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Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2018
Ercan Erkul, Stefan Feuser, Bernhard Ludwig, Ulrich Mania, Rebekka Mecking, Katja Piesker, Wolfgang Rabbel, Wolf-Rüdiger Teegen, Seçil Tezer Altay, İhsan Yeneroğlu
Einleitung
1Nachdem im Jahr 2017 die Feldarbeiten im Rahmen des Forschungsprogramms zur hellenistischen Residenzstadt als urbanem Gesamtorganismus abgeschlossen werden konnten, standen 2018 Nacharbeiten sowie Vorbereitungen für ein neues Programm im Zentrum der Aktivitäten. Mittlerweile ist das Projekt »Die Transformation der Mikroregion Pergamon zwischen Hellenismus und römischer Kaiserzeit« von der Zentraldirektion des DAI positiv evaluiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Langfristvorhaben für bis zu zwölf Jahren bewilligt worden. Eine ausführliche Vorstellung des Programms soll im nächsten Bericht erfolgen[1].
2In Zusammenarbeit mit der Universität Kiel wurde ein auf drei Jahre angelegtes Projekt zur Untersuchung einer römisch-kaiserzeitlichen Badeanlage mit Thermalquelle im Umland der antiken Metropole initiiert[2]. Das Vorhaben setzt Forschungen der Pergamongrabung zu Veränderungen der Nutzung des ländlichen Raumes in der römischen Kaiserzeit fort und ergänzt damit das o. g. Langfristvorhaben[3]. Die Erforschung des Amphitheaters von Pergamon ist seit Langem ein drängendes Desiderat[4], das im Rahmen des Langfristvorhabens angegangen werden soll. 2018 konnten erste Reinigungs- und Vermessungsarbeiten durchgeführt werden.
3Die seit 2014 praktizierte Kombination aus geophysikalischer Prospektion und Ausgrabungen am monumentalen Tumulus Yığma Tepe hat zahlreiche neue Ergebnisse erbracht, aber auch weitere Fragen aufgeworfen[5]. Deshalb wurde 2017 entschieden, in Kooperation mit der Universität Kiel über zwei Kampagnen verteilt Nachuntersuchungen durchzuführen, die vor allem der verbesserten Abstimmung der Ergebnisse von Archäologie und Geophysik dienen sollen. Auch darüber wird im Folgenden berichtet.
4Die diesjährigen Arbeiten im Umland von Pergamon konzentrierten sich auf exponierte Plätze, die für Sichtverbindungen und visuelle Kommunikation in der Mikroregion von besonderer Bedeutung sind[6]. Weiteres Augenmerk lag auf historischen Wegeführungen sowie auf Plätzen, die im Rahmen des o. g. Langfristvorhabens intensiv erforscht werden sollen.
5Die Maßnahmen der Baudenkmalpflege in der Roten Halle und im Gymnasion wurden gemäß eines neu überarbeiteten Gesamtkonzeptes, das der Baudenkmalkommission des DAI vorgelegt wurde, fortgesetzt. Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die verschiedenen Arbeitsbereiche und ihre wichtigsten Ergebnisse gegeben werden (Abb. 1).
6Am 9. September 1878 begann vor 140 Jahren die Pergamongrabung. Nach Abzug von drei längeren, vor allem kriegsbedingten Unterbrechungen wurden bislang rund 100 Kampagnen vor Ort durchgeführt. Dies war Anlass genug, am 11. September 2018 gemeinsam mit dem Deutschen Generalkonsul Izmir, Vertretern des Ministeriums für Kultur und Tourismus, der Stadt Bergama und der Studiosus Foundation sowie mit Kollegen und Freunden der Grabung Geburtstag zu feiern. In diesem Rahmen wurde zum einen die Rekonstruktion einer Ecke der kaiserzeitlichen Säulenstellung im Gymnasion von Pergamon eingeweiht. Zum anderen haben wir an originalem Standort ein kurzes Teilstück der Feldbahn des frühen 20. Jahrhunderts wiederaufgebaut. Es dient der Information der Besucher über die Geschichte der Ausgrabung, zugleich aber auch über die Weiterentwicklung archäologischer Techniken im Zuge eines gewandelten Erkenntnisinteresses. Über beide Maßnahmen wird weiter unten im Abschnitt über die Baudenkmalpflege berichtet. Am gleichen Tag wurde von Studiosus Reisen München in Kooperation mit der Pergamongrabung im Grabungshaus ein »Forum der Bereisten« ausgerichtet mit dem Ziel, touristische Akteure aus Bergama zu einem Dialog über die Probleme und Potentiale des Kulturtourismus in Pergamon-Bergama zusammenzubringen.
7Die Ausstellung »Ne Yerde Ne Gökte – Weder im Himmel noch auf der Erde« wurde nach erfolgreichem Auftakt in Bergama auch in der Çetin Emeç Sanat Galerisi in Izmir gezeigt. Historische und aktuelle Photographien, die überwiegend aus Beständen der Photothek der Pergamongrabung stammen, illustrieren, wie das vielschichtige historische und kulturelle Erbe Bergamas zum Teil des Lebens seiner Bewohner wurde.
8Um den Austausch zum Thema der Baudenkmalpflege zwischen verschiedenen Grabungsplätzen zu stärken, wurde das Format »Gespräche zur Baudenkmalpflege« geschaffen, das sich mit dem Ziel des informellen Wissens- und Erfahrungsaustausches in erster Linie an Architekten, Archäologen, Ingenieure und Handwerker richtet, die auf Ausgrabungen in der westlichen Türkei tätig sind. Nach einem Auftaktreffen am 5. August 2018 in Pergamon soll das Format in den folgenden Jahren an wechselnden Orten fortgesetzt werden. Den Gästen wurden aktuelle denkmalpflegerische Projekte der Pergamongrabung vorgestellt und die jeweiligen Maßnahmen und Konzepte diskutiert.
9In Kooperation mit der Celal Bayar Üniversitesi (Manisa) wurde eine einwöchige Summerschool für Studierende der Archäologie durchgeführt. Ziel war eine Einführung in die Archäologie Pergamons verbunden mit praxisnahen Einblicken in die verschiedenen Arbeitsbereiche der Pergamongrabung. Der Öffentlichkeitsarbeit vor allem in Bergama selbst dienten mehrere Fortbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer, die sich großer Nachfrage erfreuten.
10Im Rahmen der Vorbereitungen zu dem o. g. Langfristvorhaben sind am DAI Istanbul und in Köln in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Universität zwei interne Workshops zu Fragen und Methoden archäologischer Landschaftssurveys sowie zur Bauökonomie abgehalten worden.
Pergamon
Digitale Dokumentation und archäologische Karte
11Nach Abschluss des 2005 begonnenen Forschungsprogramms, dessen Dokumentation im Rahmen der relationalen Datenbank iDAI.field1 erfolgte, wurde in diesem Jahr mit der Umstellung auf das modulare Dokumentationssystem für Feldforschungsprojekte iDAI.field2 begonnen, das vom IT-Referat des DAI neu entwickelt wurde[7]. Alle Arbeiten im Gelände wurden bereits in diesem System dokumentiert, während die Fundbearbeitung der Grabungen vor 2017 noch in iDAI.field1 abgeschlossen wird. Eine besondere Herausforderung stellt die Migration der sehr umfangreichen und vielfältigen Daten vom alten in das neue System dar; mit den notwendigen Vorarbeiten ist in Zusammenarbeit mit dem IT-Referat des DAI bereits begonnen worden.
12Mit der Einführung von iDAI.field2, das als Geoinformationssystem konzipiert ist, ergab sich zugleich die Notwendigkeit der Umstellung des Koordinatensystems der Pergamongrabung von PerKSys2005 auf WGS84 UTM Zone 35 N. Die Transformation von Messdaten aus den unterschiedlichen Arbeitsgebieten der Pergamongrabung erfordert die Errechnung verschiedener Parameter, mit der begonnen wurde[8].
13Die Arbeiten an der digitalen archäologischen Karte von Pergamon konnten auch 2018 noch nicht abgeschlossen werden, da mit ihrer Nutzung als Oberfläche eines Geoinformationssystems im Rahmen von iDAI.field2 sowie der zunächst nicht vorgesehenen Integration byzantinischer Befunde neue Aufgaben hinzugekommen sind.
F. P.
Das extraurbane Thermalbad Kleopatra Güzellik Ilıcası
Ausgangslage und Fragestellungen
14In der Kampagne 2018 wurde mit der Untersuchung des Kleopatra Güzellik Ilıcası begonnen[9]. Das im Ursprung antike Thermalbad lag in der Nachbarschaft Pergamons knapp 4 km südwestlich der römischen Stadt und ungefähr 2 km südwestlich des Asklepieions bei einer warmen Quelle (Abb. 2). Die antike Überlandstraße von Elaia nach Pergamon passierte den Komplex etwas weiter südlich. Im Nordosten bestand durch einen Taleinschnitt Zugang zum Asklepieion. Nach der Aufgabe des kaiserzeitlichen Thermalbads wurde die Quelle in osmanischer Zeit von einer Badeanlage überbaut, die Teile des antiken Gebäudes einbezog. Heute befindet sich die Anlage am Rand des modernen Bergama in der Nähe eines öffentlichen Parks (Abb. 3).
15Die antike Anlage war bis vor Kurzem nicht bekannt. Das osmanische Bad ist auf zwei Übersichtskarten in dem 1913 erschienenen Band 1 der Altertümer von Pergamon als »Bad« bzw. »warmes Bad« verzeichnet und mit dem Ortsnamen »Tabak Lutscha« verbunden[10]. Zwei Baderäume der Anlage, die mit einer Kuppel bzw. mit einer Tonne überwölbt sind, wurden 1970 in den Neubau eines Hotels integriert. Wahrscheinlich aufgrund der intensiven Nutzung der Thermalquelle in Kombination mit einer Senkung des Grundwasserspiegels durch die landwirtschaftliche Bewässerung im Tal des Bakır Çay sank die Abflussrate der Quelle im Laufe der 1980er Jahre immer weiter ab und versiegte dann 1994 endgültig[11]. Der Hotelkomplex wurde 1988 aufgegeben und 2010 abgerissen. Bei diesen Arbeiten kamen der osmanische Bau sowie Reste eines römisch-kaiserzeitlichen Thermalbads zum Vorschein. In den Jahren 2011 und 2016 legten Grabungen der Meslek Yüksek Okulu der Ege Üniversitesi Teile des antiken Baus frei. Die Ausdehnung der Anlage ist nicht bekannt: Auf der Nordwestseite laufen zwei Mauern in das Westprofil entlang der modernen Fahrstraße; auf der Südostseite wurden im Bereich der späteren Säuberung 06 Ansätze einer weiteren, von Nordwest nach Südost laufenden Mauer freigelegt (Abb. 4. 5).
16Das Kleopatra Güzellik Ilıcası ist eines von mehreren antiken ländlichen Thermalbädern in der Mikroregion von Pergamon[12]. Natürliche Thermalwasservorkommen im sog. Bergama-Graben[13] und das Asklepieion von Pergamon als Brennpunkt eines überregionalen Netzwerks des römischen Kult- und Kurbetriebs stimulierten anscheinend die Entwicklung der ›Kurstadt‹ Allianoi und der ländlichen Thermalbäder. Die Anlagen sind bis auf kurze Berichte zu den Rettungsgrabungen in Allianoi [14] und zu zwei schlecht erhaltenen Beispielen auf der Kane-Halbinsel[15] bisher kaum erforscht bzw. publiziert. Die Untersuchung des Kleopatra Güzellik Ilıcası verspricht daher wichtige Erkenntnisse zu dem wenig bekannten Phänomen ländlicher Badekultur in der Mikroregion von Pergamon und darüber hinaus.
17Die Untersuchung der Anlage bietet die Gelegenheit – in einer synchronen Perspektive –, die Bautypologie, die Ausstattung, die technischen Installationen und die Einbindung eines Thermalbads der römischen Kaiserzeit in seinem natürlichen und sozialen Raum zu erschließen. In einer diachronen Perspektive soll die Entwicklung des Thermalbads von der römischen Kaiserzeit bis in die osmanische Phase rekonstruiert und die Frage nach einer Nutzung in byzantinischer Zeit beantwortet werden. Um die skizzierten Fragestellungen klären zu können, kombiniert das Projekt archäologische und bauforscherische Methoden mit geophysikalischen Messungen im unmittelbaren Umfeld des Thermalbads sowie mit archäohydrologischen Rekonstruktionen.
Zum Baubefund
18Den mutmaßlichen Kern des antiken Thermalbads bildet ein etwa 18 m × 10 m großer rechteckiger Raum, der von mächtigen Mauern aus Andesitquadern gefasst wird (Abb. 4. 5). Die äußeren Schalen der Mauern aus größtenteils bossierten Quadern umschließen einen Kern aus mörtelgebundenen Bruchsteinen. Die nordwestliche und die südöstliche Quadermauer ist jeweils rund 2,70 m breit. Durch beide Mauern führten anscheinend je drei symmetrisch angeordnete, bogenüberwölbte Durchgänge, die teilweise nachträglich verändert wurden. Die Breite der nordöstlichen Mauer ist nicht bekannt, da ihre Innenseite durch spätere Aufbauten verdeckt ist. An der Südwestecke des großen Rechteckraumes ist ein Ansatz der südwestlichen Mauer von etwa 1,65 m Breite erhalten, der an der Südostecke kein Pendant findet bzw. auch hier durch spätere Aufbauten überlagert ist. Die südöstliche Quadermauer wird auf der Außenseite von einem Kanal begleitet.
19An die nordwestliche Quadermauer schließen Mauerzüge aus Handquadermauerwerk aus Andesit an, das in Pergamon in römischer Zeit weit verbreitet war[16]. Es lassen sich mehrere Räume erschließen, die entlang der Quadermauer durch Türöffnungen miteinander verbunden waren. Der mit etwa 6,20 m × 5,50 m größte dieser Räume (Abb. 6), der wohl ursprünglich durch einen bogenüberwölbten Durchgang von dem südöstlich gelegenen Saal zu begehen war, kann wegen einer gut erhaltenen Hypokausten-Anlage als Warmbaderaum angesprochen werden. In die Westmauer des Raumes ist eine etwa 2,85 m × 2,10 m große, rechteckige Nische und darin ein halbrundes Becken mit einem Durchmesser von etwa 2,30 m eingearbeitet. Eine Stufe entlang des Beckenrandes erleichterte das Einsteigen in das Becken. In situ erhaltene Fragmente von Marmorplatten zeigen, dass die Nische mit weißem Marmor verkleidet war (Abb. 7).
20In einem etwa 2,10 m schmalen und 3,90 m langen Raum nordöstlich davon (Abb. 6) finden sich ebenfalls Hypokausten – ein Hinweis auf einen weiteren Warmbade- bzw. Schwitzraum. Während auch dieser Raum beheizt werden konnte und demnach zum Warmbadekomplex des Bads gehörte, diente der westlich anschließende Raum/Korridor wohl als Verbindungsgang zu weiteren Räumen im Westen.
21Die beiden Warmbaderäume waren über einen Durchgang verbunden, der eine lichte Weite von etwa 0,85 m aufwies. Die Schwelle besteht aus einer an den Seiten profilierten Platte aus grünlich-schwarzem Marmor, deren Fehlstellen mit weißen Marmorstücken ausgebessert worden sind. Südwestlich des großen Warmbaderaumes schließen sich weitere Räume des römischen Bades an, die noch nicht untersucht wurden. Eine ganze Reihe von Baunähten deutet auf Um- und Ausbauten hin.
22In den von den Quadermauern begrenzten großen, zentralen Raum des antiken Komplexes wurde in osmanischer Zeit ein Bad eingebaut, das aus einem überkuppelten und einem tonnengewölbten Baderaum – beide weitgehend vollständig erhalten – und weiteren, heute zerstörten Räumen bestand. Dabei wurden die antiken Quadermauern einbezogen, verändert oder überbaut. Während die Räume im Süden der neuzeitlichen Anlage zu einem unbekannten Zeitpunkt zerstört worden sind, blieben die beiden bis heute überdeckten Räume bis in die zweite Hälfte des 20. Jhs. in Gebrauch.
23In der Kampagne 2018 wurde die gesamte Anlage zunächst von dichtem Bewuchs befreit und gesäubert. Anschließend wurden abschnittsweise 3D-Modelle der Anlage mittels Structure from Motion (SfM) erstellt[17]. Gleichzeitig wurden erste Teile des Gesamtgrundrisses im tachymetrisch unterstützten Handaufmaß im M. 1 : 50 sowie Ansichten und Schnitte in Maßstäben von M. 1 : 50 bis M. 1 : 5 in einer Kombination von Handaufmaß mit aus dem SfM-Modell gewonnenen Orthophotos dokumentiert. Parallel fand eine systematische Dokumentation der Baubefunde durch Fotoaufnahmen und Beschreibungen statt. Im Nachgang der Kampagne wurde mithilfe des 3D-Modells eine ganze Reihe von Schnittansichten erstellt, die im Folgejahr als Arbeitsgrundlage dienen werden.
Sondagen und Säuberungen
24Die archäologischen Arbeiten konzentrierten sich im Jahr 2018 auf die nordwestlichen und mittleren Abschnitte der Anlage, die durch die älteren Grabungen bereits freigelegt worden waren (Abb. 5). In dem großen Warmbaderaum wurde Sondage 01 angelegt und in dem mutmaßlichen kleineren Warmbaderaum Säuberung 04 durchgeführt. In der Nordwestecke, unmittelbar außerhalb des Gebäudes, wurden in der Säuberung 03 zwei Frischwasserleitungen aufgedeckt. Im zentralen Bereich der Anlage wurden die Schnitte der älteren Grabung systematisch gereinigt und dokumentiert.
