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2023
Persistente IDs für Bohrkerne und Proben – IGSN für die Archäologie
Bohren als effektive minimal-invasive Methode in der Archäologie
1Bohren als minimal-invasive Methode für den archäologischen Erkenntnisgewinn hat sich in den letzten Jahren an der RGK immer stärker etabliert. In der Regel folgt die Bohrprospektion auf eine vorher umfangreich durchgeführte geophysikalische Prospektion und drohnengestützte Geländeaufnahme.
2Bis 2014 wurde Bohren eher punktuell eingesetzt. Mittels des sog. Pürckhauers, einem Bohrrohrstock für on-site Beprobungen, wurden auf archäologischen Fundstellen erste Sondierungen für die Bestimmung der Erhaltung und Stratigrafie vorgenommen. Es handelt sich dabei um eine offene Bohrung, bei der bereits vor Ort eine Bestimmung der Schichten und Beprobungen vorgenommen werden muss (Abb. 1: a).
32014 wurde an der RGK die Rammkernsondierung eingeführt (Abb. 1: b), mit der es möglich wurde, Bohrkerne in Abschnitten von 1 m Länge und 5 cm Durchmesser in Plastiklinern zu ziehen. Ein Vorteil besteht darin, dass diese Liner auch zu einem späteren Zeitpunkt und unter kontrollierten Bedingungen im Labor aufgesägt, dokumentiert, beprobt und analysiert werden können (Abb. 2). Ein weiterer Vorteil resultiert aus der Tatsache, dass durch das Aufsägen der Liner längs durch die Mitte zwei Liner-Hälften gewonnen werden, so dass eine Hälfte beprobt, die andere bewahrt werden kann. Die Aufbewahrung der Bohrkerne kann von hohem Nutzen sein, da beispielsweise nicht bei allen Fundstellen neue Bohrkerne gezogen werden können und somit eine archäologische Quelle, die in Zukunft so nicht mehr verfügbar ist, bewahrt werden kann.
4Anfang 2023 konnte zudem erstmals eine umfangreiche Weiterentwicklung der archäologischen Bohrmethode bei der RGK getestet werden. Das hydraulische Bohrsystem ist nun auf einem ATV angebracht und die Bohrsonde kann mit einer Auflast von bis zu 5 t in den Boden gehämmert und ohne schweren Körpereinsatz wieder aus dem Boden gezogen werden (Abb. 1: c).
Potential Boden
5Neben der sehr geringen Zerstörung durch den nur punktuellen Eingriff hat das Bohren als Methode noch zahlreiche weitere Vorteile. Es ist eine sehr effektive Methode zur Erfassung des Erhaltungszustandes archäologischer Fundstellen sowie deren Stratigraphie. Ohne größere Flächen ausgraben zu müssen, kann dadurch datierendes Material geborgen werden. Die Methode kann dabei helfen, unklare Strukturen deuten zu können. Anhand von Bodenproben kann eine ganze Reihe an naturwissenschaftlichen Analysen durchgeführt werden und die Bohrkerne ermöglichen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Geowissenschaften, die ein umfangreicheres Verständnis der natürlichen und anthropogenen Genese archäologischer Fundplätze ermöglicht[1].
6Immer stärker im wissenschaftlichen Diskurs vertreten sind Fragen nach dem anthropogenen Einfluss auf Landschaften und Umwelt in der Vergangenheit – auch hier bietet das Bohren eine sehr gute Methode, um darüber Auskunft geben zu können.
7Bohren als wissenschaftliche Methode wird aktuell noch immer eher mit Geowissenschaften als mit Archäologie verbunden, wenngleich zahlreiche Institute erfreulicherweise auch Arbeitsgemeinschaften und Forscher:innengruppen im Bereich der Geoarchäologie führen.
8Noch seltener dürfte das Aufbewahren und Archivieren der Bohrkerne in der Archäologie sein. Umso wichtiger ist es daher auch, diese Praktik sichtbar zu machen, sich zu vernetzen und sowohl die digitale Archivierung als auch die physische Bewahrung der Bohrkerne und Bodenproben zu verbessern und weiter zu professionalisieren.
9Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass dies nicht nur ein Prozess ist, der Zeit und Geld benötigt, sondern auch Personal, welches hierbei eine Kontinuität gewährleisten kann.
Was ist IGSN?
10Die International Generic Sample Number (IGSN; ehemals International Geo Sample Number) stellt bereits seit 2007 ein System für PIDs und zur Zugänglichkeit von Proben zur Verfügung und ist bisher vor allem in den Geowissenschaften verbreitet.
11IGSN wurde mit Mitteln der National Science Foundation gegründet und verwendet ein System, das auf dem DataCite-Metadatenschema basiert[2], um physischen Proben dauerhafte Identifikatoren zuzuweisen.
