontif(ex) max(imus), t]ribụ[n(icia) potest(ate) -- / co(n)s(ul) III, p(ater) p(atriae),] pr[oco(n)s(ul) fecit/restituit?].
16Nicht ausgeschlossen ist es aber auch, dass in der letzten Zeile – nicht anders als in den Terminationsinschriften des collegium augurum – nur diese Teile der Titulatur gestanden haben:
[COS III ] PR[OCOS FECIT]
Dabei war der Text entweder auf beiden Seiten eingezogen oder es waren deutlich leere Stellen zwischen den einzelnen Worten gelassen. In diesem Fall – ohne pater patriae – wäre die Inschrift, und damit das entsprechende Bauwerk, zwischen Mitte 121 und Sommer 125 zu datieren, bevor Hadrian 128 diesen Titel dauerhaft annahm[26]. Falls aber neben dem Verweis auf das prokonsulare imperium auch pater patriae in der letzten Zeile gestanden hat, dann gehört die Inschrift in die Periode von spät im Jahr 128 bis Ende 132/Anfang 133, als er sich erneut im Osten aufhielt.
17Bei dieser Textrekonstruktion lässt sich die ursprüngliche Breite und auch Höhe der Inschrift ungefähr berechnen. In Zeile 3 sind vom Namen Hadrians die drei Buchstaben DRI erhalten, die zusammen 73 cm breit sind. Für die Rekonstruktion sind weitere 17 Zeichen in dieser Zeile nötig[27]. Alle zusammen benötigen einen Platz von ca. 5 m, was zusammen mit dem Rahmen, der bei einer Bauinschrift nicht gefehlt haben kann, zu einer Breite der Tafel von mehr als 5,5–6 m führt. Die Höhe der drei Zeilen beträgt 77 cm, was einschließlich der beiden am Beginn nicht mehr erhaltenen Zeilen sowie des Rahmens eine ungefähre Höhe von etwas mehr als 1,6 m erschließen lässt. Zum Vergleich sei auf die Inschrift an dem Bogen für den Divus Titus auf der Velia verwiesen, deren vier Zeilen auf einer Tafel von 2,03 m Höhe und 6,82 m Breite stehen, allerdings bei Buchstaben, die wesentlich größer sind als bei der Hadriansinschrift, nämlich 40–35 cm hoch[28]. Das Bauwerk, zu dem das Fragment gehörte, kann jedenfalls bei einer Inschrift von ca. 1,6 m Höhe × 5,5–6 m Breite und einer Buchstabenhöhe von 24–21 cm nicht ganz klein gewesen sein.
18Der Anlass, dieses Fragment erneut zu untersuchen, ist vor allem ein Beitrag von Michaela Fuchs, der vor wenigen Jahren erschienen ist. Darin versucht sie zu zeigen, dass für Hadrian im Jahr 137 in Rom in der Gegend des heutigen Corso, in dessen Nähe das Inschriftenfragment gefunden wurde, ein Bogen errichtet worden sei, an dem eben diese Inschrift angebracht gewesen sei. Grund für die Erbauung sei gewesen, den Kaiser zu ehren, vor allem aber um den endgültigen Erfolg im Krieg gegen Bar Kochba zu feiern. Mit dem Bogen seien auch verschiedene Reliefs verbunden gewesen, u. a. auch eines für Sabina, die kurz vorher verstorben sei[29]. Ein weiteres Relief, auf dem Hadrian bei einer Rückkehr nach Rom erscheint, soll die Rückkehr nach dem Sieg in Iudaea zeigen. Dass des Herrschers Geleit aus militärischem Personal bestehe, beweise der weit ausschreitende lictor proximus, der dem Kaiser den Weg in die Stadt bahne, während hinter ihm zwei signiferi und ein Vexillum-Träger zu sehen seien; die Feldzeichen verwiesen, so Fuchs, auf den Bereich militiae und damit auf den im Osten errungenen Sieg. Dabei wird freilich nicht beachtet, dass jeder Kaiser, gleichgültig von wo und aus welchem Anlass er nach Rom zurückkehrte, natürlich von Liktoren begleitet und vor allem von Militär umgeben war, nämlich von seinen Prätorianern oder auch den equites singulares. Mit einem speziellen Sieg hat das zunächst einmal nichts zu tun. Ein adventus, der ebenso stattfand, wenn ein Kaiser von einer Reise durch Italien zurückkehrte wie z. B. Hadrian von einer Reise nach Oberitalien, die er am 3. März des Jahres 127 angetreten und von der er vor Mitte Oktober desselben Jahres zurückgekehrt war[30], unterschied sich darin nicht von einem adventus bei der Rückreise aus den Provinzen.