25Sondage 01 in der Nordwestecke des großen Warmbaderaumes umfasst mit Maßen von 2,50 m auf 3,00 m ungefähr ein Viertel der Fläche des Raumes (Abb. 4. 6). Ziele der Grabung an dieser Stelle waren, Informationen zur Funktion des Raumes, zum Aufbau der Hypokausten-Anlage und zu den Nutzungsphasen des Warmbaderaumes zu erlangen.
26Sondage 01 setzte an der Oberkante der Pfeiler der Hypokausten-Anlage an, die in diesem Bereich durch die ältere Ausgrabung nicht freigelegt worden war. Zunächst wurde eine massive Versturz- und Schuttschicht abgetragen, die stark mit Geröll, Handquadern aus Andesit, Ziegeln und kleinteiligen, stark abgeriebenen Marmorfragmenten durchsetzt war. Entlang der Nord- und Westwand wurden auf unterschiedlichen Niveaus über 30 Fragmente von Tonnägeln dokumentiert, von denen zehn gut erhalten sind (Abb. 9). Die abgebrochenen Enden korrespondieren mit in situ verbliebenen Bruchstücken im Handquadermauerwerk oberhalb der Sondage. Es handelt sich um Abstandshalter der Wandheizung[18].
27In der oberen Schuttschicht lagen fünf massive Pakete, die jeweils aus Ziegelplatten mit einer dicken Schicht aus weiß-rötlichem, stark mit Ziegelgrus durchsetztem Mörtel bestanden. Dabei handelt es sich um Fragmente der knapp 6 cm dicken, massiven Fußbodenplatten aus Terrakotta. Diese Platten lagen ursprünglich auf Tonrohren auf, die als Pfeiler (pilae) der Hypokausten-Anlage verwendet wurden. Insgesamt kamen 15 zum überwiegenden Teil in situ stehende pilae zum Vorschein (Abb. 8); von vier weiteren lässt sich die Lage über die erhaltenen Plinthen rekonstruieren. Der Abstand der pilae betrug etwa 0,72 m, wobei sie an den Wänden enger standen. Ihre Plinthen lagen auf einer Rollierungsschicht aus kleinen bis mittelgroßen Geröllsteinen und einem darüber befindlichen, einige Zentimeter dicken Estrich auf, der bei der Freilegung als stark sandhaltige, rötlich-weiße Schicht dokumentiert worden ist. Es wurden verschiedene Typen von Tonrohren als pilae verwendet. Je nach ihrer Länge wurden sie entweder mit einer steinernen Plinthe oder mit zwei Lagen von Ziegeln in den Estrich gesetzt[19]. Das Hypokaustum hatte insgesamt eine Höhe von 0,72 m. Am Übergang zu dem halbrunden Becken auf der Westseite des Raumes weicht die Konstruktion ab: Hier ruhen statt der Tonrohre acht Pfeiler aus Andesit mit angearbeiteten Plinthen und Abakus auf der Rollierungsschicht. Anstelle von Terrakottaplatten tragen sie drei 20 cm hohe Steinplatten aus Andesit (Abb. 7. 8). Ihre Oberflächen sind grob gepickt. Der durch die stabilen Andesit-Pfeiler geschaffene Hohlraum reichte bis unmittelbar an die Wand des halbrunden Beckens heran[20].
28Aus der Nutzungsphase des Raumes stammt eine schwarze, sehr homogene Schicht aus lehmigem Ton mit wenig Fundmaterial, die flächig im gesamten Schnitt unmittelbar über dem Estrich lag und die Plinthen und Füße der Tonrohre umgab. Zahlreiche Holzkohleeinschlüsse sind ein Hinweis darauf, dass es sich um Ablagerungen des Heizvorgangs handeln könnte, wobei bisher kein Präfurnium gefunden wurde. Feine Wurzelfäden zeigen, dass die Schicht zumindest temporär mit Wasser, möglicherweise aus der Thermalquelle, durchtränkt war.
29Säuberung 04 diente dazu, die Architektur und technischen Einrichtungen in den Räumen zu dokumentieren, die unmittelbar nördlich an den großen Warmbaderaum anschließen. Die Räume waren durch die ältere Grabung freigelegt worden, so dass vor allem rezente Einschwemmungen entfernt werden mussten.
30In der Nordmauer des kleineren mutmaßlichen Warmbaderaumes befindet sich eine halbrunde gemauerte Nische von etwa 1,50 m Breite, 1,20 m Höhe und mindestens 0,40 m Tiefe (Abb. 10). Der Bogen der Nische ist aus Ziegeln gemauert; während auf der linken Seite die Handquader der Mauer das Widerlager des Bogens bilden, sitzt er auf der rechten Seite auf Ziegellagen auf, die unmittelbar vor die Quadermauer im Osten gesetzt sind. Die Nische war mit weißen Marmorplatten verkleidet, wovon in situ verbliebene Reste der Inkrustation zeugen, darunter schmale horizontale Leisten, die die Nischenlaibungen und die Nischenrückwand auf unterschiedlichen Höhen teilten. Offenbar hatte die Nische ein Pendant in der Ostmauer des Raumes, d. h. in der eingangs erwähnten massiven Quadermauer, das sich allerdings deutlich schlechter erhalten hat.
31In dem mutmaßlichen Warmbade- bzw. Schwitzraum wurde ebenfalls eine Hypokausten-Anlage dokumentiert (Abb. 10). Der Aufbau ist mit dem Boden im großen Warmbaderaum vergleichbar. Im Gegensatz zu dem größeren Raum wurde hier der Fußboden aus einer dicken Estrichschicht, die auf großen Terrakottaplatten und Tonrohren als pilae ruht, teilweise in situ vorgefunden. Der gesamte erhaltene Fußboden ist um gut 10 cm abgesackt. Dadurch wurde ein Tonrohr unterhalb der Nische auf der Nordseite abgetrennt (Abb. 10). Ob dieser Auslass mit einer der beiden Rohrleitungen aus Säuberung 03 korrespondierte (s. u.), müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
32Der schmale Raum wird durch eine niedrige Mauer oberhalb des Fußbodens gegliedert; die Hypokausten-Anlage war von diesem Eingriff nicht betroffen (Abb. 11). Auch diese Trennmauer ist um mehrere Zentimeter abgesackt. Darauf verweist nicht zuletzt eine Putzkante an der Nordmauer, die dem abgestuften Profil der Mauer folgt (Abb. 12). Die Kante deutet darauf, dass die Mauer höchstens hüfthoch und damit ohne Weiteres zu übersteigen war. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der westliche Teil des schmalen Raumes als Becken diente, wobei nachträgliche Um- und Einbauten an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden können.
33Säuberung 03 wurde im Nordwesten unmittelbar außerhalb des Gebäudes auf einer Fläche von 2,50 m auf 4,00 m angelegt, um einen Schnitt der älteren Grabung und eine dabei freigelegte Tonrohrleitung zu dokumentieren (Abb. 13). Eine helle Schicht aus sehr hartem sandigen Schluff fällt von Nordwesten nach Südosten auf die große Andesit-Quadermauer hin ab. Bei ihr dürfte es sich um das Verwitterungsprodukt des anstehenden Felsens handeln, in dem nur wenige Funde festgestellt wurden. Auf bzw. in diese Schicht sind die Tonrohre einer Wasserleitung gebettet worden, die aus einem nord-südlich und einem ost-westlich orientierten Strang bestand (Abb. 13). Die auffällig langen Tonrohre haben eine gerade Kopfmuffe und weisen eine leicht gerillte Außenwandung auf, die gerade verläuft und an den Rohrenden ganz leicht ausbiegt. Die orthogonal aufeinandertreffenden Stränge sind durch ein im Durchmesser größeres Tonrohr verbunden worden, in das für diesen Zweck eine Öffnung in die Wandung hineingebrochen worden war. Die nach Osten gerichtete Öffnung dieses Verbindungsrohres ist durch einen Tonstopfen verschlossen worden, der vor dem Rohr liegend dokumentiert werden konnte. Der Typus der Rohre wie auch die improvisierte Verbindung beider Rohrstränge lassen eine vorläufige Datierung in das 2. bis 3. Jh. n. Chr. zu[21].
34Ein weiterer nord-südlich orientierter Leitungsstrang verlief auf tieferem Niveau dichter an der Quadermauer; von ihm wurden sechs miteinander vermörtelte Tonrohre freigelegt (Abb. 13). Die Rohre sind im Norden in die Schicht aus sehr hartem sandigen Schluff gebettet worden, während sie im Süden teilweise auf vermörtelten Lesesteinen aufliegen. Die gedrungenen Tonrohre haben eine glatte Außenwandung, die gerade verläuft und an den Rohrenden leicht ausbiegt. Die Fugen sind vermörtelt. Der Leitungsstrang läuft in die Mauer hinein. Allerdings konnte der genaue Eintrittsort bislang nicht dokumentiert werden, da an dieser Stelle eine Packung aus vermörtelten Bruchsteinen vor die Mauer gesetzt ist. Die relative stratigraphische Lage wie auch der Typus der Rohre erlauben eine vorläufige Datierung der Leitung in das 1. Jh. n. Chr.
35Durch die beiden Leitungsstränge wurde Frischwasser von Nordosten an das Thermalbad herangeführt und in die Räume im Nordwesten geleitet. Die Säuberung 03 hat darüber hinaus wichtige Hinweise zur topographischen Einbindung des Thermalbads erbracht: So weisen die Tonrohrleitungen und der im Rahmen der Säuberung dokumentierte Verlauf des Geländes darauf hin, dass der Laufhorizont im Nordwesten außerhalb des Gebäudes – zum Zeitpunkt der Errichtung der Nordmauer des kleineren Warmbaderaumes – höher lag als der Fußboden der Räume. Unterstützt wird diese Vermutung dadurch, dass die Außenschale der Nordmauer des kleineren Warmbaderaumes erst etwa 2,00 m über dem mutmaßlichen Laufhorizont im Inneren auf Sicht gearbeitet ist. Ab diesem Niveau sind die Mauern sorgfältig aus Handquadern gefügt, während sie darunter kleinteilig und weniger sorgfältig geschichtet sind – so wie es häufig in Fundamentbereichen zu finden ist (Abb. 14). Das Thermalbad mit der westlichen Quadermauer und den Räumen im Nordwesten dürfte demnach in das anstehende Gelände eingetieft worden sein.
Geophysikalische Untersuchungen
36Die geophysikalischen Untersuchungen konzentrierten sich auf Flächen nordöstlich und südwestlich des Thermalbades. Sie sollten die Erstreckung des Baus und mögliche Bebauung im Umfeld abklären. Messungen im Nordwesten und Südosten des Thermalbades waren nicht möglich, da im Nordwesten die moderne Fahrstraße mit anschließenden Wohnhäusern und im Südosten die Bergama Belediyesi Güzellik Ilıcası Sosyal Tesisleri anschließen. Für die Messungen mit der Geomagnetik wurde ein Sensorwagen mit vier Fluxgate-Magnetometern bei einem Profilabstand von 50 cm und In-Line-Messungen etwa alle 5 cm eingesetzt. Geoelektrische Prospektionen wurden mit einer RESECS-Multielektrodenapparatur bei einem Profil- und Elektrodenabstand von 1 m durchgeführt.
37Die Messungen der Geomagnetik zeigten in einem Streifen von ca. 35 m südwestlich des Thermalbades kurzwellige Anomalien und eine quer zur gemessenen Fläche verlaufende bipolare Anomalie (Abb. 15). Während es sich bei letzterer um ein modernes Metallrohr handelt, das in der Grabungskante südlich des Baus erkennbar ist und bei den älteren Grabungsarbeiten gekappt worden ist, dürften die kurzwelligen Anomalien auf den Bauschutt des modernen Hotels zurückgehen, der nach dessen Abbruch auf der Oberfläche verteilt worden ist. Die Bilder der geomagnetischen Prospektionen sind in einem Abstand zwischen 35 m und 80 m südlich des Thermalbads bis auf eine quadratische positive Anomalie deutlich ruhiger. Die quadratische Anomalie dürfte auf moderne Strukturen zurückzuführen sein. Im Nordosten reichen die Messungen bis ca. 35 m über das Thermalbad hinaus. Sie zeigen keine auffälligen Anomalien.
38Die geoelektrische Prospektion hat wichtige Erkenntnisse zur Erstreckung des Thermalbades nach Südwesten erbracht. In der Tiefenscheibe von 1,40 m bis 1,80 m sind lineare Strukturen in Form von höheren elektrischen Widerständen unmittelbar südwestlich des Thermalbades gemessen worden (Abb. 16). In ihrem Verlauf folgen sie den freigelegten Mauerzügen. Die rechtwinklig umknickenden Strukturen können zu Raumstrukturen verbunden werden. In der Tiefenscheibe von 2,40 m bis 2,80 m setzen sich diese linearen Strukturen in Form von höheren elektrischen Widerständen fort (Abb. 17).
39Demgegenüber wurden bei den geoelektrischen Messungen im Nordosten des Gebäudes in der Tiefenscheibe 1,40 m bis 1,80 m geringe Widerstände gemessen, die nicht auf Baustrukturen in dieser Tiefe schließen lassen (Abb. 16). In der Tiefenscheibe von 2,40 m bis 2,80 m treten nordöstlich des Thermalbades höhere elektrische Widerstände auf, die auf einen Bereich von höchstens 10 m auf 10 m begrenzt sind (Abb. 17). Die Überprüfung und Einordnung dieser geoelektrischen Messungen bleibt den folgenden Kampagnen vorbehalten.
S. F. – K. P. – E. E.
Die römische Unterstadt
Dokumentation von Baustellenbefunden
40Wie schon in den Vorjahren, so wurden auch 2018 in sieben bauvorbereitenden Grabungen des Museums Bergama aus den Jahren 2016 und 2018 Architekturbefunde für die Aufnahme in die neue archäologische Karte und das GIS-Pergamon dokumentiert[22]. Die meisten Grabungsflächen lagen wieder im Bereich der Südnekropole von Pergamon, deren Bestand vor allem in der Ertuğrul Mahallesi durch die zahlreichen Baumaßnahmen während der letzten Jahre deutlich reduziert wurde. Besonders bemerkenswert sind die Reste einer wohl spätantiken Spolienarchitektur (Abb. 18), deren Ausrichtung sich an der antiken Straße orientiert, die in diesem Bereich schon wiederholt festgestellt worden ist[23].
F. P.
Neue Untersuchungen am Amphitheater von Pergamon
41Das Amphitheater von Pergamon bildete zusammen mit Theater und Stadion ein räumliches und wohl auch funktionales Ensemble im Nordwesten der römischen Stadt, deren Erscheinungsbild hier von dem langgestreckten Hügelzug Musalla Mezarlık geprägt wird (Abb. 19). Seine Nutzung zur Anlage aufwendiger römischer Hanghäuser, in der wir die Wohnsitze der Elite des kaiserzeitlichen Pergamon vermuten dürfen, machen das Ensemble mit dem Palatin in Rom vergleichbar[24]. Das Amphitheater nutzt geschickt einen tiefen Geländeeinschnitt, der vom Westhang des Musalla Mezarlık und vom Osthang des nach Osten anschließenden Hügels Boz Tepe gebildet wird. Zwischen beiden Hügeln verläuft ein Bach, der in den Selinus (Bergama Çayı) mündet. Beim Bau des Amphitheaters mussten nur die Einschnitte im Norden und im Süden zwischen den Hügelflanken mit radial angeordneten Stützbauten gefüllt werden, die gemeinsam mit dem natürlichen Terrain die Sitzreihen trugen. Die bauliche Einbeziehung des Baches in die Anlage deutet darauf hin, dass in der Arena auch Naumachien oder Wasserspiele durchgeführt werden konnten.
42Das Amphitheater in Pergamon ist eines der am besten erhaltenen Amphitheater in Kleinasien[25] und ein wichtiger Baustein zum Verständnis der Unterstadt des römischen Pergamon und seiner städtebaulichen Entwicklung. Bis heute existieren zwar mehrere kursorische Beschreibungen des Baus, aber noch keine detaillierte Publikation. Eine erste wissenschaftliche Annäherung erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts durch Charles Félix Marie Texier, dessen Planaufnahmen aber ungenau bleiben und das Amphitheater fälschlicherweise als oval statt rund darstellen[26]. Offenbar wollte Carl Humann bereits im Jahr 1885 mit ersten Ausgrabungen beginnen. Diese Bemühungen scheiterten jedoch an zu hohen Geldforderungen der Grundstückseigentümerin für eine Genehmigung der Arbeiten[27]. Auch Richard Bohn hat sich mit dem Amphitheater beschäftigt; die genauen, steingerechten Aufnahmen des Architekten Paul Schazmann aus dem Jahr 1908 (Abb. 20. 21) sind jedoch nie im Zusammenhang mit einer genauen Baubeschreibung und baugeschichtlichen Bearbeitung veröffentlicht worden[28]. Schazmann hat zwar keinen Gesamtplan der Anlage erstellt, aber die noch stehenden Baureste an der Süd- und Nordseite sehr detailliert dokumentiert, weswegen seine Zeichnungen die bislang umfangreichste und wirklichkeitsgetreueste Dokumentation des Amphitheaters von Pergamon darstellen. Seitdem gilt die weitere Erforschung des Amphitheaters als wesentliches Desiderat der Pergamongrabung[29].