12Vor etwa zwei Jahren kündigten DataCite und die IGSN e.V. eine Partnerschaft an, um die weltweite Einführung, Implementierung und Verwendung von PIDs für physische Proben zu fördern.
13»An IGSN ID can be applied to an individual sample, an aggregation of samples, or to a feature-of-interest (the real-world feature that the sample is taken from)«[3]. Der Hauptzweck der IGSN-ID besteht darin, transparente und nachvollziehbare Verbindungen zwischen Forschungen und Forschungsobjekten zu ermöglichen, einschließlich Proben, Sammlungen, Instrumenten, Fördermitteln, Daten, Veröffentlichungen, Personen und Organisationen[4].
14Die IGSN IDs können in Publikationen zitiert werden, über diese wiederrum auf die Metadaten zu den Bohrkernen und Proben zugegriffen werden kann (s. u.).
Nutzung von IGSN an der RGK
15Da im Zuge der Pandemie lange Zeit keine oder nur sehr reduziert Feldforschungen stattfinden konnten, konnten wir die Zeit nutzen, um uns dem physischen Bestand an Bohrkernhälften und Bodenproben, deren Dokumentation sowie der digital vorliegenden Metadaten an der RGK zu widmen.
16Bis vor wenigen Jahren erfolgte keine einheitliche und gebündelte Erfassung; eine Datenbank existierte bisher nicht. Die Bohrkernhälften und Bodenproben lagen grob sortiert in unterschiedlichen Zuständen in den Kellerräumen; Daten und Informationen zu den Bohrkampagnen waren in den einzelnen Projektordnern auf Servern und in Cloudordnern abgelegt.
17Für die Registrierung und Verwaltung der Bohrkern- und Probendaten nutzen wir die Services und Plattform von SESAR (System for Earth Sample Registration; geosamples.org). SESAR fungiert als Allocating Agent für das IGSN System und stellt damit den dauerhaften Zugriff auf den Metadatensatz des registrierten IGSN sicher (es gibt auch in Deutschland Institute, die als Allocating Agent fungieren[5]). Man kann sich dort u. a. als Wissenschaftler:in registrieren und über den Account ein fixes Kürzel als Kennung innerhalb der IGSN-ID reservieren. Da wir an der RGK auch die Übernahme der Schenkung des sog. Brückner-Archivs[6] an das DAI koordiniert und betreut haben, welches Bohrkerne und Proben aus unterschiedlichen DAI-Projekten beinhaltet, haben wir bei SESAR das Kürzel »DAI« reserviert. Alle IDs der Bohrkerne und Proben beginnen daher mit dem Kürzel »IEDAI«.
18Anhand der Templates, die für die IGSN-Registrierung nötig sind, konnten wir eine gute Orientierung finden, welche Daten zentral für eine digitale Langzeitarchivierung der Metadaten sind. Die Registrierung erfolgt dabei auf drei hierarchisch gegliederten Ebenen – gesamter Bohrkern, Linerhälften und Einzelproben aus den Linerhälften.
19Bei den archivierten Einzelproben der RGK handelt es sich um getrocknete und homogenisierte Sedimentproben in sog. Sample Cups, die mittels RFA (Röntgenfluoreszenzanalyse) geochemisch untersucht wurden.
20Bei den Templates sind bestimmte Angaben vorgegeben, die ausgefüllt werden müssen (u. a. material, collection method, coordinates, collector, etc.), zahlreiche weitere Spalten können für die Registrierung zusätzlich dazu gewählt werden.
21Bereits registrierte Bohrkerne und Proben können dann über den sample search auf geosamples.org[7] gefunden werden. Das Suchergebnis liefert Listen, bei denen man die IGSN-IDs entweder einzeln aufrufen oder sich den gesamten Datensatz der Suchabfrage als .csv ausgeben lassen kann. Möchte man sich beispielsweise darüber informieren, ob in einer bestimmten Region Bohrungen durchgeführt wurden, kann man sich diese auch auf der Kartenansicht anzeigen lassen (und auch darüber suchen) (Abb. 3).
22Die letzten Jahre bestanden bei uns also aus einem Abgleich physisch vorliegender Kerne und Proben mit den digital abgelegten Dokumentationen, einer Begutachtung des Zustands der Kerne und Proben, Umverpackung und Verbesserung der Lagerungsbedingungen und einheitlichen Etikettierung. Neben Schimmelbefall, Platzmangel, Feuchtigkeits- und Temperaturproblemen waren auch Zeit- und Personalmangel ständige Begleiter – schließlich stellte der Prozess im Grunde ein eigenständiges Projekt dar.
23Die aufbewahrten Linerhälften wurden inzwischen in sog. D-Tubes verpackt und mit Etiketten versehen, die die IGSN-ID, einen QR Code und eine Kurzbezeichnung des Bohrkerns beinhalten (Abb. 4).