19Diese Elemente und vor allem das Relief mit dem adventus könnte man nur dann in der von Fuchs versuchten Weise interpretieren, wenn ein vom Relief unabhängiger Beweis dafür gefunden werden könnte, dass Hadrian nach dem Bar Kochba-Krieg in Rom einen siegreichen Einzug zelebriert habe. Das aber ist, wie die Forschung schon immer gesehen hat, nicht der Fall. Fuchs aber meint, solche Beweise zu haben. Sie führt Münzen Hadrians an, die, wie sie behauptet, »der Legende nach zwischen 134 und 138 geprägt« worden sein sollen, und die Szene auf dem Relief wiederholten. Auch diese Münze »kann daher wohl kaum auf etwas anderes als auf die glückliche Rückkehr des Kaisers nach dem Bar Kochba-Aufstand bezogen werden«[31]. Das Problem ist nur, dass die Legende diese Datierung überhaupt nicht stützen kann. Sie lautet nämlich auf der Vorderseite oder auch auf der Rückseite der Münzen schlicht: COS III P P, und das im Übrigen nicht nur auf den Münzen, die Fuchs anführt, sondern bei allen Münzen, auf denen der adventus Hadrians in zahlreichen Provinzen proklamiert wird[32]. Consul III ist Hadrian seit dem Jahr 118, den Titel des pater patriae führt er kontinuierlich seit dem Jahr 128 bis zu seinem Tod im Jahr 138[33]. Wenn also die Münze zu einem konkreten adventus aus den Provinzen geprägt worden sein sollte, dann müsste sie in das Jahr 133 gehören, als Hadrian zum letzten Mal von außerhalb Italiens nach Rom zurückkehrte, aber eben drei Jahre vor dem Ende des Krieges gegen Bar Kochba.
20Da das Relief mit dem adventus Hadrians nicht durch ein von ihm unabhängiges Zeugnis datiert wird, kann es irgendeinen der nicht ganz wenigen adventus darstellen, die wir für seine Herrschaftszeit kennen: im Jahr 118 aus dem Osten, vielleicht im Jahr 123 aus den westlichen Provinzen (wenn auch nur für einen Kurzaufenthalt), im Sommer 125 aus dem Osten mit der letzten Station in Sizilien , 128 aus Africa (wieder mit nur kurzem Aufenthalt im caput imperii), schließlich zu Anfang 133 von der zweiten langen Reise nach dem Osten. Wenn zu einem adventus ein Bogen errichtet wurde, auf dem das Relief angebracht war, dann auf keinen Fall aus Anlass der Rückkehr aus dem siegreichen Kampf in Iudaea . Denn die Kämpfe gegen den rebellierenden Teil des jüdischen Volkes endeten erst zu Beginn des Jahres 136, worauf Hadrian eine zweite Imperatorenakklamation annahm: imperator II [34]. Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Rückkehr Hadrians aus den Provinzen nach Rom schon lange zurück: Hadrian hatte sich bis Anfang 133 in den Balkanprovinzen aufgehalten; erst danach traf er in Rom ein, sicher schon vor dem 8. April des Jahres (s. u. in der Liste). Danach hat er Italien nie mehr verlassen. Wäre im Übrigen der Bogen aus Anlass der Beendigung des Bar Kochba-Krieges errichtet worden, dann müsste in der Inschrift auch imp(erator) II stehen, was aber wiederum ausgeschlossen ist, weil imperator II und proconsul sich aus chronologischen Gründen in seiner Titulatur ausschließen.
21Dies dokumentiert eindrücklich und eindeutig die Abfolge der kaiserlichen Konstitutionen für die Verleihung des römischen Bürgerrechts. Denn dort wird jeweils sehr präzis die Titulatur des Kaisers angegeben, unter Einschluss des Titels proconsul, der anzeigt, ob der Kaiser sich noch außerhalb Italiens aufhielt oder bereits zurückgekehrt war. Die Liste (Abb. 4) mit diesen zahlreichen, präzis datierten Dokumenten vom Aufbruch Hadrians nach dem Osten gegen Ende 128 bis zum Ende seiner Herrschaft beweist dies in nicht bezweifelbarer Form.
22Der Befund ist eindeutig: Seit 129 führt Hadrian den Titel proconsul, hält sich also auf Provinzboden außerhalb Italiens auf. Das letzte Dokument, in dem er noch proconsul genannt wird, stammt vom Ende des Jahres 132. Doch schon am 8. April 133 führen Bürgerrechtskonstitutionen den Titel nicht mehr an. Hadrian ist zurück in Italien und Rom. Wenn Fuchs dagegen meint: »Hadrian selbst begab sich vielleicht schon im Sommer oder Herbst des Jahres 134 nach Iudaea«[35], dann beruht dies zum einen auf klarem Missverständnis mancher Quellen und auf der selektiven Auswertung neuerer Literatur durch sie. Die oben angeführten Dokumente sind ihr nicht bekannt oder sie hat sie übergangen.
