Die frühkaiserzeitlichen Grabsteine aus Simitthus (Chimtou)
Stilistisch-epigraphische Analyse und urbaner Kontext
1 Simitthus , im Tal des Flusses Majrada (lat. Bagradas) im Westen des heutigen Tunesiens gelegen, war eine der wichtigsten Städte des frühkaiserzeitlichen Nordafrika (Abb. 1). In für nordafrikanische Städte ungewöhnlich deutlicher Weise zeigt sich hier seit julisch-claudischer Zeit im urbanen Gefüge, in der Bevölkerungszusammensetzung, den Austauschbeziehungen und dem rechtlichen Status der Stadt ein Bedeutungsaufschwung. Eine der wichtigsten, diese Entwicklung aufzeigenden Denkmälergattungen sind die bisher zu großen Teilen unpublizierten Grabmonumente des 1. bis frühen 2. Jhs. n. Chr., die im vorliegenden Beitrag zum ersten Mal zusammenfassend vorgelegt werden[1].
Die Entwicklung von Simitthus bis zum 1. Jh. n. Chr.
2Die derzeit ältesten archäologisch nachweisbaren Siedlungszeugnisse stammen aus dem 8. Jh. v. Chr.[2]. Im Bereich des späteren römischen Forums entwickelte sich auf einer Fläche zwischen dem sog. Stadtberg und der Majrada eine Siedlung, die 152 v. Chr. im Zuge der Eroberung der campi magni durch Massinissa in das numidische Königreich eingegliedert wurde[3]. Nach der Schlacht von Thapsus 46 v. Chr. geriet das Majradatal mitsamt des ostnumidischen Reiches als Provinz Africa Nova endgültig unter die Kontrolle Roms. Da die Stadt in der sog. plinianischen Städteliste, die wahrscheinlich auf eine voraugusteische Quelle rekurriert, als eines von 14 oppida civium Romanorum in Nordafrika genannt ist[4], vermutet L. Teutsch in Simitthus bereits vor 46 v. Chr. eine private Niederlassung von cives Romani, die sich in den Städten Numidiens zu conventus zusammenschlossen[5]. Wenngleich diese These nicht zu beweisen ist, waren zumindest die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Simitthus und Mittelitalien, wie das archäologische Fundmaterial belegt, bereits seit dem 2. Jh. v. Chr. eng verflochten[6]. Der in Simitthus gebrochene gelbe Marmor (marmor numidicum/giallo antico) war in Mittelitalien ebenso beliebt wie kampanische Schwarzfirnisskeramik und zentralitalischer Wein in Simitthus[7]. Italische negotiatores handelten in den Zentren Numidiens wie Cirta und Vaga [8], zwischen welchen Simitthus lag. Auch politisch und territorial war die Gegend der campi magni bereits vor dem Jugurthinischen Krieg (111–105 v. Chr.) in das Blickfeld des römischen Senats und der spätrepublikanischen Feldherren gerückt. Direkt im Anschluss an den Krieg gründete Marius vier Veteranensiedlungen westlich der sog. fossa regia, die als Demarkationslinie zwischen der römischen Provinz Africa und dem numidischen Königreich galt: Mustis , Uchi Maius , Thibaris und Thuburnica [9]. Von den beiden letztgenannten Städten liegt Simitthus nur 50 bzw. 13 km entfernt. Pompeius nahm im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. mehrfach Einfluss auf die ostnumidische Thronfolge und die aus dieser Region stammenden, für Rom immer wichtiger werdenden Getreide- und Marmorlieferungen[10].
3Wie der inschriftlich nachgewiesene Stadtname Colonia Iulia Augusta Numidica Simitthus belegt[11], wurde der Stadt unter Augustus römisches Kolonierecht verliehen[12]. Die Erhebung zur Kolonie unterstreicht einerseits die Bedeutung, die die Stadt vor allem wegen ihrer strategischen Lage an der Kreuzung wichtiger Straßen und wegen des lokalen Marmors zu diesem Zeitpunkt bereits innehatte. Andererseits markiert sie den Beginn eines frühkaiserzeitlichen, in Nordafrika selten so deutlich wie in Simitthus zu Tage tretenden und an verschiedenen Stellen zu belegenden städtischen Ausbaus (Abb. 2)[13]. Eine Besonderheit im frühkaiserzeitlichen Stadtbild von Simitthus stellen die großen Marmorsteinbrüche dar, die 46 v. Chr. aus dem Besitz des numidischen Königs unter die Kontrolle Roms gelangten und später größtenteils in das patrimonium der Kaiser übergingen[14]. Sowohl die durch massiven Export nachgewiesene Abbautätigkeit julisch-claudischer bis flavischer Zeit als auch zwei am Südhang des gelben Berges lokalisierbare officinae [15] belegen die besondere Rolle, die der Marmor aus Simitthus für die frühe Stadtphase einnahm[16].
4Die jüngeren Forschungen weisen an mehreren Stellen nach, dass Simitthus im Laufe des 1. Jhs. n. Chr. eine bedeutende Erweiterung seines Stadtareals erfuhr. Die in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Universität Köln durchgeführten geophysikalischen Prospektionen haben mehrere bislang unbekannte Stadtviertel sichtbar gemacht, darunter eine Reihe von Insulae und öffentlichen Bauten, Platzanlagen, Straßenzügen sowie mindestens sechs unterschiedliche Ausrichtungssysteme[17]. Im ältesten Siedlungsbereich der Stadt zwischen Forum und Theater zeigt sich eine Orientierung, die um 28° gegen die Ostwestrichtung verschoben ist und somit einem bekannten Centuriationssystem der Region entspricht. Diese sog. limitation ouest lässt sich in der Gegend von Simitthus von Ghardimaou über Jendouba bis Teboursouk feststellen und wurde in der Forschung u. a. mit dem genannten Kolonisierungsversuch durch Marius in Verbindung gebracht[18]. Auch wenn die Datierung solcher Centuriationssysteme schwerfällt, ist doch festzuhalten, dass einige der vorrömischen Grabbauten unter dem flavischen Forumspflaster, die stratigraphisch in das 2.–1. Jh. v. Chr. datierten Wohn- und Werkstattkontexte im Osten des Forums wie auch deren frühkaiserzeitliche Nachfolgebebauung dieser Orientierung verpflichtet sind[19].
5Ein weiteres Orientierungssystem, in dem die decumani genau Ost-West ausgerichtet sind, findet sich im nordwestlichen und südlichen Stadtareal sowie im unmittelbaren Umland von Simitthus, südlich und südöstlich der Stadt. Für beide städtischen Areale lassen sich Indizien für eine frühkaiserzeitliche Entstehung ins Feld führen. Im Norden legt sich das System um einen Nord-Süd ausgerichteten Podiumstempel mit Platzanlage, bei dem nach derzeitigem Forschungsstand eine frühkaiserzeitliche Datierung wahrscheinlich ist[20]. Im südlichen Bereich verläuft eine der Nord-Süd ausgerichteten Straßen auf dem Forum entlang eines am Rande des Forums liegenden, erneut Nord-Süd ausgerichteten Baus, bei dem es sich möglicherweise ebenfalls um einen Tempel handelt. Da das flavische Pflaster des Forums relativchronologisch jünger ist als dieser Bau, gewinnt man einen Terminus ante quem für das Gebäude und die seiner Ausrichtung entsprechende Straße[21]. Das auf dem Tempelberg liegende Heiligtum der Caelestis, dessen Errichtung inschriftlich in flavische Zeit zu datieren ist[22], ist ebenfalls exakt dieser Nord-Süd-Achse verpflichtet. Im südlichen Teil der Stadt verläuft eine im geomagnetischen Bild sichtbare, erneut genau Ost-West ausgerichtete Straße, die einen großen Platz und eine innerstädtische Brücke über das Oued Melah überquert. Hierbei handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die durch das Majradatal laufende, Karthago mit Numidien verbindende Überlandstraße, für die in tiberischer Zeit eine Brücke gebaut wurde[23]. Im Westen der Stadt kreuzt diese eine Nord-Süd laufende Straße, die über die große, unter Trajan neu errichtete Majrada-Brücke [24] nach Süden in den tunesischen Tell und nördlich der Stadt zum Mittelmeer führt. Diese Brücke muss einen vortrajanischen Vorgängerbau besessen haben, da die Bauinschrift von 112 n. Chr. von der Brücke als einem pons novus spricht[25]. Die südliche Straße führte wohl schon im 1. Jh. n. Chr. weiter gen Süden zur augusteischen colonia Sicca Veneria [26]. Die nördliche Straße nach Thabraca wurde in hadrianischer Zeit gepflastert[27], bestand jedoch mit Sicherheit schon im 1. Jh. n. Chr., da sich die fest datierten, unten besprochenen Gräber der Nordnekropole an ihr entlangziehen. Die große Bedeutung von Simitthus in der frühen Kaiserzeit manifestiert sich aber auch besonders in der im Folgenden vorgelegten Gruppe von Grabmonumenten des 1. Jhs. n. Chr.
Die Nekropolen von Simitthus – Bestattungstopographie und Grab(stein)typologie
6Im Gebiet des antiken Simitthus sind vier Nekropolen bekannt (Abb. 2). Das vorrömische Bestattungsfeld unter dem späteren Forumspflaster mit einer vom 5.–1. Jh. v. Chr. nachgewiesenen Bestattungsevidenz besitzt eine in Nordafrika einzigartige Bandbreite an Grabtypen[28]. Die jüngsten Bestattungen dieser Nekropole stammen aus dem 1. Jh. v. Chr. Zwei Faktoren, die diese vorrömische Bestattungsevidenz vor Ort betreffen, sind für die hier verfolgte Fragestellung zentral: Erstens bleibt mit Ausnahme einer enigmatischen libyschen Inschrift, deren funerärer Charakter nicht erwiesen ist, bislang die These einer vorrömischen Lokaltradition der Signalisierung von Gräbern durch Grabmarker fraglich[29]. Aus der vorrömischen Nekropole selbst sind u. W. keine Grabsteine bekannt und die Nennung libyscher, punischer und neopunischer Grabinschriften aus Simitthus in der älteren Literatur ist mit Problemen behaftet[30]. Eine der hier erstmals neu vorgestellten Stelen (Kat. 49) kann als lateinisch-neopunische Bilingue identifiziert werden, die jedoch sicher der frühen Kaiserzeit angehört[31]. Funde aus dem Umland belegen ferner, dass in der Zone wohl seit dem mittleren 1. Jh. v. Chr. eine Tradition etabliert war, Grabstelen zu errichten (Abb. 1)[32]. Zweitens zeigt die Überlagerung der Nekropole durch das flavische Forumspflaster eine tiefgreifende Funktionsverlagerung des urbanen Raums an. Im Gegensatz zur älteren Forschung muss für die Erklärung dieses Befundes nicht das Modell einer ›rigorosen Romanisierung‹ bedient werden[33]. Vielmehr war die Überbauung der alten Nekropole eher durch topographische und demographische Faktoren bedingt. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass die Einwohnerzahl der Siedlung im Zuge der augusteischen colonia-Gründung angewachsen ist und daher neue Siedlungsflächen und Bestattungsfelder durch Ausdehnung der Grenzen des urbanen Raums geschaffen werden mussten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die günstige Siedlungslage der alten Nekropole an einem Südhang mit Zugang zu einer wichtigen Majrada-Brücke im Zuge einer Ausweitung des urbanen Raums durch die Aufschüttung einer künstlichen Terrasse zum zentralen Platz der colonia aufgewertet wurde. Eine derartige Maßnahme war von einem sakral-rechtlichen Standpunkt aus betrachtet zwar durchaus schwierig, aber weitere Beispiele aus den Provinzen zeigen, dass eine solche Friedhofsauflassung kein Einzelfall ist[34].
7Die für unsere Fragestellung wichtigste ›Nordnekropole‹ erstreckte sich nach klassischem Vorbild entlang der nach Thabraca führenden Überlandstraße, die hier in einer von Nordosten kommenden Linie in das pomerium von Simitthus eintrat (Abb. 2)[35]. Kurz vor 1881 legten A.-L. Delattre und M. Lohest einige der hier teilweise noch in situ befindlichen Grabmarker frei, die Eingang in das CIL 8 fanden[36]. Um die Jahrhundertwende führte der französische Militärarzt L. Carton erneut Grabungen in der Nekropole durch, deren Ergebnisse vorgelegt wurden[37]. Der Fokus des Interesses lag damals auf der Bergung museal auswertbarer Objekte und Inschriften[38]. Dennoch ist bemerkenswert, mit welcher Ausführlichkeit L. Carton einige Gräber und Funde beschrieb. Die Monumente, darunter einige Mausoleen, fanden sich nur entlang der Westseite der Straße[39]. Viele Bestattungen scheinen nach seiner Beschreibung bustum-Gräber gewesen zu sein, bei denen der Scheiterhaufen direkt über der Grabgrube verbrannte und die Brandgrube durch Hitzeeinwirkung verfärbte. Carton beschreibt weiterhin, in diesen Gruben hätten sich neben Urnen und Grabbeigaben auch „Sarkophage“ gefunden. Es bleibt leider unklar, was Carton mit »sarcophages« meinte, genau wie bei einer Dachziegelabdeckung eines Grabes. Sowohl Dachziegel als auch Sarkophage finden sich in der Regel bei Körpergräbern, die Carton jedoch nicht nennt. Urnen traten in unterschiedlichen Materialien zu Tage, aus Keramik, Stein und sogar Blei[40]. Die Beigaben neben dem Behältnis für den Leichenbrand umfassten Münzen, die häufig stark abgenutzt waren, ein Gefäß und eine Lampe, daneben Nadeln und einmal eine flache Scheibe aus Blei[41]. Die Grabmarkierungen, die wie der Stelenschuh des M. Aufidius (Kat. 44 Abb. 13) in große Platten eingesetzt wurden, bildeten den oberen Abschluss der Brandgrabgruben[42]. Nach den hier besprochenen Stelen traf man am häufigsten cupae und Altäre an[43]. Dem Typenspektrum der Grabmonumente lassen sich ferner mehrere Grabbauten in caementicium-Verbund, zahlreiche kleine anepigraphe Stelen und eine Funerärmensa mit Einmuldungen in Fisch- und Tellerform hinzufügen[44]. Das Repertoire der Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr. aus dieser Nekropole reicht von kleinformatigen Grabstelen mit dreieckigem (Kat. 7. 8. 27) und bogenförmigem Abschluss (Kat. 13. 14. 21. 23) über Grabaltäre (Kat. 65) bis hin zu schlanken, bis zu 2,5 m hohen Grabstelen (Kat. 1. 21. 29), die in der Forschungsliteratur den Namen ›Menhirstelen‹ erhielten. Diese markanten Stelenmonumente waren nur im 1. Jh. n. Chr. im oberen bis mittleren Majradatal verbreitet und scheinen einer vorrömischen Tradition zu folgen (Abb. 1)[45]. Ein kleiner Hügel 1,2 km im Norden der Stadtgrenze ist wohl als ein privilegierter Bestattungsplatz anzusehen[46]. Hier wurden mehrere Mausoleen sowie Grabsteine für einen Dekurionen (Kat. 7), einen Ädilen, der auch ein Priesteramt ausübte (Kat. 2), sowie für eine Priesterin (Kat. 3) kartiert. In der Nekropole fand man ferner Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr. für Militärs (Kat. 4. 5. 6).
