Typesetting
1/22
Vom Ton zum glasierten Traufziegel
Zur Produktion von Baukeramik für Karakorum
Die Stadt Karakorum
1Der Legende nach wurde Karakorum als erste Hauptstadt des mongolischen Reiches im Jahr 1220 von Dschinghis Khan gegründet und unter dessen Sohn und Nachfolger Ögedej Khan weiter ausgebaut und befestigt. Heute sind von der einstigen Hauptstadt im Orchontal nur noch Erdwälle auf einer Fläche von ca. 1 km² zu sehen. Im Rahmen der Mongolisch-Deutschen-Karakorum-Expedition (MDKE), zu der die Mongolische Akademie der Wissenschaften, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts gehören, wurden hier ab dem Jahr 2000 Ausgrabungen durchgeführt, die seither spannende Ergebnisse liefern. So zeigt sich, dass Karakorum eine Handels- und Manufakturstadt war, in der verschiedene Kulturen nebeneinander lebten und arbeiteten. Davon zeugt neben den Befunden einer christlichen Kirche, eines muslimischen Friedhofs und eines Arbeiterviertels mit Spuren chinesischer Einflüsse auch der Reisebericht Wilhelm von Rubruks aus dem 13. Jahrhundert, der u. a. von französischen Handwerkern berichtet, die in der Stadt lebten[1]. Die Bedeutung als Manufakturstadt unterstreichen neben dem Handwerkerviertel in der Stadtmitte auch mehrere Brennöfen innerhalb und außerhalb des Stadtareals, die der Keramikproduktion dienten.
Ressourcen
2Die natürlichen Ressourcen der Region lieferten ideale Bedingungen für eine lokale Keramikproduktion in Karakorum, für die eine große Menge Ton, Wasser und Holz benötigt wurde.
3Die Stadt lag unmittelbar im oberen Bereich des Flussfächers des Orchon, der seinen Ursprung im östlichen Changai-Gebirge hat und der Region bis heute als Hauptwasserquelle dient (Abb. 1). Kies und Sand, die auf seinem Weg durch die tiefen Gebirgsschluchten getragen werden, lagern sich seit Jahrtausenden am Eingang des mittleren Orchontals auf großen Flussterrassen ab. Die Böden im Schwemmland des Tals bestehen aufgrund dieses Sedimentationsvorgangs aus lehmigem und sandigem, mit Kies und Schotter durchsetztem Sediment[2], aus dem Rohmaterial für die Herstellung von Keramikobjekten entnommen werden konnte. Da in der Umgebung von Karakorum bisher keine Tonlagerstätten identifiziert wurden, ist auch eine Verwendung von Lehm, der an vielen Stellen nah am rezenten Oberboden ansteht, denkbar.
4Die stark bewaldeten Nordhänge der Changai-Berge lieferten das benötigte Brennholz zur Befeuerung der Öfen. Nicht auszuschließen ist ein Import aus Nachbarregionen in Zeiten von Ressourcenknappheit[3]. Bisher ist bekannt, dass in der Stadtmitte Karakorums meist Larix sibirica (sibirische Lärche) als Bauholz genutzt wurde, ob dieses auch als Brennholz diente, ist noch zu untersuchen[4].
Brennofenbezirke
5Im Vorfeld der Ausgrabungen der MDKE in Karakorum wurden im Jahr 1999 zunächst umfassende geomagnetische Surveys des Stadtgeländes durch die Universität Bonn vorgenommen. Dabei zeigten sich im südwestlichen Stadtareal, im Bereich des großen Tempels insgesamt fünf kreisrunde Strukturen, die in den Grabungskampagnen der Jahre 2000 und 2002 ausgegraben wurden und sicher als Keramikbrennöfen identifiziert werden konnten (Abb. 2). Ein weiterer Brennofenbezirk wurde nach Begehungen auf der rechten Uferterrasse des Orchon in ca. 3 km Entfernung von Karakorum entdeckt (Abb. 3). Dort fand im Jahr 2005 ein ortsansässiger Künstler Fragmente von Terrakottafiguren und Überreste von Brennhilfsmitteln, die Anlass für Grabungen gaben. Auf der Flussterrasse aufgereiht konnten bei den Grabungen in den Jahren 2008 und 2009 elf Keramikbrennöfen eindeutig identifiziert und dokumentiert werden sowie zahlreiche weitere Befunde, bei denen es sich ebenfalls um Brennöfen oder entsprechende Werksplätze gehandelt haben könnte.
6Erste Untersuchungen sichern die Produktion glasierter Traufziegel in Karakorum, deren Herstellungsprozesse im Folgenden anhand der beschriebenen Befunde und Funde vorgestellt werden.