43Die neuen Arbeiten im Amphitheater haben als Vorbereitung für ein Teilprojekt des neuen Forschungsprogramms der Pergamongrabung (s. o.) begonnen[30]. In der Kampagne 2018 standen zunächst umfangreiche Reinigungsarbeiten der stark überwachsenen Ruine im Vordergrund. Punktuell fanden auch erste Säuberungen mit oberflächlichem Erdabtrag statt. Diese Maßnahmen dienten der Vorbereitung einer 3D-Dokumentation unter Einsatz von Structure from Motion (SfM). Daneben wurden zahlreiche Fotos und einige wenige Zeichnungen angefertigt. Eine weitere Aufgabe bestand in der katalogartigen Erfassung des Baus in iDAI.field2.
44Während der Reinigungsarbeiten wurden auf der Nordostseite des Baus zwei Mauern freigelegt (Abb. 22). Mauer 042 ist radial ausgerichtet, wohingegen Mauer 043 eine ovale Form aufweist, die zur Struktur des Amphitheaters passt. Die beiden Mauern sind nur noch bis auf Höhe des modernen Laufniveaus erhalten. Die Erhaltung von Putzresten ist bemerkenswert, da derartiges bislang im Amphitheater nicht nachgewiesen werden konnte.
45Die übrigen Strukturen, die freigelegt wurden, befinden sich im Bereich der Arena (Abb. 23). Besonders wichtig für das Verständnis der Anlage ist die Entdeckung des Fußbodens der Arena, der 13 cm stark ist und aus einem offenbar wasserdichten Estrich mit Ziegelzuschlägen besteht. Nach Norden schließt der Boden an die Begrenzungsmauer der Arena an. Dieser Befund macht deutlich, dass im Bereich der Arena auch mit Wasserbauten zu rechnen ist. Ob es sich dabei um ein großes Becken, das Naumachien ermöglicht hätte, handelte, können nur weitere Grabungen im Bereich der Arena zeigen, die ab 2019 vorgesehen sind.
46Eine wichtige Beobachtung zum Bauablauf gelang an der Südwestseite des Amphitheaters (Abb. 24). Hier ist deutlich erkennbar, dass die Südwestseite zunächst offengelassen wurde, wohl um von dort Baumaterialien ins Innere des Gebäudes transportieren zu können. Erst später – vermutlich nach Abschluss der übrigen Arbeiten – wurde dieser Teil der Anlage fertiggestellt. Für die weitere Erforschung von Bauabläufen unter technikgeschichtlichen und bauökonomischen Kriterien sowie unter Berücksichtigung der Nutzung von Ressourcen ist die Bestimmung des Ortes der Materialzufuhr von wesentlicher Bedeutung.
İ. Y. – F. P.
Der Tumulus Yığma Tepe
Geophysikalische Prospektion am Tumulus Yığma Tepe
47Der monumentale Grabhügel Yığma Tepe wurde von 2014 bis 2017 geophysikalisch intensiv untersucht[31]. Dabei führten seismische Reflexionsmessungen mit Scherwellen zu der Entdeckung einer Reihe von internen Strukturen, die vorläufig als »seismische Objekte von archäologischem Interesse« (SOI)[32] klassifiziert wurden.
48Das seismische Profilnetz deckt zwar die wichtigsten Areale ab, d. h. die Bereiche, in denen das Auftreten von Einbauten aufgrund von Erfahrungen an anderen Tumuli am wahrscheinlichsten ist. Wegen der Größe des Hügels besteht jedoch weiterhin Bedarf zur lokalen Verdichtung des Netzes und zur Ergänzung der seismischen Messungen durch andere Messverfahren, wodurch die Interpretationssicherheit erhöht und Beziehungen zwischen verschiedenen Tiefenniveaus hergestellt werden können.
49Vor diesem Hintergrund wurden 2018 als erster Abschnitt der auf zwei Kampagnen angesetzten Nachuntersuchungen drei weitere Scherwellen-Profile im Top des Yığma Tepe vermessen (Abb. 25) und eine geoelektrische Tomographie entlang eines NW-SO gerichteten Transektes über die nördliche Spitze des Hügels erstellt[33]. Beide dienen der Verifikation von SOI 2, 4 und 5[34]. Zusätzlich wurden zwei kleinere Flächen geoelektrisch vermessen, die an der NW- bzw. W-Flanke liegen und die Ränder der großen zentralen Einkerbung des Yığma Tepe überdecken. Unter ihnen waren ebenfalls SOIs geortet worden.
50Das Untersuchungsobjekt der reflexionsseismischen und geoelektrischen Messungen war die Struktur SOI 2, die zuvor auf parallelen Profilen auf dem Top des Yığma Tepe in ca. 10 m Tiefe geortet worden war. Die Unterkante von SOI 2 befindet sich auf dem Niveau eines internen Plateaus, das die obere Begrenzung einer seismischen Schicht bildet, die versuchsweise mit der Bauphase 1 des Hügels identifiziert worden war (Abb. 26)[35]. Allerdings hatten die Profile, anhand derer SOI 2 definiert worden war, 8 m Abstand voneinander, so dass unklar geblieben war, ob SOI 2 eine Folge von Einzelobjekten oder eine tatsächlich zusammenhängende Struktur ist. Auch auf einem NNO-SSW verlaufenden Geoelektrikprofil, das SOI 4 und 5 schneidet, war eine hochohmige Anomalie in der entsprechenden Tiefe gefunden worden. Jedoch war hier die genaue seitliche Lage unklar, da es noch keine Kontrolle durch ein Querprofil gab.
51Scherwellen- und Elektrikmessungen wurden mit denselben Messapparaturen und -parametern wie in den Jahren zuvor durchgeführt (Abb. 25). Es wurden horizontal polarisierte Scherwellen (SH-Wellen) durch sog. Schurfschläge erzeugt, d. h. durch seitlichen Hammerschlag auf eine senkrecht in den Boden eingelassene Stahlplatte. Die Länge der drei SH-Wellen-Profile betrug jeweils 36 m, der Profilabstand ca. 8 m. Die Profile wurden so angelegt, dass sie mit den bestehenden ein Netz mit 4 m Abstand bildeten. Der Abstand der Geophone betrug 0,5 m, der Abstand der Anregungspunkte 1 m. Der neue geoelektrische Transekt hat eine Länge von 96 m und wurde bei 1 m Elektrodenabstand in Wenner-α-Konfiguration vermessen.
52Als Ergebnis der Messungen kann festgehalten werden, dass sowohl die Struktur SOI 2 auf den Scherwellenprofilen (Abb. 27) als auch die Strukturen SOI 4 und 5 auf dem Elektrikprofil (Abb. 28) in der Lage übereinstimmend angetroffen wurden. Als Beispiel ist in Abb. 27 das SH-Wellenprofil OW24 dargestellt. Es zeigt an der aufgrund der früheren Messungen vorhergesagten Stelle ein komplexes Muster von Reflexionen, das auf dem Top der Phase 1 der Stratigraphie auflagert und sich in der Signalstärke erheblich vom Hintergrund abhebt. Die geoelektrische Tomographie zeigt an der Stelle von SOI 4 und 5 eine undifferenzierte Zone erhöhten elektrischen Widerstands.
53In den Vorjahren waren gezielt oberflächennahe geoelektrische Anomalien durch Grabungen verifiziert worden. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Bereiche hoher elektrischer Widerstände durchweg Steinkonstruktionen oder stark mit Feldsteinen angereicherte Lagen darstellten. Es ist naheliegend, diese Ansprache auch auf SOI 4 und 5 sowie vielleicht auch auf die übrigen SOIs zu übertragen, da Steinlagen und -volumina nicht nur mit hohen elektrischen Widerständen, sondern auch mit hohen seismischen Impedanzkontrasten[36] im Vergleich zu dem umgebenden Boden assoziiert sind. Diese wiederum sind ursächlich für die beobachteten starken Amplituden der Reflexionssignale. Der Durchmesser von SOI 2, 4 und 5 beträgt nach den neuen Messungen ca. 5–10 m. Die Abmessungen implizieren, dass es sich bei SOI 2 um eine Baustruktur erster Ordnung handelt.
54An der nordwestlichen und westlichen Flanke waren unterhalb der ›Rippen‹, die die Ränder der großen zentralen Einkerbung des Yığma Tepe bilden, ungewöhnlich stark reflektierende seismische Strukturen (SOI 3 und 6) geortet worden, deren Umfeld geoelektrisch näher untersucht wurde (Flächen RA und RB in Abb. 29: e). Die Geoelektrik wurde auf Parallelprofilen mit 1 m Elektrodenabstand mit einer RESECS-Apparatur in Wenner-α-Konfiguration aufgezeichnet. Die Profile wurden separat tomographisch invertiert und anschließend zu einer 3D-Verteilung der elektrischen spezifischen Widerstände zusammengefügt.
55Unterhalb der südlichen Rippe befindet sich auf dem Niveau von ca. 53 m ein nahezu planer reflektierender Streifen (SOI 3), der nach Osten ca. 20 m in den Hügel hineinreicht und im Westen bis nahe an die Oberfläche kommt. Die Geoelektrik überdeckt davon das westliche oberflächennahen Ende (Abb. 29: a. b; Fläche »RA« in Abb. 29: e). Abb. 29: b zeigt einen etwa nord-südlich verlaufenden Vertikalschnitt durch die Rippe. Auffällig ist eine ca. 1 m mächtige und 5 m breite hochohmige Widerstandsanomalie (>2000 Ωm) in 1 m Tiefe, die sich deutlich vom Hintergrund (<1000 Ωm) abhebt. Sie wird zu beiden Seiten in jeweils 2 m Abstand flankiert von zwei ähnlich starken, aber kleineren Anomalien von ca. 2 m Durchmesser. Der Horizontalschnitt in Abb. 29: a zeigt, dass die Struktur eine zusammenhängende Fläche von ca. 7 m × 3 m bildet. Nach den bereits oben erwähnten Erfahrungen aus den Ausgrabungen ist es naheliegend, auch diese Struktur als Steinpackung anzusprechen. Sie bildet den oberflächennah ›greifbaren‹ Endpunkt der seismischen Struktur SOI 3.
56Die unterhalb der nördlichen Rippe gelegene Struktur SOI 6 konnte seismisch bisher besonders in Oberflächennähe nicht in der Klarheit gefasst werden wie SOI 3. Die geoelektrische Flächenmessung (Abb. 29: c. d, »RB« in Abb. 29: e) zeigt, dass sich hier in ca. 1 m Tiefe ebenfalls plattige Lagen von sehr hohen spezifischen elektrischen Widerständen befinden, die auf erhebliche Steinanreicherungen hindeuten. Im Vertikalschnitt (Abb. 29: c) deuten sich möglicherweise Stufen einer Terrassierung an. Die horizontale Ausdehnung der Anomalie auf Fläche RB ist vergleichbar mit der vorigen auf der Fläche RA. Während jedoch die elektrische RA-Anomalie der seismischen Struktur SOI 3 geometrisch unmittelbar plausibel zugeordnet werden kann, ist der Bezug der elektrischen RB-Anomalie zu den Elementen von SOI 6 geometrisch ad hoc weniger klar und bedarf einer noch genaueren Analyse.
W. R. – E. E. – R. M.
Das Umland von Pergamon
Die Arbeiten des Umland-Surveys 2018
57Der mit unterschiedlichen Schwerpunkten konzipierte Survey 2018 im Umland von Pergamon arbeitete in einem Zeitraum von vier Wochen an insgesamt 15 Fundstellen, die auf drei regionale Arbeitsgebiete verteilt waren (Abb. 30).[37]. Arbeitsgebiet 1 umfasste die nördlichen Ausläufer des Yünt Dağ-Gebirges und die südlichen Seitentäler des westlichen unteren Kaikostals um den Durdağ Tepe zwischen den Dörfern Çalıbahçe und Zeytindağ. Die Arbeiten dort galten dem Auffinden antiker Orte mit Sichtverbindungen in das Kaikostal und zu anderen, bereits bekannten Fundstellen. Im Rahmen der Untersuchungen zu Sichtverbindungen und sog. visual regions war dieses Gebiet bisher ein ›weißer Fleck‹, der durch gezielte Feldbegehungen gefüllt werden sollte[38]. In Arbeitsgebiet 2, dem Gebiet der Kane-Halbinsel, wurde mit derselben Zielstellung gearbeitet. Arbeitsgebiet 3 umfasste das südliche Kozakgebirge in der Umgebung des Dorfes Çakırlar mit dem Ziel, die Überreste sog. Warten und Befestigungen zu (re)lokalisieren. Diese sollen zukünftig in einer Studie zu Kommunikationsnetzwerken innerhalb der Mikroregion Pergamon weiter untersucht werden. Die durch die Feldbegehungen neu entdeckten Fundstellen wurden z. T. nur vorläufig dokumentiert, da sie im Rahmen des 2019 beginnenden neuen Forschungsprogramms ausführlicher untersucht werden sollen. Die Arbeitsgebiete wurden extensiv begangen, wobei topographische Besonderheiten, Berichte früherer Expeditionen und Hinweise der lokalen Bevölkerung die Grundlage zur Orientierung bildeten. Die im Rahmen des Umland-Surveys 2018 untersuchten Fundstellen werden im Folgenden vorgestellt.
Fundstelle 2018/01 – Kleine Siedlung/Gehöft
58Auf einer kleinen Hochebene, ca. 2 km südwestlich des Dorfes Ҫalıbahçe und 1,8 km östlich von Tekkedere, liegt die Fundstelle 2018/01 (Abb. 30). Die Ebene ist von höheren Bergen umgeben und geht nach Süden in ein kleines Tal über, das sich in seinem weiteren Verlauf bei Tekkedere zum Tal des Kaikos (Bakırçay) hin öffnet. Im Laufe der Begehung wurden insgesamt vier Mauerzüge (001–004) entdeckt, die wahrscheinlich zu unterschiedlichen Gebäuden gehören. Mauer 001 liegt im Süden der Ebene, besteht aus Lesesteinen und konnte auf einer Länge von 3 m mit einer WNW-OSO-Orientierung aufgenommen werden. Weiter nordöstlich befindet sich eine auf 8 m erhaltene zweischalige Mauer (002) aus Lesesteinen mit der gleichen Orientierung (Abb. 31). Eine weitere Mauer (003), auf ca. 3 m erhalten, konnte wenige Meter weiter nördlich mit einer NNW-SSO-Orientierung lokalisiert werden. Mauer 004 liegt etwas nordwestlich, abseits der anderen Befunde und ist äußerst schlecht erhalten. Die Fundstelle ist zunächst nur anhand von Ziegelfragmenten auf einem Wirtschaftsweg erkennbar und bietet insgesamt nur sehr wenig Fundmaterial. Die vorläufige Datierung der Ziegel- und Keramikfragmente sowie die Befundsituation deuten auf eine Siedlung oder ein Gehöft aus kaiserzeitlich-byzantinischer Zeit hin[39].
Fundstelle 2018/02 – Kuyulu Kaya Tepe – Befestigung und Siedlung
59Am Ende eines Seitentals des Kaikos, etwa 1,8 km östlich von Tekkedere, liegt Fundstelle 2018/02, der Kuyulu Kaya Tepe (Abb. 30). Hierbei handelt es sich um eine ca. 40 m hohe Felsformation, die im Süden von einem Fluss durchbrochen wird und äußerst steile Felswände besitzt (Abb. 32). An den anderen Seiten ist der Felsen von flachen Hängen umgeben, die heute zum Olivenanbau genutzt werden. Das Felsplateau ist nicht größer als ca. 20 m × 20 m und nur von Nordosten auf einem schmalen Kletterpfad zu erreichen. Vom Plateau aus bietet sich nach Westen ein ausgezeichneter Blick in das Kaikostal. Insgesamt zwei Zisternen (001–002) und eine große Felsabarbeitung, bei der es sich möglicherweise um eine dritte Zisterne (003) handelt, befinden sich auf dem Plateau. Zisterne 001 ist in den Felsen geschlagen, rund und läuft nach unten birnenförmig auseinander. Der obere Durchmesser beträgt 1,5 m, der untere ca. 3 m bei einer Tiefe von etwa 4 m. Die Zisterne ist mit einem noch sehr gut erhaltenen Putz abgedichtet. Zisterne 002 liegt im östlichen Teil des Plateaus und ist rechteckig. Sie wurde ebenfalls aus dem Felsen geschlagen und misst ca. 3,5 m × 2,5 m bei einer Tiefe von etwa 4 m (Abb. 33). Die gesamte Tiefe konnte nicht bestimmt werden, da der Boden von Schutt – auch infolge von Raubgrabungen – und Steinversturz bedeckt ist. Überreste an den Wänden weisen darauf hin, dass auch diese Zisterne verputzt war. An der westlichen Wand sind Abarbeitungen, vermutlich Auflager für Balken oder Steine, zu sehen. Im südlichen Bereich des Plateaus liegt ein etwa 7 m × 3,5 m großes Loch, möglicherweise eine Zisterne, die jedoch z. T. verschüttet und zudem schlecht erhalten ist.
60Am östlichen Fuß des Felsens konnten weitere Befunde lokalisiert werden, die hauptsächlich durch Raubgrabungen zutage getreten sind. Bei Befund 005 handelt es sich um eine Bestattung. Erkannt wurde das Grab nur, weil alle Knochen des Individuums von den Raubgräbern in der zerwühlten Grube belassen wurden. Eine Grabeinfassung oder die ursprüngliche Lage des Individuums konnten nicht mehr nachvollzogen werden. Die Erhaltung der Knochen war aber ungewöhnlich gut, so dass nach einer ersten Aufnahme einige Aussagen zum Individuum getroffen werden konnten[40]. Aus der mutmaßlichen Grabgrube konnte das Fragment der Basis einer Terrakotta-Statuette geborgen werden, auf der auch noch die Spitzen zweier Füße erkennbar sind. Vorläufig kann von einer späthellenistischen bis frührömischen Bestattung ausgegangen werden; diese Einschätzung soll mithilfe einer Radiocarbondatierung des Skeletts überprüft werden.