8Ein weiterer Friedhof etablierte sich im 1. Jh. n. Chr. am Nordhang des Tempelberges südwestlich des späteren Arbeitslagers (Abb. 2). Diese sog. Lagernekropole wurde von 1970–1979 durch das tunesisch-deutsche Team und später durch M. Khanoussi ausschnittsweise untersucht[47]. Bereits 1971 entdeckte man 18 intakte Gräber mit Keramik des 1.–2. Jhs. n. Chr. neben einem kreisrunden Mausoleum mit quadratischem Einbau, auf welchem ein Grabaltar des späten 1. Jhs. n. Chr. (Kat. 38 Abb. 26. 27) gestanden haben soll[48]. In den Folgejahren wurden weitere intakte Gräber, darunter Leichenbrandbestattungen und beigabenführende Gräber geborgen[49]. Die Gräber der Nekropole konnten mit Ausnahme weniger Funde von den Ausgräbern bisher leider nicht vorgelegt werden[50]. Ihre Gesamtanlage, Ausdehnung und Belegungsabfolge sind noch nicht bekannt[51]. Bemerkenswert ist die abgeschiedene Lage der Nekropole am der Siedlung abgewandten Bergrücken, aber in Sichtkontakt zur Hauptnekropole entlang der Straße nach Thabraca . Die Genese dieses Bestattungsfeldes und die vielen Kinderbestattungen lassen sich vielleicht mit der Präsenz eines vorrömischen tophet in diesem Bereich erklären[52]. In der Tat sind die meisten tophet-Stelen aus Simitthus, die zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. einzuordnen sind, wie Kat. 39 in dieser Zone spoliiert vorgefunden worden. Wie in anderen Siedlungen Nordafrikas könnte dieser tophet im Laufe des 1. Jhs. n. Chr. zu einem reinen Friedhof umfunktioniert worden sein[53].
9Die vierte gesicherte Nekropole befand sich im Osten der Stadt, entlang der aus Bulla Regia und Thunusuda kommenden Überlandstraße (Abb. 2)[54]. Das Bestattungsfeld war sicher in der hohen Kaiserzeit belegt, wie datierte Grabsteine[55] und drei heute noch sichtbare Mausoleen mit teils erhaltener Stuckarchitektur und loculi für Urnen belegen[56]. Eine unserer Grabstelen stammt aus der Zone des Amphitheaters (Kat. 35), zwei weitere besitzen die Fundortangabe »Steinbrüche« ohne weiterführende Spezifizierung (Kat. 36. 37). Auch wenn es sich um dekontextualisierte Funde handelt, ist anzunehmen, dass in der Ostnekropole bereits im 1. Jh. n. Chr. bestattet wurde, war doch die Überlandstraße von Karthago nach Numidien von deutlich größerer Relevanz als die Straße nach Thabraca.
10Bislang ungeklärt bleibt die Frage, ob sich auch im Südwesten der Stadt, auf der südlichen Seite der ersten Brücke über den Bagradas, eine weitere Nekropole befand[57]. Heute sind keine Grabfunde entlang der von Süden in die Stadt eintretenden augusteischen Straße aus Sicca Veneria auszumachen, wenngleich einige frühkaiserzeitliche ex-situ-Grabstelenfunde aus der Zone (Kat. 31. 32. 34) dokumentiert sind.
Forschungsstand und das chronologische Gerüst der frühkaiserzeitlichen Grabsteine aus Simitthus
11Studien zu frühkaiserzeitlichen Grabsteinen aus Nordafrika sind bislang rar und mit einigen Forschungsproblemen verbunden. Neben den kanonischen Synthesen zur Grabsteintypologie und zur Entwicklung des epigraphischen Formulars durch J.-M. Lassère und Y. Le Bohec lassen sich vor dem Hintergrund der Masse hochkaiserzeitlicher Grabsteine nur wenige Lokalüberblicke in der Forschungsliteratur finden[58]. So erstellte J.-M. Lassère schon in den 1970er Jahren erste Überblicke zu den ältesten Epitaphen aus Karthago , Thugga , Theveste und Cirta , die mittlerweile durch Lokalcorpora ergänzt wurden[59]. Für Ammaedara liegt nun ein umfangreiches Corpus frühkaiserzeitlicher Grabmarker vor[60]. Weitere Lokalstudien sind für Mactaris , Uchi Maius und Iol Caesarea verfügbar[61]. Mit Ausnahme der mactaritanischen Gruppe ist jedoch allen Studien gemein, dass der Fokus bis heute auf dem epigraphischen Befund liegt und stilistische Entwicklungen nahezu keine Rolle gespielt haben.
12Gegenwärtig lassen sich aus Simitthus und seiner unmittelbaren Umgebung insgesamt 66 Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr. zählen, wobei ein Teil dieser Gesamtzahl möglicherweise am Übergang zwischen dem 1. und 2. Jh. n. Chr. anzusiedeln ist (Katalog). Simitthus stellt somit nach Karthago und Mactaris die umfangreichste Grabsteingruppe der frühkaiserzeitlichen Africa Proconsularis [62]. Die 1980 von J.-M. Lassère zusammengestellten 33 Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr. waren seit 1881 in epigraphischen Corpora ediert und bald, nachdem man sie gefunden hatte, nahezu vollständig auf verschiedene Aufbewahrungsorte in Tunesien und Europa verteilt worden, wo sich für einen Großteil die Spuren verlieren[63]. Wichtige Neuerkenntnisse zum Dekor verlorener Stelen, deren Provenienz und Sammlungsgeschichte konnten durch Einblick in die Scheden-Dokumentation im Archiv des Corpus Inscriptionum Latinarum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gewonnen werden (Abb. 3)[64].
13Durch Neufunde hat sich der Bestand der Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr. seit 1980 verdoppelt[65]. Ein Problem bei den heute im Museum und Grabungshaus Chimtou gelagerten Neufunden, die zumeist bei landwirtschaftlichen Aktivitäten gefunden und aus Sicherheitsgründen von der Denkmalpflege in das Grabungshaus von Chimtou gebracht wurden, stellt die Dokumentation ihrer exakten Provenienz dar[66]. Aufgrund des verwendeten Materials, ihrer Onomastik und Stilistik wurden sie jedoch sicher in Simitthus produziert. Dies gilt auch für die beiden eventuell aus Bir Laafou stammenden Grabstelen von der ›Ferme Bergmann‹, 5 km westlich von Ghardimaou (Kat. 54. 55)[67]. Wie sich im Verlauf der Studie zeigen wird, ist trotz Problemen der genauen Lokalisierung der Fundorte innerhalb der Umgebung von Simitthus nur eine geschlossene Vorlage dieser homogenen Materialgruppe zielführend.
14Epigraphische Datierungskriterien sind rar. Das einzig wirkliche Kriterium von einigem Gewicht ist das weitgehende Fehlen von D(is) M(anibus) S(acrum) bis zum späten 1. Jh. n. Chr.[68]. Wenn ferner das Cognomen fehlt, dann deutet dies eher auf eine Zeit vor der flavischen Dynastie. Alle anderen Kriterien, die zum Teil in der Literatur angeführt wurden, etwa die überwiegende Nennung des Verstorbenen im Nominativ, die Formel vixit annis vor der Altersangabe, die Qualifizierung der Verstorbenen als pius/pia, die Abkürzung h(ic) s(itus/a) e(st) oder seltener o(ssa) t(ibi) b(ene) q(uiescant), t(ibi) t(erra) l(evis) s(it) können nicht als Kriterien für eine Datierung bis zur Mitte des 1. Jhs. n. Chr. verwendet werden[69], weil sie genauso in Inschriften des späten 1. und besonders des 2. und 3. Jhs. erscheinen. Sicher ist die Datierung allein für das Grabmal des L. Flaminius (Kat. 5); er wurde unter dem Prokonsul M. Iunius Silanus Torquatus rekrutiert, dessen Amtszeit in das Jahr 38/39 n. Chr. gehört[70]. Da L. Flaminius 19 Jahre nach seiner Rekrutierung starb, wurde er 57/58 n. Chr. in Simitthus bestattet. Dagegen lässt sich das Epitaph des Sex. Veturius (Kat. 4), der in der Ala Siliana gedient hatte, nicht so genau datieren. Denn sicher ist nur, dass die ala zwischen 68 und 70 Africa verlassen hat; doch wissen wir weder, wann sie aufgestellt wurde, noch, wann Sex. Veturius rekrutiert wurde. Er kann auch erst in neronischer Zeit rekrutiert worden sein und könnte nach seiner Entlassung in Germanien, wohin die Einheit versetzt wurde, wieder nach Hause zurückgekehrt sein, wie es sehr häufig bezeugt ist[71]. Da er wohl mit 45/50 Jahren entlassen wurde, er jedoch erst mit 70 Jahren starb, könnte sein Tod erst Ende des 1. Jhs. eingetreten sein. Dass er kein Cognomen trägt, ist freilich kein zwingendes Kriterium, da dies eher für den Zeitpunkt gilt, als er geboren wurde und seine Eltern ihm kein Cognomen gaben, sein Praenomen Sextus war wohl genug.
15In Hinsicht auf die typologischen Datierungshinweise lassen sich die Grabmarkierungen des 1. Jhs. n. Chr. in Simitthus und Umgebung bislang in vier Gruppen scheiden (Abb. 4). Es überwiegen kleinformatige Stelen (mit Rund- oder Spitzgiebel, eine mögliche Doppelstele Kat. 21), während die ›Menhirstelen‹ (Kat. 1. 21?. 29?. 50?. 51. 52?. 66) eine regionale monumentale Grabmarkierungsform darstellen. Beide Grabaltäre (Kat. 38. 65) dürften wie eine in ein Mausoleum bzw. Columbarium eingefügte Platte (Kat. 43) erst dem späteren 1. Jh. n. Chr. angehören. Mit Ausnahme der ›Menhirstelen‹ entspricht somit das Typenspektrum aus Simitthus der durch Y. Le Bohec für das frühkaiserzeitliche Nordafrika herausgearbeiteten Typenentwicklung[72]. Die cupae, die in Bulla Regia im späten 1. Jh. n. Chr. erstmals in der Region erscheinen, wurden in Simitthus wohl erst nach 100 n. Chr. – vielleicht von Militärs – eingeführt[73].
16Für stilistische Datierungskriterien nordafrikanischer Reliefs sind weiterhin die Arbeiten von M. Leglay und G. Charles-Picard wichtig[74]. Hinzu kommen neuere Studien, die jedoch vornehmlich Weihestelen betreffen[75]. Für Simitthus hat sich bislang nur T. Kraus stilkritisch mit den Felsreliefs am sog. Tempelberg auseinandergesetzt, B. D’Andrea bot kürzlich neue Chronologievorschläge zu den tophet-Stelen[76]. Für Grabreliefs der gesamten Kaiserzeit fehlt für Simitthus, aber auch für die Nachbarstädte, bislang jegliche Analyse. T. Kraus’ Studie kann als Referenz für die Grabstelen gelten, da zu den Weihreliefs nicht nur einige stilistische Verwandtschaften, sondern auch motivische Analogien bestehen. Dennoch weist seine Analyse eine Reihe von Problemen auf, die die Zahl der »vorflavisch« datierten Reliefs (30) viel zu hoch erscheinen lassen[77]. Bei einem Großteil der Reliefs ist der Erhaltungszustand nicht gut genug, um stilistisch argumentieren zu können. Gerade das von Kraus oftmals für Datierungen angeführte Argument, die frühen Reliefs zeigten »keinerlei romanisierte Züge« und der Verweis auf ihr »primitives, afrikanisches« Aussehen sind methodisch nicht plausibel[78].
17Es dürfen zwar wohl weiterhin die allgemeingültigen Faustregeln gelten, dass figürliche Darstellungen in der Proconsularis ab dem 2. Jh. n. Chr. anatomischer und proportionierter werden, dass das Flach- zunehmend dem Hochrelief weicht, dass Frisuren- und Kleidungsdetails (vor allem bei Togen) im Laufe der Kaiserzeit detaillierter wiedergegeben, und dass Portraits individueller und Einzelmotive multipliziert werden[79]. Doch sind dies von Ort zu Ort zu prüfende Tendenzen. Die Präsenz einzelner Motive (wie z. B. des Palmzweiges) oder die ins Profil gedrehten Fußpartien (Kat. 44. 47. 53?) der ansonsten frontal wiedergegebenen Körper sind alleinstehend jedenfalls keine festen Datierungskriterien, zumal gerade bei den Felsreliefs Inschriften fehlen[80], die aber wohl auch keine zwingenden Datierungskriterien liefern würden. Einzelne Motive, Kleidungscharakteristika, anatomische Details, Darstellungstypen und architektonische Rahmenschemata müssen zunächst in ihrer Genese, den Vorbildern und ihrem möglichen Transfer nach Africa analysiert und dann, soweit möglich, mit datierenden Elementen aus Inschriften korreliert werden. Erst dieser kombinierte Ansatz kann dabei helfen, chronologische Fenster enger einzugrenzen. Da sowohl von archäologischer als auch von epigraphischer Seite nur ›fluide Datierungskriterien‹ und Tendenzen herausgearbeitet werden können, ist es spannend, dass man in der Kombination der ›fluiden Kriterien‹ beider Ansätze doch genügend Anhaltspunkte erhält, zumindest neue Datierungskriterien hypothetisch vorzuschlagen.
Onomastische Analyse der Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr.
18Für die geographische Herkunftsbestimmung verschiedener Bevölkerungsteile bleibt die onomastische Studie von Inschriften ein nur in Einzelfällen verwendbares Instrument, wenn nicht eindeutig identifizierbare Namen erhalten sind und nicht eine belastbare Menge bestimmter Gentilizien zu bestimmen ist. Die Bürger der colonia waren in die Tribus Quirina eingeschrieben[81]. Auf den frühen Grabstelen erscheint die Tribus elfmal (Kat. 1. 7. 10. 14. 15. 22. 30. 41. 44. 51. 60). Drei Individuen gehörten der Tribus von Karthago, der Arnensis, an (Kat. 5. 47. 66). Dass auf den meisten Grabsteinen keine Tribus genannt ist, besagt nicht, dass die Verstorbenen keine Bürger von Simitthus waren; denn auch in Italien fehlt eine solche Angabe in den meisten Grabinschriften. Für den einfachen Bürger hatte die Tribus keine besondere Bedeutung, was in Simitthus nicht anders war. Dort fehlt sie selbst in der Grabinschrift des munizipalen Magistrats Cornelius Vitalis (Kat. 2).