Die Phasen der Produktion glasierter Traufziegel
1. Herstellung des Rohlings
7Für den Abbau von Ton musste an der jeweiligen Entnahmestelle die Grasnarbe sowie die mit Wurzeln und Kies durchsetzte oberste Erdschicht abgetragen werden. Der gewonnene rohe Ton wurde anschließend nach Bedarf gewässert und durchgeknetet. Bei diesem Prozess konnten unterschiedliche Materialien zur Magerung beigemengt werden, damit der Ton beim Formen geschmeidig und beim Brand reißfest war[5]. Nach etwa einem Tag der Lagerung wurde der Ton in ein vorgefertigtes rundes Keramikmodel mit Tiermasken- oder Drachenmotiv gepresst, sodass man eine runde Zierscheibe mit einem Durchmesser von 10 bis 20 cm und einer Dicke von ca. 2 cm erhielt. Diese Form des Traufziegels wird als wǎdāng (vorderer Ziegel) bezeichnet. Eine weitere Form, welche bei der Dachdeckung mit wǎdāng-Ziegeln kombiniert wird, ist huābiānwǎ (Blumen-Borten-Ziegel) mit einem wellenförmig nach unten ausgezogenen Bereich[6] (Abb. 4). Diese Form der Traufziegel wurde ebenfalls mithilfe eines Models geformt und zusätzlich mit Einstichmustern und Stempeln verziert. Die Traufziegelrohlinge wurden mit weiterem Ton als Bindemittel an einem ebenfalls rohen halbrunden Dachziegel befestigt. Anschließend wurden die Traufziegel luftgetrocknet, wobei der Trocknungsprozess wahrscheinlich sonnengeschützt in überdachten oder mit Segeln überspannten Arealen stattfand[7].
2. Schrühbrand
8Die glasierten Traufziegel wurden in einem zwei-phasigen Brennvorgang hergestellt. Im ersten Brennvorgang, dem ›Schrühbrand‹, konnte das luftgetrocknete Brenngut in der Brennkammer des Ofens auf Kontakt gestellt und gestapelt werden. Die Gefahr eines Aneinanderbackens bestand dabei nicht. Für den Schrühbrand wurden in Karakorum Öfen des Manthou-Typs verwendet, die durch abwärts geleitete Heißluft charakterisiert sind und als unterzügige bzw. downdraught-Öfen bezeichnet werden[8] (Abb. 5). In ihrer Form variieren sie zwischen rund und hufeisenförmig, und ihr Innendurchmesser reicht von 2,7 bis 4,7 m. Der strukturelle Aufbau der verschiedenen Manthou-Öfen in Karakorum ist jedoch immer sehr ähnlich. Über einen Schürkanal konnte Brennmaterial in das etwa einen Meter tiefe Feuerungsloch gegeben werden. Unter dem Schürkanal lag der ebenfalls gemauerte Belüftungsschacht, über dessen Öffnung im vorderen Bereich des Schürkanals die Luftzufuhr für das Feuer stattfand. Aus dem rundlich bis ellipsenförmig gemauerten Feuerungsloch stieg die heiße Luft in die Brennkammer. Aufgrund einer geschlossenen Abdeckung des Ofens, wurde die heiße Luft von der Ofendecke zur Sohle der Brennkammer und somit durch das gestapelte Brenngut geleitet. Durch mehrere Öffnungen im unteren Bereich der Brennkammerrückwand wurde die heiße Luft in den Kaminraum geleitet, der in zwei bis drei kleine Kammern unterteilt sein konnte, vermutlich um ein zu schnelles Abziehen der Luft zu verhindern. Über den Kamin zog die heiße Luft hinaus. Durch den engen Lüftungsschlitz, die große Brennkammer, in der sich die Heißluft sammeln und ausbreiten konnte und das anschließende Ausbremsen des Luftstroms durch die kleinen Abzugsöffnungen und den unterteilten Kaminraum entstand ein Luftsog, der eine beschleunigende Wirkung auf die Dauer des Brennprozess hatte und je nach Bauweise von außen reguliert werden konnte. Während des Brennvorgangs musste die Temperatur der Öfen langsam auf 950 bis 1000°C gesteigert werden[9].