24Bereits vor Übernahme des Brückner-Archivs stießen wir in Frankfurt an die Grenzen des vorhanden Platzes und geeigneter Infrastruktur. Mit der Schenkung des Brückner-Archivs wurde es schließlich dringlicher, eine Lösung für das Platzproblem zu finden. Bisher gibt es keine langfristige Lösung für ein künftiges Bohrkern- und Probenarchiv. Dank der Initiative des Vereins Milzener e.V., mit dem die RGK bereits in anderen Projekten zusammengearbeitet hat, konnte die RGK jedoch in Melaune in Sachsen Räumlichkeiten anmieten. Dort befinden sich inzwischen sämtliche Proben des Brückner-Archivs und ein Teil der aufbewahrten Linerhäften aus RGK-Projekten[8].
25Derzeit sind 353 Bohrkerne und 1132 Linerhälften aus RGK-Projekten mit einer IGSN-ID registriert sowie zusätzlich 13.634 RFA-Einzelproben (aus Bohrkernen und Grabungen). Hinzukommen sechs Bohrkerne und 84 Linerhälften sowie 8473 Einzelproben aus dem Brückner-Archiv, die ebenfalls eine IGSN-ID erhalten haben.
26Die nach den Vorgaben der Templates zusammengetragenen Metadaten zu den Bohrkampagnen und Einzelproben bieten außerdem die Möglichkeit einer Verknüpfung mit der sich aktuell im Umbau befindlichen Feldforschungsdatenbank der RGK[9]. Diese soll künftig auch in Formate der iDAI.world eingebunden werden.
Ausblick
27Für die Zukunft ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für eine Kontinuität in der physischen und digitalen Verwaltung, Speicherung und Lagerung von Bohrkernen und Bodenproben zu schaffen. Dabei müssen sowohl die räumliche Infrastruktur verbessert als auch Zuständigkeiten personell gefestigt werden.
28Hinsichtlich der Nutzung von IGSN, auch über Bohrkerne und Sedimentproben hinaus, lohnt ein Dranbleiben – seit dem Vorhaben, mit DataCite das IGSN-ID System über die Geowissenschaften hinaus attraktiv und nutzbar zu machen, ist einiges in Bewegung gekommen. Hinsichtlich der immer größeren Bedeutung und der Dringlichkeit eines nachhaltigen Forschungsdatenmanagements und auch in Hinblick auf die Vorhaben der NFDI-Konsortien, werden sich hier künftig sicher fruchtbare Überschneidungen ergeben.
Dank
29Unser Dank geht an das gesamte Team des Referats für Prospektions- und Grabungsmethodik, besonders an Knut Rassmann, dessen Idee es war, Bohrkernhälften aufzubewahren sowie Roman Scholz für die Unterstützung. Wir danken außerdem den Mitgliedern des Vereins Milzener e.V. für die gute Zusammenarbeit.
Abstracts
Zusammenfassung
Persistente IDs für Bohrkerne und Proben – IGSN für die Archäologie
Isabel A. Hohle – Ellen Braune – Matthias Bemmann
Der kurze Beitrag stellt die Anwendung der International Generic Sample Number (IGSN) als Persistent Identifier (PID) für Bohrkerne und (Sediment-) Proben aus archäologischen Kontexten vor. Bohrprospektionen als minimal-invasive archäologische Methode und der Boden als archäologisches Archiv gewinnen zunehmend an Bedeutung. An der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) hat sich diese Methode in den letzten Jahren stärker etabliert. Umso wichtiger wurde es daher, diese Feldforschungsmethode in ein nachhaltiges Konzept des Forschungsdatenmanagements einzubinden. IGSN bietet hier ein in den Geowissenschaften bereits etabliertes System, das sich an den FAIR-Prinzipien orientiert und sich ebenso gut für archäologische Kontexte eignet.
Schlagwörter
Bohrung, Probe
Abstract
Persistent Identifier for drill cores and sediment samples – IGSN in Archaeology
Isabel A. Hohle – Ellen Braune – Matthias Bemmann
The short paper presents the application of the International Generic Sample Number (IGSN) as a Persistent Identifier (PID) for drill cores and (sediment) samples from archaeological contexts. Coring as a minimally invasive archaeological method and the soil as an archaeological archive are becoming increasingly important. This method has become more established at the RGK in recent years. It was therefore all the more important to integrate this field research method into a sustainable concept of research data management. IGSN offers a system that is already established in the geosciences, which follows the FAIR principles and is also suitable for archaeological contexts.
Keywords
Drilling, Sample
Bohren als effektive minimal-invasive Methode in der Archäologie
Potential Boden
Was ist IGSN?
Nutzung von IGSN an der RGK
Ausblick
Dank
Abstracts
2023