19Drei Individuen mit der Tribus Arnensis (Kat. 5. 47. 66) stammen vermutlich aus Karthago oder seinem Territorium; sie oder vielleicht schon ihre Eltern haben sich möglicherweise dauerhaft hier niedergelassen. Sex. Veturius hatte in der ala Siliana gedient (Kat. 4) und stammte vielleicht aus Italien[82]. Nach H. G. Pflaum belegt das häufige Vorkommen des Namens Veturius in Simitthus (vierzehnmal), dass der Veteran hier eine Familie gegründet hatte, was möglich ist[83]. Rustica, die als Iscilitana bezeichnet ist (Kat. 26), stammt nach aller Wahrscheinlichkeit aus Cillium (Kasserine) oder Scillium, das bislang noch nicht lokalisiert wurde[84]. Den ›Auswärtigen‹ sind ferner die veterani morantes Simittu (Kat. 35 Abb. 5) sowie die übrigen Militärs hinzuzufügen. Nur eine Frau trägt einen orientalischen Namen: die Caelestis-Priesterin Martha, vielleicht Tochter des Veteranen Sex. Veturius (Kat. 3). Dabei handelt es sich um ein aramäisches Cognomen mit hoher Frequenz in der Syria [85]. Falls sie seine Tochter war, besagt der Name allerdings nichts über ihre Herkunft; denn der Vater kommt eher aus Italien. Die wenigen griechischen Cognomina verweisen kaum auf eine eventuelle origo aus dem Osten der in den Inschriften genannten Personen. Dass Daphnus als libertus (Kat. 23) ein griechisches Cognomen trägt, besagt nichts, da viele Freigelassene wie er ein solches führten, ohne dass sie aus dem Osten stammten. Auch sein Patron Hilario trägt ein griechisches Cognomen[86]. Der Personalstatus einer Cornelia Tyrannis in Kat. 57 bleibt unbestimmt. Helena (Kat. 20) ist die Tochter eines M. Egnatius, sie ist also eine ingenua; warum die Eltern ihr das Cognomen gaben, bleibt unbekannt. Aus weiteren Cognomina wie Baric (Kat. 45 Abb. 6), Namphame (Kat. 33 Abb. 7), Zara (Kat. 63) oder vielleicht auch Gorgo (Kat. 21) ist eine Fortsetzung libyscher bzw. punischer Onomastik zu schließen.
20Die onomastische Diversität manifestiert sich in der hohen Anzahl von Gentilizien mit eindeutiger italischer Herkunft, was aber in einer von Augustus gegründeten colonia nicht überraschen kann. Das zeigen Namen wie Aelius (Kat. 21), Aemilius (Kat. 39?. 41), Agrius (Kat. 6), Anicius (Kat. 45)[87], Aufidius (Kat. 44)[88], Auianius (Kat. 36), Aurelius (Kat. 32), Caecilius (Kat. 34), C(a)esennius (Kat. 46)[89], Cluentius (Kat. 7. 9), Cornelius (Kat. 1. 2. 10. 11. 39. 52?. 57), Cossutius (Kat. 12. 13. 54), Egnatius (Kat. 20), Flaminius (Kat. 5), Gargilius (Kat. 47. 63), Iulius (Kat. 22. 23. 31. 59), Manlius (Kat. 15. 51), Munatius (Kat. 16), Mundicius (Kat. 56), Mutius (Kat. 66)[90], Octavius (Kat. 58), Papirius (Kat. 17), Petronius (Kat. 24), Plotius (Kat. 18), Pompeius (Kat. 60), Pontius (Kat. 64)[91], Postumius (Kat. 61. 62), Rasinius (Kat. 50)[92], Servilius (Kat. 28), Silicius (Kat. 35), Tettius (Kat. 48)[93], Titius (Kat. 33)[94], Ve(t)tius (Kat. 25), Veturius (Kat. 3. 4. 29. 30?. 53) und Vipsanus (Kat. 19). Die meisten dieser Gentilnomina sind während der Republik und frühen Kaiserzeit in Mittelitalien – vor allem Latium, Kampanien und Etrurien – weit verbreitet[95]. Die hier erstmals in Simitthus bezeugten Namen sowie einige weiter unten diskutierte figurale bzw. motivische Elemente bestätigen dieses Bild. Die hohe Diversität mittelitalischer Gentilizien resultiert mit Wahrscheinlichkeit daraus, dass die Mehrzahl der coloni aus Latium, Kampanien und Etrurien stammen könnte, ohne dass deren Herkunft geographisch noch enger einzugrenzen wäre. Personen mit dem Namen Aufidius, Auianius, Cossutius, Rasinius, Vetius, Tetius und Cluentius sind über literarische und epigraphische Quellen als in Nordafrika aktive negotiatores-Familien bekannt, wenngleich der Gentilname allein nicht zwingend für eine Korrelierung mit einem wirtschaftlich aktiven Familienzweig mit dem entsprechenden Namen sprechen muss[96]. Ihre frühe Häufung in Simitthus erlaubt die Vermutung, dass in den auf unseren Grabsteinen Genannten die Nachkommen dieser Neusiedler zu erkennen sein könnten, die sich hier wegen des Marmor- und Getreidegeschäfts, vielleicht auch des Keramikhandels niedergelassen hatten.
21Hervorzuheben ist, dass ein Gentilnomen in Nordafrika sehr rar und vornehmlich hier in Simitthus belegt ist. Vom Namen Rabirius (Kat. 61)[97] stammen zwei von drei Belegen in Nordafrika aus Simitthus, was eine gewisse Konzentration an diesem Ort nahelegt[98]. Kaiserliche Gentilizien sind natürlich auch in Simitthus belegt, so mehrere Iulii (Kat. 22. 23. 31. 59), zwei Ti. Claudii (Kat. 23. 43) und ein Titus Flavius (Kat. 62). Doch weist nichts darauf hin, dass das Bürgerrecht dieser Personen direkt auf einen der Kaiser zurückgeht. Nicht selten ist das Bürgerrecht, und damit die Namen, mancher Personen auf Prokonsuln zurückgeführt worden, die Africa Vetus, Africa Nova und später Africa Proconsularis verwalteten[99]. Doch lässt sich in Simitthus in keinem Fall eine solche Ableitung nachweisen, da es keine vollständigen Namensübereinstimmungen mit Prokonsuln gibt[100]; die reine Identität der Gentilizia besagt nichts, da wir von diesem Ort keinen Fall kennen, in dem dies auch nur als Möglichkeit zu belegen ist.
Ikonographisch-stilistische Analyse der Grabsteine
22Für insgesamt 20 der 66 frühkaiserzeitlichen Grabsteine aus Simitthus und Umgebung sind plastische Darstellungen photographisch bzw. zeichnerisch dokumentiert (Katalog). Dies vermittelt nur einen Teil der seit dem 19. Jh. in Chimtou bekannt gewordenen Grabsteine mit Bilddarstellungen. Frühe Berichte bzw. die CIL-Einträge, in denen Reliefdarstellungen genannt sind, lassen die Gesamtzahl auf 49 von insgesamt 66 Grabstelen anwachsen[101]. Mit den CIL-Scheden (Abb. 3) und Beschreibungen sind Darstellungsmuster bzw. Vorlieben für bestimmte Motive einigermaßen repräsentativ zu erfassen. Aus dieser hohen Anzahl lässt sich schließen, dass in Simitthus freistehende, frühkaiserzeitliche Grabsteine, die eine Inschrift besaßen, meist auch eine plastische Darstellung erhielten. Für das frühkaiserzeitliche Nordafrika ist dies ungewöhnlich[102]. Als Materialien der frühen simitthuensischen Grabsteine wurde in bemerkenswertem Umfang lokaler marmor numidicum (Kat. 23. 31 Abb. 8; Kat. 33?. 36?. 43. 45?. 47?. 48. 49. 54. 55. 65?) genutzt[103]. Die weit verbreitete Meinung, der Marmor sei ab 27 v. Chr. nur für vom Kaiser initiierte Bauten und kaum von den Bewohnern von Simitthus genutzt worden, ist anhand neuerer Ergebnisse deutlich zu differenzieren. Die colonia war spätestens seit dem frühen 1. Jh. n. Chr. der erste Abnehmer und einer der größten Profiteure der Steinbruchtätigkeit[104]. Bei den Stelen aus giallo antico färbte man die Buchstaben wohl zusätzlich ein, was deren ohnehin effektvolle Erscheinung steigerte[105]. Mehrheitlich kam jedoch schwarzer/dunkelgrauer Kalkstein/Marmor aus dem 2 km nördlich gelegenen Aïn el-Ksair (Abb. 9) und grünlich-bläulicher Schiefer aus dem 15 km östlich gelegenen Thunusuda /Bordj Hellal (Abb. 13) zum Einsatz[106]. Drei Stelen (Kat. 50?. 53, Abb. 10; Kat. 64) sind vielleicht als beiger Sandstein aus Thuburnica identifizierbar. Dies bedeutet, dass die simitthuensischen Steinmetzen über ein variables und preislich differenziertes Spektrum an regionalen Steinsorten verfügten. Insgesamt bestätigt die makroskopisch relativ sicher zu bewerkstelligende Identifizierung der Steinsorten die dominante Rolle der simitthuensischen Werkstätten in der Region, da nur hier dieses breite Materialspektrum anzutreffen ist[107].
23Das ikonographisch gestaltete Feld erstreckte sich jeweils in einem eigenen Register oberhalb des Inschriftfeldes (Abb. 4). Selten wurden Einzelsymbole (Kat. 7. 44) auch unterhalb des Schriftfeldes platziert. Bei einigen Stelen ist die Inschrift profilgerahmt (Kat. 35. 44. 46. 47. 48. 50. 52?. 53. 54), in eine tabula ansata (Kat. 33 Abb. 7; Kat. 45) oder eine tiefergelegte Kartusche (Kat. 60 Abb. 9) eingeschrieben. Im Vergleich zu den übrigen frühkaiserzeitlichen Serien der Proconsularis fiel die architektonische Rahmung des oberen Bildregisters in Simitthus besonders umfassend aus[108]. Wurde im 1. Jh. n. Chr. etwa in Mactaris , Ammaedara bzw. Karthago eine Nischenarchitektur durch tiefergelegte und gerahmte Relieffelder, in den meisten Fällen sogar nur durch den Stelenabschluss selbst, angedeutet, bestechen die simitthuensischen Grabsteine durch eine durchgehend aufwändige, reliefierte Rahmenarchitektur. Interessanterweise lassen sich darin wiederholt Zitate der vor- und frührömischen Grab- und Sakralarchitektur dieser Region erkennen. So erscheinen auf den Stelen wulstige Doppeltorusbasen ohne Plinthen (Kat. 7 Abb. 11; Kat. 23 Abb. 12; Kat. 31?. 35. 46?. 48. 53. 54), Eierstäbe mit besonders runden ovoli (Kat. 7), die dorische Kapitellordnung (Kat. 7?. 23. 31) und ionische Kapitelle mit auffällig ausladenden Voluten (Kat. 47 Abb. 14). All diese im tunesischen Tell vom 2. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr. gängigen Merkmale stellen konstitutive Bestandteile einer lang in der Region tradierten Architektursprache dar, die erst ab dem 2. Jh. n. Chr. neu strukturiert wurde[109]. Ihre Präsenz auf den Grabsteinen stützt nicht nur die epigraphisch und stilistisch belegbare Datierung der Monumente in die frühe Kaiserzeit, sondern gibt auch einen Hinweis auf die Existenz starker lokaler Traditionen in der jungen römischen Kolonie.
24Die Architekturrahmung auf den Grabstelen selbst ist jedoch neu in der Region von Simitthus und tritt hier erstmals gehäuft um die Zeitenwende auf. Hieraus resultiert die Frage des Ursprungs dieses Phänomens. Abseits der Grabstelen ist kleinformatige Ädikulenarchitektur in Nordafrika seit dem 2. Jh. v. Chr. und bis in das 1. Jh. n. Chr. hinein besonders im Tell verbreitet gewesen. Solche naiskoi wurden in der Region zwischen Althiburos und Thugga in hoher Zahl gefunden. N. Ferchiou interpretierte sie als freistehende Weihmonumente in Heiligtümern, die kleinere Statuetten beherbergt hätten[110]. Aus dem Funerärbereich sind solche architektonischen Rahmungen im Relief von ca. 30 karthagischen Grabstelen des 3.–2. Jhs. v. Chr. bekannt[111]. Ihr plötzliches und isoliertes Aufkommen nach einem vermeintlich langen Hiatus (146 v. Chr. – Zeitenwende) alleine in der 170 km von Karthago entfernten Region von Simitthus spricht gegen eine nordafrikanische Kontinuität dieser Form und für eine Übernahme aus einer externen Stelentradition. Insbesondere in Norditalien, aber auch in Hirpinien oder Kampanien waren solche architektonisch gerahmten Grabstelen bereits in der späten Republik etabliert[112]. Da die meisten Gentilizien der frühen Grabsteine nach Mittelitalien als Ursprungsgebiet verweisen und zu diesem Gebiet enge Wirtschaftsbeziehungen bestanden, wird diese bemerkenswerte Tradition wohl im Zuge der colonia-Gründung nach Africa übermittelt worden sein. Die technische Ausgestaltung oblag jedoch den lokalen Steinmetzen, wie die eindeutigen Bezüge zur vorrömischen Architektur in Nordafrika belegen.
25Im Ädikulafeld der bis auf einen Doppelgrabstein (Kat. 21) nur für Einzelpersonen angelegten Grabmarker erscheint stets die ganzfigurige, stark minimierte Darstellung des/der Verstorbenen in Frontalansicht. Kompliziertere Körperdrehungen, korrekte Seiten- oder Dreiviertelansichten, aber auch Halbkörper- bzw. Büstendarstellungen fehlen noch im frühen Repertoire[113]. In drei Fällen (Kat. 44 Abb. 13; Kat. 47 Abb. 14. 15; Kat. 53) ist eine Drehung der Füße auf eine Seite zu konstatieren, während der restliche Körper wie auf lokalen Weihstelen frontal dargestellt war[114]. Die ältesten Vertreter besitzen noch ein auffällig flaches Relief. Sofort fällt dabei die durchgehend schemenhafte Wiedergabe anatomischer Details ins Auge. Beine sind oft verkürzt, bisweilen wurde sogar ganz auf die Angabe von Füßen verzichtet. Oberkörper sind zumeist blockhaft und unproportioniert gestaltet, Arme und Hände geradezu additiv an inkorrekten Stellen an die Körper angefügt (Kat. 23. 39. 47 Abb. 14. 15). Hälse erscheinen stark überlängt (Kat. 39. 47)[115], Köpfe sind nach oben hin zu stark verbreitert. Gesichtsdetails sind nur selten erhalten und auch hier fehlt eine korrekte anatomische Wiedergabe. Überdimensionierte und inkorrekt positionierte Ohren, nur schemenhafte Ausarbeitung von überlängten Nasenpartien und mandelförmigen Augen belegen eindeutig, dass eine Darstellung individueller Züge im Sinne von Portraits nicht intendiert war. Solche in der Forschung oft als ›primitiv‹ bzw. ›rudimentär‹ bewerteten Details wurden lange als die Merkmale der ›afrikanischen Kunst‹ angesehen[116]. Bis heute hält sich die Meinung, dass diese weit in die Kaiserzeit reichenden Darstellungsformen aus einer ›punischen‹ Handwerkstradition übernommen und erst im Zuge der fortschreitenden ›Romanisierung‹ ab dem 2. Jh. n. Chr. alterniert und an kanonische Bilderstandards angepasst wurden. Diese These ist jedoch kaum zu belegen, da gerade aus dieser Region vorrömische Steindenkmäler mit figürlichen Darstellungen nur spärlich sind bzw. nicht mit Sicherheit datiert werden können[117]. Als Vergleich böten sich etwa Weihstelen aus tophetim in Bulla Regia , Thuburnica oder Simitthus an, doch enthalten diese selten bzw. wenn vorhanden, ebenfalls erst ab der frühen Kaiserzeit, anthropomorphe Darstellungen[118].