3. Glasurbrand
9Im zweiten Brennvorgang, dem ›Glasurbrand‹, mussten die Objekte voneinander getrennt in die Brennkammer gesetzt werden, da sie ansonsten aneinander haften würden. Brennstützen bzw. Abstandshalter und Ofenformen, die wahrscheinlich ausschließlich dem Glasurbrand dienten, wurden lediglich auf dem Werksplatz am Ufer des Orchon gefunden. Je nach Funktion gab es verschiedene Formen der Brennhilfsmittel, wie Dreifüße oder längliche kegel- und röhrenförmige Stützen. Auch alte Keramikziegel, -fliesen und einfache Tonklumpen wurden als Abstandshalter genutzt, was entsprechende Glasurreste deutlich zeigen. Zwei der Öfen am Orchonufer unterscheiden sich durch ihre Bauart von den größeren Manthou-Öfen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie als Glasurbrandöfen dienten. Ihr Grundriss mit einem Durchmesser von ca. 1,5 m wird komplett von der Brennkammer eingenommen. Bei einem der Öfen sind im oberen erhaltenen Bereich der glatt verputzten Wandung rundherum Luftabzugsöffnungen eingelassen. Im rückwärtigen Bereich konnte am Boden eine stark verziegelte Fläche mit einer großen Holzkohlekonzentration festgestellt werden. Daneben lag eine größere Anhäufung zusammengeschobener Brennhilfsmittel. Ein Schürkanal ist bei diesem Ofen nicht erhalten, aber bei dem benachbarten baugleichen Objekt hat sich im Profil eine quadratische, aus stark vergangenen Ziegeln gemauerte Öffnung erhalten. Die Funktionsweise dieser beiden Öfen ist folgendermaßen denkbar. Bei der erhaltenen Öffnung könnte es sich um eine Belüftungsöffnung handeln, wie bei den beschriebenen Manthou-Öfen, oberhalb derer sich ursprünglich ein Schürkanal oder eine Schüröffnung befand. Ein Feuerungsloch wurde jedoch nicht festgestellt. In Anbetracht der Verziegelungsspuren im Bereich beider Brennkammersohlen und der Holzkohlekonzentration in einem der Öfen ist es möglich, dass das Brennmaterial auf dem Boden der Brennkammer positioniert wurde und das Brenngut erhöht stand. Eine Anhäufung auffallend langer Brennstützen, die an einer Seite der Brennkammer eines der beiden Öfen zusammengeschoben wurde, könnte hierbei ursprünglich als Rost für das Brenngut gedient haben. Die heiße Luft wäre somit durch die 40 cm oberhalb der Sohle gelegenen Abzugsöffnungen abgezogen. Damit sind diese Öfen als Brennöfen mit aufsteigender Flamme bzw. updraught-Öfen zu bezeichnen, die durch aufwärts geleitete Heißluft charakterisiert werden[10] (Abb. 6). Beim Glasurbrand muss die Temperatur der Öfen verhältnismäßig höher als beim Schrühbrand gesteigert werden[11]. Nach beiden Brennprozessen mussten die Öfen mit ihrem Brenngut langsam und kontrolliert abkühlen, um Beschädigungen der Produkte zu vermeiden, bevor sie entladen und anschließend neu beladen werden konnten. Für wie viele Brände die jeweiligen Öfen genutzt wurden ist bisher unklar, aber Reparaturen an den Wandungen der Manthou-Öfen im Bereich der Feuerungslöcher weisen auf mindestens 2 bis 3 Durchgänge hin.
4. Installation der Traufziegel
10Die fertigen Traufziegel mit grüner Glasur wurden entlang der Traufen von Dächern angebracht. Dabei wurden die runden Traufziegel wǎdāng abwechselnd mit den darunter liegenden wellenförmig ausgezogenen Traufziegeln huābiānwǎ gesetzt, sodass eine Girlandenoptik entstand[12] (Abb. 7).
Das Dissertationsprojekt
11Beide Ofenbezirke wurden bereits in Vorberichten vorgestellt und das Projekt »Ein Werkstatt- und Brennofenbezirk am Orchon bei Harhorin« wird auf der DAI-Homepage präsentiert. Mit meinem Dissertationsprojekt »Keramikherstellung für Karakorum – Technologie zweier antiker Brennofenbezirke in Zentralasien« (Arbeitstitel) unter der Betreuung von Prof. Dr. Henny Piezonka der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel werde ich nun eine detailliertere wissenschaftliche Auswertung der beiden Areale vornehmen. Dabei stehen verschiedene Punkte im Fokus der Untersuchung:
• Zunächst soll die Datierung der Errichtung und des Nutzungszeitraumes der Öfen festgestellt werden, wobei eine Mehrphasigkeit vor allem beim Werksbezirk am Orchonufer zu erwarten ist, da die einzelnen Öfen wahrscheinlich nur für eine bestimmte Zahl an Brennvorgängen genutzt werden konnten, bevor neue Anlagen errichtet werden mussten. In diesem Kontext wäre auch die Möglichkeit und Art einer Beziehung zwischen den beiden Werksplätzen zu untersuchen.
• Des weiteren wird eine ausführliche Rekonstruktion der Werksplätze, einschließlich der Brennprozesse der Öfen sowie weitere handwerkliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Prozesse im Kontext der Keramikherstellung angestrebt.