61In einer von mindestens zwei weiteren Raubgrabungen (006–007) konnten noch Befunde entdeckt werden. Es handelt sich dabei um ca. 0,7 m × 0,7 m große Quaderblöcke, die ursprünglich wohl in einem Verband lagen. Da sich die Raubgrabung 006 an einem leichten Geländeversprung befindet, könnte es sich um die Reste einer massiven Terrassierungsmauer handeln.
62Am südlichen Fuß der Felsformation wurden einige behauene Quaderblöcke verschiedener Größen in Halden aus Steinversturz entdeckt. Diese Halden und vor allem die Quaderblöcke stammen vermutlich von einer Bebauung auf dem Felsplateau, die nach Süden abgerutscht ist. Putzanhaftungen an einigen der Blöcke lassen eine Zugehörigkeit zu den Zisternen auf dem Plateau vermuten. In der steilen südlichen Felswand befinden sich einige natürliche Höhlen, bei deren Begehung zunächst jedoch keine weiteren Funde oder Befunde wie z. B. Abarbeitungen entdeckt werden konnten.
63Die Ausdehnung der Fundstelle wurde anhand der oberflächig sichtbaren Ziegel- und Keramikfragmente ungefähr bestimmt. Sie zieht sich über mehrere Terrassen und Olivenhaine mehr oder weniger vollständig um den Kuyulu Kaya Tepe herum.
64Im Bereich des Felsplateaus, um die Bestattung herum und im übrigen Bereich der Fundstelle wurde zur chronologischen Einordnung Keramik aufgesammelt. Die Keramik aus dem Bereich der Raubgrabungen konnte vorläufig als hellenistisch bis kaiserzeitlich bestimmt werden. Im weiteren Bereich am Fuße des Kuyulu Kaya Tepe fanden sich hauptsächlich kaiserzeitliche Funde sowie zwei bronzezeitliche Keramikfragmente mit polierter Oberfläche. Auf dem Felsplateau wurde hingegen fast ausschließlich Keramik aus byzantinischer Zeit gefunden. Zwei Reibsteinfragmente aus Andesit wurden ebenfalls dokumentiert, aber am Ort belassen.
65Bei Fundstelle 2018/02 handelt es sich aufgrund der bislang bekannten Fund- und Befundsituation wohl um eine Befestigungsanlage auf dem Felsplateau mit mindestens zwei großen Zisternen, die bis in byzantinische Zeit – oder vielleicht auch erst in nachantiker Zeit? – intensiv genutzt wurde. Am Fuße des Felsens befand sich offenbar eine kleine ländliche Siedlung mit einer Nutzungsdauer, die mindestens von hellenistischer Zeit bis in die Spätantike reichte. Ihre Ausdehnung konnte bislang nur ungefähr erfasst werden. Die vorläufige Auswertung der Fundkeramik deutet am besonders auffälligen Kuyula Kaya Tepe auf einen Siedlungsbeginn bereits in der Bronzezeit hin.
Fundstelle 2018/03 – Wasserleitung
66Bei Fundstelle 2018/03 handelt es sich um eine wohl antike, z. T. unterirdische Wasserleitung. Sie befindet sich am Rande eines Olivenhaines an der Straße von Bozköy nach Koyuneli (Abb. 30). Die Wasserleitung, die heute noch etwas Wasser führt, wurde deshalb in den letzten Jahren an einer Stelle ›angezapft‹. Hierzu wurde die Decke der Leitung aufgebrochen und mit neuen Steinen nach oben hin aufgemauert. In diesem Zustand wird sie heute wohl als Brunnen genutzt. Die Leitung verläuft von Südwesten kommend nach Nordosten und tritt etwa 20 m weiter in einem mit Schilf bewachsenen Graben wieder zutage. Östlich des Brunnens, im Olivenhain, finden sich zahlreiche Ziegel- und Keramikfragmente, die jedoch nicht aufgesammelt wurden. In den umliegenden Gebäuderuinen sind Spolien verbaut, so dass hier vermutlich auch von einer antiken Siedlungstätigkeit auszugehen ist. Etwa 200 m nordwestlich der Leitung befindet sich ein großer aus Lesesteinen gesetzter Brunnen.
Fundstelle 2018/04 – Büyüksofulu Tepe – Befestigung
671,4 km südöstlich des Dorfes Ҫalıbahçe liegt neben dem Küçüksofulu Tepe der Büyüksofulu Tepe (Fundstelle 2018/04), ein am Fuß ca. 500 m × 300 m umfassender und rund 100 m hoher Berg, der heute von Ackerflächen und Olivenhainen umgeben ist (Abb. 30). An seinem steilen Westhang ist er von Bäumen und Buschwerk bedeckt, Nord- und Südhang sind etwas flacher, aber ebenfalls bewachsen. Nur der Osthang und Bereiche des Südhangs zeigen weniger Vegetation und sind deutlich flacher. Das Gipfelplateau ist mit ca. 20 m × 20 m verhältnismäßig klein. Nordöstlich davon schließt sich einige Meter unterhalb eine schmale Felsterrasse (10 m × 30 m) an. Vom Gipfelplateau kann man sowohl das östlich als auch das westlich zum Kaikostal verlaufende Tal einsehen. Außerdem sind größere Bereiche des Kaikostales selbst, z. B. Teuthrania (Kalerga Tepe)[41], gut zu sehen. Richtet man den Blick weiter nach Norden und Nordosten, hat man einen guten Blick zum Serhat Tepe sowie zum Stadtberg von Pergamon.
68Bei der Begehung von Südosten aus wurden zunächst Keramikfragmente und schließlich insgesamt vier eindeutige Mauerbefunde entdeckt und dokumentiert (Abb. 34. 35). Mauer 001 ist eine ca. 8 m lange, noch dreilagig erhaltene Mauer aus ca. 0,5 m großen, unregelmäßigen Andesitbrocken. Hierbei handelt es sich vermutlich um Reste einer Terrassierungs- oder Befestigungsmauer. Südöstlich davon wurde eine weitere Mauer (002) entdeckt. Sie ist ebenfalls aus größeren Steinen gesetzt, zweischalig und 1,5 m bis 2 m breit. Diese Mauer konnte auf 6 m Länge verfolgt werden. Sie befindet sich an einem Geländeversprung und ist Bestandteil einer Terrassierungs- oder Befestigungsmauer. Auf dem Gipfelplateau wurde ebenfalls eine Mauer (003) aus kleineren, behauenen Andesitblöcken entdeckt. Sie ist auf einer Länge von ca. 1 m nachvollziehbar und endet möglicherweise an einer Gebäudeecke. Aufgrund der Größe des Plateaus lässt sich hier ein Gebäudegrundriss von ca. 7 m × 7 m vermuten. Diese Befundsituation entspricht anderen Fundstellen im Umland von Pergamon, die als Warten angesprochen werden, z. B. Fundstelle 2017/05[42]. Auf der etwas niedriger liegenden Terrasse verläuft in NNW-SSO eine 1,5 m breite und mindestens 11 m lange Mauer (004) aus unbehauenen Andesitblöcken. Die Mauer kann vom Übergang des Plateaus zur Terrasse über einen großen Felsblock mit Abarbeitungen hinweg bis zum Ende der schmalen Terrasse verfolgt werden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Terrasse sind größere Halden aus verstürzten Steinen zu erkennen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Mauer die Terrasse umschloss. Weitere Halden an allen Hängen des Berges zeugen wohl vom Abrutschen der nahezu gesamten Architektur auf dem Plateau.
69Unter den aufgesammelten Keramikfragmenten am Südhang befand sich unter anderem der Fuß einer Transportamphore mit einer Laufzeit vom 4.–2. Jh. v. Chr. Das übrige Fundmaterial datiert vorläufig in den Zeitraum vom Hellenismus bis in die römische Kaiserzeit.
70Betrachtet man die topographische Lage und die Befundsituation, so lässt diese am ehesten die Interpretation als eine Befestigung oder eine befestigte Siedlung, möglicherweise mit einem oder mehreren Befestigungsringen, zu.
Fundstelle 2018/05 – Mutmaßliche Warte
71Fundstelle 2018/05 liegt auf der südlichen Kane-Halbinsel 0,6 km westlich der Feriensiedlung Ҫağdaş Siteler und 0,7 km nordöstlich der Siedlung Eyko Sitesi (Abb. 30). Sie befindet sich auf einer Hügelkuppe an den Hängen des Kara Dağ-Gebirges mit einem ausgezeichneten Ausblick bis nach Çandarlı (Pitane)[43]. Inmitten von Geröll und großen Felsbrocken lassen sich auf der Kuppe mit Befund 001 die Reste einer Mauer, die der Überrest einer Warte sein könnte, lokalisieren. Es fanden sich jedoch weder Keramik noch Ziegel. Trockenmauern in der Umgebung sind mit großer Wahrscheinlichkeit jüngeren Datums. Es könnte sich hierbei aber aufgrund der topographischen Position um eine der von Carl Schuchhardt beschriebenen Warten handeln[44].
Fundstelle 2018/06 – Kemikliburun – Befestigung/Warte und Siedlung/Gehöft
72Kemikliburun bezeichnet eine Halbinsel, die den südwestlichsten Punkt der Kane-Halbinsel markiert und auf deren Geländerücken sich eine Fundstelle befindet (Abb. 30). Die Halbinsel liegt östlich der modernen Feriensiedlung Özlem Sitesi und ist nur wenig dicht bewachsen. Die Lage eignet sich ausgezeichnet, um die gesamte Küste mit ihren vorgelagerten Inseln, wie z. B. Mardaliç Adası[45], zu überblicken. Nach Norden reicht der Blick bis zum Maltepe bei Denizköy. Vom westlichsten Punkt der Halbinsel ist die Warte bei Denizköy (Fundstelle 2017/05)[46] zu sehen. Die unmittelbar nördlich angrenzende Bucht lässt sich von der Fundstelle aus ebenfalls bestens einsehen. Zwar ist Pitane nicht zu erkennen, jedoch die Bucht von Elaia.
73Auf dem höchsten Punkt der Fundstelle finden sich über mehrere Terrassen verteilt antike Mauerbefunde, die von zahlreichen Trockenmauern vermutlich jüngeren Datums überlagert werden (Abb. 36. 37). Im Osten verspringt das Gelände an einer natürlichen Felskante um einige Meter. Darunter finden sich mehrere z. T. rechteckige Mauerstrukturen. Vom höchsten Punkt aus zieht sich ein Höhenrücken etwa 600 m nach Westen. In diesem Bereich finden sich immer wieder Mauerbefunde, in der Regel neuzeitliche Hirtenhütten.
74Der Kern der Fundstelle liegt am östlichen Ende des Geländerückens. Hier befinden sich zahlreiche Mauerzüge, die wohl antik sind und möglicherweise zu einem kleinen Gebäude (Turmgehöft?) gehörten. In diesem Bereich konzentrieren sich unzählige behauene Bauglieder, zumeist Quader verschiedener Größen, die alle eingemessen, photographiert und skizziert wurden. Die Kartierung verdeutlicht, dass hier ein möglicherweise hellenistisches Gebäude stand.
75Um dieses Gebäude zu errichten, wurde das Gelände im Norden z. T. künstlich terrassiert. Nach Osten hin bildet der anstehende Felsen eine natürliche Geländekante von mehreren Metern. Entlang dieser Kante erkennt man einen Steinversturz. Möglicherweise war diese Kante zusätzlich durch eine Mauer erhöht worden. Östlich vorgelagert liegen entlang der Kante z. T. rechteckige Mauerstrukturen (002–009), die mit dieser Geländekante auch in Verbindung gebracht werden können. Geht man von einer befestigten Geländekante aus, könnte es sich hierbei um vorgesetzte Türme oder Verstärkungen gehandelt haben. Für ein freistehendes Gebäude erscheinen die Strukturen zu klein. Dem Verlauf nach Südosten folgend, zieht nach Südwesten über das Plateau eine massive Mauer aus großen Findlingen (1–1,5 m), die für eine reine Terrassierung überdimensioniert erscheint. Es könnte sich hierbei um die Fortsetzung einer Befestigungsmauer handeln, die den Kernbereich mit dem zuvor angesprochenen Gebäude schützte.
76Auf der gesamten Fundstelle fanden sich viele Ziegel- und Keramikfragmente. Zunächst wurden nur einige Stücke zur Erstdatierung aufgesammelt: ein bronzezeitlicher Tripod Jar, zwei ESC-Kragenschüsseln (Mitte 2. Jh. n. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.), zwei LRC-Bodenfragmente (425 bis 450 n. Chr.) und ein byzantinisches Fragment.
77Um ein aussagekräftigeres Bild zur Ausdehnung und Datierung der Fundstelle zu erhalten, wurde ein intensiver Keramiksurvey durchgeführt, der sich methodisch an den in Pergamon bzw. Elaia erprobten Verfahren orientierte. In zwölf über die Fundstelle verteilten Planquadraten mit einer Größe von 1,5 m × 1,5 m wurden jeweils Keramik- und Ziegelfragmente gezählt. Außerdem wurde die Fundstelle in insgesamt acht Felder eingeteilt, die intensiv begangen wurden, um diagnostische Keramikfragmente aufzusammeln. Die Auswertung der Keramik und Fundverteilung ist für die Kampagne 2019 vorgesehen.
78Vor diesem Hintergrund kann die chronologische Entwicklung der Fundstelle bislang nur umrissen werden. Aufgrund der Befundlage lässt sich aber an eine möglicherweise hellenistische Befestigungsanlage mit Mauerring und Turm denken, die den gesamten Schiffsverkehr um die Südwestspitze der Kane-Halbinsel sowie die nördlich gelegene Bucht kontrollierte. Von der römischen Kaiserzeit bis in byzantinische Zeit hinein könnte die Fundstelle als Siedlung oder Gehöft weiter genutzt worden sein. Vieh-, Oliven- oder Weinwirtschaft sind hier ebenso denkbar wie Fischerei von der nahegelegenen Bucht aus.
Fundstelle 2018/08 – Yazılı Taş Tepe – Warte
79Die Fundstelle 2018/08 liegt auf einem kleinen, modern planierten Geländesporn, dem Yazılı Taş Tepe, direkt an einer modernen Straße durch die Siedlung Bimeyko Sitesi und zieht sich in südlicher Richtung leicht den Hang hinab (Abb. 30). Infolge moderner Planierungsarbeiten fanden sich überall Ziegel- und Keramikfragmente und vereinzelt behauene Blöcke verschiedener Größen. Auch in einer benachbarten Gartenmauer östlich des Areals sind einige antike Bauglieder verbaut worden. Bei der Fundstelle handelt es sich möglicherweise um eine der bereits von Schuchhardt beobachteten Warten[47]. Dafür spricht vor allem die Position im Gelände mit guter Sicht über die Südküste der Kane-Halbinsel, während die vorläufige Datierung der Keramik in die römische Kaiserzeit gegen eine militärische Nutzung spricht.
Fundstelle 2018/09 – Siedlung/Turmgehöft
801,5 km südwestlich des Dorfes Merdivenli nahe der Straße Kara Göl Yolu liegt am Ende eines nach Norden verlaufenden Tals auf einer kleinen Hochebene die Fundstelle 2018/09 (Abb. 30). Das Gebiet ist überwiegend bewaldet, große Teile der Fundstelle sind jedoch offen und nur mit Gras bedeckt. Dieser Bereich ist großflächig mit Trockenmauern terrassiert worden.
81Den Kern der Fundstelle bildet ein am Nordende der Ebene an einem Geländeversprung liegender Bereich mit verstürzten Steinen (Abb. 38). Darunter finden sich zwei Mauern (001), die eine Gebäudeecke bilden. Die anhand der Geländekante abgeschätzten Maße des Gebäudes von rund 7 m × 7 m erinnern an die Turmgehöfte in der Umgebung (s. o.). In diesem Bereich fanden sich außerdem zahlreiche behauene Quaderblöcke, die kartiert, photographiert und skizziert wurden und wahrscheinlich zu dem angesprochenen Gebäude gehörten. Weiterer Steinversturz in der Umgebung deutet auf kleinere Nebengebäude hin. Außerdem liegt westlich ein kleiner aus Steinen gesetzter Brunnen (002) mit einem Innendurchmesser von 0,8 m und einer Tiefe bis zur Oberkante der Verfüllung von 1,2 m. Diese Befunde werden möglicherweise von einer Mauer (004) umfasst, die sich an einigen Stellen noch nachvollziehen lässt und an einer Stelle wohl eine Zugangssituation besaß (003).
82Südwestlich der Gebäude konnten drei weitere Brunnen dokumentiert werden. Brunnen 005, in dem auch im September noch Wasser steht, hat einen Innendurchmesser von 0,7 m und eine Tiefe bis zum Grund von 2,05 m. Brunnen 006 liegt weiter südwestlich, etwas abseits der Fundstelle im oben erwähnten terrassierten Gelände wenige Meter neben Brunnen 007. Brunnen 006 ist ebenfalls aus Steinen gesetzt, hat einen Innendurchmesser von 1,5 m und eine Tiefe von 2,95 m bis zum Grund. Brunnen 007, mit Abstand der größte Brunnen, liegt am südwestlichsten und hat einen Innendurchmesser von ca. 4–5 m und eine Tiefe von max. 6,4 m (Tiefe bis zum Wasser 4,6–4,8 m; Wassertiefe 1,6 m). Die Brunnen werden heute offenbar noch zum Tränken der Ziegen verwendet, ihr Alter lässt sich aber nicht ohne Weiteres bestimmen.