26Weniger zielführend ist ein Vergleich mit vorrömischen Grabstelen aus Karthago, die zwar einige Ähnlichkeiten im schematischen Aufbau und der Anatomie aufweisen, jedoch chronologisch deutlich früher anzusetzen sind (5.–2. Jh. v. Chr.) als die ältesten Grabstelen des Majradatals mit figürlichen Darstellungen. So bleibt die These eines Exodus karthagischer Steinmetzen in das tunesische Hinterland nach 146 v. Chr. und eine dadurch vermeintlich gesicherte ›nordafrikanische Handwerkstradition‹ u. E. ein unplausibles Konstrukt[119]. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist vielmehr anzunehmen, dass zumindest im Majradatal die Steinmetzschulen frühestens in der 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. und dann vermehrt im frühen 1. Jh. n. Chr. figürliche Darstellungen in ihr Repertoire aufnahmen und dass dieser Impuls (zusammen mit der Tendenz, die Gräber durch Inschriften zu individualisieren) aus einer externen Stelentradition gegeben wurde. Als Ausgangspunkt dieses Transfers käme erneut in erster Linie das Ursprungsgebiet der zahlreichen Neusiedler, Mittelitalien, in Frage. Stark verkürzte Ganzkörperdarstellungen waren nicht nur auf den deutlich älteren karthagischen Grabstelen, sondern auch auf viel zeitnäheren Grabsteinen in Kampanien (vor allem Capua ) bereits in der späten Republik und frühen Kaiserzeit etabliert[120]. Vielleicht ist mit einem derartigen Modell einer Übernahme mittelitalischer Motive durch die lokalen Werkstätten auch erklärbar, dass die ältesten Stelen noch klare Unsicherheiten in der anatomischen Wiedergabe von Körpern aufweisen. Bereits gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr. scheint diese ›Experimentierphase‹ zum Ende gekommen zu sein, da nun ein deutlicher Wille zur realistischeren Gestaltung der Figuren erkennbar wird, der im Laufe des 2.–3. Jhs. n. Chr. dann weiter gesteigert werden sollte. Besonders wichtig für diese Entwicklung sind Kat. 45 (Abb. 6) und Kat. 52 (Abb. 16), die einerseits deutlich höhere Reliefs – eine Grundvoraussetzung für detailreichere Figuraldarstellungen – und andererseits anatomischere Gestaltungen der Armpartien bzw. deutlich proportioniertere Gesamtkörper zeigen. Ihre Datierung am Übergang vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. wird auch aus architektonischer (attisch-ionische Basen bei Kat. 52) und epigraphischer Sicht (DMS bei Kat. 45), insbesondere aber durch die akkuratere Wiedergabe von Kleidungsfalten (Kat. 45), gestützt.
27Die Angabe von Kleidung stellte offenbar von Beginn an einen wichtigen Faktor in der Grabrepräsentation von Simitthus und Umgebung dar. Bei den Männern erscheinen mit Ausnahme der Militärs ausschließlich Togati. Auch hier finden sich schematische, kaum realitätsgetreue Stoffdrapierungen. So enden Togen viel zu hoch im Kniebereich (Kat. 46 Abb. 17; 47 Abb. 14. 15), auch die Stoffbahnen weisen Unstimmigkeiten auf. Dennoch ist bemerkenswert, dass versucht wurde, den Eindruck einer kanonischen Togadrapierung zu vermitteln. Besonders gut ist das im Falle der Cesennius-Stele (Kat. 46 Abb. 17) zu erkennen, wo sinus-Bogen und senkrechte lacinia-Falten, aber auch der umbo-Umschwung an einigermaßen ›korrekten Stellen‹ erscheinen. Allein bei dieser Stele, bei der auch die linke Schulter und Armpartie vollständig vom Gewand bedeckt ist, sowie eventuell bei Kat. 7, die den charakteristischen V-Ausschnitt besitzt, ließe sich eine Zuordnung zum sog. Pallium-Typus diskutieren[121]. Kat. 45 (Abb. 6) rekurriert auf den im 1.–2. Jh. n. Chr. geläufigen und nach den Severern seltener belegten Togatypus mit U-förmigem umbo über dem balteus [122]. Die übrigen erkennbaren Togati (Kat. 44 Abb. 13; Kat. 47 Abb. 14. 15) zitieren nur schemenhaft Bestandteile der Toga, vor allem den diagonalen sinus, ohne dass darin eine Typenzugehörigkeit erkennbar wäre. Alle dokumentierten Togati besitzen – außer der libertus Kat. 31 (Abb. 8) – die tria nomina und bekundeten demnach in Bild und Schrift ihr Bürgerrecht.
28Diese Homogenität zeigt sich auch bei der Gruppe der Grabsteine von Frauen. Allen Darstellungen von weiblichen Verstorbenen ist gemein, dass sie eng um den Körper drapierte Gewänder tragen, die stets beide Schultern verhüllen (Kat. 23 Abb. 12; Kat. 48. 52. 55 Abb. 18). Grundsätzlich folgen die Körperdarstellungen ›geschlossenen‹ Statuentypen, wie sie G. Davies generell bei Frauenstatuen aus Grabkontexten beobachtet[123]. Mit Darstellungen von Frauen auf karthagischen Grabstelen haben die Gewandformen bzw. Gesten der Frauen nichts gemein[124]. Es ist jedoch schwierig, aus dem Erhaltungszustand der meisten Grabstelen für Frauen konkrete Gewandstatuen-Schemata abzuleiten. Nur in einem Fall (Kat. 55 Abb. 18) könnte mit Vorsicht der Eumachia-Typus rekonstruiert werden[125]. Beide Herkulanerinnen-Schemata, der Ceres-Typ und der Pudicitia-Typ sind sicher auszuschließen, da keine der Stelen Hinweise auf capite velato bzw. ausgestreckte Armpartien oder Gewandraffung über dem Bein zeigt[126]. Wie bei den Männern sind Gewandfalten schemenhaft, nahezu geritzt, wiedergegeben, was eine stilistische Einordnung dieses Aspektes erschwert. Cornelia Fausta (Kat. 52 Abb. 16) hielt eventuell ein Wickelkind (?) vor der Brust[127]. Stilkritisch wenig weiterführend sind die Frisuren. Kat. 39 zeigt eine schmale Frisurenpartie, die gerade über der Stirn endet, während bei Kat. 23 nicht zu entscheiden ist, ob die dargestellte Saturnina eine Haube mit ringförmigem Abschluss trägt oder der Steinmetz eine nach hinten gezogene Frisur mit zentralem Haarknoten (oder gar Stirnbausch?) intendierte.
29Ein für Frauen (Kat. 23. 48 Abb. 23; Kat. 56) wie für Männer sowohl im zivilen (Kat. 7. 15. 31. 45. 46. 49 Abb. 19; Kat. 54 Abb. 21) als auch im militärischen Milieu (Kat. 39?. 50 Abb. 20) verbreitetes Charakteristikum der frühen Grabsteine aus Simitthus ist ein Sockel bzw. eine Basis, auf welchem/r die Verstorbenen stehen. Dies ist auf nordafrikanischen Grab- und Weihstelen ein regionalspezifisches Merkmal, das nur im mittleren Majradatal verbreitet war und wohl auch in Simitthus im frühen 1. Jh. n. Chr. seinen Ursprung nahm[128]. In einigen Fällen sind gekreuzte Diagonallinien auf den Basen eingeritzt, Kat. 46 (Abb. 17) zeigt ein beidseitig getrepptes Postament. Wahrscheinlich zielte man mit dieser Darstellungsform auf eine nobilitierte Präsentation der Verstorbenen im Sinne von (Grab)Statuen ab, wofür auch die rahmende Ädikulaarchitektur spräche[129]. Zeitgleiche und spätere Grabstelen aus der nahen Cheffia zeigen auf diesem Sockel Epitaphe mit DMS, was deren Wirkungsfunktion als tatsächliche (Grab?)Statuen unterstreicht[130]. Da diese Basen in der vorrömischen Stelentradition Nordafrikas vollständig fehlen, werden sie wohl zusammen mit den Statuenschemata im Zuge der colonia-Gründungen ins Majradatal gebracht worden sein. Es liegt auch hier nahe, italische Vorbilder anzunehmen, wenngleich das Sockel-Statuenmotiv auch im östlichen Mittelmeergebiet seit dem Hellenismus und dann vor allem in der hohen Kaiserzeit auf Grabstelen erscheint[131]. Interessanterweise sind ab dem 2. Jh. n. Chr. den sicher datierten den Grabsteinen aus Simitthus keine derartigen Sockel mehr zu beobachten. Damit könnten diese Darstellungen auch ein vorsichtiges Datierungskriterium für das 1. Jh. n. Chr. bilden. Ein Sonderfall ist dabei der Grabstein mit dieser Darstellungsform, der eine Person nennt, die wahrscheinlich Mutumbal? hieß (Kat. 49), wobei die Grabinschrift als lateinisch-neopunische Bilingue ausgeführt wurde[132]. Dies ist der erste gesicherte Nachweis einer frühkaiserzeitlichen Bilingue aus Simitthus, deren ikonographische Form den Stein eindeutig in das 1. Jh. n. Chr. datiert. Solche bilinguen (und trilinguen) Grabsteine wurden im 1. und 2. Jh. n. Chr. vornehmlich in der etwas weiter westlich befindlichen Grenzregion Algeriens und Tunesiens in großer Zahl aufgestellt, wobei Kat. 49 mit weiteren Grabstelen aus Thunusuda und Masculula die östlichen Ausläufer dieser Gruppe darzustellen scheint[133]. Besonders interessant dabei sind die bilinguale Ausführung der Inschrift und die Adaption zweier Grabinschrift-Traditionen mit unterschiedlichem Aufbau, Formeln und Textinhalten in ein und demselben Text[134]. Das Bildfeld zeigt ferner die nahtlose Einpassung eines Bewohners von Simitthus ohne römisches Bürgerrecht in die hier während der frühen Kaiserzeit übliche funeräre Darstellungsform. Zusammen mit dem kostbaren Material – giallo antico – belegt diese Stele, dass prestigereiche Repräsentation am Grab auch von der Bevölkerung ohne römisches Bürgerrecht praktiziert wurde (vgl. hierzu auch Kat. 54).
30Einige der frühen simitthuensischen Grabstelen zeigen Personen, die vor bzw. neben Altären stehen und an diesen rituelle Handlungen vollziehen (Kat. 10. 12. 29. 45. 50. 64 Abb. 22)[135]. Grundsätzlich wird es sich in Analogie zu bekannten Bildschemata am ehesten um Libationsriten am Grab handeln[136]. Bei Kat. 45 (Abb. 6) ist ein brennender Altar zu sehen, über welchem der Mann nach gängigem Habitus eine Patera entleert. Solche Darstellungen sind bislang nur bei Männern belegt und erneut sind stilistisch und motivisch Analogien zu regionalen Saturn- und Grabstelen erkennbar[137]. Auffällig ist, dass mit Ausnahme von Kat. 29 alle Altarszenen mit epigraphischen Formeln kombiniert sind (pius oder DMS), die erst ab der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. aufkamen. Die Altardarstellungen könnten somit ein vages Datierungskriterium für die 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. sein (oder später). In zwei Fällen – bei Kat. 45 (Abb. 6) oberhalb des Altars, bei Kat. 48 (Abb. 23) ohne Altar – sind vierbeinige, gehörnte (Opfer)Tiere (Rinder bzw. Widder?) links neben den Figuren zu erkennen, die erneut klare Interferenzen zu regionalen Saturnstelen besitzen[138]. Das Motiv des Verstorbenen vor einem Altar ist im vorrömischen Nordafrika unbekannt und geht letztlich auf hellenistische Vorbilder des Ostens zurück[139]. Wie dieses erst in der frühen Kaiserzeit im Majradatal übernommene Schema nach Nordafrika transferiert wurde, ist schwer zu beurteilen. Die akkurate Wiedergabe des auf historischen Reliefs in Italien seit der Republik gängigen Schemas, insbesondere bei Kat. 45, mag vielleicht erneut einen italischen Einfluss erkennen lassen[140].
31Narrative Szenen sind mit einer Ausnahme (Kat. 66) bislang nicht nachgewiesen. Mahlszenen oder mehrfigurige Kompositionen, die dextrarum iunctio, Sitzbilder oder Trauerszenen kamen in der Zone wie in den nördlichen Provinzen erst ab dem 2. Jh. n. Chr. auf[141]. Mythologische Themen bzw. Wesen (wie Trauereroten, Attis-Figuren oder Sphingen) fehlen wie etwas wortreichere Elogien (außer Kat. 14). Kat. 66 zeigte wohl eine Jagdszene, sicher jedoch einen Reiter mit Lanze[142]. Sollte die epigraphische Datierung der Stele in das 1. Jh. n. Chr. zutreffen, wäre dies eine der frühesten zivilen Grabstelen mit Reiterdarstellung in der Proconsularis, die hier erst im späteren 2. Jh. n. Chr. dichtere Verbreitung fanden[143].
32Erneut recht homogen sind einzelne Symbole, die auf den Grabstelen erscheinen. Am häufigsten sind unguentaria bzw. balsamaria dargestellt (Kat. 7 Abb. 11; Kat. 8. 23 Abb. 12; Kat. 44 Abb. 13; Kat. 47?). Sie begegnen meist paarweise oberhalb der Giebelpartie bzw. die Köpfe der Verstorbenen flankierend, aber auch unterhalb der Inschrift (Kat. 7. 8). Kat. 47 (Abb. 14) enthielt lediglich links des Dargestellten ein Einzelsymbol, das aufgrund der Position ebenfalls ein unguentarium sein könnte. Auch diese Symbole stellen eine regionalspezifische Besonderheit des mittleren Majradatals dar, deren Genese allerdings schwer bestimmbar ist[144]. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand sind sie erstmals auf den Grabstelen in Simitthus belegt und erfreuten sich ab dem späten 1. Jh. n. Chr. auch auf weiteren regionalen Grabmarkern, vor allem in Bulla Regia auf cupae[145] und auf Weihstelen der Region großer Beliebtheit[146]. Ihre exakte Funktion innerhalb der Repräsentation ist nicht endgültig zu bestimmen, wobei ein funerärer Bezug kaum von der Hand zu weisen ist[147]. Einerseits könnten sie explizit an Grabbeigaben erinnern, die den Verstorbenen mit ins Grab gegeben wurden. Andererseits, und dies halten wir für wahrscheinlicher, könnten sie auf kommemorative Riten hinweisen, die an den Gräbern abgehalten wurden. Wie oben erwähnt, wurden in der Nordnekropole mensae gefunden. Sie belegen – zusammen mit den Altarszenen –, dass an den Gräbern Totenriten praktiziert wurden[148]. Hierfür spräche, dass auf der Aufidius-Stele (Kat. 44, Abb. 13) auch ein einhenkliges Schöpfgefäß (urceus?) sowie eine Flasche zu erkennen sind.