• Für die Keramikproduktion wurden Werkzeuge aus verschiedenen Materialien benötigt, nach denen das Fundmaterial untersucht wird, so sind beispielsweise viele der Metallfunde lediglich fragmentarisch vorhanden und in schlechtem Erhaltungszustand, dennoch wird der Versuch Werkzeuge zu identifizieren vorgenommen.
• Die Herkunft und Beschaffung des Roh- und Brennmaterials, wie Ton, Sand und Holz, wird in Hinblick auf Import oder lokalen Abbau untersucht.
• Weitere Ressourcen, denen in der Arbeit nachgegangen werden soll, sind die Arbeitskraft und die angewandten Techniken. Die Architektur der Brennofenbezirke weist klare chinesische Merkmale auf und viele der Produkte wie Kinnari-Figuren sind buddhistisch geprägt. Um die internationalen Einflüsse und Vorbilder zu ermitteln, werden die Brennöfen und ihre Produkte kunst- und bauhistorisch eingeordnet. In diesem Zuge wäre auch die Bedeutung der beiden Bezirke für Karakorum als Manufakturstadt zu klären.
12Um den genannten Forschungsfragen nachzugehen, werden die Grabungsdokumentationen in einer Datenbank sowie in QGIS digitalisiert, damit entsprechende Kartierungen erstellt werden können. Zur Klärung der Fragen nach der Datierung und dem verwendeten Roh- und Brennmaterial, sind neben der kunst- und bauhistorischen Einordnung auch archäometrische (dendrochronologische und anthrakologische) Untersuchungen am Probenmaterial geplant. Die Rekonstruktion der Werksplätze und der Brennprozesse wird in digitalen 3D-Modellen umgesetzt.
13Das Ziel des Dissertationsprojektes ist die beiden aufgeführten Brennofenbezirke von Karakorum im Hinblick auf die erläuterten Forschungsfragen detailliert zu untersuchen und ihre Bedeutung für die ehemalige mongolische Hauptstadt zu ermitteln. Insgesamt wird mit dieser Arbeit zu den Grundlagen für weitere Forschungen an Brennöfen und im Kontext antiker Brenntechniken im zentralasiatischen Raum beigetragen und die Ergebnisse zur Frage der Definition der dortigen nomadischen Städte genutzt werden.
Abstracts
Zusammenfassung
Vom Ton zum glasierten Traufziegel
Zur Produktion von Baukeramik für Karakorum
Janna Fabry
Die alt-mongolische Hauptstadt Karakorum, die ca. 360 km westlich der heutigen mongolischen Hauptstadt Ulan Bator liegt, war eine Handels- und Manufakturstadt, in der verschiedenste Kulturen aufeinandertrafen, miteinander lebten und arbeiteten. Zwei Brennofenbezirke, die in den 2000er Jahren von der Mongolisch-Deutschen-Karakorum-Expedition innerhalb und außerhalb des Stadtgeländes ausgegraben wurden, werfen ein Licht auf die Keramikproduktion Karakorums und werden im Rahmen des Dissertationsprojektes »Keramikherstellung für Karakorum – Technologie zweier antiker Brennofenbezirke in Zentralasien« wissenschaftlich ausgewertet. In diesem Artikel wird exemplarisch der Herstellungsprozess glasierter Traufziegel in den Keramikbrennöfen Karakorums dargestellt.
Schlagwörter
Brennen, Brennöfen, Handwerk, Keramik, Mittelalterarchäologie, Mongolen, Produktion, Ziegelherstellung
Abstract
From Clay to Glazed Eaves Tiles
On the Production of Ceramic Building Material for Karakorum
Janna Fabry
The ancient Mongolian capital Karakorum, located about 360 km west of today's Mongolian capital Ulan Bator, was a trading and manufacturing city where diverse cultures met, lived and worked together. Two kiln districts excavated in the 2000s by the Mongolian-German-Karakorum-Expedition inside and outside the city grounds shed light on Karakorum's ceramic production and are being scientifically evaluated as part of the dissertation project »Ceramic Production for Karakorum – Technology of Two Ancient Kiln Districts in Central Asia«. In this article, the production process of glazed eaves tiles in the ceramic kilns of Karakorum is presented as an example.
Keywords
brickmaking, ceramics, craft, firing, kilns, medieval archaeology, Mongols, production
Die Stadt Karakorum
Ressourcen
Brennofenbezirke
Die Phasen der Produktion glasierter Traufziegel
1. Herstellung des Rohlings
2. Schrühbrand
3. Glasurbrand
4. Installation der Traufziegel
Das Dissertationsprojekt
Abstracts