83Betrachtet man die Befundsituation der Fundstelle, so ist hier am ehesten an eine landwirtschaftliche Siedlung bzw. an ein landwirtschaftlich genutztes Turmgehöft zu denken. Lage und Befunde erinnern an die in der Nähe liegenden Orte Asarlik Tepe[48] und Söğütlü Kalesi[49], die beide vermutlich landwirtschaftlich genutzte Turmgehöfte gewesen sind. Allerdings datiert die aufgesammelte Keramik dieser Fundstelle zunächst deutlich später, nämlich in spätantike bis byzantinische Zeit. Eine mögliche ältere Vorgängerbebauung und -nutzung kann zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Fundstellen 2018/10 und 2018/11 – Kilise Yeri und Karaca Kayası
84Fundstelle 2018/10, Kilise Yeri (deutsch: Kirchplatz), liegt auf einem flachen Hügel 1,5 km südwestlich des Dorfes Çakırlar am Nordrand einer Hochebene, die sich nach Süden zum Kaikostal hin öffnet (Abb. 30). Es fanden sich moderne Trocken- und Terrassierungsmauern für Olivenhaine, aber auch einige ältere Bauglieder. Dabei handelte es sich um durchschnittlich 0,5 m × 0,5 m große Quaderblöcke von bis zu 1,4 m Länge sowie um einen 1,9 m großen Quader, der zu einem Tür- oder Torbogen gehörte. An einigen Stellen konnten auch noch Mauern in situ erkannt werden, die möglicherweise zu der namensgebenden Kapelle oder Kirche gehörten. Neben einigen wenigen Keramik- und Ziegelfragmenten wurden auch Steinfunde, wie z. B. eine große Reibschale, dokumentiert, die auf die landwirtschaftliche Nutzung der Hochebene hindeuten.
850,9 km südlich von Kilise Yeri liegt der Karaca Kayası, Fundstelle 2018/11 (Abb. 30. 39). Es handelt sich dabei um die von Schuchhardt beschriebene Fundstelle »41. Karadscha-Kaja bei Aladschalar«[50]. Die meisten von ihm beschriebenen Befunde konnten wiedergefunden werden, die Datierung in byzantinische Zeit wird sich anhand der gesammelten Keramik voraussichtlich bestätigen lassen.
86Vom Felsen aus hat man einen ausgezeichneten Blick über die gesamte Hochebene sowie in das Kaikostal mit dem Eğrigöl Tepe[51]. In der Ebene findet man heute nur noch einige Olivenhaine und Bienenstöcke. Insgesamt wird sie kaum landwirtschaftlich genutzt, der größte Teil liegt brach. Der von Schuchhardt beschriebene reißende Fluss führt heute, zumindest im Sommer, kaum Wasser.
87Erwähnenswert sind die Lage der beiden Fundstellen auf der Hochebene sowie ihre Nähe zueinander. Schuchhardt stellte die Hypothese auf, dass es sich beim Karaca Kayası um das sog. Tiarai handeln könnte, das offenbar in dieser Gegend vermutet wird und in byzantinischer Zeit Bischofssitz gewesen ist[52]. Dazu würde der heutige Name »Kilise Yeri« der von Schuchhardt nicht erwähnten Fundstelle 2018/10 passen.
Fundstelle 2018/12 – Küçükburun/Yılanlı Tepe – Warte
88Die Warte auf dem Yılanlı Tepe (Fundstelle 2018/12) ist bereits von Schuchhardt in ihrer Lage »am Geikli-Dag« ungefähr beschrieben worden[53]. Sie liegt 4,4 km nordwestlich des Dorfes Çakırlar auf einem Höhenrücken. Dieser trennt die beiden Täler, die nach Atarneus und über Kapıkaya nach Pergamon führen, voneinander (Abb. 30). Die Warte befindet sich somit an einer für die Verbindung zwischen Pergamon und Atarneus mit dem südlichen Kozakgebirge strategisch wichtigen Position. Leider zeigte sich sehr schnell, dass die Fundstelle durch Rodungs- und Wegebauarbeiten planiert worden ist, was eine detaillierte Befundaufnahme unmöglich machte. Zumindest war es möglich, die exakte Position der Fundstelle zu registrieren. Vor Ort konnten außerdem noch zahlreiche Ziegelfragmente, wenig Keramik und einige behauene Quader festgestellt werden. Mauern in situ waren nicht mehr auszumachen. Die Ausdehnung der Streuung wurde dokumentiert und die spätantik bis osmanischen Funde aufgesammelt.
Fundstelle 2018/13 – Panayir Yeri Mevki – Siedlung/Gehöft
89Die Fundstelle 2018/13 liegt 0,9 km westlich des Dorfes Yerlitahtacı und 1 km nordöstlich von Çakırlar auf einer ca. 100 m × 200 m großen, fruchtbaren Hochebene, die sich nach Südosten in Richtung des Stadtberges von Pergamon öffnet (Abb. 30). Die Ebene ist auch im Hochsommer erstaunlich grün und wird als Pferdeweide genutzt. Es handelt sich bei der Fundstelle vermutlich um eine kleine Siedlung oder ein (Turm-?)Gehöft, das am östlichen Rand der Ebene liegt. Moderne Trockenmauern erschweren die Identifizierung antiker Mauerstrukturen, dennoch sind einige antike Mauerzüge in situ erkennbar. Des Weiteren weisen Bauglieder, wie z. B. eine Säulentrommel aus Andesit und langrechteckige Quaderblöcke, sowie Keramik- und Ziegelfragmente auf eine antike Besiedelung hin (Abb. 40). Erwähnenswert ist auch der ausgezeichnete Ausblick auf den Stadtberg, der nur 5 km Luftlinie entfernt liegt (Abb. 41). Die Fundstelle konnte aus Zeitgründen nur sehr vorläufig dokumentiert werden. Sie passt aber gut in die Thematik des neuen Forschungsprogramms (s. o.), so dass ihre ausführliche Untersuchung im Rahmen der kommenden Feldkampagnen vorgenommen werden soll.
Fundstelle 2018/14 – Hacıismail Köprüsü – Brücke bei Demirtaş
90Die zweibogige Brücke (Fundstelle 2018/14) führt über den Fluss Sarıasmak, der nur wenige hundert Meter von einer weiteren römischen Steinbrücke[54] entfernt in den Kaikos mündet. Die Brücke liegt 5,7 km südöstlich des Dorfes Demirtaş und 5,7 km südwestlich von Yenikent entfernt (Abb. 30). Der westliche Bogen der Brücke ist ca. 5 m hoch und überspannt den Fluss auf 11,2 m. Er ist damit deutlich größer als der östliche Bogen, der nur 4,8 m weit ist (Abb. 42). Die Brücke verläuft von West nach Ost über den Fluss, wobei sie auf Höhe des Mittelpfeilers leicht nach Norden abknickt. Die Brücke hat eine Breite von durchschnittlich 3,2 m. Die Reste einer Fahrbahndecke aus Beton und Zement zeigen, dass sie auch heute noch intensiv von landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt wird. Der Unterbau der Brücke ist aus Quadern gesetzt und erscheint deutlich älter. Es handelt sich dabei vermutlich um Spolien, z. T. auch aus Marmor. Die Brücke wurde vermutlich mehrfach wieder aufgerichtet, denn der Fundamentbereich, soweit er bis zur Wasseroberfläche sichtbar war, ist massiv gesetzt und scheint älter als die Bögen zu sein. An den Bogenansätzen lassen sich auch jeweils noch drei Balkenlöcher erkennen, die als Auflager für das Bogengerüst aus Holz dienten (Abb. 43).
91Eine Datierung der Brücke ist nur schwer möglich. Sie könnte mehrmals repariert bzw. neu aufgesetzt worden sein. Möglicherweise hat sie antike Fundamente oder einen antiken Vorgängerbau, denn im Gegensatz zu Pfaden und Wegen haben Brücken in der Regel eine sehr hohe Ortskontinuität.
92In der direkten Umgebung der Brücke fanden sich Quader, die vielleicht von einer Vorgängerbrücke oder der letzten Instandsetzung stammen. Anhäufungen antiker Ziegel sind am ehesten im Zuge der Bewirtschaftung der umliegenden Felder hier abgelagert worden.
93Von Westen her führt eine mit Spolien gepflasterte Straße (002) auf die Brücke zu. Auf den letzten 200 m sind vor allem die Ränder im Feldweg erkennbar. Sie bestehen aus großen Andesit-, Kalkstein- und Marmorquadern, werden jedoch zunehmend durch das Pflügen der Baumwollfelder links und rechts des Weges zerstört. Dennoch ließ sich eine durchschnittliche Straßenbreite von ca. 2,9 m feststellen. Östlich der Brücke ist der Weg bislang nicht zu identifizieren. Eine erneute Begehung ist für das nächste Jahr vorgesehen.
94Etwa 130 m nordöstlich der Brücke wurde bei der Begehung eine Ziegel- und Keramikstreuung (003) festgestellt. Die Funde datieren späthellenistisch, kaiserzeitlich und spätantik (bis in das 7. Jh. n. Chr.), wobei ein deutlicher Schwerpunkt auf der Kaiserzeit liegt.
Raubgrabungen in Atarneus (Fundstelle 2018/07)
95Während einer Exkursion nach Atarneus [55] wurden am Westhang des Siedlungshügels drei sehr große und relativ frische Raubgrabungen entdeckt. Ein Kapitell stellte in Raubgrabung 001 einen besonderen Fund dar, da Architekturteile für Atarneus ansonsten sehr selten sind. Das Objekt konnte jedoch nur photographiert werden und musste am Ort belassen werden. Die Sicherung des Fundstücks wurde durch das Archäologische Museum Bergama gewährleistet.
Elaia (Fundstelle 2018/15) – Raubgrabungen und Luftbilder der unter Wasser liegenden Mauerstrukturen
96 Elaia stand in diesem Jahr auf dem Programm des Surveys mit dem Ziel, Luftbilder von unter Wasser liegenden Mauerstrukturen aufzunehmen, die zu offenbar spätantiken Salinen gehören[56]. Diese Befunde sind im Rahmen des Elaia-Surveys in ihren Fluchten sowie in der Lage einzelner Quader vermessen worden. Die unter Wasser liegenden Mauern wurden mithilfe eines Quadrokopters aus der Luft aufgenommen. Dazu wurden sowohl Startpositionen vom Land als auch von einem kleinen Boot aus gewählt, da die Mauern teilweise viele hundert Meter auseinander lagen. Im Ergebnis sind Übersichtsfotos der Befunde entstanden (Abb. 44) sowie Detailansichten, die über den Aufbau der Mauern und Steinschüttungen Auskunft geben. Die Luftaufnahmen bilden zudem die Grundlage für eine präzisere Darstellung der Befunde im archäologischen Gesamtplan Elaias.
97Bei der Anfahrt zur Startposition für den Quadrokopter wurde zufällig eine umfangreiche Raubgrabung im Bereich der Nekropole etwa 40 m nordwestlich der Akropolis entdeckt. Dabei handelt es sich um zwei mit einem Kettenbagger ausgehobene Löcher, wobei das größere eine Ausdehnung von ca. 8 m × 4 m bei einer Tiefe von ca. 3 m hatte. Im Aushub fanden sich zwei Quaderblöcke, die zu einem Grab gehört haben könnten, das durch die Raubgrabung zerstört worden ist.
98Im Westen von Elaia, wo die Stadtmauer obertägig sichtbar ist, fanden sich am Wegrand zahlreiche Stadtmauerblöcke (002). Einige Meter weiter nordöstlich wurde offenbar in jüngerer Zeit etwas Erde abgetragen, so dass ein weiterer Teil der Stadtmauer (003) sichtbar wurde, der in der kommenden Kampagne dokumentiert werden soll.
B. L.
Einzelstudien und Aufarbeitung
Altgrabungen und Architektur
99Die Untersuchungen zur Baugeschichte des Dionysos-Tempels auf der Theaterterrasse wurden fortgesetzt[57]. Nach Vervollständigung des Grundrissplans und der Erstellung weiterer Ansichten und Schnitte kann die Bauaufnahme nun als weitestgehend abgeschlossen gelten.
100Am Zeus-Tempel auf der Oberen Agora konnte die Aufnahme der ungeordnet im Gelände verstreuten Bauteile abgeschlossen werden[58]. Zu ihrer besseren Sicherung wurden die transportablen Teile in einem Lapidarium zusammengetragen.
101Aufnahme und Bauuntersuchung eines oktogonalen Großbaus der römischen Kaiserzeit in verschiedenen Kellergewölben der Kale Mahallesi von Bergama wurden fortgesetzt[59].
102Im Rahmen eines Projektes zu den Innenräumen hellenistischer Tempel wurden mehrere Befunde am Stadtberg von Pergamon einer Autopsie unterzogen und teilweise auch zeichnerisch dokumentiert[60]. Dabei haben sich neue Erkenntnisse ergeben, u. a. zum Standmotiv von Statuen im Tempelinneren und deren Verhältnis untereinander sowie zum Betrachter, oder zu architektonischen Mitteln der Distinktion und Inszenierung sakraler Innenräume.
103Der Vorbereitung des bereits mehrfach erwähnten neuen Forschungsprogramms (s. o.) dienten auch erste Untersuchungen im Rahmen eines Projektes zu den antiken Wirtschaftsräumen der Mikroregion Pergamon[61]. Dabei ging es zunächst um die Autopsie mehrerer Befunde sowie um die stichprobenartige Durchsicht von Fundmaterial aus der Stadtgrabung, die mehrere relevante und bislang unpublizierte Komplexe hervorgebracht hat.
104Ebenfalls im Kontext des neuen Forschungsprogramms steht ein Projekt zur Erforschung der Transformation der Wohnkultur und damit auch von Lebensstilen zwischen Hellenismus und römischer Kaiserzeit[62]. Das Phänomen soll vor allem anhand des Attalos-Hauses und verschiedener Beispiele aus der Stadtgrabung untersucht werden und leistet damit auch einen Beitrag zur Aufarbeitung bislang unpublizierter Befunde. Schwerpunkt dieser Kampagne waren die Aufnahme und Rekontextualisierung von Fundmaterial aus dem Attalos-Haus und eine Auswahl von aussagkräftigen Vergleichskontexten aus der Stadtgrabung. Besonderes Augenmerk wird auf materialkundliche Aspekte gelegt, weswegen das Projekt von einer Restauratorin begleitet wird, die zugleich konservatorische Maßnahmen ergreift und die Lagerungsbedingungen der Altfunde überprüft und verbessert.
Fundmaterial
105Ein besonderer Schwerpunkt in der Aufarbeitung von Befunden aus dem 2017 abgeschlossenen Forschungsprogramm lag auf der publikationstauglichen Auswertung von Keramikfunden aus der Südostnekropole[63]. Die archäometrische Untersuchung von Keramik aus Pergamon und seinem Umland wurde mit der Entnahme 17 weiterer Proben für die RFA-Analyse fortgesetzt[64]. Nach den positiven Ergebnissen der ersten Analysen von ein- und zweihenkligen Krügen, die vermutlich einer lokalen oder regionalen Produktion entstammen, soll im nächsten Schritt des Analyseprojektes diese Gattung untersucht werden. Dafür wurden Stücke ausgewählt, deren Form bzw. Typ in Pergamon besonders häufig im Fundmaterial vertreten ist. Sie umfassen einen zeitlichen Rahmen, der vom 2. Jh. v. Chr. bis in das 3. Jh. n. Chr. reicht. Die Stücke wurden gezeichnet und photographiert, dann wurden ihnen entsprechende Fragmente für die RFA- sowie teilweise für die MGR-Analysen entnommen. Parallel dazu wurden die Probendurchgänge aus den Jahren 2010 bis 2016 für die Publikation vorbereitet; in ihr sollen die neuen pergamenischen Gruppen vorgestellt werden, u. a. Kochkeramik, dünnwandige Keramik und hellenistische Feinkeramik.
106Im Rahmen der numismatischen Studien der Pergamongrabung wurden weitere Münzfunde aus den 1980er und 90er-Jahren neu aufgenommen, digital erfasst und photographiert[65].
Epigraphik
107Die Aufnahme von Inschriften in den verschiedenen Grabungsarealen des Stadtberges wurde fortgesetzt und abgeschlossen[66]. Schwerpunkte der Arbeiten waren die Theaterterrasse, die Obere Agora, das Athenaheiligtum und das Trajaneum. Da bei den frühen Ausgrabungen der oberen Areale des Stadtberges eine Vielzahl von Funden nach Berlin gebracht worden war, war nur mit einer geringeren Zahl von Inschriftenfunden im Gelände zu rechnen. Diese Vermutung hat sich nur teilweise bestätigt, da immerhin noch beinahe 100 Inschriften aufgenommen werden konnten. Darunter finden sich wenig bedeutsame Fragmente einfacher Inschriften ebenso wie sorgfältig ausgearbeitete Monumente von hohem historischem Interesse. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass im Ruinengelände auch einige Inschriften verblieben sind, bei denen aufgrund der Angaben in den älteren Publikationen bislang davon ausgegangen wurde, dass man sie nach Berlin verbracht hätte.
108Parallel zur Inschriftenaufnahme im Gelände wurde die 2015 im Lapidarium und 2017 im Depot Agora 3 begonnene Dokumentation der Inschriften fortgeführt. Mit der Aufnahme von rund 600 überwiegend kleinen Fragmenten konnte auch die Bearbeitung dieses Depots beendet werden. Damit sind nun alle Inschriften in den Depots des Grabungshauses erfasst. Eine Überprüfung bestehender Verzeichnisse wurde im Depot des Museums Bergama in der Roten Halle durchgeführt. Schließlich wurden die Inschriften im Depot östlich des Trajaneums erstmals systematisch aufgenommen.