33Ebenfalls in die Sphäre der Sepulkralsymbolik verweisen die Hähne, die vielleicht auf zwei Stelen erscheinen (Kat. 7 Abb. 11; Kat. 51? Abb. 24. 25). Bei der Manlius-Stele Kat. 51 ist die stark gerundete Unterleibpartie des zwischen den Säulen erscheinenden Wesens eher als Darstellung eines frontalen Hahns und kaum als die eines Menschen zu deuten[149]. Hähne spielten gerade in ihrer apotropäischen Funktion als Episemata von Mausoleen im vor- und frührömischen Nordtunesien und Nordostalgerien eine große Rolle[150]. Auf hellenistischen Wandmalereien in Felsgräbern (haouanet) und auf Grabstelen des 1. Jhs. n. Chr. der Region sind sie wiederholt dargestellt[151]. In beiden Fällen aus Simitthus wurde ihre exakte Position über bzw. im Giebel der Ädikulen übernommen. Die Hähne belegen somit, dass die Bauten nicht Heiligtümer, sondern Grabmäler abbilden sollten[152].
34Ebenfalls aus einem vorrömischen regionalspezifischen Bilderfundus scheinen die Palmenzweige übernommen worden zu sein (Kat. 12 Abb. 3; Kat. 39 Abb. 28)[153]. Dieses Symbol erscheint bereits früh auf karthagischen Weihstelen – eine Gattung, auf welcher es sich in der Proconsularis bis weit in die Kaiserzeit hinein hielt[154]. Nur im Majradatal waren Palmzweige ab der frühen Kaiserzeit auch auf Grabstelen stark verbreitet[155]. In unseren beiden Fällen scheinen die Zweige die Säulen der Ädikulen zu ersetzen[156]. Der Zweig auf Stele Kat. 12 ist nur über eine Schedenzeichnung belegt (Abb. 3). Der Palmbaum wurde als ›Lebensbaum‹ oder als Fruchtbarkeitssymbol gedeutet, er könnte aber auch als allgemeines Symbol des Sieges über den Tod fungiert haben[157]. Um seltene Symbole handelt es sich bei den Darstellungen von Pinienzapfen (Kat. 1, Abb. 4; Kat. 59) und Halbmonden (Kat. 1), beides in Nordafrika bereits seit dem Hellenismus verbreitete Funerär- und Sakralsymbole[158].
Epigraphisch-ikonographische Hinweise auf Berufe, politische, religiöse und militärische Ämter
35Mit Gründung der colonia wurden in Simitthus italische Munizipalstrukturen eingeführt. Dies ist umso mehr zu betonen, als selbst im unmittelbaren Umland der Stadt (z. B. in Masculula) und generell in Nordafrika des 1. Jhs. n. Chr. noch zahlreiche vorrömische Traditionen, wie etwa die Ämter der Sufeten oder der undecimprimi beibehalten wurden[159]. Die Stadt besaß als Kolonie notwendigerweise einen ordo decurionum. Für das 1. Jh. n. Chr. waren aus der munizipalen Elite lange nur der decurio P. Cloventius Hospes (Kat. 7) und der Ädil Cornelius Vitalis (Kat. 2) bekannt, die nun durch den Ädilen und duumvir Manlius Receptus (Kat. 51 Abb. 24. 25) ergänzt werden; Receptus war auch flamen in der Gemeinde. Die Namensform Cloventius statt des üblichen Cluentius spricht wohl dafür, dass er in die ersten Jahrzehnte der colonia gehörte. Denn dass in Namen statt eines üblichen »u« ein »o« auftritt, ist gerade in republikanischer Zeit eine oft bezeugte Erscheinung[160]. In ihrer bildlichen Selbstdarstellung auf den Grabstelen scheinen diese Amtsträger mit Ausnahme der Hähne, die nur hier erscheinen, keine speziellen Distinktionsmerkmale von den übrigen cives beabsichtigt zu haben. Im Gegenteil: Eine bislang nur für das frühkaiserzeitliche Simitthus feststellbare Besonderheit ist die Darstellung von agrarischen Werkzeugen, welche von den Verstorbenen gehalten werden[161]. Der decurio Cloventius (Kat. 7 Abb. 11) könnte demnach seine wirtschaftliche Basis mit der Darstellung von Prosperität, die er aus landwirtschaftlicher Aktivität im Umland der colonia bezogen hatte, in Szene gesetzt haben[162]. In zwei weiteren Fällen ohne munizipale Ämter erkannte man im 19. Jh. Hippen (Kat. 7. 8). Die Figur in Kat. 1 (Abb. 4) soll einen Eimer (vielleicht einen Korb?) getragen haben. L. Gargilius (Kat. 47 Abb. 14) hält mit beiden Händen einen länglichen, sich nach unten verbreiternden, aber nicht identifizierbaren Gegenstand zentral vor der Brust. Sollte es sich in allen Fällen um landwirtschaftliche oder Abbau-Geräte handeln, würde dies gut zur agrarischen bzw. gewerblichen Aktivität in diesem getreide- und steinbruchreichen Gebiet passen.
36Berufsbezogene Ikonographie und epigraphische Betonung von Berufen lässt sich auf den frühen Grabmarkern in zwei sozialen Gruppen greifen: Militärs und Priester. Kat. 59 von der Ferme Fritch, 4 km nordöstlich von Simitthus, folgte einem für Ceres-/Cererespriesterinnen in Nordafrika kanonischen Ikonographieschema. Obwohl die Inschrift nicht von einer Priesterin spricht, lassen die von P. Quoniam beschriebenen Reliefs – Darstellung der Verstorbenen mit vor der Brust verschränkten Armen, Kandelaber, Fackeln – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ceres- bzw. Cereres-Priesterin erkennen[163]. Für die Grabsteine des Jupiterpriesters und Ädilen Cornelius Vitalis (Kat. 2) und der Caelestispriesterin Veturia Martha (Kat. 3) besitzen wir keine Informationen zu etwaigen Reliefs. Der flamen und duumvir Manlius (Kat. 51 Abb. 24. 25), der wie Cornelius Vitalis (Kat. 2) sowohl ein administratives als auch ein kultisches Amt bekleidete, fügte seiner Grabstele wie der decurio Cloventius (Kat. 7) ein Relieffeld mit einer Hahndarstellung (?) hinzu; bislang gibt es noch kein Argument, dass dieses Symbol mit einer ihrer amtlichen Funktionen zu verbinden wäre[164].
37Umfangreicher fällt die ikonographische Analyse von Grabmarkern für Angehörige des Militärs aus, die in dieser Eigenschaft auch in den Inschriften erscheinen. Im frühkaiserzeitlichen Simitthus und seinem unmittelbaren Umland sind auf fünf Grabsteinen Veteranen genannt: Kat. 4: Sex. Veturius. 6: Agrius Zopantus. 35 (Abb. 5): Lucius Silicius. 50 (Abb. 20): C. Rasi(nius?). 64 (Abb. 22): C. Pontius und ein miles (Kat. 5: L. Flaminius), während zwei weitere Grabmarker eine militärisch konnotierte Ikonographie besaßen (Kat. 38 Abb. 26. 27; Kat. 65)[165]. J.-M. Lassère vermutete anhand der Bezeichnung veterani morantes in Kat. 35 eine offizielle Niederlassung von Veteranen in Simitthus, was nicht zu belegen, aber nicht unwahrscheinlich ist[166]. Aus der Onomastik der Soldaten ist allerdings keineswegs die origo Simitthus abzuleiten. L. Flaminius stammte wegen seiner Tribus aus Karthago bzw. seinem Umfeld (Arnensis), Sex. Veturius könnte in Italien geboren sein. L. Silicius könnte Bürger oder incola von Simitthus gewesen sein, da er wohl zu den veterani gehörte, die von sich sagten: veteran[i] morant[es] Simittu; dass bei der Koloniegründung selbst auch Veteranen angesiedelt worden sind, lässt sich bisher noch nicht mit einiger Sicherheit zeigen: Veturius gehörte jedenfalls zu der Veteranengruppe, da diese sonst keinen Grund gehabt hätte, für seine Bestattung zu sorgen. Bei Agrius Zopantus, C. Rasinius und C. Pontius fehlen außer den italischen Gentilizien jegliche komplementäre Hinweise auf ihre origo. Typisch ist zudem, dass kein Veteran oder Soldat städtische Ämter bekleidete. Diese Tendenz bei Veteranen wurde bereits in anderen Städten der Proconsularis und der Numidia bemerkt[167], was insoweit nicht überrascht, als Veteranen bereits zu alt waren, um sich normalerweise nochmals um eine munizipale Karriere zu bemühen.
38Wenngleich also die These einer offiziellen Veteranenansiedlung weiterhin nicht verifiziert werden kann, so ist die Häufung von frühkaiserzeitlichen Grabsteinen, die in Schrift und Bild auf militärischen Status anspielen, auffällig[168]. Silicius Optatus (Kat. 35 Abb. 5) ist sicher als Soldat dargestellt. Der vertikale Pteryges-Rock ist eindeutig sichtbar und klar getrennt von der Gürtung – Zeichen einer gerade bei Legionären üblichen Darstellungsform von Infanteristen[169]. J.-M. Lassère betont, es sei auffällig (obschon nicht ungewöhnlich), dass Veteranen einem in der Grabinschrift nicht explizit als miles bezeichneten Mann de suo ein Grabmal errichteten[170]. Doch die Praxis der kollegialen Sorge unter Armeeangehörigen lässt beim Verstorbenen an einen Soldaten denken. Die ikonographischen Details stützen diese Annahme. Es ist davon auszugehen, dass der Dargestellte in den Händen Waffen hielt. Der Erhaltungszustand der unteren Partie des Reliefs bei der Stele des C. Pontius (Kat. 64 Abb. 22) reicht aus, um das Bildschema zu bestimmen: ein frontal Stehender, links davon die übliche Altarszene. Interessant dabei ist die ungewöhnlich detaillierte ringförmige Ausarbeitung des rechten Schuhs des Verstorbenen. Da dieses Detail bei allen weiteren Stelen fehlt, ist davon auszugehen, dass es sich um ein wichtiges Attribut handelte. Trotz des in der Inschrift genannten Militärstatus des C. Pontius wäre es vielleicht als Stiefel (calceus), weniger wahrscheinlich als Beinschienenansatz zu deuten[171].
39Bereits L. Carton nennt vor dem Mausoleum auf dem Hügel der Nordnekropole einen »cippe funéraire« aus Marmor, dessen Inschrift nicht mehr zu lesen war, dessen eine Seite aber einen Schild und einen Helm im Relief zeigte (Kat. 65)[172]. Auf der anderen Seite waren zwei Lanzen und ein Schwert abgebildet, was für einen militärischen Auftraggeber sprechen könnte. Bleibt dieser Grabmarker leider nicht datierbar, besitzen wir für einen Grabaltar aus der sog. Lagernekropole, der ein parazonium mit cingulum zeigt (Kat. 38 Abb. 26. 27)[173], eine recht verlässliche Datierungsgrundlage. Unterhalb der pulvinus-Zone verläuft nämlich nicht nur ein Rankenfries, der einen scharfkantigen Akanthus mit Parallelen zu demjenigen des vorrömischen Höhenmonuments in Simitthus besitzt[174], sondern auch ein markanter Schwertlinien-Dekor, der in der frühen Kaiserzeit im Majradatal verbreitet war[175]. Zusammen mit dem Format ›Grabaltar‹ und der Chronologie der zugehörigen Nekropole ist für dieses Stück eine Datierung im späten 1. Jh. n. Chr. wahrscheinlich. Bei den übrigen Militärangehörigen ist eine Darstellungsweise nach militärischem Habitus nicht zu belegen bzw. nie intendiert gewesen. Kat. 4 und 6 besaßen nicht näher spezifizierte Reliefs, Kat. 50 (Abb. 20) und 64 (Abb. 22) eine ›zivile‹ Darstellung mit Verstorbenen vor einem Altar, was die fraglose Zugehörigkeit zur Gesellschaft von Simitthus anzeigen könnte[176].
40Um einen Sonderfall handelt es sich bei der Stele des C. Cornelius (Kat. 39 Abb. 28), dessen Darstellung sowohl in der Kleidung als auch im Gestus eklatant von den übrigen Männerdarstellungen abweicht. Der Verstorbene zwischen zwei geritzten Palmzweigen streckt den rechten Arm weit von sich, die linke Hand ist vor der Hüfte angewinkelt und greift in die Gürtung. Sichtbar ist ein zweistufiger Überfall des Untergewandes, das von einem langen Mantel bedeckt wird, der von der linken Schulter bis auf Kniehöhe zweifach geschwungen ist. Keineswegs ist darin ein Togatus zu erkennen[177]. Das doppelte Untergewand könnte eher wie Kat. 35 (Abb. 5) mit einem Pterygesrock zu identifizieren sein[178]. Ob die rechte Hand einen Gegenstand hielt, lässt sich aufgrund der Bestoßung der Stele in diesem Bereich nicht klären. Es bleibt daher ungewiss, ob mit dieser Stele z. B. ein weiterer Militärangehöriger dargestellt wurde, weshalb die ab der dritten Zeile fragmentarische Erhaltung der Inschrift besonders bedauerlich ist[179].
41Um das Bild der Gesellschaft von Simitthus im 1. Jh. n. Chr. zu komplettieren, müssen abschließend die zwei belegten liberti (Kat. 23: (Ti. Claudius) Daphnus und 31: C. Iulius Crestius Samianus) erwähnt werden[180]. Im Falle von Kat. 31 ist entweder Augustus oder, weniger wahrscheinlich, Caligula der Freilasser. Bemerkenswert ist bei diesem Augusti libertus, dass er sich nicht – wie die ab dem 2. Jh. n. Chr. in Simitthus belegten liberti – als ein in der Administration des Steinbruchs Tätiger kennzeichnet[181]. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass er im Auftrag des Kaisers beim Abbau/Handel des lokalen marmor numidicum involviert war. Denn er muss sich notwendigerweise im Auftrag seines Patrons hier aufgehalten haben. Vielleicht ist es kein Zufall, dass seine Grabstele aus diesem kostbaren Material bestand[182]. Die Darstellung des Verstorbenen auf dieser libertus-Stele weicht nicht von denjenigen der übrigen cives ab. Crestus Samianus (Kat. 31 Abb. 8) trägt ein eng anliegendes Gewand, dessen schräger unterer Abschluss und V-förmiger Ausschnitt sowie die beiden verhüllten Arme auf eine Toga schließen lassen könnten. Sollte dies zutreffen, setzte der Freigelassene plakativ seinen Status durch Anpassung an die Bürgernorm ins Bild um. Die Uniformität der Verstorbenendarstellungen muss dabei nicht nur auf technische (Un)Fähigkeiten reduziert werden, sondern mag auch ein bewusstes kollektives Repräsentationsmerkmal einer sich egalitär gebenden Bürgergemeinde gewesen sein.