23Es hat nie einen adventus Hadrians nach dem Sieg über Bar Kochba gegeben; das hätte sonst ein vorgespielter adventus sein müssen. Dass Hadrian Anfang 136, als der Krieg gegen Bar Kochba beendet wurde, nochmals einen adventus inszeniert hätte, um einen Sieg über Judäa zu feiern, ist eine mehr als seltsame Vorstellung. Er war seit drei Jahren nicht mehr außerhalb Italiens gewesen, damit auch nicht in Judäa während des dortigen Aufstandes. Zwar hat man nicht selten angenommen, Hadrian sei selbst in Judäa gewesen, nachdem der Aufstand ausgebrochen war. Darauf beruft sich auch Fuchs. Doch das bisher wichtigste, im Grund sogar einzige Argument dafür ist nicht mehr so tragfähig, wie man dies lange Zeit angenommen hatte. Man berief sich darauf, dass in einigen Inschriften, die auf den Bar Kochba-Krieg verweisen, von der expeditio Iudaica gesprochen wird, an der jemand teilgenommen habe[36]. So heißt es im cursus honorum des Senators C. Popilius Carus Pedo von ihm: donato donis militaribus a divo Hadriano ob Iudaicam expeditionem [37]. Daraus und aus anderen Zeugnissen ist die Theorie entwickelt worden, expeditio verweise auf die zumindest temporäre persönliche Anwesenheit des Kaisers bei den Truppen, die sich im Kampf mit einem Reichsfeind befanden[38]. Unter Traian kennen wir zahlreiche Zeugnisse, in denen von den verschiedenen expeditiones des Kaisers gesprochen wird, an denen er auch teilgenommen hat; doch ebenso erscheint nicht selten die Bezeichnung bellum etwa für das bellum Dacicum oder das bellum Parthicum. Warum das eine oder andere Wort genommen wurde, ist nicht ersichtlich. Doch ging man davon aus, dass jedenfalls expeditio nur gewählt wurde, wenn der Kaiser selbst in irgendeiner Form dabei auf dem Kriegsschauplatz anwesend war.
24Diese Deutung trifft in vielen Fällen zu, doch ihre generelle Glaubwürdigkeit hat sie durch zahlreiche neuere Dokumente, bei denen kein Zweifel möglich ist, verloren. Denn mindestens fünf Bürgerrechtskonstitutionen des Antoninus Pius aus den Jahren zwischen 150 und 156 bezeugen Truppen aus verschiedenen Provinzen des Reiches, cum essent in expeditione Mauretaniae Caesariensis bzw. Tingitanae [39]. Es muss ein langer Krieg gewesen sein, von dem wir aus literarischen Quellen nichts weiter wissen. Sicher ist aber, dass Antoninus Pius selbst daran nie teilgenommen hat. Er hat sich als Kaiser stets in Italien aufgehalten. Dennoch wird in den Konstitutionen, deren Text Pius selbst abgesegnet hat, der Ausdruck expeditio für die kriegerische Auseinandersetzung verwendet. Wir wissen, wie ›pingelig‹ dieser Kaiser war, wenn es um präzise Formulierungen ging. Dass er dann zugelassen hätte, dass dieser Krieg mit expeditio bezeichnet wird, wenn damit eindeutig die Bedeutung der persönlichen Anwesenheit des Kaisers mitgeschwungen hätte, kann man ausschließen. Damit entfällt dieses Argument, um daraus abzuleiten, Hadrian selbst sei, wenn auch nur für kurze Zeit, nach Judäa zurückgekehrt, als der dortige jüdische Aufstand ausgebrochen war. Wenn er aber, unabhängig von der Konnotation von expeditio, tatsächlich dort gewesen sein sollte, dann wäre das nur in den wenigen Monate zwischen Ausbruch des Krieges im Frühjahr 132 und seiner Rückkehr nach Rom Anfang des Jahres 133 möglich gewesen. Dies ist nicht ausgeschlossen. Damals aber konnte es bei seiner Rückkehr keinen feierlichen siegreichen adventus geben; der Krieg hatte eben erst begonnen. Später jedoch konnte Hadrian, selbst wenn er gewollt hätte, keine solche siegreiche Rückkehr zelebrieren, da er Italien nie mehr verlassen hat, wie es im Übrigen auch Zeugnisse außerhalb der Bürgerrechtskonstitutionen zeigen. Der Sieg über die rebellierende Provinz wurde in Rom, nach allem, was wir verbürgt wissen, nicht besonders gefeiert. Ein gewaltiger Bogen, der diese Kämpfe und ihr Ende zum Thema gemacht und damit den für Rom teuer erkauften Krieg nochmals deutlich ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hätte[40], wäre, wie man mit Sicherheit annehmen darf, nicht im Sinne Hadrians gewesen. Auch die Reichsmünzen nehmen keinen Bezug auf den Abschluss des Krieges, trotz der gegenteiligen Ausführungen von Fuchs[41].