F. P.
Die anthropologisch-paläopathologischen Untersuchungen 2018
109Während der Grabungskampagne 2018 wurden die anthropologisch-paläopathologischen Untersuchungen der menschlichen Skelettreste aus Pergamon und Umgebung sowie aus Aigai fortgesetzt. Bearbeitet wurden Reste sowohl von Körper- wie auch von Brandbestattungen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand wie in den Vorjahren die Feststellung des Krankheits- bzw. Gesundheitszustands der antiken Menschen.
110Für die Geschlechts- und Altersbestimmung wurden wie in den vergangenen Kampagnen morphologische und metrische Merkmale herangezogen. Die Erfassung der epigenetischen Merkmale (anatomische Varianten) und Spuren krankhafter Veränderungen erfolgte nach einschlägigen Arbeiten[67].
Südostnekropole: Sondage 20
111Bei den Inventarisierungs- und Depotarbeiten fielen auch Knochenfunde aus Sondage 20 der Südostnekropole von Pergamon auf. Diese Sondage ist 2007 nach Abschluss der Notgrabungen in der Südostnekropole durch das Museum Bergama angelegt worden und konnte seitens der Pergamongrabung erst in der Sommerkampagne dokumentiert werden[68]. Die Knochen waren nicht gesäubert, sondern befanden sich in den Fundkisten in dem Zustand, wie sie geborgen wurden.
112Anhand der Zahl der seitengleichen Skelettelemente ist von mindestens vier Individuen auszugehen: drei Erwachsenen und einem Kind der Altersstufe infans II (7–12 Jahre; Abb. 45). Die für eine Bestimmung des Geschlechts gut geeigneten Teile des menschlichen Skeletts wie Schädel und Becken sind in Sondage 20 unterrepräsentiert. Daher musste im Wesentlichen auf die Langknochen zur Geschlechtsbestimmung zurückgegriffen werden. Humeri, Femora und Tibien waren in ausreichender Zahl vorhanden und konnten gut verwendet werden. Es handelt sich um zwei erwachsene Männer und eine Frau (Abb. 50). Das Geschlecht des Kindes ließ sich nicht bestimmen.
113Spuren krankhafter Veränderungen wurden aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes kaum beobachtet. Zu nennen ist eine distale Fibula eines der Männer mit einer starken Bänderzerrung (Abb. 46).
114Unter den Knochenresten aus Sondage 20 befinden sich auch fünf Fundkisten mit Equidenknochen. Es handelt sich um Reste von mindestens zwei Tieren. Ein Teil eines Hinterlaufs (Metatarsus bis distale Phalanx) war erhalten und wurde vollständig vermessen. Die Maße weisen eher auf ein kleines Pferd, denn auf ein Muli. Für einen Esel sind die Knochen nach den Angaben bei Joachim Boessneck und Angela von den Driesch[69] zu breit.
Südostnekropole: Siebfunde
115Bei der Ausgrabung der Gräber in der Südostnekropole in der Kampagne 2014 wurde generell die Grabverfüllung gesiebt. Die dabei geborgenen Funde wurden 2018 in Keramik- und Knochenfunde geschieden. Letztere wurden vom Verf. untersucht; dabei wurden die Menschen- von den Tierknochen getrennt. Die bestimmbaren menschlichen Skelettreste (vgl. Abb. 50) dürften in den meisten Fällen zu bereits untersuchten Bestattungen gehören[70].
Südostnekropole: Hangschuttschichten
116Bei der Keramikbearbeitung wurden aus Hangschuttschichten im Bereich der Nekropole zwischen den Tierknochen menschliche Knochen ausgelesen und bearbeitet. Es handelt sich um insgesamt einen Befund mit Resten eines verbrannten Individuums (PE14-Ar02-079-1s; Abb. 50). Inwiefern dieser Rest bereits einem der bekannten Individuen zuzuordnen ist, muss im Rahmen der weiteren Auswertung geklärt werden.
117Von besonderem Interesse sind die Funde aus dem Bereich der Kaikos-Wasserleitung (PE14-Ar02-093). Es handelt sich um einen Leichenbrand und zwei unverbrannte Fingerknochen eines Erwachsenen, also um mindestens zwei Individuen. Da in diesem Bereich keine Gräber angetroffen wurden, handelt es sich wahrscheinlich um abgegangene Reste von höher gelegenen Gräbern. Dies ist ein weiterer Hinweis auf eine größere Ausdehnung der Nekropole nach Westen[71].
Umlandsurvey
118Bei Fundstelle 2018/02 (Kuyulu Kaya Tepe) des Umlandsurveys wurde eine Raubgrabung entdeckt, die eine Bestattung zerstört hatte[72]. Zahlreiche Skelettreste konnten geborgen werden. Aufgrund des Fundmaterials aus dem Bereich der mutmaßlichen Grabgrube handelt es sich möglicherweise um eine späthellenistisch-frührömische Bestattung. Diese Einschätzung soll durch eine Radiocarbondatierung der menschlichen Knochen überprüft werden.
119Die Skelettreste (UM18-Sy01-FSt02) sind bemerkenswert gut und in repräsentativer Form erhalten. Da nur eine Fundbergung und keine Ausgrabung durchgeführt werden konnte, wurden die meisten Fußknochen nicht geborgen und dürften sich noch in situ im Südwesten der Grabgrube befinden. Die Geschlechtsbestimmung ergab einen robusten Mann. Die Lebensaltersschätzung erfolgte mithilfe des Verknöcherungsgrades der Schädelnähte und ließ auf ein Individuum von etwa 36–52 Jahren schließen[73]. Die Körperhöhe beträgt nach Pearson[74] etwa 165 ± 3 cm und liegt damit im bekannten Rahmen hellenistisch-römischer Populationen.
120Zahlreiche anatomische Varianten, sog. epigenetische Merkmale, wurden routinemäßig erhoben. Bemerkenswert ist ein mittig auf der Facies posterior der rechten Tibia auftretendes Foramen nutritium, das normalerweise zur Facies lateralis ausgerichtet ist. Eine Verknöcherung des Kreuz- mit dem Steißbein (Sacralisation) wie im vorliegenden Fall wird gelegentlich beobachtet.
121Die paläopathologische Untersuchung ergab eine Reihe von Befunden. Das Schädeldach ist oberhalb der Linea temporalis narbig und porös. Dies könnte auf eine Entzündung der Kopfschwarte hinweisen, z. B. als Folge von Befall durch Läuse oder anderen Ektoparasiten[75].
122An den Zähnen sind drei kariöse Defekte vorhanden. Es liegen drei sichere und zwei fragliche intravitale Zahnverluste vor. In einem Fall (Zahn 16) ist die Alveole der mesio-buccalen Wurzel fast vollständig abgebaut und die Wurzelspitze steckte nur noch einen knappen Millimeter im Rest des Zahnfachs (Abb. 47). Der (postmortal ausgefallene) Zahn wurde allerdings noch durch die mesio-palatinale und distale Wurzel gehalten. Sämtliche erhaltenen Zähne weisen Zahnsteinauflagen auf. Im Fall von Zahn 37 befindet sich Zahnstein auch auf der Kaufläche (Abb. 48). Dies ist durch den langjährig ausgefallenen Zahn 27 im Oberkiefer bedingt. Der Zahnhalteapparat ist chronisch entzündet (Abb. 49). Die meisten Zähne weisen unspezifische Stressmarker auf. Es handelt sich dabei zum einen um Schmelzdefekte in Form von so genannten transversalen Schmelzhypoplasien (Abb. 49), zum anderen um so genannte Wurzelhypoplasien. Die Defekte sind vorwiegend im Alter von 4 bis 7 Jahren (± 12–24 Monaten) entstanden[76].
123Eine nicht besonders ausgeprägte Entzündung der Nasennebenhöhlen ist vorhanden. Darüber hinaus ist die knöcherne Nasenscheidewand nach links verbogen. Daher dürfte der Mann, wenn er auf der rechten Seite lag, nicht genügend Luft bekommen haben. Entsprechende Befunde werden öfter beobachtet.
124Der Grad der Arthrose der großen und kleinen Körpergelenke ist meist gering, nur im Fall des Hüftgelenks verstärkt. An den Wirbeln sind vor allem an den Lendenwirbelkörpern stärkere Gelenkveränderungen vorhanden. Zwei caudale Brust- und drei Lendenwirbel weisen sog. Schmorlsche Knorpelknoten auf, bei denen Bandscheibenmaterial in die benachbarten Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper gedrückt wurde. Die Veränderungen weisen auf eine deutliche Belastung der unteren Wirbelsäule, möglicherweise auch auf eine genetische Prädisposition. Bemerkenswert ist eine knöcherne Ausziehung am distalen Femurende, die auf eine deutliche Überlastung eines Oberschenkelmuskels weist.
125Insgesamt dürfte dieses mittelalte Individuum für sein Alter relativ gesund gewesen sein. So ist der Grad der Arthrose für das Alter nicht besonders ausgeprägt. Die Muskelmarken sind teilweise kräftig und weisen auf eine gewisse, aber nicht übermäßige körperliche Betätigung. Es handelt sich wohl kaum um einen Sklaven oder Landarbeiter, wogegen auch die mutmaßlichen Beigaben der Bestattung sprechen.
Aigai
126Bei den Grabungen 2018 in der großen städtischen Nekropole von Aigai wurde in dem hellenistisch-römischen Grabbezirk 04 ein weiteres Steinkistengrab (A.18 Sy4, 336), soweit zugänglich, ausgegraben. Die menschlichen Knochenreste sind sehr schlecht erhalten und waren nach der Bergung stark fragmentiert. Sie konnten nur partiell rekonstruiert werden. Die meisten Erkenntnisse haben die Schädelfragmente geliefert.
127Aufgrund des Erhaltungszustandes konnten nur wenige Merkmale zur Geschlechtsbestimmung herangezogen werden. Die Dicke der Schädelknochen, die Ausprägung der Linea aspera des Femurs und die Compactadicke der Langknochen weisen auf ein eher männliches Individuum (M≥W). Die wenigen erhaltenen, vollständig verknöcherten Epiphysen zeigen einen Erwachsenen an. Der Grad der Abkauung der Zähne ist gering und weist auf ein mindestens 25–35 Jahre altes Individuum. Allerdings ist hier nicht auszuschließen, dass ein höherer Sozialstatus mit einer besseren, feineren Ernährung mit höherem Proteinanteil zu einer geringeren Abrasion der Zähne führte, das Lebensalter also unterschätzt werden könnte[77].
128Das Scheitelbein ist verdickt (Dicke 10 mm) und zeigt einen Defekt von 3 mm Durchmesser. Im Anbruch ist eine feine Demarkationslinie erkennbar, die die ursprüngliche Lamina interna von dem neuen, wohl krankheitsbedingten Knochenwachstum trennt. Auf der aktuellen Schädelinnenseite befinden sich mehrere kleine zungen- oder lanzettförmigen Knochenneubildungen, die mehrere gut verheilte Entzündungsprozesse anzeigen. Möglicherweise ist die Verdickung des Schädeldachs durch mehrere derartige Prozesse verursacht. Weitere Aussagen könnten mithilfe mikroskopischer Untersuchungen an Knochendünnschliffen möglich sein[78]. Der rechte Sulcus des Sinus transversalis zeigt ebenfalls Knochenneubildungen, die auf einen ausgeheilten krankhaften Prozess hinweisen. Außerdem sind kleine Neubildungen in der linken hinteren Schädelgrube vorhanden, die ebenfalls auf einen entzündlichen Prozess deuten.
129Am rechten Schläfenbein ist der Warzenfortsatz postmortal eröffnet worden. Hier ist eine kleine zentrale Höhle vorhanden, die kleine exostosenartige Neubildungen aufweist. Die basalen und peripheren Abschnitte des Warzenfortsatzes sind spongiös, was auf eine reduzierte Pneumatisierung hinweist. Diese Veränderungen können durchaus von einer Mittelohrentzündung herstammen. Der Sinus sigmoideus zeigt wohl ebenfalls Spuren krankhafter Veränderungen.
130Der rechte untere zweite Schneidezahn 42 weist drei hypoplastische Ringe im basalen Teil der Krone auf. Diese transversalen Schmelzhypoplasien entstanden etwa im Alter von 2, 2,5 und 3 Jahren (± 4–8 Monaten). Außerdem ist eine Wurzelhypoplasie bzw. ein periradicular band vorhanden. Diese Wachstumsstörung entstand etwa im Alter von 5 Jahren (± 1 Jahr). Leider waren die übrigen Zähne nicht erhalten bzw. befundbar. Möglicherweise war das Abstillen verantwortlich für ihre Entstehung; dabei kommt es häufig zu Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und dadurch zur Ausprägung von Schmelzdefekten.
Radiocarbondatierung und stabile Isotope
131Zur Radiocarbondatierung am Centrum for Isotope Research der Reichsuniversität Groningen wurden folgende Proben entnommen: Von allen vier Mindestindividuen der Sondage 20 von 2007 sowie von einer grazilen Tibia und Leichenbrandresten aus Grab 22 von der Grabung 2011. Von dem gut erhaltenen Skelett aus dem Umlandsurvey wurde eine Rippe zur Datierung und zur Bestimmung der stabilen Isotope zur Ernährungsrekonstruktion entnommen.
W.-R. T.
Konservierung
Baudenkmalpflege 2017 in Pergamon
Einleitung
132Die denkmalpflegerischen Arbeiten des Jahres 2018 konzentrierten sich auf drei Schwerpunkte: Die Fertigstellung der nordwestlichen Peristylecke der Palästra, die Konsolidierung der südlichen Stützmauer am Heiligtum der Roten Halle und auf die östliche Stützmauer des Gymnasions – einer Terrassenmauer, die sich über eine Strecke von 120 m an der antiken Hauptstraße entlang zum sog. Festtor des Gymnasions zieht (Abb. 51).
Peristylecke der Palästra des Gymnasions
133Pünktlich zur 140-Jahrfeier der Pergamongrabung (s. o.) wurde die Rekonstruktion der nordwestlichen Ecke des Peristyls der Palästra des Gymnasions fertiggestellt[79]. Der im vergangenen Jahr modifizierte Entwurf konnte vollständig umgesetzt werden, so dass das Obergeschoss nicht komplett rekonstruiert, sondern mit einer Schrankenplatte, einer Säulenbasis und einer Säulentrommel lediglich angedeutet wird[80]. Die Rekonstruktion trägt mit dieser Unvollständigkeit dem ruinösen Charakter des Umfelds Rechnung und passt sich hervorragend in dieses ein. Eine Auswahl der Architekturteile des Obergeschosses wird neben der Rekonstruktion auf Sockeln aus Andesit präsentiert und kann in dieser musealen Aufstellung aus der Nähe betrachtet werden (Abb. 52). Ein ähnliches Konzept, bestehend aus künstlicher Ruine und exemplarischer Rekonstruktion eines Giebels, wurde vor Jahrzehnten bereits im Trajaneum umgesetzt – die Rekonstruktion der Peristylecke im Gymnasion führt dieses Konzept somit im Sinne einer kohärenten Präsentation der Ruinenstätte fort.
134Um die Arbeiten an der Peristylecke abschließen zu können, wurden wieder zwei Steinmetze das gesamte Jahr über beschäftigt. Schon vor der Ausgrabungskampagne waren der Portalkran, mit dem die z. T. tonnenschweren Bauteile versetzt worden waren, zurückgebaut und die Einzelteile so eingelagert worden, dass er erneut zusammengesetzt und genutzt werden kann. In der nachfolgenden Arbeitsphase wurden sämtliche neu angefertigten Bauglieder bzw. die Übergänge zwischen den originalen und den noch mit einer Schutzbosse belassenen neuen Teilen überarbeitet, indem der Werkzoll mit dem Zahneisen abgearbeitet wurde (Abb. 53). Damit erhielten die neuen Teile eine Oberflächenstruktur, die sich deutlich vom Originalbestand unterscheidet. Eine weitere abschließende Arbeit bestand darin, Risse in der Oberfläche der originalen Säulen zu verschließen (Abb. 54): Schon bei der Auswahl der in der Rekonstruktion verwendeten Bauteile zeigte sich, dass der im späten 1. Jh. n. Chr. für den Umbau der Palästra beschaffte Marmor nur von geringer Qualität gewesen ist. Insbesondere an den Säulentrommeln sind ganze Risssysteme zu beobachten, die sich zugleich in horizontaler und vertikaler Richtung erstrecken. Durch den Verschluss der Risse kann Regenwasser nicht mehr so leicht in den Marmor eindringen, das entscheidend zur fortschreitenden Zerstörung des Materials beiträgt. Da die Risse oft nur sehr schmal sind, konnte kein mineralischer Mörtel eingesetzt werden – dieser wäre ausgetrocknet, bevor der Prozess des Abbindens abgeschlossen wäre. Wir arbeiteten deshalb mit einer Masse aus Marmormehl, fein ausgesiebtem Sand und einem Anmachwasser, dem bis zu 20 % wassergelöster Acrylharz als Bindemittel zugesetzt wurden. Nach dem Vornässen der Risse mit Wasser wurden diese mit dem kunstharzbasierten Mörtel mehrere Millimeter über das vorgesehene abschließende Niveau aufgefüllt. Nach dem Aushärten wurde dieser Überstand abgeschnitten bzw. abgekratzt und somit eine offenporige Oberfläche hergestellt[81]. Ein großer Vorteil des Verfahrens besteht in seiner Reversibilität: Mit Aceton kann der Mörtel aufgeweicht und rückstandsfrei vom Marmor entfernt werden. Ein ähnlicher Mörtel, der insgesamt gröber eingestellt war, wurde eingesetzt, um Fehlstellen und klaffende Fugen aufzufüllen. Die so behandelten Bereiche bleiben weitgehend unsichtbar, da die Auffüllungen nur bis in eine Tiefe von einigen Zentimetern unter der Steinoberfläche vorgenommen wurden. Sie dienen dazu, einerseits der Erosion weniger Angriffsfläche zu bieten und andererseits die durch Ausbrüche tief verschatteten Bereiche etwas aufzuhellen, damit sich diese vom hellen Marmor nicht zu kontrastreich abheben (Abb. 55).