Resümee
42Dieser Artikel beleuchtet eine bedeutende sowie einzigartige Gruppe nordafrikanischer Grabdenkmäler und bietet einen vertieften Einblick in die Bevölkerung des frühkaiserzeitlichen Simitthus und deren Repräsentationsverhalten. Durch die Vorlage von 16 unpublizierten Grabsteinen wurde die Gruppe der Grabdenkmäler aus Simitthus und Umgebung erheblich erweitert. Ein Großteil der Stelen wird hier erstmals nicht nur in Hinsicht auf ihre Inschriften, sondern auch auf ihre Bilddarstellungen und Verzierungen betrachtet. Mit derzeit 66 einigermaßen zuverlässig in das 1. bis frühe 2. Jh. n. Chr. datierbaren Grabmarkern sticht Simitthus als eine der wichtigsten und ältesten bisher bekannten Stelenwerkstätten der Proconsularis heraus. Dieser Befund entspricht der Relevanz der colonia, die hier unter Augustus an einem zentralen Straßenknotenpunkt, am Fuße der Marmorsteinbrüche und inmitten der fruchtbaren campi magni, etabliert wurde. Die jüngeren tunesisch-deutschen Unternehmungen vor Ort konnten an mehreren Punkten der Stadt neue Erkenntnisse zur frühen urbanen Entwicklung liefern.
43Die colonia-Gründung ging offensichtlich einher mit einem enormen Bevölkerungsanstieg, den der Ausbau der Stadt und besonders deutlich die zahlreichen Grabsteine und die neu geschaffenen extraurbanen Nekropolen dokumentieren. Die Analyse der Statuen- (Togati/Togatae) und Bildschemata (Person vor Altar/auf Postament) sowie einzelner Symbole (unguentaria?) verbunden mit der generellen Tendenz, die sich der Analyse der Namen entnehmen lässt, zeigt, dass die frühe simitthuensische Grabrepräsentation zahlreiche Elemente aus Mittelitalien zitierte. In dieser Zone (Latium, Kampanien, Etrurien) finden sich auch die meisten der für diese Zeit in Simitthus überlieferten Gentilizien, die darüber hinaus wohl auch auf teils lange in Nordafrika tätige negotiatores-Familien hinweisen können. Jedoch kam es dabei nicht zu einer reinen Übernahme bestimmter Grab(marker)typen oder Grabriten[183]. Gleichzeitig blieben einige Architekturelemente (Doppeltorusbasen, Akanthus, dorische/ionische Kapitelle) und Symbole (Hähne, Palmzweige, Halbmond, Pinienzapfen) vorrömischen Exempla in der Region verpflichtet. Ebenso hielten sich regionalspezifische Grabtypen (›Menhirstelen‹) oder libysche und punische Namen in den Grabinschriften – wenn auch nur wenige. So entstand ein neuer, lokalspezifischer funerary habit, der verschiedene Einflüsse miteinander verband und zu neuen Gesamtensembles verschmelzen ließ. Anstatt dieses komplexe Phänomen mit einem Schlagwort wie ›Romanisierung‹ zu klassifizieren, wurde hier vielmehr der Fokus auf die lokalen Eigenheiten, auf berufliche und kommemorative Aspekte sowie in der bildlichen Grabrepräsentation auf Merkmale ausgerichet, die spezifisch auf Männer oder Frauen verweisen.
44Mit Blick auf die übrigen regionalen Grabsteingruppen dieser Zeit wird deutlich, dass von Simitthus das gesamte 1. Jh. n. Chr. hindurch die dominante Steinmetztradition des mittleren Majradatals ausging. Dies unterstreicht nicht nur die hohe Anzahl der Grabsteine, sondern vor allem verdeutlichen das auch die stilistisch und materiell gut mit den simitthuensischen Grabstelen vergleichbaren Marker aus Bir Laafou, Aïn el-Ksair und Popthi. Die Häufung und die oftmals in Simitthus lokalisierbaren ältesten Beispiele bestimmter Motive (Statuensockel/Altäre) oder Symbole (unguentaria, Werkzeuge) bzw. deren spätere Ausbreitung im Majradatal (z. B. Bulla Regia , Thullium) belegen, dass entscheidende Impulse für die regionale Grabmalentwicklung von den Werkstätten der neuen colonia ausgingen. Abb. 1 illustriert, wie Symbole, Darstellungsmuster und Grabmarkertypen entlang der frühkaiserzeitlichen Straßen ›wanderten‹. Auch die variable Anwendung (und somit Verfügbarkeit) unterschiedlicher regionaler Steinsorten spricht für führende, in Simitthus angesiedelte Steinmetzschulen, die nicht nur Grabstelen, sondern auch stilistisch eng verwandte Weihstelen und Felsreliefs produzierten.
45Durch die komplementäre Bilder- und Inschriftenanalyse ließ sich zudem ein relativ verlässliches chronologisches Gerüst erarbeiten, das im Gegensatz zu bisherigen, rein epigraphischen Studien auf mehreren Säulen (Onomastik, Formeln, Militärgeschichte, Typen- und Stilentwicklung, motivische Schemata, Materialnutzung) steht und das durch künftige Funde und hoffentlich in Zukunft durchführbare ergänzende moderne Grabungen in den drei heute noch erhaltenen Nekropolen der Stadt präzisiert werden kann.
46Katalog: Simitthus und Umgebung, frühkaiserzeitliche Grabsteine
Kat. 1
FO: N-Nekr. (Hügel)
C(aius) Cornelius
Sex(ti) f(ilius) Q(uirina) Felix
pius vixit
annis L
h(ic) s(itus) e(st)
Spitzgiebel, darin Halbmond nach o. zw. 2 Pinienzapfen, Ädikula mit 2 Säulen mit Palmkapit. Mann hält r. Eimer?, l. Kuchen/Brot/Kranz (CIL, Scheden, Carton)
258 cm × 55 cm × 40 cm
Menhirstele, Kalkstein
Edition: CIL 8, 25658
Lit.: Carton 1908, 436 f. Nr. 1; Lassère 1980, 35. 37; Zerres 2009, 68 Nr. 71
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 2
FO: N-Nekr. (Hügel)
[- Co]rnelius
Vitalis
[sacerdo]s Iovis
[---]O aed(ilis) q(uaestor)
[vix(it) an(nis)] XXXI
[------] //
t(erra)
t(ibi)
l(evis)
s(it)
38 cm × 25 cm (gebr.)
Edition: CIL 8, 25647
Lit.: Carton 1908, 438 Nr. 2; 445; Zerres 2009, 64 Nr. 62; Chaouali 2018, 56
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 3
FO: N-Nekr.
Veturia Sex(ti) f(ilia)
Martha
sacerda Caelestae
hic sita v(ixit) a(nnis) XCV
Edition: CIL 8, 25648
Lit.: Toussaint 1898, 223 Nr. 86; Pflaum 1969–1971, 62 Anm. 3; Lassère 1977, 347 Anm. 242; 402; Lassère 1980, 33. 41 f.; Khanoussi 1994, 40; Zerres 2009, 64 f. Nr. 63; D’Andrea 2014, 179; Chaouali 2018, 56.
Dat.: 2. Hälfte 1. Jh. – erste Jahrzehnte 2. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, datiert nach Nr. 4
Kat. 4
FO: N-Nekr.
AO: Bardo-Museum, Tunis
Sex(tus) Veturius
veteranus
alae Silianae
vixit annis LXX
h(ic) s(itus) e(st)
Stehender Mann (CIL) zw. 2 Säulen (Carton)
60 cm × 44 cm × 11 cm (o. gebr.)
Edition: CIL 8, 25646=ILS 9139=ILTun 1257
Lit.: Toussaint 1898, 224 Nr. 91; Carton 1908, 444; Teutsch 1962, 171 Anm. 313; Pflaum 1969–1971, 61 f; Lassère 1973, 130; Lassère 1977, 347 Anm. 242; Birley 1978, 270; Lassère 1980, 33 f. 42; Ben Abdallah 1986, 85; Khanoussi 1993, 67; Zerres 2009, 64 Nr. 61; Chaouali 2018, 58 Anm. 179
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr. – Anf. 2. Jh.
Dat.-Kriterium: Militärgeschichte, kein DMS
Kat. 5
FO: N-Nekr.
AO: gelangte nach Belgien; Kopie von Dumartin (Mommsen)
L(ucius) Flaminius D(ecimi) f(ilius) Arn(ensi)
mil(es) leg(ionis) III Aug(ustae)
(centuria) Iuli Longi dilecto
lectus ab M(arco) Silano mil(itavit)
annis XIX in praesidio
ut esset in salto Philomu-
siano ab hostem in pugna
occissus vixit pie
annis XL
h(ic) s(itus) e(st)
Stele
Edition: CIL 8, 14603=ILS 2305=AE 1997, 1723
Lit.: Mommsen 1881, 537; Mommsen 1884, 331 Nr. 490; Tissot 1884a, 99 f.; Delattre – De Villefosse 1882a, 291 f. Nr. 43; Teutsch 1962, 171 Anm. 313; Thébert 1973, 293; Lassère 1977, 216 Anm. 385. 386; 634; Lassère 1980, 33–35. 38; Leglay 1968, 205; Ferchiou 1986, 209; Le Bohec 1989, 82 Anm. 13; 157 Anm. 84; Khanoussi 1991, 825 f. 833; Khanoussi 1993, 65; Thomasson 1996, 32 f. Nr. 28 a; Khanoussi 1997; Mackensen 2000, 494; Mackensen 2001, 15; Mackensen 2005, 11 f.; Bullo 2002, 13 Anm. 72; Zerres 2009, 39 f. Nr. 2; Chaouali 2018, 58 Anm. 179
Dat.: 57/58 n. Chr.
Dat.-Kriterium: Prokonsul (38–39 n. Chr.), kein DMS, kein Cognomen
Kat. 6
FO: N-Nekr.
D(is) M(anibus) s(acrum)
Agrius Zopa-
tus vet(eranus) pius vi-
xit annis n(umero) LXX
h(ic) s(itus) e(st)
»aver bas rel.« (Scheden)
Edition: CIL 8, 14601
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 28 Nr. 39; 34; Lassère 1980, 35. 42; Ben Abdallah 1986, 85; Khanoussi 1993, 67; Zerres 2009, 39 Nr. 1; Chaouali 2018, 58 Anm. 179
Dat.: Ende (?) 1.–2. Jh. n. Chr. (Datierung unsicher)
Dat.-Kriterium: DMS
Kat. 7
FO: N-Nekr.
AO: 1892 in »maison de la Compagnie« (Saladin)
P(ublius) Cloventius P(ubli) f(ilius)
Quir(ina) Hospes decurio
pius vixit ann(os) LXX
hic situs est
Togatus? mit Hippe in l. Hand auf Podest zw. 2 dorischen Säulen, Spitzgiebel (ovoli, Hahn), 4 unguentaria
Stele
Edition: CIL 8, 14609
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 35 Nr. 49; Saladin 1892, 394 f. Abb. 15; Lassère 1980, 37; Zerres 2009, 41 Nr. 6
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel, Architektur, »o« statt »u« im Namen
Kat. 8
FO: N-Nekr.
L(ucius) Atinius Primus
pius vixit
annis LXVIII
h(ic) s(itus) e(st)
»DMS tradit Moerz« (Scheden)
Dreiecksgiebel, o. flankiert von je 2 unguentaria Mann mit Hippe in Hand (Scheden)
Stele
Edition: CIL 8, 14620
Lit.: Poinssot 1884, 135 Nr. 393; Lassère 1980, 35; Zerres 2009, 45 Nr. 15; Ibba 2006, 329
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 9
FO: N-Nekr.
P(ublius) Cluven-
tius Felix
vixit an(nis) CVI
h(ic) s(itus) e(st)
»aver basrel.« (Scheden)
Edition: CIL 8, 14623
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 29 Nr. 41; Lassère 1980, 35. 37. 42 f.; Zerres 2009, 46 Nr. 18
Dat.: 1. Häfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 10
FO: N-Nekr.
C(aius) Cornelius
C(ai) f(ilius) Quir(ina) P[ri]-
mus pi[us]
vix(it) [annis]
LX[--]
r. u. gebr.
Stehende Person in Pallium vor Altar (CIL)
Edition: CIL 8, 14625
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 21 Nr. 22; Lassère 1980, 37; Zerres 2009, 47 Nr. 20
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Altar
Kat. 11
FO: N-Nekr.
Sex(tus) Cornelius
Reperitanus
pius vix(it)
annis L
De Villefosse: Crepereianus
Edition: CIL 8, 14626
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 28 Nr. 35; 34; Lassère 1980, 37; Zerres 2009, 47 Nr. 21
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 12
FO: N-Nekr.
M(arcus) Cossutius
Adiutor pius
vixit annis
LXXV h(ic) s(itus) e(st)
Stehende Person bei einem Baum (Palme?), am Altar opfernd (Scheden)
Edition: CIL 8, 14628
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 27 Nr. 34; Lassère 1980, 35. 37; Zerres 2009, 48 Nr. 23
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Altar
Kat. 13
FO: N-Nekr.
C(aius) Cossutius
C(ai) f(ilius) Primus
pius vix(it) a(nnis) VIIII
h(ic) s(itus) e(st)
Fußreste einer stehenden Person (CIL, Scheden)
»Cippus« (CIL), Stele? (o. gebr.)
Edition: CIL 8, 14629
Lit.: Lassère 1980, 35. 37; Zerres 2009, 48 f. Nr. 24; De Larminat 2011, I271
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 14
FO: N-Nekr.
Cn(aeus) Domitius Cn(aei) f(ilius)
Quir(ina) Optatus pius
parenti[b]us raptus ab
ingeniost(!) vix(it) ann(is) XIIX
h(ic) s(itus) e(st)
Reste eines stehenden Mannes (CIL)
»Cippus« (CIL), Stele? (o. gebr.)
Edition: CIL 8, 14632=ILTun 1255=CLE 1577
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 31 Nr. 46; Lassère 1980, 35. 37. 42; Zerres 2009, 50 Nr. 27
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 15
FO: N-Nekr.
L(ucius) Manlius
L(uci) f(ilius) Quir(ina)
Rogatus
pius v(ixit) an(nis) LV
h(ic) s(itus) e(st)
Mann auf Podest stehend (CIL)
Edition: CIL 8, 14647
Lit.: Delattre – De Villefosse 1882b, 245 Nr. 59; Lassère 1980, 35. 39; Ibba 2006, 412; Zerres 2009, 53 Nr. 34
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel
Kat. 16
FO: N-Nekr.
Munatia [---]
Quarta pi[a]
vixit annis LXV
h(ic) s(ita) e(st)
Frau (CIL, Scheden)
r. o. gebr.
Edition: CIL 8, 14649
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 27 Nr. 32; Lassère 1980, 35; Zerres 2009, 54 Nr. 36
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 17
FO: N-Nekr. (?)
AO: »in hortis procuratoris« (CIL); 1884 in Tunis bei M. Aubert (Cagnat); »a Chemtou, rep. Shemtou« (Cagnat; Scheden)
Papiria L(uci) fi-
lia Quin-
ta pia v[ix(it) ---]
Frau stehend (CIL, Scheden)
Edition: CIL 8, 14654
Lit.: Cagnat 1884, 118 Nr. 204; Lassère 1980, 35. 40; Zerres 2009, 55 f. Nr. 40
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 18
FO: N-Nekr.