25An welchem Bauwerk die von Michaela Fuchs herangezogenen Reliefs einst angebracht gewesen sein könnten, ob an einem Ehrenbogen oder vielleicht an einem monumentalen Eingang zu einem Baukomplex, das mögen andere erörtern, die dafür mehr Kompetenz haben. Dass das eine oder andere mit einem siegreichen Einzug Hadrians nach dem Ende des Bar Kochba-Krieges zu tun gehabt hat, dafür fehlt jeder Hinweis auf den Reliefs selbst. Ausgeschlossen aber ist, die von Fuchs herangezogene, hier neu rekonstruierte und datierte Inschrift CIL VI 40518 auf einen solchen Bogen oder ein entsprechendes Ehrenmonument zu beziehen. Denn wenn man das dort Erkennbare methodisch mit dem verbindet, was wir von Hadrian und seiner Titulatur wissen, bezeugt der Text ein Bauwerk, das er selbst hat errichten lassen und das vor Beginn des Jahres 133, vielleicht aber sogar schon vor Mitte 125 abgeschlossen gewesen sein muss. Die Nennung des Titels pr[oco(n)sul] allein oder unter Einschluss von pater patriae ist dafür ein zwingendes Element.
Abstracts
Zusammenfassung
Hadrian mit dem Titel ›proconsul‹ als Bauherr in Rom. Zur Neuinterpretation von CIL VI 40518, einer stadtrömischen Bauinschrift
Das stadtrömische Inschriftenfragment CIL VI 8, 2, 40518 wurde bisher als Teil einer Ehrung für Hadrian ergänzt. Doch die methodische Rekonstruktion der Titulatur, in der als Leitelement proconsul erscheint, führt dazu, dass es sich tatsächlich um eine Bauinschrift handelt, in der Hadrian als Handelnder erscheint. Das Bauwerk wurde zwischen 121 und 125 oder zwischen 129 und Anfang 133 errichtet. Michaela Fuchs hat diesen Text verwendet, um zusammen mit einigen hadrianischen Reliefs einen Bogen zu Ehren Hadrians aus Anlass seiner siegreichen Rückkehr nach dem Ende des Bar-Kochba-Krieges im Jahr 137 zu konstruieren. Dies ist aber allein deswegen ausgeschlossen, weil Hadrian seit Anfang 133 Rom und Italien nicht mehr verlassen hat, weshalb es keine siegreiche Rückkehr im Jahr 137 gegeben haben kann. Zudem gehörte die Inschrift nicht zu einem Ehrenmonument für Traian, sondern zu einem Bauwerk, das Hadrian selbst schon vor dem Jahr 133 hat errichten lassen.
Schlagworte
Hadrian, Bar Kochba-Krieg, kaiserlicher , in Rom, als titulares Element
Abstract
Hadrian with the Title ›proconsul‹ Commissioning Public Works in Rome. A New Interpretation of CIL VI 40518, a Building Inscription from the City of Rome
The epigraphical fragment CIL VI 8, 2, 40518 from the city of Rome has until now been considered part of a tribute to Hadrian. But methodical reconstruction of the title, in which proconsul appears as the chief element, implies that it is in fact a building inscription in which Hadrian is the active figure. The building was erected between 121 and 125 or between 129 and the beginning of 133. Michaela Fuchs has used this text, together with some Hadrianic reliefs, to construct an arch in honour of Hadrian on an allegedly triumphant return after the conclusion of the Bar Kokhba War in 137. This is impossible for the simple reason that Hadrian did not leave Rome and Italy again after the beginning of 133, so there cannot have been a victorious return in 137. Further, the inscription did not belong to an honorific monument for Trajan, but instead to a building that Hadrian himself had constructed before the year 133.
Keywords
Hadrian, Bar Kokhba War, imperial adventus in Rome, proconsul as titulary element
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AA 2019/2 • 362 pages with 213 illustrations
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W. Eck, Hadrian mit dem Titel ›proconsul‹ als Bauherr in Rom. Zur Neuinterpretation von CIL VI 40518, einer stadtrömischen Bauinschrift, AA 2019/2, § 1–25, https://doi.org/10.34780/aa.v0i2.1008
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