135Auf eine farbliche Angleichung der Neuteile wurde verzichtet. Gegenwärtig ist der Kontrast zwischen den dunkleren, nur mit der Bürste gereinigten Originalteilen und den strahlend weißen Neuteilen sehr groß. Dieser Effekt wird sich mit der zunehmenden Patinierung des Materials jedoch allmählich abschwächen.
136Mit der Fertigstellung der Peristylecke sind die Arbeiten in der Palästra des Gymnasions noch nicht beendet. Die Entfernung von Bewuchs, konsolidierende Arbeiten und die Ordnung von Baugliedern, die einer verbesserten Präsentation des Bauensembles dienen, sollen im Lutron an der Westseite der Palästra, in der zentralen Hauptexedra sowie im anschließenden ›Kaisersaal‹ fortgesetzt werden. Dazu wurden erste Vorarbeiten geleistet, die vor allem in der Entfernung von Schuttmassen bestanden, die seit den Ausgrabungen vor mehr als 100 Jahren in die Räume eingerieselt waren.
Die Ostthermen des Gymnasions
137Die Ostthermen des Gymnasions wurden unter der Leitung Wilhelm Dörpfelds zusammen mit der gesamten oberen Gymnasionterrasse in den Jahren 1902–1913 freigelegt (Abb. 51).[82]. Das Bauwerk war unterhalb des steil aufsteigenden Hangs bis zu 8 m tief verschüttet. Dementsprechend hoch sind die Wände der Thermen teilweise erhalten und vermitteln einen imposanten Eindruck der antiken Innenräume (Abb. 56). Aufmerksamkeit verdient der baugeschichtliche und funktionale Zusammenhang der Thermen mit der Palästra des hellenistischen Gymnasions: Dieses wurde um die Zeitenwende mit einem relativ kleinen römischen Bad ergänzt, den Westthermen[83]. Zusammen mit der hellenistischen Palästra bilden sie somit die früheste bekannte Thermen-Palästra – einen Bautypus, der charakteristisch für die bautypologische Entwicklung des Gymnasions in Kleinasien während der römischen Kaiserzeit ist. Die Ostthermen gehören dagegen zu einer spätflavischen Bauphase des Gebäudekomplexes auf der oberen Gymnasionterrasse, in deren Rahmen umfangreiche Umbauarbeiten an der Nordseite der Palästra stattfanden und das gesamte hellenistische Peristyl, das aus Andesit bestand, durch ein marmornes ersetzt wurde[84]. Zahlreiche Bauteile des hellenistischen Peristyls sind für die Mauern der Ostthermen wiederverwendet worden. Das Bad war somit Bestandteil eines Umbaus des pergamenischen Gymnasions, in dessen Rahmen man die gesamte Anlage im Hinblick auf Funktion und Ausstattung an den Stand der römischen Kaiserzeit anpasste.
138Die Ostthermen bestehen im Wesentlichen aus Handquadermauerwerk, d. h. aus mehr oder weniger standardisierten kleinformatigen Andesitquadern, die in Mörtel versetzt wurden und Mauerschalen bilden, die einen Kern aus lagenweise eingebrachtem Opus caementitium umschließen. Bögen, Anten und Lisenen sind dagegen aus Andesitquadern gefügt, die untereinander z. T. mit Klammern und Dübeln fixiert sind. An den Innenwänden zeugen Dübellöcher von einer Marmorverkleidung. Von dieser sind Reste eines Abschlussprofils am Boden erhalten. Die marmornen Plattenböden sind heute weitgehend unsichtbar oder verloren. Von den Gewölben, die die Räume ursprünglich überspannten, ist keines erhalten. Allein die massiven Packungen aus Opus caementitium, die sich auf manchen Mauerkronen erhalten haben, lassen darauf schließen, dass die Tonnen im Wesentlichen aus diesem irregulären Mauerwerk bestanden. Im Vergleich mit anderen kaiserzeitlichen Gewölben Pergamons im Asklepieion (Unterer Rundbau) und im Amphitheater ist davon auszugehen, dass die inneren Gewölbeschalen aus weitgehend unbearbeiteten schmalen Steinen bestanden, die entsprechend dem Gewölbeverlauf radial gesetzt wurden und somit eine verlorene Schalung unter dem Opus caementitium bildeten. In mehreren Räumen haben sich Reste des Hypokaustenbodens erhalten, dessen Stützen und Abdeckplatten teils aus Andesit, teils aus Ziegeln und Tonrohren bestanden. Es scheint, dass Andesit vor allem in jenen Bereichen verwendet wurde, die an die Präfurnien anschlossen. In den Wänden sind größere Abzugskanäle für das Rauchgas der Beheizung, überraschenderweise aber keine tubuli, zu beobachten.
139Im denkmalpflegerischen Gesamtkonzept für Pergamon (s. u.) wurden die Ostthermen des Gymnasions als konservatorisches Projekt definiert, das mittelfristig in Angriff genommen werden soll. Handlungsbedarf ergibt sich vor allem aus großflächig ausgewitterten Mauerkronen (Abb. 57): Regenwasser spült die Fugen zwischen den Quadern des Handquadermauerwerks zunehmend frei, so dass die Steine an Halt verlieren. Als besonders problematisch erweist sich der Bereich zwischen den jeweils am höchsten erhaltenen Lagen der Handquader und ihrer mangelhaften Anbindung an das Füllmauerwerk. Wasser dringt in diesem Bereich hinter den Mauerschalen ein und löst diese sukzessive vom Mauerkern. Darüber hinaus nistet sich in den überdurchschnittlich durchfeuchteten Bereichen eine üppige Vegetation ein, die durch Wurzeldruck den Verfallsprozess beschleunigt.
140Eine bauhistorische Untersuchung des Bauwerks ist im Rahmen des neuen Forschungsprogramms der Pergamongrabung (s. o.) zwar vorgesehen, jedoch sollten Schadensdokumentation und Maßnahmenplanung nicht weiter aufgeschoben werden. Aus diesem Grund wurden sämtliche Wandansichten des Bauwerks in zwölf Schnittzeichnungen erfasst. Für eine effiziente Aufnahme wurde zunächst ein 3D-Modell der Thermen mittels Structure from Motion (SfM) generiert (Abb. 55). Die dazu notwendigen Photographien wurden lediglich vom Boden und einer Standleiter aus aufgenommen. Tachymetrisch eingemessene Passpunkte dienten der Skalierung des Modells und der Referenzierung seiner getrennt voneinander aufgenommenen Bestandteile. Ein niedrig skaliertes Modell, das aus Drohnenbildern gewonnen wurde, diente der Überprüfung der Passgenauigkeit des Gesamtmodells. Auf diese Weise war es möglich, innerhalb von sechs Wochen rund 200 m Wandabwicklung steingenau vor Ort zu zeichnen und sämtliche Kartierungsarbeiten durchzuführen (Abb. 57). Das Modell und die umgezeichneten Ansichten können im Rahmen der geplanten bauhistorischen Untersuchung weiterverwendet werden.
141Weitere Bauaufnahmen als Vorbereitung denkmalpflegerischer Vorhaben fanden in der Palästra auf der oberen Gymnasionterrasse statt: Hier wurden bereits existierende Wandansichten von der Nordseite des Peristylbaus mit Orthophotos eines ebenfalls mit SfM gewonnenen 3D-Modells ergänzt. Die Wandansichten bilden die Grundlage für Konsolidierungsarbeiten in der Hauptexedra der Palästra, dem Mittelsaal H, sowie der östlich anschließenden Exedra G. In beiden Räumen sind seit den Freilegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum Erhaltungsarbeiten durchgeführt worden. Vor allem durch Bewuchs haben sich Steine auf den Mauerkronen gelockert. Hier gilt es, den Bewuchs nachhaltig zu entfernen und lose Steine neu zu versetzen.
142Die während der Kampagne 2018 in Pergamon erstmalig im großen Maßstab zur Baudokumentation eingesetzte SfM-Technik hat sich sehr gut bewährt und birgt ein enormes Potential im Hinblick auf die Minimierung des Dokumentationsaufwands nicht nur im Vorfeld denkmalpflegerischer Projekte.
Die Konsolidierung der Ostmauer des Gymnasions und ein Denkmal der (Grabungs-)Technikgeschichte
143Bei den Freilegungsarbeiten in der Palästra und den Ostthermen zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man die anfallenden Schuttmassen mit einer Feldbahn nach Osten aus den Bauten abgefahren, so dass ein riesiger Erdkegel entstand. Noch bis vor Kurzem bedeckte er die Stützmauer der mittleren Gymnasionsterrasse und die vor ihr verlaufende antike Fahrstraße meterhoch. Seit Langem besteht das Vorhaben, die antike Hauptstraße zwischen der Unteren Agora und dem Festtor des Gymnasions für Besucher passierbar und somit auch die städtebaulichen Zusammenhänge wieder verständlich zu machen[85]. Mit der teilweisen Abtragung des Schuttkegels wurde im Jahr 2012 begonnen. Die Notwendigkeit, einen temporären Fahrweg auf die obere Gymnasionterrasse anzulegen, um die dortigen Arbeiten der Baudenkmalpflege zu ermöglichen, bot den Anlass für den Beginn der Arbeiten. Im gleichen Jahr wurden auch an der Stützmauer der mittleren Gymnasionterrasse, welche die antike Straße begleitet, umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten aufgenommen: Eine große Bresche wurde geschlossen und dabei ein Fenster des benachbarten Treppenhauses rekonstruiert[86]. Im Jahr 2017 mussten Wiederherstellungsarbeiten an der byzantinischen Verteidigungsmauer vorgenommen werden, die auf der antiken Terrassenmauer entlangführt und partiell eingebrochen war[87]. Seit 2018 konzentrieren sich die Arbeiten nun auf den östlichen Abschnitt dieser Terrassenmauer zwischen dem erwähnten Treppenhaus und dem Festtor des Gymnasions (Abb. 51). Hier lagerten immer noch hohe Schuttmassen auf der antiken Straße und verdeckten den unteren Bereich der Terrassenmauer bis in eine Höhe von rund 2 m. Die hellenistische Terrassenmauer wird hier von der sog. spätrömischen und der byzantinischen Verteidigungsmauer überlagert. Als man die späteren Verteidigungsmauern auf der hellenistischen Stützmauer errichtete, war diese schon teilweise zusammengebrochen und verschüttet. Dementsprechend bestehen vor allem die oberen Mauerbereiche aus unregelmäßigem Mörtelmauerwerk, und nur die tiefer liegenden Bereiche aus hellenistischem Quadermauerwerk, das ohne Dübel und Klammern trocken versetzt wurde (Abb. 58).
144Die im Jahr 2017 vorgenommenen Planungen für die Konsolidierung des Mauerabschnitts hatten gezeigt, dass Bewuchs und lose Steine von der Mauerkrone entfernt und die Steine erneut versetzt werden müssen sowie dass ausgebrochene Teile der Maueraußenschale zu ergänzen und die Mörtelfugen der jüngeren Abschnitte der Mauer zu erneuern sind. Weiterhin wurden Teilbereiche der hellenistischen Mauer erosionsbedingt als bestandsgefährdet eingestuft[88]. Dabei ergab sich ein interessantes Schadensbild, das vermutlich auf Salzsprengung zurückgeht und auf das weiter unten genauer eingegangen werden soll.
145Zur Vorbereitung der Arbeiten wurde zunächst Schutt, der unmittelbar auf der Mauerkrone auflag, entfernt bzw. abgeböscht. Anschließend wurden in der noch auf der Straße aufliegenden Schuttschicht zwei Schnitte angelegt, mit denen geklärt werden konnte, bis in welche Tiefe der Schutt der Altgrabungen reicht. Nach diesen Vorarbeiten war es möglich, mit maschineller Unterstützung das Material großflächig abzutragen. Im Anschluss an die Erdarbeiten wurden in drei akut einsturzgefährdeten Bereichen der Ostmauer Reparaturarbeiten vorgenommen. Dies betraf die Wiederherstellung der östlichen Türlaibung des Treppenhauses und zwei Fehlstellen im hellenistischen Quadermauerwerk (Abb. 59).
146Die Türöffnung des Treppenhauses bietet einen interessanten Einblick in die Grabungsgeschichte an der Ostseite des Gymnasions, der hier kurz nachgegangen werden soll (Abb. 60): Das Treppenhaus gehört zur hellenistischen Anlage der mittleren Gymnasionterrasse. Es ermöglichte den Zugang von der Straße in einen Bereich, von dem aus sowohl eine Rampe, die in die Palästra auf der oberen Gymnasionterrasse führte, als auch eine Treppe auf die mittlere Gymnasionterrasse erreicht werden konnten[89]. Wie der weiter westlich gelegene Treppenaufgang zwischen Stadtbrunnen und mittlerer Gymnasionterrasse war auch das Treppenhaus von übereinander gestaffelten Tonnen überwölbt, von denen lediglich die untere erhalten ist. Als man die hellenistische Terrasse in die spätrömisch-byzantinische Verteidigungsanlage der Stadt einbezog, wurden die zur antiken Straße gerichteten Steine des Tonnengewölbes soweit gekürzt, dass der gesamte Eingang mit einer Mauer verdeckt werden konnte (Abb. 60)[90]. Diese Situation ist nachträglich durch Dörpfelds Restaurierungen verunklärt worden: An der westlichen Türlaibung wurden Ergänzungen im Stil hellenistischen Quadermauerwerks vorgenommen, die z. T. die abgeschlagenen Bogensteine überdecken und somit einen Zustand herstellen, der nie existiert hatte. An der östlichen Türlaibung wurden ebenfalls einige Quader auf der Innenseite ergänzt, während eine große Fehlstelle, die sich an die Laibung anschließt, in unregelmäßigem Mörtelmauerwerk ausgeführt wurde. Diese Ergänzung ist zudem mit einem Mörtel sehr geringer Qualität ausgeführt worden und war infolgedessen akut einsturzgefährdet. Trotz der geschilderten Problematik ist die Ergänzung als Zeugnis der frühesten denkmalpflegerischen Bemühungen in Pergamon im Rahmen unserer Arbeiten konserviert worden (Abb. 61).
147Zur Illustration der Arbeitsweise der frühen Ausgrabungen in Pergamon wurde östlich der antiken Straße unweit der beiden Treppenhäuser des Gymnasions anlässlich des 140-jährigen Bestehens der Pergamongrabung ein technikgeschichtliches Denkmal errichtet: Es handelt sich um eine Lore der weiter oben erwähnten Feldbahn, die im Jahr 1901 beschafft und von Deutschland über Izmir nach Pergamon gebracht worden war, um die Freilegungsarbeiten auf der Unteren Agora und im Gymnasion zu beschleunigen (Abb. 62). Die Lore wurde auf einem originalen Schienenstück genau an jener Stelle platziert, an der sich ursprünglich das Gleis der Feldbahn auf dem Weg zur großen Schutthalde befand. In der Kombination von Feldbahn und Schutthalde, die im Zuge der oben geschilderten Arrondierungen des Geländes in eine Besucherplattform mit zukünftig schattenspendenden Zypressen umgestaltet wurde, wird deutlich, welche enormen Eingriffe in das Gelände bei der Freilegung des Gymnasions stattfanden. Die Geschichte der Feldbahn und ihres Einsatzes in Pergamon wird auf einer dreisprachigen Schautafel erläutert.
Südliche Temenosmauer der Roten Halle
148Die seit 2009 mit Unterbrechungen an der südlichen Temenosmauer durchgeführten Arbeiten dienen der Konsolidierung der großflächig ausgeraubten Stützmauer. Während der Kampagne 2018 wurden 1130 Andesitquader steinmetzmäßig hergestellt und versetzt. In Bereichen, wo die ergänzten Mauerpartien nicht über eine seitliche Einbindung verfügten, wurden Edelstahlanker in den Mauerkern gesetzt und die äußere Mauerschale wurde daran befestigt. Große Sorgen bereitete ein Wandbereich in 8–10 m Höhe. Dort hatte sich eine Terebinthe in der Mauer festgesetzt und durch den Druck der Wurzeln die äußere Mauerschale sowie das Gewände eines Fensters, das im 19. Jahrhundert in die Mauer eingesetzt worden war, aus dem Mauerverband gelöst (Abb. 63). Da nicht garantiert werden konnte, dass beim Versuch, den Baum zu entfernen, größere Partien der äußeren Mauerschale sowie das Fenstergewände kollabieren, wurden zunächst die betreffenden Mauerbereiche mit Spanngurten fixiert. Anschließend konnte von einem Steiger aus der Baum entfernt und der gefährdete Wandbereich kontrolliert abgebaut werden. Es gelang, das Fenstergewände mit den Gurten am Platz zu halten und in die neu aufgebaute Wandpartie einzubinden.