Plotia G(ai)! f(ilia)
Lapa vixit
annis LXX
h(ic) s(ita) e(st)
Frau (CIL, Scheden)
Edition: CIL 8, 14656
Lit.: Delattre – De Villefosse 1881a, 30 Nr. 44; Lassère 1980, 35. 40. 44; Zerres 2009, 56 Nr. 42
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 19
FO: N-Nekr. Cagnat: an der Straße von Simitthus nach Thabraca
Vipsania Qu-
inta pia vixit
an(n)is XXXII
h(ic) s(ita) e(st)
Stehende Frau zw. 2 Säulen (CIL, Scheden, Cagnat)
Edition: CIL 8, 14674
Lit.: Cagnat 1884, 119 Nr. 207; Lassère 1980, 35. 41 f.; Zerres 2009, 61 Nr. 53
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 20
FO: N-Nekr.
Egnatia M(arci) f(ilia)
Helena pia
vixit annis XLV
h(ic) s(ita) e(st)
Frau zw. 2 Säulen unter Giebel (CIL, Scheden, Carton)
Edition: CIL 8, 25661
Lit.: Toussaint 1898, 225 Nr. 96; Carton 1908, 444; Lassère 1980, 37. 43; Ferchiou 1986, 212; Zerres 2009, 69 Nr. 74
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 21
FO: N-Nekr.
Gorgo[nia] For-
tunata pia vix(it)
annis LXXX //
C(aius) Aelius Satu[rninus]
pius vix(it) ann[is--]
Über dem r. Epitaph Reliefreste (Toutain)
»großer Cippus« (CIL, Toutain), Menhirstele?, Doppelstele?
Edition: CIL 8, 25664
Lit.: Toutain 1893, 438 Nr. 38; Lassère 1980, 35. 42 f.; Zerres 2009, 70 Nr. 77
Dat.: (Lassère: frühes) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 22
FO: N-Nekr.
AO: Thuburnica, ferme Aïn Zened (Carton)
C(aius) Iulius C(ai) f(ilius)
Quiri(na) Felix
p(ius) vix(it) a(nnis) VIIII
h(ic) s(itus) e(st)
Person zw. 2 Säulen unter Giebel (Carton)
100 cm × 28 cm × 9 cm (Partie o. fehlt)
Stele
Edition: CIL 8, 25666
Lit.: Carton 1908, 439 f. Nr. 7; Lassère 1977, 442; Lassère 1980, 35. 39; Zerres 2009, 71 Nr. 79; De Larminat 2011, I272
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 23
FO: N-Nekr. (nicht in situ, auf Boden liegend)
AO: Geschenk von Mr. Marabelle an Renault
Iulia Saturnina
Daphni Ti(beri) Claudii
Hilarionis l(iberti) uxor
vixit annis LX[---]
h(ic) s(ita) [e(st)]
o(ssa) t(ibi) b(ene) q(uiescant) [t(ibi) t(erra) l(evis) s(it)]
Frau mit langem Mantel, Haube/Zopf?; frontal stehend auf Podest zw. 2 Säulen mit plinthenlosen Doppeltorusbasen, Dreiecksgiebel (?), dorische Kapitelle, den Kopf flankierend: 2 unguentaria
Carton: 95 cm × 37 cm × 10 cm, grauer Kalkstein; Renault: 93 cm × 37 cm × 10 cm, giallo antico mit roter Äderung
Stele
Edition: CIL 8, 25671= ILTun 1258
Lit.: Carton 1908, 439 Nr. 6; Renault 1910, 140–143 mit Abb.; Lassère 1980, 35. 37. 43; Khanoussi 1998, 1015; Zerres 2009, 73 Nr. 84
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel, Architektur
Kat. 24
FO: N-Nekr.
C(aius) Petroniu-
s Acceptus
pius vixit
annis XXXXIII
Stele (o. gebr.)
Edition: CIL 8, 25675
Lit.: Toutain 1893, 440 Nr. 43; Lassère 1980, 35. 40; Zerres 2009, 74 Nr. 88
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 25
FO: N-Nekr.
Quarta
Veti(i) Ianuar(i)
filia vixit
annis XXII
Stehende Person zw. 2 Säulen; Epitaph in tabula ansata (CIL, Carton)
110 cm × 32 cm × 10 cm (o. gebr.)
Stele, blauer Kalkstein (Aïn el-Ksair?)
Edition: CIL 8, 25675a
Lit.: Carton 1908, 440 Nr. 9; Lassère 1980, 41–43; Ferchiou 1986, 214; Zerres 2009, 75 Nr. 89
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 26
FO: N-Nekr.
Rustica
Polionis f(ilia)
Iscilitana vix(it)
annis LX
h(ic) s(ita) e(st)
Untere Partie einer Person in Nische/Architektur (Toussaint, Carton)
B: 40 cm; T: 12 cm (o. gebr.)
Stele, gelber Kalkstein
Edition: CIL 8, 25677
Lit.: Toussaint 1898, 223 Nr. 88; Carton 1908, 440 f. Nr. 10; 448; Lassère 1980, 42 Anm. 2
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 27
FO: N-Nekr.
Servi[---]
ATA[
Architektur mit Dreiecksgiebel (Carton)
67 cm × 18 cm × 13 cm (r. gebr.)
Stele, blauer Kalkstein (Aïn el-Ksair?)
Edition: CIL 8, 25681
Lit.: Carton 1908, 441 Nr. 11; Zerres 2009, 76 Nr. 93
Dat.: 1. Jh. n. Chr. (Datierung unsicher)
Dat.-Kriterium: kein DMS?
Kat. 28
FO: N-Nekr.
AO: »vu au contrôle civil de Souk-el-Arba en 1918« (ILTun)
Serviliae
Venusta(e)
Servili Sat-
urnini ⸢ f ⸣ ilia(e)
vixit an(n)is L
h(ic) s(ita) e(st)
Person zw. 2 Säulen (Scheden, Carton)
92 cm × 32 cm × 12 cm
Stele, grauer Kalkstein
Edition: CIL 8, 25682=ILTun 1260
Lit.: Carton 1908, 441 Nr. 12; Lassère 1980, 35; Zerres 2009, 77 Nr. 94
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 29
FO: N-Nekr.
Sex(tus) Veturius Ex-
tricatus vixit
annis LIII h(ic) s(itus) est
Mann an Altar opfernd, Epitaph in Kartusche (Carton)
60 cm × 44 cm × 11 cm (o. gebr.)
»grande stèle« (Carton), Menhirstele?
Edition: CIL 8, 25685
Lit.: Toussaint 1898, 224 Nr. 90; Carton 1908, 444; Pflaum 1969–1971, 62 Anm. 4; Lassère 1980, 41; Zerres 2009 77 f. Nr. 96
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Altar
Kat. 30
FO: N-Nekr.
L(ucius) Vitupius (Veturius?) L(uci) f(ilius) Quir(ina)
Severus pius vixit
annis LXVII
h(ic) s(itus) e(st)
Untere Partie einer Person zw. 2 Säulen, Epitaph in Kartusche (Carton)
B: 44 cm; T: 18 cm (o. gebr.)
Stele, Schiefer (Bordj Hellal?)
Edition: CIL 8, 25687
Lit.: Carton 1908, 449 Nr. 14; Lassère 1980, 41; Zerres 2009, 78 f. Nr. 98
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 31
FO: moderner Friedhof SW von Forum
AO: Museum Chimtou
C(aius) Iulius Aug(usti) l(ibertus)
Crestus
Samianus
[--]
Frontal stehender Mann auf Podest zw. 2 dorischen Säulen, Rundgiebel, enges Gewand
libertus des Augustus (oder Caligula?)
45 cm × 30 cm × 7 cm
Stele, giallo antico
Edition: AE 1998, 1574
Lit.: Khanoussi 1998, 1014 f. Taf. 1. 2 a; Zerres 2009, 82 Nr. 107; Ardeleanu 2018, 158
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel, Architektur
Kat. 32
FO: Forum
C(aius) Aurelius C(ai) ⸢ f ⸣ (ilius)
Memor Aureli
Medici fil(ius) v(ixit) a(nnos) VII.
Duo fratres hic sepulti sunt
Edition: CIL 8, 25653
Lit.: Toutain 1893, 441 Nr. 46; Lassère 1980, 35 f. 42; Zerres 2009, 65 f. Nr. 65; De Larminat 2011, I268
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 33
FO: unbekannt
AO: Grabungshaus Chimtou
[--]?
Titia [---] filia
Namphame pia
vixit annis LX
h(ic) s(ita) e(st) o(ssa) t(ibi) b(ene) q(uiescant)
t(erra) t(ibi) l(evis) s(it)
Kartusche in tabula ansata
122 cm × 50 cm × 20 cm (o. gebr.)
Stele, gelb-brauner Stein mit weißen Adern, giallo antico?
Lit.: unpubl.
Dat.: 2. Hälfte 1. – frühes 2. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: DMS?, Paläographie
Kat. 34
FO: Oued Mellah-Bett
Q(uintus) Caecilius
Q(uinti) f(ilius) Po[--]
Stele (u. gebr.)
Edition: CIL 8, 25656
Lit.: Toutain 1893, 440 Nr. 44; Lassère 1980, 36. 42; Zerres 2009, 67 Nr. 68
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 35
FO: beim Amphitheater (CIL, Cagnat); zw. Steinbruch am Amphitheater und Majrada (Delattre/Mommsen)
AO: 1880 gefunden (Tissot). Geschenk von Charmanne an das Bardo-Museum, Tunis
L(ucius) Silicius Opta-
tus vix(it) an(nis) L
[i]nterceptus
in itinere.
Huic veteran[i]
morant[es]
Simittu [de]
suo fecer(unt)
Untere Partie eines frontal stehenden Soldaten mit Pteryges und Gürtel, zw. Säulen mit Doppeltorusbasen; Lassère, Ben Abdallah: Togatus
95 cm × 44 cm (o. gebr.)
Stele, blauer Kalkstein (Aïn el-Ksair?)
Inschriftfeld: 39 cm × 35 cm
Edition: CIL 8, 14608= ILS 2470
Lit.: Delattre – De Villefosse 1882a, 291. 297 Nr. 56; Cagnat 1884, 118 Nr. 206; Mommsen 1884, 331 Nr. 493; Tissot 1888, 269; La Blanchère – Gauckler 1897, 98 Nr. 461 Abb. 22; Teutsch 1962, 171 Anm. 313; Lassère 1977, 216 Anm. 385; Lassère 1980, 32. 35. 41; Ben Abdallah 1986, 85 Nr. 219 mit Abb.; Le Bohec 1989, 102 f. Abb. 22; Khanoussi 1991, 833–835 Abb. 7; Khanoussi 1992, 322; Khanoussi 1993, 67; Lassère 1997, 115–117; Bullo 2002, 142 Anm. 482; Zerres 2009, 41 Nr. 5; Chaouali 2013, 350 Anm. 47; Chaouali 2018, 28 Anm. 7; 58 Anm. 179
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Architektur
Kat. 36
FO: Steinbrüche
Aviania
Muntana
L(uci) f(ilia) v(ixit) a(nnis) L
Marmor, giallo antico?
Edition: CIL 8, 14621
Lit.: Lassère 1980, 35 f. 42 f.; Zerres 2009, 45 Nr. 16
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 37
FO: Steinbrüche (Scheden: »in latumiis Numi adversatur«)
AO: »descriptam a Moerzio« (CIL)
Mustia M(arci) f(ilia)
Faustina
p(ia) v(ixit) ann(is) XV
[--]
Frau in Stola (CIL, Scheden)
r. u. gebr.
Edition: CIL 8, 14651
Lit.: Lassère 1980, 35; Zerres 2009 54 Nr. 37; De Larminat 2011, I278
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 38
FO: Lager-Nekr.
AO: Grabungshaus Chimtou; Abklatsch im Museum Chimtou
Akanthusfries mit Liliendekor und Rosetten an Kopfprofil, parazonium mit Gürtung, Volutenpulvini mit Rosetten, Metallapplikenreste
150 cm × 58 cm × 75 cm (o./u./r. gebr.)
Grabaltar, grüner Schiefer (Bordj Hellal)
Lit.: Rakob 1972, 804; Rakob 1994, Abb. 54 a–d Taf. 104 b. c; Mackensen 2005, 13 Anm. 51 (»Votivaltar«)
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: Kontext, Dekor, Grabsteintyp
Kat. 39
FO: Lager, spoliiert in O-Mauer Zentralbereich im Arbeits- und Steinbruchlager (Raum 5)
C(aius) Cornelius
Fuscus et
AEMIL[ ---]
++++[--
--]
Frontal stehender Mann auf Podest, r. und l. geritzte Palmzweige, stark geschwungener Mantel, r. Hand ausgestreckt, dünner Hals, Mandelaugen
52 cm × 22 cm × 6 cm
Stele mit Bogenabschluss
Lit.: Mackensen 2005, Abb. 8; Zerres 2009, 263
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: Spoliierung vor 170 n. Chr., kein DMS
Kat. 40
FO: Simitthus (Scheden: »rep. Shemtu Num. adversatur«)
AO: Scheden: »in hortis procuratoris«
[Hi]stonia P(ubli) f(ilia)
Pr{i}obata
pia vixit
annis LXXVII
h(ic) s(ita) e(st)
Ädikula-Architektur (CIL, Scheden)
Edition: CIL 8, 14662
Lit.: Zerres 2009, 58 f. Nr. 47
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 41
FO: Simitthus
M(arcus) Aemilius M(arci) f(ilius)
Quir(ina) Primus pi-
us vix(it) annis [---]
h(ic) s(itus) e(st)
Edition: CIL 8, 25652
Lit.: Toussaint 1898, 223 Nr. 87; Lassère 1980, 35. 42; Zerres 2009, 65 Nr. 64
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 42
FO: Simitthus
Canina Su-
ra pia vix[it]
annis [--]
Stele (o. gebr.)
Edition: CIL 8, 25656a
Lit.: Lassère 1980, 35. 37. 43; Zerres 2009, 67 Nr. 69
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 43
FO: Simitthus, unbek. Position
Di{i}s Mani[bus sacrum]
Ti(berius) Claudius Fel[ix ---]
Cilicinenus [---]
vixit ann(is) LI(?) m[ens(ibus) ---]
h(ic) s(itus) e(st)
von Mausoleum oder loculus-Verschluss von einem Columbarium
22 cm × 21,5 cm × 4,5 cm (r. und o. gebr.)
Platte, giallo antico
Edition: AE 1998, 1575
Lit.: Khanoussi 1998, 1015 f. Taf. 2 b; Zerres 2009, 82 f. Nr. 108; Ardeleanu 2018, 158. 162
Dat.: 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: DMS
Kat. 44
FO: unbek.
AO: Museum Chimtou
M(arcus) Aufidius
M(arci) f(ilius) Quir(ina)
Rufinus pius
vixit annis XIII
h(ic) s(itus) e(st)
Mann, Füße nach l. zw. 2 Säulen, attisch-ionische Basen auf Plinthen, Spitzgiebel?, enges Gewand (Toga?), unterstes Register: 2 unguentaria, 1 urcius
145 cm × 35 cm × 20 cm (o. gebr.)
Stele mit Plinthe, grüner Bordj Hellal-Schiefer
Lit.: De Larminat 2011, 774 Abb. 18; I276
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 45
FO: unbek.
AO: Museum Chimtou
Dis Manibus
sacrum
P(ublius) Anicius Baric
vixit annis
n(umero) CXV debitum
naturam red(d) ⸢ i ⸣ dit
Auf Podest frontal stehender Togatus zw. 2 Säulen, attisch-ionische Basen, am Altar libierend (?), r. gehörnter (Stier?)Kopf, Inschrift in tabula ansata
116 cm × 54 cm × 13 cm (o. gebr.)
Stele, gräulich-gelber Stein, giallo antico?
Lit.: unpubl.
Dat.: Übergang 1.–2. Jh.
Dat.-Kriterium: DMS, Sockel, Altar, Kleidung, Anatomie
Kat. 46
FO: unbek.
AO: Museum Chimtou
C(aius) Cesenni-
us Sec[u]n-
du[s] pius
[vixi]t an-
[nis] LXXV
[h(ic s(itus) e(st)]
Auf getrepptem Podest frontal stehender Togatus zw. 2 Säulen, Rundgiebel?
100 cm × 32 cm × 16 cm
Stele, Bordj Hellal-Schiefer
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel
Kat. 47
FO: unbek.
AO: Museum Chimtou
L(ucius) Gargilius
L(uci) f(ilius) Arn(ensi) Paetus
pius v(ixit) a(nnis) LXX
h(ic) c(onditus)
Mann in Toga?, Füße nach l., langes Gerät in Händen, zw. 2 Säulen, ion. Kapitelle, Plinthen-Basen, Keilsteinbogen, Rosette/unguentarium r. von Kopf
100 cm × 43 cm × 28 cm
Stele, gräulich-gelber Stein mit Adern, giallo antico?
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Architektur
Kat. 48
FO: unbek.
AO: Museum Chimtou
Tettia L(uc i) ⸢ f ⸣(i lia) Prim[a]
pia vixit
annis XXIII
h(ic) s(ita) e(st)
o(ssa) t(ibi) b(ene) q(uiescant)
Frontal auf Podest stehende Frau zw. 2 Säulen, Doppeltorusbasen, enges Gewand
64 cm × 34 cm × 10 cm
Stele, giallo antico
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel, Architektur
Kat. 49
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
[---] +al (---) D(ecimi?) f(ilius?)
[---]
’ṬN/T . .
[---]MN/T.
[---] (?)
Frontal stehende Person (Mann) auf Podest zw. 2 Säulen, enges Gewand
55 cm × 45 cm × 7 cm
Stele, giallo antico
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel, lateinisch-neopunische Bilingue
Kat. 50
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
C(aius) Rasin(ius?)
Faus[tu]-
s vet(eranus?)
p(ius) v(ixit) a(nnis) L[---?]
[h(ic)] s(itus) [e(st)]
Untere Partie eines Podests (unter Figur), l. Altar
132 cm × 40 cm × 14 cm (o./u./r. gebr.)
Menhirstele?, gelber Sandstein aus Thuburnica?
Inschriftfeld: 29 cm × 27 cm
Lit.: unpubl.
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel/Altar
Kat. 51
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
[- M]anlius L(uci) f(ilius)
[Qu]ir(ina) Receptu[s]
[ae]d(ilis) IIvir flam(en)
[p(er)p(etuus)?] vixit ann(is)
++ +++++
Frontal stehender Hahn/Person? in Rundgiebel
190 cm × 45 cm × 18 cm (o. gebr.)
Menhirstele, Bordj Hellal-Schiefer
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 52
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
[C]ornelia
[Se]x(ti) f(ilia) Fausta
[pia?] vixit an-
[nis] XXVI
Stehende Frau zw. 2 Säulen?, enges Gewand, Arme zur Brust?, elliptisches Objekt in Armen?
115 cm × 47 cm × 20 cm (o./u./l. gebr.)
Menhirstele, Bordj Hellal-Schiefer
Lit.: unpubl.
Dat.: Übergang 1.–2. Jh.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 53
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
T(itus) Veturius
[---]+
[------]
Stehende Person (Mann), Füße nach l.?; plinthenlose Doppeltorusbasen
35 cm × 40 cm × 15 cm (o./u. gebr.)
Stele, beiger Stein aus Thuburnica?
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 54
FO: Bir Laafou?
AO: Ferme Bergmann
Capito
Cos<s>uti f(ilius)
vix(it)
[--]
Frontal stehender Mann/Junge (?) auf Podest, enges Gewand, 2 Säulen, Doppeltorusbasen
60 cm × 20 cm × 9 cm (o./ u. gebr.)
Stele, giallo antico
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel
Kat. 55
FO: Bir Laafou?
AO: Ferme Bergmann
Frontal stehende Frau, enges Gewand, 2 Säulen, Rundgiebel
52 cm × 20 cm × 8 cm (u. gebr.)
Stele, giallo antico
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: Stilistik, Architektur
Kat. 56
FO: Hr. Frouri, 5 km im SO von Simitthus
Mundicia Q(uinti)
f(ilia) Processa pia
vixit annis LII
{h}os(sa) t(ibi) b(ene) q(uiescant)
Frau auf Podest, langes Gewand (Toutain, CIL, Scheden)
Stele
Edition: CIL 8, 25695
Lit.: Toutain 1893, 456 Nr. 60; Lassère 1980, 35; Zerres 2009, 126 Nr. 208
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS, Sockel
Kat. 57
FO: Hr. Oued Mellad des Ouled-Ali, 4 km im N von Simitthus
Cornelia Tyra-
nnis pia vixit
annis XIIII
[--]
Edition: CIL 8, 25697
Lit.: Cagnat 1891, 204 Nr. 41; Lassère 1980, 37. 43; Zerres 2009, 128 Nr. 212; De Larminat 2011, I276
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 58
FO: Hr. Oued Mellad des Ouled-Ali, 4 km im N von Simitthus
AO: Kopien von Carton, Abklatsch von Zeil, der als Fundort Hr. Zid angibt (Scheden)
C(aius) Octaviu[s]
Festus piu[s]
vixit ann[os]
XVIII h(ic) s(itus) [e(st)]
Edition: CIL 8, 25699
Lit.: Cagnat 1891, 204 Nr. 42; Lassère 1980, 40; Zerres 2009, 128 Nr. 211
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 59
FO: Ferme Fritch, 4 km NNO von Simitthus
O(ssa) t(ua) b(ene) q(uiescant) //
Iulia C(aii) f(ilia) Ro-
sa pia vixit
annos C
h(ic) s(ita) e(st) //
t(erra) t(ibi) l(evis) s(it)
Rundgiebel, darüber Pinienzapfen, Ceres-Priesterin mit langem Gewand und gekreuzten Armen zw. 2 Kandelabern, Fackeln (Quoniam)
120 cm × 50 cm × 22 cm
Stele, Kalkstein
Edition: Quoniam 1953, 149 Nr. 24; cf. AE 1955, 126.
Lit.: Zerres 2009, 134 f. Nr. 224
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 60
FO: unbekannt
S[ex(tus)] Po[m]peius
Sex(ti) f(ili) Quir(ina) R+[---]
vix(it) annis LXXV
h(ic) s(itus) est
Zentrales Podest (unter Figur), Inschrift in tiefergelegter Kartusche
83 cm × 52 cm × 26 cm
Stele, dunkler Kalkstein (Aïn el-Ksair?)
Lit.: unpubl.
Dat.: 1. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 61
FO: Aïn el-Ksair, 2 km N von Simitthus
[Ra]bi[ria ---] Po-
[st]uma pia vixit
annis XVIIII
Edition: CIL 8, 14663
Lit.: Cagnat 1884, 124 Nr. 220; Lassère 1977, 462; Lassère 1980, 35. 40–42. 44; Zerres 2009, 117 Nr. 191
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 62
FO: FO: Aïn el-Ksair, 2 km N von Simitthus
AO: »Shemtu a Moerz« (Scheden)
Rubria
Honorata
pia vixit
annis XXXVI
T(itus) Flavius
Postimus
uxori carissimae
Inschriftfeld: H: 50 cm; B: 34 cm
Edition: CIL 8, 14666
Lit.: Cagnat 1884, 121 Nr. 215; Poinssot 1884, 135 Nr. 395; Lassère 1973, 54; Lassère 1977, 231 Anm. 511; Lassère 1980, 34 f. 41; Zerres 2009, 117 Nr. 192; Ardeleanu 2018, 159
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 63
FO: Ferme Livet, 7 km N von Simitthus
Gargilia Zara
pia vixit an(nis) XXXXV
[h(ic)] s(ita) e(st)
Frau mit langer Tunica in Nische (Quoniam)
64 cm × 35 cm × 17 cm
Stele, Kalkstein
Edition: AE 1955, 126
Lit.: Quoniam 1953, Nr. 23; Lassère 1980, 35. 38. 42
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Kat. 64
FO: unbek.
AO: Grabungshaus Chimtou
D(is) M(anibus) [S(acrum)]
C(aius) Pontiu[s - f(ilius)]
Umbria[nus]
vet(eranus) I(--)(?) A(--) m(ilitavit) [ann(is) ---]
vixit ann(is) [--]
h(ic) s(itus) e(st)
Reste eines frontal Stehenden, Kleidungsrest zw. Beinen; calcei oder Beinschienenansatz; l. Altar
55 cm × 30 cm × 7 cm (o. und r. gebr.)
Stele, beiger Sandstein aus Thuburnica?
Lit.: unpubl.
Dat.: 2. Hälfte (?) 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: DMS, Altar, Kleidung
Kat. 65?
FO: N-Nekropole
Inschrift unlesbar
Auf einer Seite Schild und Helm im Relief, auf der anderen zwei Lanzen und ein Schwert
Altar?
»Cippe«, Marmor, giallo antico?
Lit.: Carton 1908, 433
Dat.: spätes 1.–3. Jh. n. Chr. (?)
Dat.-Kriterium: Kontext, Grabsteintyp
Kat. 66
FO: Hr. Hadj Abdallah Ben Diab, im S des Dj. Hairech, 2 km von der römischen Straße von Bulla Regia nach Simitthus, 500 m vom linken Majrada Ufer
AO: 1901 durch M. Julien zum contrôle civil nach Souk-el-Arba/Jendouba
L(ucius) Mutius L(uci) f(ilius) Arn(ensi)
Faustinus
p(ius) vix(it) an(nis) LXXIV
h(ic) s(itus) e(st)
Rundgiebel, Reiter mit Chlamys über Schultern, Lanze, Pferd im Trab nach l. Cagnat: Hatzjagd-Szene; CIL: »eques lanceam gerem«
200 cm × 45 cm; B. u. 30 cm, um in Erde befestigt zu werden
Menhirstele, »bläulicher Sandstein« (Bordj Hellal-Schiefer?)
Edition: CIL 8, 25626
Lit.: Cagnat 1902, CXCIV; Thébert 1973, 264; Le Bohec 1989, 104. 301
Dat.: 1. Jh. n. Chr.
Dat.-Kriterium: kein DMS
Abstracts
Zusammenfassung
Die frühkaiserzeitlichen Grabsteine aus Simitthus (Chimtou)
Stilistisch-epigraphische Analyse und urbaner Kontext
Dieser Beitrag präsentiert erstmals alle 65 bis heute bekannten Grabdenkmäler des 1. und frühen 2. Jhs. aus Simitthus/Chimtou (Tunesien) und seinem Umland. Diese neben zeitgleichen Gruppen aus Karthago, Ammaedara und Mactaris bedeutendste Grabmarkerserie der frühkaiserzeitlichen Africa Proconsularis ist ein wichtiges Indiz für die tiefgreifende Transformation der frührömischen Stadt. Die kombinierte ikonographisch-epigraphische Analyse der Grabdenkmäler aus drei neu eingerichteten Nekropolen bietet neue Einblicke in die während des 1. Jhs stark expandierende colonia. Die lokalen Steinmetzwerkstätten bedienten sich eines regional in vorrömischer Zeit etablierten Rahmendekors und Typenspektrums. ›Afrikanische‹ Namen und eine lateinisch-neopunische Bilingue zeugen von der Beibehaltung bestehender Grabmarkierungstraditionen. Anhand der Gentilnamen, einiger Statuenmotive und Funerärsymbole sind gleichzeitig klare Bezüge nach Mittelitalien offenkundig. Aus dieser Region scheinen zahlreiche Neusiedler, darunter negotiatores-Familien, an den wichtigen Straßenknotenpunkt Simitthus mit seinen Marmorbrüchen übergesiedelt zu sein. Unter den 16 erstmals vorgelegten Grabsteinen finden sich neue Militärs und Beamte. Grabdenkmäler mit analoger Stilistik aus dem Umland belegen die Dominanz der simitthuensischen Steinmetzschulen im mittleren Majradatal.
Schlagworte
Simitthus, Chimtou, Africa Proconsularis, frühkaiserzeitliche Grabdenkmäler, epigraphisch-stilistische Analyse, frühkaiserzeitlich Urbanistik, Soldaten
Abstract
Early Imperial Grave Stones from Simitthus (Chimtou)
Stylistic-epigraphic Analysis and Urban Context
This contribution presents for the first time all 65 known funerary monuments of the 1st and early 2nd cent. A.D. from Simitthus/Chimtou (Tunisia) and the surrounding area. Along with contemporaneous groups from Carthage, Ammaedara and Mactaris, this grave marker series from early imperial Africa Proconsularis provides important evidence for the fundamental transformation of the early Roman city. Combined iconographic and epigraphic analysis of the funerary monuments from three newly established necropoleis offers new insights into the colonia, which greatly expanded during the 1st cent. A.D. The local stonemason workshops employed a decorative and typological spectrum established in the region in pre-Roman times. ›African‹ names and a Latin-Neo-Punic bilingual inscription attest to the maintenance of existing grave marking traditions. At the same time, gentile names, certain statue motifs and funerary symbols show strong links with central Italy. Many new settlers, among them families of negotiatores, seem to have moved from that region to the important hub of Simitthus with its marble quarries. New military personnel and officials are among the 16 grave stones presented for the first time. Funerary monuments in analogous style from the surrounding area demonstrate the dominance of Simitthus' stonemason workshops in the middle Majrada valley.
Keywords
Simitthus, Chimtou, Africa Proconsularis, early imperial funerary monuments, epigraphic-stylistic analysis, early imperial town planning, colonia foundation, negotiatores, soldiers
Die Entwicklung von Simitthus bis zum 1. Jh. n. Chr.
Die Nekropolen von Simitthus – Bestattungstopographie und Grab(stein)typologie
Forschungsstand und das chronologische Gerüst der frühkaiserzeitlichen Grabsteine aus Simitthus
Onomastische Analyse der Grabsteine des 1. Jhs. n. Chr.
Ikonographisch-stilistische Analyse der Grabsteine
Epigraphisch-ikonographische Hinweise auf Berufe, politische, religiöse und militärische Ämter
Resümee
46Katalog: Simitthus und Umgebung, frühkaiserzeitliche Grabsteine
Abstracts