Erstellung eines denkmalpflegerischen Gesamtkonzepts
149Ein wichtiges Ziel der Kampagne 2018 war es, ein aktualisiertes denkmalpflegerisches Gesamtkonzept für Pergamon zu erstellen. Ziel eines solchen Konzeptes ist es, die vorhandenen Kapazitäten effizient und zielgerichtet einzusetzen. Vorarbeiten in Form von Schadenskartierungen lagen bereits seit Längerem vor. Das sich daraus ergebende Bild des Gefährdungspotentials wurde durch Begehungen im Gelände des Stadtberges abgerundet. Weiterhin galt es, ein denkmalpflegerisches Leitbild für Pergamon zu formulieren: Dieses wurde an die erfolgreiche Bewerbung zur Aufnahme Pergamons in die UNESCO-Welterbeliste im Jahr 2014 geknüpft, in der die antike Stadt als Bestandteil einer von zahlreichen Epochen und Kulturen geprägten Kulturlandschaft präsentiert wurde[91]. Die Einbettung der antiken Stadt in einen diachronen kulturlandschaftlichen Rahmen ermöglicht dabei nicht nur eine überzeugende Vermittlung der vielfältigen kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, sondern stellt auch konkrete Berührungspunkte zwischen Gegenwart und Vergangenheit her. Damit wird zugleich das Bewusstsein der Bevölkerung Bergamas für das historische Erbe als wesentlicher Faktor für den Kulturerhalt gestärkt.
150Für die Konzeption unserer Aktivitäten folgt daraus, dass die unmittelbar an das Ausgrabungsgelände anschließende Altstadt Bergamas mit ihrer Bebauung des 19. Jahrhunderts verstärkt zu berücksichtigen ist. Ausdruck dieser Einbeziehung ist ein Wegekonzept, das den Stadtberg mit der historischen Altstadt und den antiken Monumenten in der pergamenischen Unterstadt verbindet (Abb. 51). Den Besuchern wird auf diese Weise die Möglichkeit eröffnet, die antike Stadt mit ihren vielfältigen Verbindungen und Überlagerungen durch die jüngeren Epochen zu begreifen. Zugleich sollen sie zu einem längeren Aufenthalt in der Altstadt animiert werden, woraus sich weitere Verdienstmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung eröffnen. So könnte ein nachhaltiger Tourismus wesentlich zum Erhalt der historischen Altstadt Bergamas beitragen.
151Bestandteil des Gesamtkonzepts ist schließlich der Umbau eines zum Grabungshaus gehörenden Garagenkomplexes in eine Schauwerkstatt für Steinmetzarbeiten. Die Planungen sind im Gange und eine Realisierung des Vorhabens ist für Ende 2019 avisiert. Das Gebäude befindet sich direkt am geplanten Besucherweg, der vom Stadtberg kommend durch das Eumenische Stadttor in die Altstadt führt und somit ein Scharnier bildet zwischen der antiken Ruinenstätte und der modernen Stadt. Hier sollen in Zukunft Besucher die Möglichkeit erhalten, Einblick in konservatorische Arbeiten zu nehmen (Abb. 64). Zugleich sichert der Bau die Durchführbarkeit ganzjähriger Steinmetzarbeiten und könnte überdies als Begegnungszentrum für gemeinsame Projekte mit den Bewohnern des angrenzenden Wohnviertels dienen. Solche Projekte des Social Capacity Building sollen zukünftig eine stärkere Rolle in den Bemühungen der Pergamongrabung um den Kulturerhalt in Bergama spielen und werden gegenwärtig erstmalig erprobt[92].
Versalzung und Erosion: ein spezifisches Schadensbild pergamenischer Andesitmauern
152Während der Dokumentationsarbeiten an der Ostmauer des Gymnasions im Jahr 2017 wurde im Bereich der hellenistischen Quadermauern eine Verwitterungserscheinung beobachtet, die zum oberflächenparallelen Abplatzen dünner Steinschichten führt. Der Prozess ist an der Ostmauer stark ausgeprägt und z. T. soweit fortgeschritten, dass die Stoßfugen zwischen den Quadern erweitert sind und Material aus der Mauerhinterfüllung herausrutscht (Abb. 65). Eine weitere Beobachtung während der Kampagne 2018 führte einerseits zu einer Hypothese über die Ursachen dieser Verwitterungsform und andererseits zu der Erkenntnis, dass diese an den Andesitmauern Pergamons relativ weit verbreitet ist. Die Beobachtung wurde wiederum an der Ostmauer des Gymnasions gemacht: Hier befanden sich im Bereich der beschriebenen Verwitterungsform zu Beginn der Kampagne am Mauerfuß mehrere ausgedehnte dunkle Flecken, die vermuten ließen, dass in dem Bereich Hangfeuchtigkeit austreten müsse (Abb. 58). Wie oben dargelegt, wurde im Laufe der Kampagne vor der Mauer liegender Grabungsabraum abgeräumt und das Bodenniveau um bis zu 1,5 m abgesenkt. Dabei wurde offensichtlich, dass die vermeintliche Durchfeuchtung exakt mit dem ursprünglichen, höher liegenden Bodenniveau abschloss. Dies nährte die Vermutung, die dunkle Färbung müsse eine andere Ursache als austretende Feuchtigkeit haben. Vermutlich handelt es sich um Salzablagerungen, die entstehen, wenn Salzlösungen auf der Steinoberfläche verdunsten, so dass sich die Salzkonzentration auf dem Stein erhöht. Bei stark hygroskopischen Salzen sorgt die Luftfeuchtigkeit dafür, dass das Salz nicht auskristallisiert, sondern in einer hochkonzentrierten Lösung verbleibt, die die Steinoberfläche dunkel färbt. Dass diese Art der Versalzung im unteren Mauerbereich, der zunächst noch mit Abraum verdeckt war, nicht auftrat, kann damit erklärt werden, dass durch die Abdeckung keine Verdunstung an der Steinoberfläche und somit auch keine Anreicherung einer hoch konzentrierten Salzlösung stattfand. Ein ›Geschmackstest‹ der betroffenen dunklen Mauerpartie bestätigte die Vermutung der Versalzung. Eine Begutachtung des Erosionsbildes der betroffenen Steinoberflächen führte gleichfalls zu der Aussage, dass Salze für das Abblättern der Steinoberfläche verantwortlich sein könnten[93]. Eine Analyse des Steinmaterials ist vorgesehen. Mögliche Ursachen für die Versalzung sind vielfältig: So können Erosionsvorgänge, dolomitische Kalke im Mörtel oder auch andere Stoffeinträge Salze mobilisieren. Systematische Untersuchungen zu den in Pergamon verwendeten Mörteln liegen zwar noch nicht vor, sind aber zukünftig geplant.
153Dunkle, vermeintlich durch Wasser hervorgerufene Flecken an den Andesitmauern Pergamons kommen relativ häufig vor und konnten jetzt ausnahmslos als ›salzig‹ klassifiziert werden. Dies betrifft auch einen recht großen Fleck an der Schildmauer des Trajaneums, der bereits vor Jahren das Interesse auch wegen seiner wechselnden Größe auf sich gezogen hat. Anhand von Photographien lässt sich die Existenz dieser Versalzung mindestens bis in den Beginn der 1980er Jahre zurückverfolgen. Die starken Erosionsbilder mit oberflächenparallelen Abschalungen lassen vermuten, dass die Versalzung dieser Mauer noch viel weiter zurückreicht. Eine restauratorische Untersuchung des Phänomens – auch im Hinblick auf die damit einhergehenden Schädigungen des Steins – wäre sehr wünschenswert und soll im Rahmen einer Qualifikationsarbeit geleistet werden.
U. M. – S. T. A.
Konservierung antiker Wand- und Fußbodendekorationen
154Die im Vorjahr begonnene Restaurierung von Wand- und Fußbodendekorationen im Attalos-Haus wurden fortgesetzt[94]. Schwerpunkt der diesjährigen Arbeiten war die Wanddekoration im Hauptraum der nordöstlichen Raumflucht, wobei besonders die Entfernung unsachgemäßer Füllungen mit starkem Zementzusatz viel Zeit in Anspruch genommen hat.
F. P.
Kampagne 2018
155Die diesjährigen Arbeiten dauerten vom 23. Juli bis zum 29. September 2018. Konservierungsarbeiten wurden ganzjährig unter Leitung des Museums Bergama durchgeführt. Der Arbeitsstab bestand aus: F. Pirson (Gesamtleitung); G. Ateş (türk. Stellvertreterin Gesamtleitung – Kazı Başkanı Yardımcı); U. Mania (Stellvertreter Gesamtleitung); B. Ludwig (Assistenz der Gesamtleitung; IT-Verantwortlicher); S. Tezer Altay (Leiterin der Baudenkmalpflege); S. Feuser, M. Çilingir, A. Masri, K. Piesker, H. Renners, Ch. Scheck, J. Steglich, R. Zirlewagen (Extraurbanes Thermalbad); M. Blechschmidt, G. K. Friedmann, J. Lang (antike Wohnkultur); K. Bolz, J. Eber, B. Ludwig, Ch. Williamson (Survey Umland); F. Ehmer, A. Schiefer, J. Simonis (Geodäsie); V. Selçuk, V. Stappmanns, S. Tezer Altay, T. Topal, M. Tüzel, İ. Yeneroğlu (Bauforschung); O. Bruderer, B. Ludwig, A. Weiser (Grabungstechnik und digitale Dokumentation); E. Erkul, Y. Esel, W. Rabbel, H. Stümpel, E. Aydiner, A. Cirak, B. Engin, A. Saygi, S. Yavuzer (Geophysik); K. Başak, U. Causin, İ. Gül, U. Mania, J. Steiner, S. Tezer Altay (Baudenkmalpflege); F. Așkın, G. Ateș, E. Babazade, L. Böttger, N. Gür, S. Japp, A. Keweloh-Kaletta, P. Michalski, N. Neuenfeld, K. Stenzel (Fundbearbeitung und Archäometrie Keramik); H. Özel (Zeichnungen); B. Cağlar-Eryurt, G. K. Friedmann, D. Karaboya, E. Yildiz, Ü. Yilmaz, Ö. N. Yıldırım (Konservierung) – Aufarbeitung, Materialvorlage und Einzelstudien: S. Japp (Badeanlage Stadtgrabung; Archäometrie; Südostnekropole); U. Kelp (Tumuli 2 und 3; Südostnekropole); A. Zeitler (Dionysos-Tempel); U. Herrmann (Zeus-Tempel); Ph. Kobusch (hell. Tempel); S. Völkel (antike Wirtschaftsräume); U. Kunnert, P. Matheus, J.-G. Schneider, R. Schmid, V. Walser (Epigraphik); W.-R. Teegen (Anthropologie und Paläopathologie); J. Chameroy (Numismatik).
Dank
156Auch in diesem Jahr geht der Dank der Pergamongrabung des Deutschen Archäologischen Instituts wieder an alle Personen und Institutionen, die unsere Arbeiten unterstützt haben. Stellvertretend seien hier die Generaldirektion für die Kulturgüter und Museen des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Republik Türkei, die Kulturabteilung der Deutschen Botschaft Ankara und das Museum Bergama mit seiner Leiterin Nilgün Ustura genannt. Drittmittelgeber und Förderer werden ebenso wie Kooperationspartner unter den einzelnen Projektabschnitten aufgeführt. Als Regierungsvertreter haben in diesem Jahr Herr Halil Yener Taş (Direktion Museum Izmir; Pergamon) und Herr Fatih Özdel (Direktion Denkmalpflegebehörde Antalya; Umland) an den Arbeiten teilgenommen. Wir danken ihnen für die sehr kollegiale Zusammenarbeit.
Neuerscheinungen zu Pergamon
157Die folgende Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
S. G. Caneva, Le retour d’Attale III à Pergame. Un réexamen du décret IvP 246, EpigrAnat 51, 2018, 109–123
M. Seeliger – A. Pint – S. Feuser – S. Riedesel – N. Marriner – P. Frenzel – F. Pirson – A. Bolten – H. Brückner, Elaia, Pergamum’s Maritime Satellite. The Rise and Fall of an Ancient Harbour City Shaped by Shoreline Migration, Journal of Quaternary Science 34, 2019, 228–244
Abstracts
Zusammenfassung
Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2018
Felix Pirson
Die Pergamongrabung konzentrierte sich 2018 auf Nacharbeiten zum abgeschlossenen Forschungsprogramm sowie auf Vorbereitungen für das neue Langfristvorhaben »Die Transformation der Mikroregion Pergamon zwischen Hellenismus und römischer Kaiserzeit«. Mit der archäologischen und baugeschichtlichen Untersuchung eines extraurbanen Thermalbades aus der römischen Kaiserzeit wurde begonnen. Geophysikalische Prospektionen haben wichtige Informationen zur Gesamterstreckung der Anlage erbracht. Mit der neu initiierten Erforschung des Amphitheaters von Pergamon konnte ein drängendes Desiderat in der Erforschung der kaiserzeitlichen Metropole in Angriff genommen werden. Nachuntersuchungen am monumentalen Tumulus Yığma Tepe durch die Geophysik ermöglichen eine konkrete Einschätzung mehrerer Anomalien im Inneren des Grabhügels. Die Arbeiten im Umland von Pergamon haben durch die Verdichtung von Plätzen insbesondere an der Westküste der Kane-Halbinsel sowie an den westlichen Ausläufern des Yünt Dağ neue Einblicke in die Funktion der Mikroregion als ›visuelle Region‹ erbracht und zugleich das Spektrum ländlicher Siedlungsformen bereichert. Die Maßnahmen der Baudenkmalpflege in der Roten Halle und im Gymnasion wurden gemäß dem neuen Gesamtkonzept fortgesetzt. Abgeschlossen wurde die Rekonstruktion einer Ecke des Peristyls der Palästra im Gymnasion. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Schadensdokumentation in den Ostthermen der Anlage.
Schlagworte
Pergamon, Thermalbad, Amphitheater, Yiğma Tepe, Tumuli, Geophysik, Kane, Yünt Dağ, Baudenkmalpflege, Rote Halle, Gymnasion
Abstract
Pergamon – Report on the Projects of the 2018 Campaign
Felix Pirson
The Pergamon Excavation in 2018 concentrated on follow-up work to the concluded research programme and on preparations for the new long-term project »The transformation of the micro-region Pergamon between the Hellenistic and the Roman imperial period«. Archaeological and construction-history investigations of an extraurban thermal bath from the Roman imperial period were commenced. Geophysical prospection supplied important information on the full extent of the bath. An urgent necessity in research into the imperial-period city was embarked on with the newly initiated investigation of the Pergamon amphitheatre. Follow-up investigations at the monumental tumulus Yığma Tepe using geophysical methods permitted a concrete appraisal of several anomalies inside the burial mound. Projects in the surroundings of Pergamon revealed an increased number of sites especially on the west coast of the Kane Peninsula and in the western foothills of the Yünt Dağ Mountains, affording new insights into the function of the micro-region as a ›visual region‹ and extending the spectrum of rural settlement forms. Monument conservation continued at the Red Hall and the gymnasium in line with the new overall conservation-plan. Reconstruction of a corner of the peristyle of the palaestra in the gymnasium was completed. A further focus of work lay on damage documentation in the gymnasium’s east baths.
Keywords
Pergamon, thermal bath, amphitheatre, Yiğma Tepe, tumuli, geophysics, Kane, Yünt Dağ Mountains, monument conservation, Red Hall, gymnasium
Einleitung
Pergamon
Digitale Dokumentation und archäologische Karte
Das extraurbane Thermalbad Kleopatra Güzellik Ilıcası
Ausgangslage und Fragestellungen
Zum Baubefund
Sondagen und Säuberungen
Geophysikalische Untersuchungen
Die römische Unterstadt
Dokumentation von Baustellenbefunden
Neue Untersuchungen am Amphitheater von Pergamon
Der Tumulus Yığma Tepe
Geophysikalische Prospektion am Tumulus Yığma Tepe
Das Umland von Pergamon
Die Arbeiten des Umland-Surveys 2018
Fundstelle 2018/01 – Kleine Siedlung/Gehöft
Fundstelle 2018/02 – Kuyulu Kaya Tepe – Befestigung und Siedlung
Fundstelle 2018/03 – Wasserleitung
Fundstelle 2018/04 – Büyüksofulu Tepe – Befestigung
Fundstelle 2018/05 – Mutmaßliche Warte
Fundstelle 2018/06 – Kemikliburun – Befestigung/Warte und Siedlung/Gehöft
Fundstelle 2018/08 – Yazılı Taş Tepe – Warte
Fundstelle 2018/09 – Siedlung/Turmgehöft
Fundstellen 2018/10 und 2018/11 – Kilise Yeri und Karaca Kayası
Fundstelle 2018/12 – Küçükburun/Yılanlı Tepe – Warte
Fundstelle 2018/13 – Panayir Yeri Mevki – Siedlung/Gehöft
Fundstelle 2018/14 – Hacıismail Köprüsü – Brücke bei Demirtaş
Raubgrabungen in Atarneus (Fundstelle 2018/07)
Elaia (Fundstelle 2018/15) – Raubgrabungen und Luftbilder der unter Wasser liegenden Mauerstrukturen
Einzelstudien und Aufarbeitung
Altgrabungen und Architektur
Fundmaterial
Epigraphik
Die anthropologisch-paläopathologischen Untersuchungen 2018
Südostnekropole: Sondage 20
Südostnekropole: Siebfunde
Südostnekropole: Hangschuttschichten
Umlandsurvey
Aigai
Radiocarbondatierung und stabile Isotope
Konservierung
Baudenkmalpflege 2017 in Pergamon
Einleitung
Peristylecke der Palästra des Gymnasions
Die Ostthermen des Gymnasions
Die Konsolidierung der Ostmauer des Gymnasions und ein Denkmal der (Grabungs-)Technikgeschichte
Südliche Temenosmauer der Roten Halle
Erstellung eines denkmalpflegerischen Gesamtkonzepts
Versalzung und Erosion: ein spezifisches Schadensbild pergamenischer Andesitmauern
Konservierung antiker Wand- und Fußbodendekorationen
Kampagne 2018
Dank
Neuerscheinungen zu Pergamon
Abstracts
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